Steffen Jost zur aktuellen Situation des Textileinzelhandels

Anspruchsvolle Ziele im Visier

Deutschland befindet sich gesamtwirtschaftlich nach wie vor in einem stabilen Konjunkturumfeld. Die Arbeitslosenzahlen sind deutlich gesunken. Die Steuereinnahmen sprudeln. Die Einkommen sind gestiegen. Profitiert davon auch der Textileinzelhandel? Leider nur bedingt. Denn der gewohnte Zyklus, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eines Wirtschaftsaufschwunges der Konsum eine tragende Rolle übernimmt, ist bisher ausgeblieben. Die aktuellen Ursachen sind bekannt: Mehrwertsteuererhöhung, Unsicherheit über die Konjunktur, Inflation mit enormen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln sowie die hohe Sparquote, um nur einige zu nennen.

Seit einigen Jahren führt der BTE Ende November eine repräsentative Umfrage im Textileinzelhandel durch. Danach konnten rund zwei Drittel der Befragten entweder ihren Umsatz erhöhen oder zumindest halten. Hochgerechnet auf dieser Basis wird die Branche im Jahr 2007 mit Bekleidung, Heim- und Haustextilien sowie Accessoires einen Umsatz von rund 58 Mrd. Euro erzielen. Allerdings musste der Handel seine Umsätze auch in diesem Jahr mit weniger Kunden erzielen, denn 54 Prozent der Befragten klagen über eine rückläufige Kundenfrequenz. Immerhin gelang aber 44 Prozent der Firmen eine Kompensation durch einen höheren Umsatz pro kaufendem Kunden.

Trotzdem ist das Umsatzplus kein Grund zur Euphorie. Denn alleine um die vom Gesetzgeber gewollte Mehrbelastung der Bürger durch die höhere Mehrwertsteuer auszugleichen, hätte der Umsatz des Textileinzelhandels auf Basis 2006 um mindestens 2,6 Prozent steigen müssen. Noch gravierender sind die Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung allerdings auf die Spannen des Einzelhandels. Nach einer BTE-Untersuchung für das erste Halbjahr 2007 ist zwar die erzielte Spanne um 1,2 Prozentpunkte von durchschnittlich 53,2 im ersten Halbjahr 2006 auf 54,4 Prozent im ersten Halbjahr 2007 gestiegen. Um die Mehrwertsteuererhöhung auf der Ertragsseite zu kompensieren wären aber 2,2 Prozentpunkte notwendig gewesen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Sortimentspolitik des Textileinzelhandels. Sie hat in den letzten Jahre grundlegende Änderungen erfahren. Sie ist vielfältiger geworden und stellt den betriebswirtschaftlich sinnvollen Einsatz der Verkaufsfläche immer stärker in den Mittelpunkt. Dabei werden vor allem die Marken immer wichtiger. Die führenden Marken haben sich über frühere Produktgrenzen hinaus entwickelt und treten heute als Kombi- oder Lifestyle-Anbieter mit einer breiten Produktpalette auf. Der Handel widmet ihnen inzwischen einen erheblichen Teil seiner Verkaufsflächen und systematisiert darüber hinaus auch die ständige Warenversorgung.

Um sich im Wettbewerb zu behaupten, sind Investitionen überlebenswichtig. Angesichts sinkender Kundenzahlen kommt dabei vor allem der Qualität der Mitarbeiter eine große Bedeutung zu. Warenkenntnisse, Kommunikationsfähigkeit, Freundlichkeit und soziale Kompetenz sind gefragt. Investitionen in Ladenbau und Ladenlayout dienen einer verbesserten Präsentation der Ware und der Aufenthaltsqualität. Angesichts negativer Renditen ist das eine große Herausforderung für den Handel.

Für 2008 hat sich der Textileinzelhandel anspruchsvolle Ziele gesetzt. Denn 40 Prozent der Unternehmen erwarten eine Umsatzverbesserung und 46 Prozent immerhin den Erhalt des Umsatzniveaus von 2007. Als wesentliche Strategien setzt man hierbei auf Standortsicherungsmaßnahmen und eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Lieferanten, deren Zahl gleichzeitig verringert werden soll. Zur Ertragssicherung wird vor allem auf Kostenreduzierung gesetzt. Dies soll aber nicht, wie sonst häufig praktiziert, durch Personalabbau erreicht werden. Immerhin 15 Prozent der Firmen planen Neueinstellungen und 72 Prozent wollen ihren bisherigen Personalstand halten.
aus Haustex 01/08 (Wirtschaft)