Allergene in Textilien

Neues wirkungsbezogenes Prüfverfahren


Bönnigheim - Medienberichte schüren immer wieder den Verdacht, dass Textilien Allergien auslösen können. Als Hauptursache werden dabei zumeist darin enthaltene Farbstoffe an den Pranger gestellt. Der bislang sicherste Weg für Textilhersteller, dieses Risiko zu minimieren, sind substanzbezogene Schadstoffprüfungen auf bereits bekannte allergene Farbstoffe wie beispielsweise nach Oeko-Tex Standard 100. Bei Verwendung von Textilfarbstoffen oder Chemikalien, deren allergenes Potenzial noch nicht bekannt ist (z. B. bei nicht durch Oeko-Tex abgesicherter Importware), bleibt demzufolge ein Restrisiko.
Jahrzehntelang haben Wissenschaftler deshalb weltweit an wirkungsbezogenen Prüfverfahren gearbeitet, um neben der Analytik auf einzelne Allergene auch die restlichen allergenen Potenziale von chemischen Abbauprodukten und Substanzkombinationen bei Textilprodukten zu beurteilen. Den Forschern des Instituts für Hygiene und Biotechnologie (IHB) an den Hohenstein Instituten ist dieser Schritt nun gelungen: Mittels eines einfachen in-vitro Zellkulturtests können erstmals selektiv Allergiepotenziale von Textilien sicher erfasst werden, z. B. bei Verwendung unbekannter Farbstoffe, Farbstoffbestandteile oder anderer Chemikalien, für die bislang keine Sensibilisierungsdaten vorliegen. Hersteller erhalten für erfolgreich überprüfte Artikel ein entsprechendes Zertifikat und dürfen ihre Produkte mit dem Hohenstein Qualitätslabel "Hautfreundlich - für Allergiker geeignet" auszeichnen und bewerben.

Zur Überprüfung von Rohstoffen, Textilien und anderen Produkten verwenden die Wissenschaftler des IHB spezielle Immunzellen, die als "Wächterzellen" der Haut gelten. Diese Immunzellen können von außen eindringende Antigene aus benachbarten Zellen der Oberhaut aufnehmen, erkennen und eine entsprechende Immunantwort auslösen. Sie entscheiden damit über den Startpunkt einer Allergie. Die Wächterzellen werden dabei in der Zellkultur gehalten und übernehmen wie in der menschlichen Haut die Aufgabe, eine Chemikalie als Allergen einzustufen. Erkennen sie eine aus dem Textil gelöste Substanz als körperfremd, so präsentieren sie das Allergen zusammen mit spezifischen Markermolekülen auf ihrer Zelloberfläche. Anhand dieser Markermoleküle lässt sich der entscheidende Prozess - die Erkennung der Substanz und ihre Einstufung als Allergen - quantifizieren.

Die neue Testmethode empfiehlt sich für eine Vielzahl von in-vitro Produktprüfungen, um Sensibilisierungsrisiken (allergenes Potenzial) zu erfassen. Sie ergänzt in idealer Weise den Epikutantest, ein etabliertes und normiertes (EN ISO 10993-10) Nachweisverfahren für Kontaktallergien, welches an den Hohenstein Instituten bereits für textile Medizinprodukte angewendet wird. Das neue in-vitro Verfahren besitzt gegenüber dem Hauttest jedoch den klaren Vorteil, dass es alle von Textilien ausgehenden allergenen Wirkungen erkennt und zugleich eine Austestung von Allergenen erlaubt, für die keine sonstige Bestimmung möglich ist (z. B. unbekannte Reaktions- und Abbauprodukte chemischer Substanzen). So können beispielsweise auch native Allergene in flüssiger oder fester Zustandsform überprüft werden, was den Test zu einer interessanten in-vitro Alternative im Hinblick auf die Ermittlung des allergenen Potenzials von Chemikalien macht, für die im Rahmen der REACh-Gesetzgebung Angaben zur Toxikologie in Form einer Stoffsicherheitsbeschreibung zu leisten sind.

Das neue Prüfverfahren stellt eine sinnvolle Ergänzung der Schadstoffprüfungen nach Oeko-Tex Standard 100 dar, um den Verbrauchern ein Höchstmaß an Produktsicherheit zu bieten. Neben den bereits etablierten Prüfverfahren zur Zellschädigung (Zytotoxizität), DNA-Schädigung (Genotoxizität) und Irritation, ist damit an den Hohenstein Instituten ein vierter wirkungsbezogener Test verfügbar, der die Fragen nach der Sicherheit und Verträglichkeit von Textilien wissenschaftlich seriös beantwortet - d. h. getrennt für die vier Risiken. Denn auch bei Medizinprodukten werden biologische Risiken in getrennten Testsystemen gemäß Norm EN ISO 10993 hinsichtlich Zellschädigung, DNA-Schädigung, Irritation und Allergie selektiv erfasst.
aus Haustex 04/09 (Wirtschaft)