Goodweave / Trans Fair e.V.

Verwirrung über Rugmark

Bei Rugmark, der bekannten Organisation gegen Kinderarbeit in der Teppichherstellung, brodelt es. Unstimmigkeiten zwischen Rugmark Indien und Rugmark Europa / USA haben sich so zugespitzt, dass es zu einer Trennung kam. Öffentlich wurde der Streit mit der Einführung des neuen Good Weave Siegel, der das eingeführte Rugmark-Siegel auf Seiten von Rugmark Europa / USA ersetzen soll. Die Zusammenarbeit mit Rugmark Indien wurde beendet. Im Gegenzug wurden Stimmen aus Indien laut, dass Rugmark Indien jahrelang keine Gelder aus Europa und den USA bekommen hätte. Über die Hintergründe drang wenig in die Öffentlichkeit. Carpet XL hat in Köln und Neu Delhi nachgefragt und veröffentlicht die Antworten auf die Fragen hier im Wortlaut.

Tina Gordon, Good Weave

CXL: Warum wurde das sehr bekannte Rugmark-Siegel zu Gunsten des neuen Good Weave-Siegels aufgegeben?

Tina Gordon: Angesichts von Klimadebatte und Finanzkrise wird immer deutlicher, dass sich Unternehmen bei der Herstellung ihrer Produkte über Umweltschutz und soziale Verantwortung Gedanken machen müssen. Sozialsiegel, die an der Schnittstelle von Wirtschaft und Zivilgesellschaft stehen, tragen Mitverantwortung hierauf Antworten zu finden und aktiv zu werden.

Das neue Good Weave-Siegel hat sich auf diesen Weg gemacht. Über die Verhinderung ausbeuterischer Kinderarbeit in der Teppichindustrie hinaus, werden zusätzliche Sozial- und Umweltkriterien in den neuen Standard aufgenommen und zusammen mit den Stakeholdern aus Industrie, Zivilgesellschaft und Experten entwickelt. Hiermit wird das Siegel internationalen Ansprüchen und Herausforderungen gerecht.

Außerdem gibt es mittlerweile Produktionsstätten, die spezifische Standards und Zertifizierungsverfahren erfordern: Heimarbeit, Fabrikproduktion oder Manufakturen werden zukünftig auf unterschiedliche Art und Weise überprüft. Soziale Maßnahmen werden mit Nichtregierungsorganisationen vor Ort durchgeführt.

CXL: Warum wurde die Zusammenarbeit mit Rugmark India beendet?

Tina Gordon: Die Rugmark Foundation India war zum einen nicht gesprächsbereit für die Einleitung notwendiger Reformen. Außerdem informierte sie nicht in ausreichendem Maße über das Zertifizierungssystem und die Verwendung der an sie weitergeleiteten Lizenzeinnahmen.

Die Rugmark Organisationen in den USA, Nepal, Großbritannien und Trans Fair Deutschland haben immer wieder um entsprechende Nachweise gebeten, diese aber nicht erhalten. Daraufhin wurden die Gelder ab 2007 dann auf ein Treuhandkonto überwiesen. Jetzt müsste die Rugmark Foundation India transparent und glaubwürdig nachweisen, wofür sie das Geld verwenden will.

Auf viele berechtigte Nachfragen aus den USA, Großbritannien, Nepal und Deutschland gab es keine zufrieden stellenden Antworten oder entsprechende Berichte. Es war keine einfache Entscheidung, aber nach jahrelangen erfolglosen Versuchen mit der Rugmark Foundation Indien über neue Entwicklungen und Anforderungen an Sozialsiegel ins Gespräch zu kommen, gab es keine andere Option mehr, als die Beziehung zu beenden.

CXL: Wie sieht jetzt die praktische Arbeit aus?

Tina Gordon: Die Rugmark Initiativen aus den USA, Großbritannien, Nepal, Good Weave India und Transfair Deutschland sind über Rugmark International e.V. Mitglied der ISEAL-Alliance geworden. Dies ist eine Dachorganisation von Umwelt- und Sozialsiegeln, die einen Best Practice Code für die Entwicklung von Standards, deren Überprüfung und Wirkung vorgeben und einen demokratisch geprägten Strukturaufbau beinhalten.

Mit dieser Begleitung werden wir im Laufe der nächsten Jahre gemeinsam mit Exporteuren, Importeuren, Nichtregierungsorganisationen und Experten aus den verschiedenen Bereichen Kriterien für den neuen Standard und entsprechende Projekte für den sozialen Bereich sowie Gesundheits- und Umweltprojekte entwickeln.

Dies ist in Indien im Teppichgürtel bei Varanasi und in Panipat geplant und findet in Nepal, in der Kathmandu - Region, bereits statt. Es sind Projektkooperationen mit lokalen NGOs vorgesehen sowie Gespräche mit Akteuren, die von Deutschland aus in diesem Bereich aktiv sind. Wir laden Organisationen, die Projekte in diesen Regionen durchführen ein, mit uns zu kooperieren und bieten Zusammenarbeit und Co-Finanzierung an.

Das neue System sieht vor, dass in Abstimmung mit den Beteiligten vor Ort, auch mit den Produzenten, Projekte und Maßnahmen entwickelt werden. Natürlich werden wir uns dem Thema der Abschaffung ausbeuterischer Kinderarbeit nach wie vor in besonderer Weise widmen.


Dietrich Kebschull, Rugmark India


CXL: Warum wurde das sehr bekannte Rugmark-Siegel zu Gunsten des neuen Good Weave-Siegels aufgegeben?

Dietrich Kebschull: Das Rugmark-Siegel wurde nicht aufgegeben. Es wurde zu Beginn der neunziger Jahre von der Rugmark India Foundation eingeführt. Copyright- und Trademark-Rechte liegen weiterhin bei Rugmark India.

Das neue Siegel wurde von den Vermarktungsbüros eingeführt, die Rugmark bei Importeuren und Verbrauchern sowie in der breiten Öffentlichkeit als Sevicebüros bekannt machen sollten. Da die Vermarktungsbüros Rugmark nicht im Alleingang übernehmen konnten, suchten sie den Eindruck zu erwecken, als werde Rugmark einvernehmlich durch Good Weave ersetzt. Hersteller und Käufer wurden getäuscht. Rugmark India hat die beteiligten Unternehmen angeschrieben und über ein Anwaltsbüro informieren lassen, dass Rugmark weiterhin besteht und seine Arbeit unverändert fortsetzt. Dies gilt für die Inspektionen ebenso wie fuer die Sozialprojekte (unter anderem sechs Schulen, ein Kinderheim, Gesundheitsfür- und -vorsorge, usw.)

Für ein neues Siegel gibt es keine rationale Begründung. Denn Rugmark India prüft nicht nur den Aspekt der Kinderarbeit und der Mindestlöhne, sondern auch darüber hinaus soziale und ökologische Mindeststandards, wo immer dies möglich ist ( z.B. in Teppichfabriken). Dabei folgt es dem Standard ISES 2020, der nahezu deckungsgleich mit den Normen der Business Social Compliance Initiative (BSCI) ist, die von der Außenhandelsvereinigung des deutschen Einzelhandels in vielen Ländern und Industrien angewandt wird. Er entspricht auch weitgehend dem Standard SA 8000.

Das neue Siegel Good Weave wurde bewusst hinter dem Rücken von Rugmark India vorangetrieben. Dabei wurde der Eindruck erweckt, als spreche man für und im Auftrag von Rugmark India. Tatsächlich ist es aber der Versuch, Rugmark aus dem Markt zu drängen und Rugmark-Mitglieder unter Vorspiegelung falscher Behauptungen abzuwerben. Insofern besteht keine Veranlassung, dieses Siegel zu unterstützen.

CXL: Aus welchem Grund wurde die Zusammenarbeit mit Rugmark beendet?

Dietrich Kebschull: Die Servicebüros in den Verbraucherländern hatten die Aufgabe, für Rugmark-Teppiche "ohne Kinderarbeit" zu werben. Doch gab es nach einiger Zeit, speziell mit dem Deutschlandbüro, grundlegende Unterschiede in der Frage der Vorgehensweise. Indien und Pakistan ging es primär um positive PR zur Sicherung und Ausweitung des Absatzes. So sollten Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten für besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen gesichert und zusätzlich geschaffen werden. Mit den Herstellern und Käufern musste deshalb ein partnerschaftliches Verhältnis aufgebaut werden. Stattdessen setzten die Büros in den Absatzmärkten aber auf negative PR, das heißt auf möglichst verwerfliche Horrorgeschichten (speziell vor Weihnachten) zur Einwerbung von Mitteln.

Zudem hätten die Einkäufer partnerschaftlich angesprochen und behandelt werden sollen. Nach Auffassung von Rugmark India erfolgte dies nicht in ausreichendem Masse und nicht in der adäquaten Form.

Diskrepanzen gab es auch in der Frage der Mittelverwendung. Nach unserer Ansicht ist jeder Cent für die Kinder zu verwenden und nicht für aufwendige Büros und Gehälter. Aus diesen Gründen, vor allem wegen der unzureichenden Werbung und Serviceleistungen bei Importeuren und anderen Käufern hat Rugmark India das deutsche Rugmark-Büro mehrfach gemahnt. Da dies wirkungslos blieb, wurden die Beziehungen 2005 von Rugmark India gekündigt.

CXL: Ist es wahr, dass Rugmark Indien in den letzten Jahren kein Geld von Rugmark erhalten hat?

Dietrich Kebschull: Es ist wahr. Nach der Kündigung versuchte Rugmark Deutschland uns auszuhungern, indem es die in Deutschland eingesammelten Mittel nicht mehr überwies (so wie das über zehn Jahre zuvor gemacht wurde). Die vorgeschobenen Gründe (mangelnde Transparenz, etc.) haben wir widerlegt. Sie sind nicht haltbar. Das Verhalten unseres ehemaligen Büros in Deutschland ist eindeutig rechtswidrig.

Um uns vollständig das Wasser abzugraben, schlossen sich die Büros in Großbritannien und USA an. Seit einiger Zeit versuchen sie nun auch, Rugmark durch ein anderes Siegel zu ersetzen und den Eindruck zu erwecken, als sei dies abgesprochen.

Da die Zurückhaltung der Mittel und das gesamte Vorgehen illegal sind, haben wir die Angelegenheit den Rechtsanwälten übergeben, und entsprechend werden die Gerichte über den Vorwurf der Unterschlagung und ähnliches befinden. Wir werden unsere Arbeit wie in der Vergangenheit fortsetzen und sind sicher, dass die Gerechtigkeit sich durchsetzen wird.
aus Carpet Magazin 01/10 (Wirtschaft)