Christian Dierig

Ein Blick nach vorne, einer zurück


Augsburg - Christian Dierig, Geschäftsführer von Fleuresse und Konzernchef der Dierig AG, spricht von einem guten Jahr 2010 für Fleuresse wie auch für die Konzernschwester Kaeppel. Er stellt fest, dass die Konsumenten beim Kauf von Bettwäsche wieder gerne zu einer Marke greifen. In Bezug auf die Marke Fleuresse entwickelt sich die Installation neuer Shops-in-shop recht gut. Nachfolgend seine Ausführungen im Wortlaut:

Das Jahr 2010 brachte wohl für uns alle ebenso viele Überraschungen mit sich wie das Jahr 2009, nur waren sie bei uns in diesem Jahr positiver Natur. Waren wir 2009 noch alle ein wenig sprachlos ob der über uns hereinbrechenden Negativschlagzeilen, so waren wir 2010 doch hoch erfreut über den stark anziehenden Export, begleitet von einer sich langsam entwickelnden Inlandsnachfrage. Während wir 2009 doch erhebliche Einbrüche im Export hatten, konnten diese 2010 überkompensiert werden, so dass wir bei Fleuresse über dem Stand von 2008 liegen, das heißt Marktpräsenz und -position konnten erfreulich ausgebaut werden. Insbesondere gilt dies in der Schweiz und in Österreich sowie in den dortigen Anrainerstaaten.

Diese erfreuliche Situation wurde natürlich getrübt durch die völlig unvorhergesehenen Baumwollpreiserhöhungen, die langfristige Auftragsabwicklungen sehr schwierig machten und machen und ein großes Fingerspitzengefühl in der Kommunikation mit den Kunden verlangten. Dennoch ist Fleuresse mit dem Jahr 2010 zufrieden, allerdings mit der gebotenen Vorsicht, denn allzu große Sicherheit sehen wir noch nicht in der jetzigen Entwicklung. Die momentane politische Situation ist für uns eine eher enttäuschende. War die Regierung insgesamt im Jahr 2008/2009 mit ihren schnellen Reaktionen auf die Krise und ihren Konjunkturprogrammen noch führend in den Aktionen, so vermisst man im Moment die politisch konsequente Ausrichtung. Viele Politiker üben sich in opportunistischen Seitenwechseln, was bei den Konsumenten bestenfalls Sparen zur Folge hat. Das Konsumklima könnte deutlich mit strukturierten Programmen und verlässlichen Aussagen verbessert werden, denn nichts mag der deutsche Konsument weniger als tägliche Richtungswechsel.
Die Chancen für einen wirtschaftlichen Aufschwung sind ja groß, da ein erfreulicher Aufschwung 2010 bereits stattgefunden hat. Die Stabilität allerdings hängt wie so oft auch an den Amerikanern, wenngleich nicht mehr so stark wie noch in der Vergangenheit. Hier gibt es durchaus Anlass zur Skepsis, denn die amerikanische Wirtschaft und insbesondere deren Produkte haben sich nicht wirklich verändert. Ihre Attraktivität ist also abhängig vom Dollarkurs, was dann ein Wettlauf mit den Chinesen wird, und wer diesen gewinnt, ist mittelfristig doch recht eindeutig.

Ganz wesentlich wird das Ergebnis des Jahres 2011 geprägt sein von der Akzeptanz des Konsumenten eines höheren Preisniveaus für Baumwollwaren. Der Anstieg der Baumwolle um mehrere 100 Prozent in den letzten zwei Jahren macht deutlich zweistellige Preiserhöhungen bei den Baumwollprodukten unabdingbar. Hier könnte es durchaus sein, dass der Markt für hochpreisige Produkte ein wenig an mengenmäßigem Volumen verliert zugunsten der etwas niedrigeren Qualitäten. Dies wäre ausgesprochen bedauerlich, da sich gerade in Deutschland die Marke und die dahinter stehende Qualität in den letzten Jahren doch wieder etablieren konnten. Im Gegenzug werden allerdings die Importe auch deutlich teurer, so dass für europäische Fertigungen hier durchaus wieder Chancen bestehen, insbesondere wenn man eine vernünftige Zuverlässigkeit bei der Belieferung der Kunden sicherstellen kann. Durch die erratischen Erhöhungen der Baumwolle sind ausländische Lieferverpflichtungen zum Teil sehr sportlich gesehen worden und viele langfristige Verträge wurden dann nicht mehr bedient. Hier bieten die europäischen Anbieter doch sehr viel mehr Sicherheit.

Die Frequenz der Heimtextil war deutlich schlechter als im Krisenjahr, sprich Januar 2010, die Halle 8 ein noch schlimmeres Sammelsurium von allen möglichen Im- und Exporteuren, und die Halle 11 zeichnete sich durch elegant gelüftete Grabesstille aus... Gerade die kleinen Unternehmen, die man nur unter großem Aufwand mit dem Außendienst bedienen kann, kommen nicht zur Messe. Wenn es so weiter geht, werden nicht nur wir nicht mehr zur Heimtextil gehen. Hier ist dringend Aktion erforderlich, weil wir ja eigentlich eine starke Messe bräuchten.
aus Haustex 02/11 (Wirtschaft)