Interview mit Hans-Gerd Kierdorf

"Der Verdrängungswettbewerb ist extrem"


Hans-Gerd Kierdorf gründete 1983 die Kierdorf & Partner GbR als Unternehmensberatung. Sie gehört heute zu den führenden Lizenzagenturen im Fashion Business.

Haustex: Einige Modemarken sind sehr erfolgreich im Lizenzgeschäft, andere weniger oder verschwinden ganz vom Markt. Was muss eine Marke haben oder tun, um eine Brand Extension erfolgreich zu gestalten und im Markt bestehen zu können?

Hans-Gerd Kierdorf: Es muss ein gewisser Bekanntheitsgrad vorhanden sein und ein gutes Image. Aber das ist nicht alles. Marken wie Coca Cola kennt jeder und sie haben selbstverständlich ein gutes Image - aber wer möchte schon gerne in solch einer Bettwäsche schlafen? Das sieht eher nach Werbemitteln bzw. Merchandising-Produkten aus als nach echter Markenbettwäsche. Auch muss die Positionierung einer Marke klar sein, das Preisgefüge muss stimmen und zur Zielgruppe passen. Und man braucht eine klare Distributionsstrategie. Brand Extension bedeutet, dass eine Marke belebt wird durch neue Produkte, neue Vertriebswege und verstärkte Endverbraucherkontakte. Wichtig ist in jedem Fall das Zusammenspiel von Lifestyle-Welten. Farblich, designmäßig, vertriebsmäßig, preislich muss alles passen. Deshalb ist nicht nur die Abstimmung der Lizenznehmer mit dem Lizenzgeber wichtig, sondern auch die Abstimmung der Lizenznehmer untereinander.

Haustex: Gibt es - eventuell geschätzte - Zahlen, wie viel Umsatz im Bereich Heim- und Haustextilien mit Lizenzen erzielt wird?

Kierdorf: Wir haben vor einigen Jahren einmal die Umsätze von knapp 40 Fashion-Brands mit Bett- und Badtextilien hochgerechnet. Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre betrachtet und die Umsätze mit weiteren Marken, besonders im Kinderbereich, bedenkt, werden damit mindestens 50 Mill. Euro pro Jahr im deutschsprachigen Raum umgesetzt.

Haustex: Ist der Markt noch aufnahmefähig für weitere Marken? Oder ist der Verdrängungswettbewerb mit etablierten Heim- und Haustextilien-Anbietern bereits in vollem Gang?

Kierdorf: Der Verdrängungswettbewerb ist in vollem Gang. Wenn ich mit den etablierten Herstellern mit eigener Marke rede, hat hier eine starke Umsatzverschiebung stattgefunden. Mit den Eigenmarken hat man verloren, mit Lizenzen aber den Umsatz ausbauen können. Die Umsatzverteilung geht also eher zu Lasten der Etablierten. Grundsätzlich ist die Aufnahmefähigkeit bei den Endverbrauchern erfahrungsgemäß höher als beim Handel, sie sind im Modebereich viel mutiger. Der Handel ist oft die Bremse. Aber der Verdrängungswettbewerb ist schon extrem. Siehe letzte Heimtextil, wo Boss und Escada mit ihren Home Collections Premiere hatten. Ich rechne damit, dass Marc OPolo demnächst auftaucht. Das passt eigentlich gut. Auch Bogner. Es ist nicht klar, warum die diesen Schritt noch nicht getan haben. Aber das sind nur Vermutungen von mir.

Haustex: Welche Marken betreuen Sie?

Kierdorf: Wir betreuen u. a. bugatti, Tom Tailor, Otto Kern, Bruno Banani als Fachhandelsmarken und U.S. Sport America sowie neu Maui Sports für den Massmarket wie NKD, Realkauf usw.

Haustex: Planen einige dieser Unternehmen eine Ausweitung der Lizenzen auf andere Produkte im Bereich Heimtextilien, Teppiche, Tapeten, Möbel usw.?

Kierdorf: Nach unserer Erfahrung ist es einfacher mit Bett, Bad und Plaid als mit Dekostoffen, Teppichen, Möbeln. Obwohl, Tom Tailor hat sich hier sehr stark entwickelt, macht jetzt auch Möbel. Ich denke, der Möbelmarkt ist sicherlich für Modemarken interessant - und umgekehrt. Denn hier gibt es noch weniger Marken als bei den Heimtextilien. Und die wenigen Marken haben keinen hohen Bekanntheitsgrad. Das hat der Möbelhandel verhindert, der immer nur den Rotstift ansetzt, nur rote Preise kennt. Aber jetzt entstehen Flächenkonzepte mit Marken wie Esprit und Joop!. Auch der Tischwäschemarkt ist schwierig. Die GfK hat 2009 bei einer Untersuchung festgestellt, dass der Auper-Haus-Konsum rund 5 Mrd. Euro an Umsatz verloren hat. Die Leute kochen mehr zu Hause. Wir haben auf allen Kanälen Kochsendungen. Dort wird auch Wert auf Tischdekoration gelegt. Ich dachte, das müsste sich auf den Tischwäschemarkt auswirken.

Haustex: Welche Bekleidungshersteller werden demnächst mit Heim- und Haustextil-Lizenzen auf den Markt kommen? Was ist davon schon spruchreif?

Kierdorf: Einige denken darüber nach. Demnächst einsteigen wollen Baldessarini und Mistral. Ich könnte mir Baldessarini auch gut mit Möbeln vorstellen. Und noch zwei weitere, sehr feminine Marken wollen in den Heimtextilien-Markt einsteigen. Aber keine Bekleidungsmarken, hier kommt die modische Absenderkompetenz aus einer anderen Richtung. Wann genau es soweit sein wird, ist noch nicht spruchreif, aber es ist in der Planung.

Haustex: Haben Ihrer Meinung nach Monolabel-Stores mit Wohntextilien und Accessoires à la Ralph Lauren Chancen im deutschen Markt?

Kierdorf: An Monostores in diesem Bereich glaube ich nicht. Ich bin da etwas skeptisch, ob das wirtschaftlich funktioniert. Das funktioniert eher mit einem großen Flagship-Store als Marketing-Tool. In Deutschland ist der Möbelhandel verdammt stark. Ich sehe die Zukunft eher mit Marken Shop-in-Shops im Möbelhandel.

Haustex: Ist das Geschäft mit Lizenzen auch für die Lizenzgeber lukrativ? Oder ist es eher eine Image-Sache?

Kierdorf: Die Lizenzgebühren, über alle Produktbereiche gesehen, liegen im Schnitt bei 7,2 Prozent vom Hersteller-Abgabepreis. Bei Heim- und Haustextilien sind es eher 8 - 10 Prozent. Diese können freilich nicht die Umsätze bringen wie Lizenzen mit Schuhen oder Parfüm. Aber bei den Modemarken ist nicht nur das Geld wichtig, sondern es geht darum, die Marke aufzuladen und zu forcieren.
aus Haustex 10/11 (Wirtschaft)