Interview des Monats: Cotton International/COTTON USA, Düsseldorf

"Öko-Baumwolle ist nicht gleichzusetzen mit Nachhaltigkeit


Baumwolle ist der textile Rohstoff schlechthin. Wie wichtig er für die Textilindustrie ist, zeigte das letzte Jahr, als eine enorme Verknappung eintrat und die Baumwoll-Preise in ungeahnte Höhen schossen. Andererseits leidet das Image der Baumwolle unter Diskussionen über ihren Umwelt-Einfluss. Haustex nahm die Internationale Baumwolltagung in Bremen zum Anlass, darüber mit Allen Terhaar zu sprechen, Senior Advisor und ehemaliger Executive Director der amerikanischen Baumwollmarketing-Organisation Cotton Council International, und mit Edelgard Baumann, International Marketing-Manager des CCI.

Haustex: Wie bewerten Sie die aktuelle, weltweite Nachfrage- und Angebotssituation für Fasern allgemein und Baumwollfasern im Speziellen?

Allen Terhaar: Über Jahre verlief die Entwicklung des Baumwollpreises eher langweilig und verharrte auf einem sehr niedrigen Niveau von etwa 50 bis 75 Cent pro amerikanischem Pfund, bis er sich dann im letzten Jahr auf einmal in der Spitze mehr als vervierfachte. Diese Entwicklung resultiert einerseits aus steigenden Preisen für andere Agrarprodukte wie Soja oder Mais. Sie ließen zahlreiche Baumwoll-Bauern wegen der besseren Ertragsmöglichkeiten weltweit zu diesen Produkten wechseln. Hinzu kam, dass die Lagerhaltung von Baumwolle aufgrund der Finanzkrise rückläufig war und dass der weltweite Verbrauch von Baumwolle die Ernteerträge übertraf. Nach dem Ende der Finanzkrise versuchte die Baumwolle verarbeitende Industrie, ihre Baumwollbestände daher wieder aufzubauen. Zu allem Überfluss vernichtete eine Flut in Pakistan große Anbaugebiete von Baumwolle. Es folgte ein Exportstopp für indische Baumwolle, um die heimische Nachfrage zu schützen. Es war, als hätten sich alle Umstände gegen die Baumwolle verschworen. Angesichts dieser Marktbedingungen sorgten sich die Baumwollunternehmen um den ausreichenden Nachschub von Baumwolle und gerieten geradezu in Panik. Tatsächlich war es so, dass das Angebot von Baumwolle zu dem Zeitpunkt so gering war wie seit langer Zeit nicht mehr. Der Preis für Baumwolle überstieg daher vor gut einem Jahr kurzzeitig die Marke von zwei Dollar.

Haustex: Inzwischen ist der Preis allerdings wieder deutlich gefallen.

Terhaar: Das stimmt, er liegt aber immer noch höher als zu der Zeit vor der Preisexplosion. Glücklicherweise, da es ja weiterhin den Wettbewerb verschiedener Saaten auf der vorhandenen landwirtschaftlichen Fläche gibt. Fiele der Preis wieder unter ein bestimmtes Level, würde der Baumwoll-Anbau wieder uninteressant werden. Zwar sind inzwischen auch die Preise für Mais, Soja und andere Getreide gefallen, aber nach wie vor sind die Lagerbestände so niedrig wie seit 40 Jahren nicht mehr. Heute reicht die Reserve für Mais nur noch rund 50 Tage. Der Baumwollbestand reicht gut 200 Tage. Um langfristig ein Baumwoll-Angebot zu haben, das der Marktnachfrage entspricht, brauchen wir einfach einen Preis, der über dem vor fünf oder zehn Jahren liegt.

Haustex: Wo liegt Ihrer Meinung nach die Preisschwelle für Baumwolle, die nicht unterschritten werden darf?

Terhaar: Ich schätze, dass der Baumwoll-Bauer langfristig einen Preis zwischen 80 Cent und 1,10 Dollar benötigt, damit seine Kosten gedeckt sind und er nicht zu einer anderen Saat wechselt. Kurzfristig kann der Preis auch mal darunter liegen, aber auf längere Sicht würden wir dann wieder genau die gleiche Situation haben wie vor dem letzten dramatischen Preisanstieg. Bei einem aktuellen Preis von derzeit rund 90 Cent liegen wir somit innerhalb der langfristig nachhaltigen Preisspanne. Nach einer Umfrage unter den amerikanischen Baumwoll-Farmern vom Januar dieses Jahres erwarten sie einen weiteren Rückgang des Baumwollpreises um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Folge ist, dass die Anbaufläche für Baumwolle in den USA in diesem Jahr um knapp acht Prozent abnimmt. Ich denke, dass sich die Tendenz inzwischen sogar noch stärker gegen die Baumwolle richtet als im Januar. Selbst bei einem langfristigen Preis von 80 bis 90 Cents werden sich die Landwirte in den USA und anderen Ländern gegen Baumwolle und für alternative Agrarprodukte entscheiden.

Haustex: Führt diese Entwicklung wieder zu einer Knappheit in diesem Jahr?

Terhaar: Wir hoffen, dass die Steigerung der Flächenproduktivität den Rückgang der Anbaufläche in den USA wieder einigermaßen ausgleicht. In Texas und Georgia leiden die Farmer in diesem Jahr jedoch unter einer außergewöhnlichen Dürre. Insofern ist der Anstieg der Produktivität momentan eher ein frommer Wunsch, auch wenn sich die Bedingungen in den letzen Wochen ein wenig verbessert haben. Aber es ist noch ein langer Weg zu gehen. In Texas mussten Farmer im letzten Jahr in einigen Regionen rund 80 bis 90 Prozent der Bewirtschaftung ihres Landes aufgeben, weil es aufgrund des mangelnden Niederschlags einfach sinnlos wurde, die Saat weiter zu pflegen.

Haustex: Kann man die Folgen der Dürre nicht durch künstliche Bewässerung eindämmen?

Edelgard Baumann: Die Baumwolle ist vom Ursprung her eine Wüstenpflanze, die nur wenig Wasser, aber viel Sonne benötigt. Außerdem ist es durch Züchtung gelungen, dass nur noch knapp über ein Drittel der amerikanischen Baumwollflächen künstlich bewässert werden. Unter normalen Wetterbedingungen können viele US-Baumwoll-Farmer somit komplett auf eine künstliche Bewässerung verzichten.

Haustex: Besteht eine Chance, dass die Anbaufläche für Baumwolle in den USA erweitert wird?

Terhaar: In diesem Jahr nicht mehr. Für die kommenden Jahre wird entscheidend sein, wie sich die Preisrelationen zwischen Baumwolle und anderen Agrarprodukten wie Mais oder Soja entwickeln. In den USA besteht eine sehr enge Korrelation zwischen der Entwicklung der Anbaufläche für Baumwolle und der Preisentwicklung für Mais. Der Farmer entscheidet jedes Jahr vor der Aussaat neu und versucht die Preisentwicklung der verschiedenen Agrarprodukte abzuschätzen. Es ist eine Art Wette, die er mit dem Markt eingeht. Die Gesamtagrarfläche verändert sich von einem Jahr zum anderen sehr wenig. Entscheidend ist, was darauf gepflanzt wird. Der Landwirt entscheidet sich allein aufgrund der zu erwartenden Preise. Wir haben somit alljährlich einen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Saaten.

Haustex: Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Preis für Baumwolle in den nächsten Jahren entwickeln?

Terhaar: Als Cotton Council International können wir keine konkreten Aussagen zu künftigen Preisentwicklungen machen. Wir können nur über Tendenzen sprechen. Wenn man sich die fundamentalen Daten anschaut, wie beispielsweise Bevölkerungswachstum und Wohlstandwachstum bis 2020, dann wird klar, dass die Nachfrage nach Energie und Lebensmitteln, ebenso wie die Nachfrage nach Bekleidungsfasern weiter steigen wird und die Preise für andere Rohstoffe hoch bleiben werden. Der Preis für Baumwolle kann mal höher und mal niedriger sein. Damit aber das Angebot die Nachfrage befriedigt, muss der Preis einfach eine höhere Basis haben als in der Vergangenheit.

Haustex: Welche Bedeutung spielt die Baumwolle amerikanischer Provenienz für den Weltmarkt?

Terhaar: Die USA produzieren etwa 16 Prozent der Welt-Baumwollernte. China mit etwa 29 Prozent und Indien mit 21 Prozent Anteil sind zwar größere Produzenten, aber China ist per Saldo ein Importeur von Baumwolle und Indien verwendet einen Großteil für die eigene Produktion. Die USA sind daher der weltweit größte Exporteur von Baumwolle, der obendrein nicht durch staatliche Eingriffe reguliert wird. Die amerikanischen Baumwoll-Farmer haben also in Bezug auf Angebot und Preisbildung einen großen Einfluss auf dem internationalen Baumwollmarkt.

Darüber hinaus kommt aber auch ein großer Teil der wissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnisse über den wirtschaftlichen und modernen Anbau von Baumwolle aus den USA. Neue Grund legende Erkenntnisse über Produktionstechniken, Biotechnologie und Unkrautbekämpfung werden schnell an die Farmer weitergegeben, in den USA, aber auch weltweit. Beispielsweise der Biotechnologie-Bereich ist zwar nicht ausschließlich, aber doch zu einem sehr großen Teil in den USA entwickelt worden. Die Fortschritte in dem Bereich haben sich ziemlich rasant über den gesamten Globus verteilt.

Vor sieben Jahren basierte der Baumwoll-Anbau in Indien so gut wie gar nicht auf Biotechnologie-Baumwolle, heute basieren schon über 90 Prozent der Ernte auf dieser fortschrittlichen Art des Anbaus. Diese Werte reichen fast an die USA heran. Die Landwirte dort haben den Vorteil dieser Baumwolle sehr schnell erkannt. Darüber hinaus forschen wir in den USA sehr intensiv zur stetigen Optimierung unserer nachhaltigen Anbaumethoden und ihrer nachfolgenden Verarbeitungsprozesse vom Spinnen bis hin zum Endprodukt. Anders als beim Faseranbau wird in den Folgestufen wie Färben und Ausrüsten sehr viel Wasser benötigt, viel mehr als beim Anbau der Pflanze selbst, wie eben erläutert.

Haustex: Wo findet man den höchsten Wasser- und Energieverbrauch in der Produktion der Endprodukte?

Terhaar: Großer Wasser- und Energieverbrauch im Zusammenhang mit Baumwolle entstehen einerseits im Herstellungsprozess beim Färben und Finishen, aber vor allem in der Haushaltswäsche. Um das auf einer wissenschaftlichen Basis belegen zu können, befinden wir uns derzeit im Abschluss einer Studie zum Lebenszyklus der Baumwolle. Sie untersucht einerseits den gesamten Prozess vom Anbau der Pflanze bis zum fertigen Gewebe oder Gestrick, und zwar nicht nur für die USA, sondern weltweit. Andererseits untersucht sie Baumwolle im Vergleich zu anderen Fasern in ihrem Lebenszyklus als Bekleidungsbestandteil. Daraus werden wir sehr wertvolle Schlüsse ziehen können, in welchen Bereichen weitere Forschungen sinnvoll sind, um den Umwelteinfluss im gesamten Verarbeitungsprozess der Baumwolle noch weiter zu verringern. Das ist ein weiterer Bereich, in dem USA-Baumwolle führend ist.

Haustex: Haben Sie denn schon ein erstes Ergebnis aus dieser Studie ziehen können?

Terhaar: Die generelle Schlussfolgerung aus dieser wirklich umfangreichen Studie ist, dass Baumwolle in den USA hinsichtlich der Nachhaltigkeit im Agrarbereich großartige Fortschritte erzielen konnte, dass es im weiteren Verlauf der textilen Pipeline aber noch weitere Verbesserungsmöglichkeiten gibt, einschließlich der Haushaltswäsche. Die großen Waschmaschinenhersteller sind hier gefordert.

Haustex: Gibt es in der gesamten Baumwollbranche eine ähnliche Institution wie das CCI, die forscht und dabei über den eigenen Tellerrand hinausblickt?

Terhaar: Es gibt kein anderes Land auf der Welt, das sich derart für Fortschritte in der Baumwoll-Industrie einsetzt. Natürlich gibt es andere Länder wie Brasilien oder Indien, deren Bestreben es ist, mehr Baumwolle zu einem günstigeren Preis zu erzielen. Das hat aber nichts mit dem Thema Nachhaltigkeit zu tun.

Haustex: In welcher Form geben Sie das in den USA erarbeitete Know-how weiter an die internationale Baumwoll-Industrie?

Terhaar: Aus Sicht von Cotton USA möchten wir natürlich, dass Baumwolle aus den USA wettbewerbsfähig ist, beste Qualität und höchste Verlässlichkeit bietet. Das große Thema ist allerdings, dass die gesamte Baumwollindustrie weltweit gegenüber den synthetischen Fasern an Bedeutung verliert, wenn wir nicht insgesamt wettbewerbsfähig sind. Deshalb tragen die Institutionen in den USA die Hauptlast, was die Forschung angeht, die Weitergabe von Informationen und fortschrittlichen Technologien.

Baumann: Die Forschungsergebnisse der amerikanischen Wissenschaftler werden weltweit geteilt. Als Cotton Council International veranstalten wir zudem internationale Konferenzen und Seminare, arbeiten weltweit über unsere Niederlassungen intensiv mit allen Stufen der Baumwoll-Kette zusammen, sind auf den bedeutenden internationalen Fachmessen als Aussteller vertreten und betreiben sehr intensive Medienarbeit mit den Fach- und Verbrauchermedien. Wir sind als Marketingorganisation zwar nicht technisch ausgerichtet, sind aber ein wichtiges Bindeglied zu Industrie, Handel und Verbrauchern.

Terhaar: Die wirkliche Herausforderung ist die Frage, welchen Anteil Baumwolle an der Deckung des Weltbedarfs an Textilfasern künftig haben wird. Bis zur Krise war es uns gelungen, den Rückstand gegenüber den synthetischen Fasern zu verringern. Durch die enorme kurzzeitige Preissteigerung wurde dieser Erfolg aber wieder zunichte gemacht. Trotz des Bewusstseins, dass der Verbraucher Baumwolle vorzieht, sind viele Hersteller dazu übergegangen, statt reiner Baumwoll-Qualitäten vermehrt Mischgewebe ins Programm aufzunehmen. Diese Entwicklung ist schwer rückgängig zu machen. Wir sind aber zuversichtlich, dass uns das langfristig gelingen wird.

Haustex: Was gibt Ihnen diese Gewissheit?

Baumann: Wir verfügen über eindeutige Studienergebnisse aus kontinuierlich durchgeführten, internationalen Verbraucher-Befragungen, die klar belegen, dass der Konsument natürliche Fasern und vor allem Baumwolle gegenüber Kunstfasern bevorzugt. Trotzdem kann es passieren, dass er im Laden trotz seiner Präferenz für Baumwolle etwas anderes kauft, wenn er das Angebot, die Farben und den Preis der unterschiedlichen Artikel verglichen hat und darüber seine Faservorliebe vergisst. Es ist daher unsere Aufgabe, den Verbraucher daran zu erinnern, dass er doch eigentlich Baumwolle bevorzugt, dass die Qualität von Baumwoll-Produkten ganz hervorragend ist. Außerdem müssen wir in der textilen Pipeline dafür sorgen, dass wieder mehr attraktive Textilien aus Baumwolle angeboten werden. Denn was nützt es, wenn der Konsument Baumwoll-Artikel im Laden sucht, sie dort aber nicht findet?

Terhaar: Wir haben die Verbraucher in elf Ländern befragt, wie umweltfreundlich ihrer Einschätzung nach verschiedene Fasern sind. Alle natürlichen Fasern sind als sehr umweltfreundlich bewertet worden und Baumwolle hatte den besten Wert erreicht. Die synthetischen Fasern sind dagegen nur mäßig bis kaum umweltfreundlich bewertet worden. Der Verbraucher erkennt somit sehr klar, dass natürliche Fasern umweltfreundlich sind, regenerativ, biologisch abbaubar, nicht abhängig von knappen Ressourcen wie dem Erdöl. Das ist natürlich ein sehr positives Ergebnis für uns und unsere Bemühungen, denn offenbar honoriert der Verbraucher weltweit, dass wir den Umwelteinfluss der Baumwolle vom Anbau bis zur Verarbeitung auf ein Minimum beschränken. Dabei ist die US-amerikanische Baumwoll-Industrie führend.

Haustex: Aber es gibt doch durchaus auch Grenzen für Artikel aus Baumwolle, wenn ich beispielsweise an Funktionsbekleidung im Sport denke.

Terhaar: Selbst in dem Bereich holt Baumwolle auf. Es gibt in den USA eine sehr innovative Sportbekleidungsmarke namens Under Armour. Deren Slogan lautete lange: cotton is the enemy, Baumwolle ist der Feind, da alle Under-Armour-Artikel aus Synthetics bestanden. Inzwischen hat sich aber auch auf dem Bereich einiges getan, da man durch neueste Forschungsergebnisse der US-Baumwolle-Industrie jetzt auch Feuchtigkeitsmanagement-Technologien mit Baumwolle beherrscht. Under Armour hat diese Technologie unter dem Namen Charged Cotton in sein Produktprogramm mit aufgenommen und diese Artikel zählen inzwischen zu den am besten verkauften Produkten bei Under Armour, obwohl preislich höher angesiedelt. Dies belegt einmal mehr: Baumwolle ist eben doch der Favorit der Verbraucher, man muss nur die richtigen Produkte anbieten.

Haustex: Supima ist die Marke für besonders hochwertige Baumwolle aus den USA. Gibt es in anderen Ländern etwas Ähnliches?

Terhaar: Unsere Pima-Baumwolle, die wir unter der Marke Supima vermarkten, gehört zur Kategorie der ELS- (extra feinen, extra langstapeligen) Baumwolle. Somit ist sie besonders für sehr hochwertige, sehr feine Materialien geeignet, für die sich die Upland-Baumwolle (kurz- und mittelstapelige Baumwolle) nicht eignet. Die Pima-Baumwolle ist schwerer anzubauen, da man dazu sehr spezielle klimatische Verhältnisse braucht, fast pures Wüstenklima. Pima kann daher nur in Staaten wie Kalifornien, Arizona, New Mexiko angebaut werden. Daher macht die Upland Baumwolle naturgemäß den größten Anteil an der USA Baumwolle aus. Vergleichbare Qualitäten zur USA-Pima-Baumwolle (Supima) werden z.B. in Peru, Ägypten, Israel oder Westchina angebaut.

Baumann: Vielen Verbrauchern bekannt ist der Begriff "Mako-Baumwolle". Es war der Versuch, ELS-Baumwolle aus Ägypten mit einer Marke für Qualitätsbaumwolle zu etablieren. Leider hat man aber versäumt, den Begriff "Mako" zu schützen. Somit kann jeder diesen Begriff für sein Produkt-Labeling einsetzen. Mako ist zu einem Feld-Wald-und-Wiesen-Begriff degeneriert. Ein wirklich hochwertiges Produkt aus ELS liegt im Handel neben einem minderwertigen Produkt und beide sind mit Mako ausgezeichnet. Sicher nicht erstrebenswert für Marken, die wirklich hochwertig produzieren und ELS einsetzen.

Haustex: Wenn ich als Einkäufer also sichergehen möchte, dass ich wirklich die beste Baumwoll-Qualität bekomme, muss ich auf die Marke Supima achten?

Baumann: Nicht unbedingt, da nicht alle Produkte Supima-lizenziert sind, die hier im Markt angeboten werden. Die überwiegende Anzahl der Produkte laufen unter unserer Qualitätsmarke Cotton USA, die wir in Lizenz vergeben, sehr intensiv bewerben und zum Verbraucher kommunizieren. Wir raten unseren Cotton-USA-Lizenznehmern, die besonderen Eigenschaften der ELS-Baumwolle in der Artikelbeschreibung auf dem Etikett oder der Verpackung herauszustellen. Damit hat man eine geschützte Marke in Kombination mit der korrekten Produktbeschreibung. Die Marke Cotton USA steht für die Verlässlichkeit der Qualität und die hohe Transparenz über die Herkunft der Baumwolle bis hin zum einzelnen Baumwoll-Ballen.

Haustex: Wie ist das zu verstehen?

Terhaar: In den USA wird die Baumwolle jedes einzelnen Rohbaumwoll-Ballens durch das U.S. Department of Agriculture nach bestimmten Kriterien klassifiziert. Die daraus gewonnen Qualitätsinformationen werden mittels Barcode jedem einzelnen Ballen mitgegeben. Die Baumwoll-Spinnerei erhält somit alle wichtigen Informationen, die den weiteren Verarbeitungs-Prozess erleichtern. Außerdem weist amerikanische Baumwolle, wie auch die aus Australien, die geringsten Verunreinigungen (Fremdfasern oder Plastik) auf. Diese Verunreinigungen sorgen spätestens beim Färbeprozess für große Probleme, da sie sich anders anfärben als die Baumwolle und somit sichtbar werden.

Haustex: Wie geht die Klassifikation der Baumwoll-Ballen vonstatten?

Terhaar: In den USA verwenden wir das so genannte HVI-System, High Volume Instruments. Von jedem Ballen wird eine Probe gezogen, die diesen Klassifizierungs-Prozess durchläuft. Die Labore, die diese Untersuchungen durchführen, werden regelmäßig zertifiziert, so dass zuverlässige Ergebnisse erzielt werden können und keine Abweichungen in den verschiedenen Testlabors auftreten. Die Ergebnisse werden in einem Rechner gespeichert und über einen Barcode mit dem betreffenden Ballen verbunden. Der Käufer des Ballens hat auf diese Daten direkten Zugriff. Das ist wirklich einmalig in der gesamten Baumwoll-Branche.

Haustex: Welche konkreten Vorteile ermöglicht die Ballen-Identifizierung durch Barcode?

Baumann: Dadurch weiß der Käufer eines Baumwoll-Ballens genau, welche Eigenschaften diese Baumwolle besitzt. Dazu zählen der Farbton, die Stapellänge, die Faserfeinheit, Faserreinheit, die Egalität und Stärke der Fasern. Der Baumwoll-Spinner weiß dadurch ganz genau, was er kauft und kann gezielt die Garnqualität produzieren, die benötigt wird. Dadurch ist die Qualität seines Produktes sehr einheitlich, was die weitere Verarbeitung erleichtert und die Qualität des Endproduktes nachhaltig unterstützt.

Haustex: Welchen Einfluss hat die Technik des Baumwoll-Pflückens auf die Qualität der Baumwolle?

Terhaar: Man könnte ja meinen, dass es am besten wäre, wenn die Baumwolle per Hand gepflückt wird. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Warum? Weil die Erntearbeiter meist keine Baumwollkleidung tragen, sondern Synthetiks, wie beispielsweise Polyester. Beim Pflücken werden durch die Pflanze häufig fremde Fasern in die Ernte eingetragen, ebenso fallen Haare hinein. Diese Fremdanteile sind in der Spinnerei kaum zu separieren. Wenn der Fehler auffällt, ist es meistens schon zu spät und man hat Ausschussware oder zweite Wahl. Maschinelle Ernte ist daher viel besser, abgesehen von der höheren Erntegeschwindigkeit. In den USA arbeiten wir nur mit Erntemaschinen, ebenso in Australien und Brasilien. In den anderen Ländern wird meist per Hand geerntet. Anerkanntermaßen ist die amerikanische Baumwolle daher die reinste, die man weltweit kaufen kann.

Haustex: Gibt es weitere Aspekte, die amerikanische Baumwolle gegenüber Baumwolle anderer Provenienzen auszeichnet?

Terhaar: Man kann sagen, dass wir generell bestrebt sind, das absolute Maximum aus der Baumwollfaser herauszuholen. Das beginnt bei den besten Saaten, um die Erträge und die Qualität der Faser zu maximieren und geht bis zu den bestmöglichen Informationen für die Weiterverarbeitung.

Haustex: Gibt es Unterschiede zwischen ökologisch angebauter Baumwolle, Biotech-Baumwolle und herkömmlich angebauter Baumwolle?

Terhaar: Was die Faser an sich angeht, nein. Bei der Faser in einem Textil kann man nicht feststellen, wie die Faser angebaut wurde und ob sie biotechnologisch optimiert wurde. Man kann daher auch nicht sagen, dass die so genannte Öko-Baumwolle besser ist als andere Baumwolle. Die Faser als solche ist gleich. Jede Methode des Baumwoll-Anbaus hat ihre Vor- und Nachteile.

Es gibt sicherlich den einen oder anderen Aspekt, bei dem ökologisch angebaute Baumwolle besser abschneidet, aber meistens liegt herkömmliche, nach nachhaltigen Prinzipien angebaute Baumwolle vorne. Organic Cotton hat tendenziell geringere Erträge auf vergleichbarer Fläche, deshalb benötigt man mehr Land und Wasser, um die gleichen Mengen zu erzeugen. Bei dem Wettbewerb der verschiedenen Saaten um Anbaufläche muss man bestrebt sein, den Ertrag pro Hektar zu maximieren. Ansonsten müssten wir viele Regenwälder abholzen, um die steigende Weltbevölkerung ernähren und mit Kleidung versorgen zu können. Baumwolle hat an der weltweiten Agrarfläche gerade mal einen Anteil von rund drei Prozent.

Das Hauptziel der amerikanischen Landwirtschaft, aber auch international sollte sein, ökologisch sensible Gebiete nicht kommerziell zu bewirtschaften, also Flächen, die an Flüsse grenzen, oder Wälder. Stattdessen sollten wir bestrebt sein, die Ernteerträge pro Fläche zu steigern. Dafür eignet sich Biotech-Baumwolle sehr gut.

Haustex: Was zeichnet genetisch modifiziert Baumwolle gegenüber Bio-Baumwolle aus?

Terhaar: Ein Punkt ist der bessere Schutz des Ackers durch Biotech-Baumwolle, da der Baumwoll-Farmer seine Anbaufläche nicht zu pflügen braucht. Das wiederum schützt das Grundwasser. Sie müssen sich das vorstellen wie bei einem Kochtopf, in dem Wasser gekocht wird. Ohne Deckel verdampfen zu viel Wasser und Energie, mit dem Deckel bleibt das Wasser erhalten. So ist es auch bei der Biotech-Baumwolle, man behält praktisch den Deckel auf der Erdkrume, da das Pflügen entfällt.

Ein weiterer Punkt ist, dass Öko-Baumwolle nicht mit synthetischem Dünger gedüngt werden darf. Also nimmt man natürlichen Dünger von den Bauernhöfen. Aber dieser Dünger ist nicht abgestimmt auf die Bedürfnisse der Baumwoll-Pflanze, sie kann nur bestimmte Teile davon aufnehmen. Der Rest verbleibt im Boden oder geht über das Grundwasser in die Flüsse.

Den synthetischen Dünger kann man exakt nach den Bedürfnissen der Baumwolle herstellen und ausbringen, so dass nahezu alles davon durch die Pflanze aufgenommen wird. Die Herausforderungen der Öko-Baumwolle für die Landwirte sind daher der Mehrverbrauch an Wasser, an Land und an Dünger, der obendrein teilweise in die Umwelt gelangt.

Öko-Baumwolle ist nicht schlecht, aber wir sollten die besten Technologien beim Anbau von Baumwolle nutzen, um den Umwelteinfluss so gering wie möglich zu halten. In den letzten 25 Jahren ist durch die Biotech-Baumwolle ein großer Fortschritt bei der Verminderung des Umwelteinflusses gelungen. Mit der neuen Technologie konnten wir in den USA die Flächen trotz steigender Erträge verkleinern, den Wasser- und Pestizidverbrauch massiv senken, ebenso den Energieeinsatz, den Klimaeinfluss, und nicht zu vergessen den Verlust an Muttererde durch Bodenerosion.

Haustex: Wie hoch ist der Anteil von Öko-Baumwolle weltweit?

Terhaar: Wenn es hoch kommt, stammt ein Prozent der jährlichen Baumwoll-Ernte aus ökologischem Anbau. Wenn man bedenkt, wie sich die Weltbevölkerung in den nächsten Jahren entwickeln wird, und die Nachfrage nach Textilien dadurch steigen wird, kann ökologische Baumwolle nicht die Antwort auf diese Probleme sein.

Haustex: Nun kommen wir zu dem Thema, dass Verbraucher gegenüber genetisch modifizierten Produkten starke Vorbehalte haben.

Terhaar: Es gibt nur einen kleinen Prozentanteil von Verbrauchern, die sehr sensibel auf dieses Thema reagieren. Das belegt eine Untersuchung, die wir auch in Deutschland geführt haben. Die meisten interessiert es nicht, ob der Artikel, den sie kaufen, auf Biotech-Baumwolle basiert, oder sie gehen nicht explizit auf die Suche nach Artikeln ohne Biotech-Baumwolle. Bei Lebensmitteln sieht es allerdings anders aus.

Baumann: Öko- beziehungsweise organische Baumwolle unterscheidet sich in der Faser nicht von anderer Baumwolle, wir sagten es bereits. Wesentlich bei der ökologischen Bewertung eines Baumwollproduktes ist, wie die Faser dann im industriellen Prozess weiterverarbeitet wird. Hier kann ein Produkt aus Öko-Baumwolle sogar viel schlechter herauskommen. Öko ist auch nicht identisch mit nachhaltig. Ein Öko-Baumwollprodukt ist nicht automatisch nachhaltig. Darüber entscheidet die Weiterverarbeitung.

Terhaar: Organische wie auch konventionelle amerikanische Baumwollen entsprechen den Kriterien der Nachhaltigkeit auf Grund der Gesetze und Regulierungen beim Anbau und der großen Fortschritte, die man beim Anbau und der Verarbeitung erzielen konnte. Bei amerikanischer Baumwolle werden die gestellten Ansprüche an einen nachhaltigen Anbau nicht nur voll erfüllt, sondern sogar übertroffen. Davon kann man in anderen Ländern, wie beispielsweise Indien oder der Türkei nicht unbedingt ausgehen.

Haustex: Wie stehen Baumwolle allgemein und Cotton USA speziell im ökologischen Vergleich zu synthetisch hergestellten Fasern da?

Terhaar: In dem Zusammenhang kommen wir auf Begriffe wie natürlich, nachwachsend, biologisch abbaubar. Synthetische Fasern basieren auf Erdöl, das nicht nachwächst, wenn man nicht in Kategorien von Millionen Jahren denkt. Die Baumwollsaat ist natürlich, sie braucht Sonne und Regen, alles natürliche Ressourcen. Wenn man ein synthetisches Textil auf die Deponie gibt, zerlegt es sich vielleicht in ein paar tausend Jahren, Baumwolle baut sich sehr schnell ab.

Ein weiteres Argument ist das Thema CO. Pflanzen, also auch Baumwolle, nehmen dieses Gas aus der Luft auf und speichern es in der Faser. So lange, wie diese Faser existiert, ist das Gas gebunden. In den USA gibt es Programme, diese Phase der CO-Bindung noch zu verlängern. Dort kann man die Jeans nach dem Gebrauch abgeben, so dass daraus Material zur Isolation von Häusern wird. Netto bindet Baumwolle somit CO, im Gegensatz zu synthetisch hergestellten Fasern, die netto CO freisetzen. Für uns ist somit klar, welche Faser unter Umweltgesichtspunkten vorgezogen werden sollte.

Haustex: Allerdings ist der Recycling-Grad der beim Herstellungsprozess von Zellulose notwendigen Chemikalien sehr hoch.

Terhaar: Sie werden im Herstellungsprozess besser, ja, aber die Chemikalien müssen ja erst einmal hergestellt werden. Ungeachtet dessen wünschen die Konsumenten natürliche Fasern und sie möchten die Faser mit der besten Umweltbilanz. Wir sind der Ansicht, dass Baumwolle unter diesen Aspekten die beste Wahl ist.

Baumann: Wenn man sich anschaut, wie die Weltbevölkerung anwächst und damit verbunden der Bedarf an Fasern, gibt es genug Platz für alle Faseranbieter. Wir werden alle Fasern brauchen, um diesen Bedarf abzudecken.

Haustex: Wie wird sich Ihrer Meinung nach der stattfindende Klimawandel auf den Anbau von Baumwolle auswirken?

Terhaar: Ich möchte den Faden vom anderen Ende aufrollen: Was würden Sie lieber tragen, wenn das Klima wärmer wird, Polyester oder Baumwolle? Ich denke, Sie würden Komfort vorziehen und dafür ist Baumwolle schließlich bekannt.


Cotton Council International in Kürze


CCI Washington/CCI Lateinamerika
1521 New Hampshire Ave.
NW Washington, DC 20036 USA
Tel.: 001/202-745-7805
Fax: 001/202-483-4040
E-Mail: cottonusa@cotton.org
Internet: www.cottonusa.org

Vorsitzender/Chairman: John D. Mitchell
Präsident: James L. Webb
Vizepräsident: John Burch
Executive Director: Kevin Latner

Repräsentanz Deutschland, Österreich, Schweiz und Benelux:
CCI Düsseldorf
Edelgard Baumann
Tel.: (49-211) 17-95-636
Fax: (49-211) 17-95-766
ebaumann.cci@attglobal.net

Cotton Council International (CCI) ist die Übersee-Marketingorganisation des National Cotton Council of America (NCC). Gegründet 1956, ist die Aufgabe des CCI bis heute, die Nachfrage und den Export für US-Baumwolle, Baumwollsaat und Produkte aus US-Baumwolle zu fördern. 1989 führte CCI das Markenzeichen Cotton USA ein, das die Vorteile der US-Baumwolle bis hin zum Verbraucher kommuniziert. In Lizenz erteilt CCI die Rechte zur kostenfreien Nutzung des Markenzeichens Cotton USA. Die Lizenz gilt für reine Baumwollprodukte, die zu mindestens 50 Prozent aus US-amerikanischer Baumwolle bestehen. Weltweit tragen heute mehr als 357 Millionen Textil- und Bekleidungsprodukte das Markenzeichen Cotton USA. Als strategischer Partner von Industrie und Handel unterstützt CCI seine Lizenznehmer mit einem attraktiven und vielseitigen Marketingprogramm und einer pro-aktiven Sourcing-Unterstützung im internationalen Beschaffungsmarkt für Baumwollprodukte.
aus Haustex 05/12 (Wirtschaft)