Interview mit Dr. Ernst Schröder über die neue ETG-Qualitätsoffensive

Das neue ETG-Siegel fördert hochwertigen Teppichboden

Die Tage des alten ETG-Teppichsiegels sind gezählt. Es wird durch das neue "Certificate of Quality" ersetzt, bei dem die Produktklassifizierung vereinfacht und verbrauchergerechter gestaltet wurde. Nicht nur das: Es schließt über die reine Produktkennzeichnung hinaus auch eine Zertifizierung von Handel und Handwerk ein. So soll Qualität transparent gemacht und der Verbraucher gezielt zu höherwertiger Ware geführt werden. Bei Reklamationen sollen "Carpet-Inspektoren" als neutrale Schlichtungsinstanz vermitteln. BTH fragte Dr. Ernst Schröder, TFI-Direktor und ETG-Vorstandsmitglied, nach Inhalt und Aussagekraft des neuen Produktzertifikats, nach den Hintergründen und Zielen der neuen Marktstrategie sowie nach den Anreizen und Anforderungen für die Zertifizierung des Handels.

BTH: Erst vor anderthalb Jahren war das ETG-Teppichsiegel zum letzten Mal überarbeitet worden. Jetzt haben Sie es durch ein neues Qualitätszertifikat ersetzt. Warum?

Dr. Ernst Schröder: Hinter der Einführung des neuen "Certificate of Quality", das künftig das bewährte ETG-Teppichsiegel ersetzen wird, stecken im wesentlichen zwei Aspekte: Einerseits wollten wir damit ein europa- und damit zukunftstaugliches Qualitätszertifikat schaffen, andererseits forderte der Handel schon seit längerem eine grundlegende Überarbeitung des herkömmlichen Teppichsiegels. Er hatte vor allem kritisiert, dass die Gestaltung zu kompliziert und der Inhalt damit für den Verbraucher kaum nachvollziehbar sei.

Wir haben diese Kritik in der ETG aufgegriffen und den Handel wie auch das Handwerk bei der Neugestaltung des Qualitätszertifikates aktiv mit eingebunden. Das Ergebnis der gemeinschaftlichen Beratungen ist das neue "Certificate of Quality".

BTH: Was ist denn nun verändert worden ?

Dr. Schröder: Die wichtigsten Neuerungen bilden die Angaben zum Einsatzbereich und zur Qualität des Produktes. Der Nutzungsbereich, für den der Belag geeignet ist, wird künftig in Anlehnung an die Kennzeichnung elastischer Beläge durch ein Piktogramm symbolisiert. Über die Qualität des Produktes gibt die Anzahl der Sterne im Kopf des Zertifikates Auskunft. Auf Textangaben wird komplett verzichtet. Das Qualitätssiegel fällt dadurch einfacher und verständlicher aus und eignet sich gleichzeitig auch für den internationalen Warenverkehr.

BTH: In der EN 1307 steht aber nichts von Piktogrammen oder gar von Sternen. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Normeinstufung und den Symbolen auf dem neuen ETG-Qualitätszertifikat?

Dr. Schröder: EN 1307 sieht künftig insgesamt fünf Beanspruchungsklassen von "gering" bis "extrem" vor. Unsere Kennzeichnung setzt allerdings erst bei Belägen der Beanspruchungsklasse 2 ein, die für private Einsatzbereiche mit normaler Beanspruchung geeignet sind. Wir haben uns entschlossen, Teppichböden, die lediglich die Einstufung "gering" nach EN 1307 erreichen, künftig nicht mehr mit dem ETG-Qualitätszertifikat zu erfassen. Diese Beläge werden also in Zukunft überhaupt nicht mehr zertifiziert.

BTH: Und woran orientieren sich die Sterne? Wie definieren Sie die Qualität eines Teppichbodens?

Dr. Schröder: Die Sterne-Einstufung ist tatsächlich ganz neu. Sie geht ebenfalls auf Anregungen aus dem Handel zurück, der kritisiert hat, dass die Teppichböden bisher ausschließlich unter technischen Gesichtspunkten bewertet wurden und es keine übergeordnete Qualitätseinstufung gab, die dem Verbraucher die Höherwertigkeit bestimmter Beläge veranschaulichte.

Neben der Beanspruchungsklasse bzw. dem Strapazierwert stand bislang lediglich die Komfortwertangabe, die als reine Rechengröße diesen Anspruch nicht erfüllen konnte. Es gab beispielsweise sehr viele Teppichböden mit der Strapazierwerteinstufung "extrem", aber nur einem Stern beim Komfortwert. Solche Beläge sind aber nicht unbedingt von geringerer Qualität als Beläge mit hohem Komfortwert. Diese komplexen Zusammenhänge waren für den Verbraucher kaum durchschaubar.

Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass sich die Qualität eines Belags nur vor dem Hintergrund des jeweiligen Einsatzbereiches bewerten lässt. Darauf basiert die Vergabe der Sterne auf dem neuen ETG-Qualitätszertifikat, in die neben der Komfortklasse nach EN 1307 auch der Einsatzbereich bzw. die Beanspruchung, die Zusatzeignungen und ein sogenannter Konstruktionsfaktor einfließen.

BTH: Das klingt immer noch kompliziert. Was bedeuten mehr Sterne konkret?

Dr. Schröder: Ganz einfach - Je mehr Sterne, desto höherwertiger ist der Belag. Dabei können beispielsweise Beläge mit vier Sternen ganz unterschiedliche technische Eigenschaften aufweisen: Der eine bekommt vier Sterne, weil er bei einem zwar nur vergleichsweise geringen Komfortwert eine extrem hohe Beanspruchbarkeit und alle Zusatzeignungen bietet, der andere erreicht nur eine mittlere Beanspruchungsklasse, weil er einen sehr hohen Komfort und eine besonders hochwertige Fertigungstechnik aufweist - beispielsweise eine Webware. Beide sind für ihr jeweiliges Kerneinsatzgebiet gleich gut geeignet.

Für den Kunden wird die Qualität eines Belags durch die Sterne-Einstufung nun erstmals wirklich transparent. Er muss sich nicht mehr mit den komplexen Beziehungen von Strapazierwert, Komfortwert, Zusatzeignungen und Konstruktionsverfahren auseinandersetzen, sondern sieht nun auf einen Blick, welches Produkt für seinen Einsatzzweck die höchste Qualität bietet. Wir glauben, dass wir mit diesem System wirklich eine objektive Aussage zum Thema Qualität machen können.

BTH: Die Qualitätseinstufung bezieht sich also immer auf den angegebenen Einsatzbereich. Man muss also bei der Belags-Auswahl zuerst beim Einsatzbereich ansetzen.

Dr. Schröder: Genau. Die erste Frage muss immer lauten: Um was für einen Raum handelt es sich und welche Beanspruchungen sind dort zu erwarten. Grundvoraussetzung für die richtige Belagauswahl ist immer, dass der Teppichboden die jeweils geforderten technischen Eigenschaften aufweist. Erst nach dieser Vorauswahl kommt die Zahl der Sterne ins Spiel. An diesem Punkt ist der Verkäufer gefragt, der mit dem neuen Sterne-System jetzt aber auch eine echte Chance erhält, seinem Kunden Qualität transparent zu machen.

BTH: Wie lässt sich dieses System zur Verkaufsförderung nutzen?

Dr. Schröder: Wir empfehlen, dem Kunden von den geeigneten Belägen immer zuerst einen 5-Sterne-Teppichboden vorzulegen - denn das sollte der Maßstab für die weitere Produktauswahl sein. Denken Sie nur an den Kauf einer Stereoanlage: Ein geschickter Verkäufer wird Ihnen immer zuerst die beste Anlage vorspielen, die er im Laden hat. Denn dann haben Sie deren Klang im Ohr und werden anschließend sicher nicht mehr nur auf den Preis schauen, sondern bei den weiteren Anlagen, die Ihnen gezeigt werden, auch kritisch auf deren Klangqualität achten. Denn nun wissen Sie, wie eine hochwertige Stereoanlage klingen muss. Kurz: Sie werden vielleicht nicht unbedingt auch das hochwertigste Produkt kaufen - weil es beispielsweise außerhalb Ihrer finanziellen Möglichkeiten liegt - Sie werden sich aber sicher auch nicht mehr mit dem einfachsten zufrieden geben. Den gleichen Effekt wollen wir beim Teppichboden erreichen.

Wobei die ETG-Qualitätsoffensive noch weit über die Produkt-Zertifizierung hinausgeht. Wir versprechen dem Nutzer künftig eine durchgehend hohe Qualität vom Produkt über die Verkaufsberatung bis zur Verlegung und Pflege des Belags. Schließlich müssen wir auch sicherstellen, dass diese hochwertigen Teppichböden vorrätig sind und auf die richtige Weise verkauft, verlegt, genutzt und gepflegt werden.

Dabei setzen wir auf eine durchgestufte Zertifizierung von Produkten, Handel und Handwerk: Das rote "T" des ETG-Qualitätszertifikates wird sich künftig nicht mehr nur auf Teppichböden finden, sondern auch von entsprechend zertifizierten Händlern und Handwerkern geführt werden. Auf diese Weise wollen wir eine geschlossene Qualitätskette bis zum Nutzer sicherstellen.

BTH: Welche Voraussetzung müssen Handel und Handwerk für eine Zertifizierung erfüllen?

Dr. Schröder: Vom Handel erwarten wir, dass in jeder Filiale, die sich das rote "T" ins Fenster hängen möchte, mindestens ein Verkäufer eine Schulung zum Thema ETG-Qualitätszertifikat absolviert hat. Die betreffenden Schulungen werden unter anderem vom TFI angeboten. Selbstverständlich sollte auch in ausreichendem Maße zertifizierte Ware angeboten werden.

Bei Handwerksbetrieben verlangen wir als Grundvoraussetzung für eine Zertifizierung ebenfalls den Besuch einer Schulung. Mindestens ein leitender Mitarbeiter muss eine solche Fortbildungsmaßnahme absolviert haben. Darüber hinaus erwarten wir eine gewisse Kontinuität in der Mitarbeiterschulung. Das heißt: Nachdem der erste Mitarbeiter geschult wurde, sollte in absehbarer Zeit ein weiterer Mitarbeiter folgen. Außerdem wird es später Aufbaukurse geben.

BTH: Das kostet Handel und Handwerk sicher auch Geld. Welchen Anreiz gibt es sie, gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten in entsprechende Maßnahmen wie Mitarbeiterschulungen zu investieren?

Dr. Schröder: Zunächst zielt die neue ETG-Strategie im Kern darauf, höherwertigere Teppichböden zu verkaufen. Das verspricht allen Beteiligten - von der Industrie über den Handel bis zum Handwerk - eine höhere Wertschöpfung, wodurch sich die Aufwendungen für die Teilnahme an dem Konzept schnell amortisiert haben dürften.

Hinzu kommen vielfältige Vorteile bei der Vermarktung des eigenen Angebots. Wir wollen das rote "T" schließlich auf allen Ebenen als anerkanntes Qualitätsmerkmal etablieren. Das heißt: Der Kunde - ob Endverbraucher oder Architekt - soll künftig gezielt nach dieser Zertifizierung Ausschau halten, vom Produkt über den Fachhandel bis zum Verlegebetrieb. Erreichen wollen wir dies durch ein konzertiertes Zusammenwirken aller beteiligten Stellen.

Ein Beispiel bildet der neue ETG-Internetauftritt: Unter www.certificate-of-quality.com werden künftig alle zertifizierten Qualitäten sowie auch die zertifizierten Fachhändler und Handwerksbetriebe aufgelistet werden. Über die auf dem Qualitätssiegel angegebene "Certificate-Number" kann der Kunde dort zu jedem Produkt die wichtigsten Informationen abrufen.

Außerdem erhält er nach der Verlegung einen Produktpass, in dem neben dem Qualitätszertifikat und wichtigen Produktdaten bzw. Nutzungshinweisen auch der Fachhändler- und Handwerkstempel enthalten sind. Wenn er mit dem Produkt zufrieden war, kann er dort bei späteren Renovierungen nachschlagen, wer die Verlegung vorgenommen hat und diesen Betrieb erneut beauftragen.

BTH: Haben zertifizierte Händler und Handwerker Exklusivrecht an Teppichböden mit dem neuen ETG-Qualitätszertifikat?

Dr. Schröder: Das haben wir zunächst angedacht, mussten es dann aber als unrealistisch wieder verwerfen. Ich kann einem Hersteller schließlich nicht verbieten, bestimmte Kunden weiterhin zu beliefern. Auch nicht zertifizierte Händler und Handwerker werden also weiterhin Teppichböden mit ETG-Qualitätszertifikat verkaufen dürfen.

Nach unserer Auffassung gibt es für Handwerk und Handel dennoch große Anreize dafür, mit dabei zu sein - schon allein, um mit auf der Liste der zertifizierten Stellen zu stehen und mit dem roten "T" für sich werben zu können. Dafür stellt die ETG natürlich umfangreiches Marketingmaterial zur Verfügung. Und dadurch wird wiederum das Produktzertifikat populärer, mehr zertifizierte Ware nachgefragt und schließlich auch wieder die Nachfrage nach zertifizierten Händlern und Handwerkern gesteigert.

Nicht zuletzt profitieren Handel und Handwerk von den vielfältigen Serviceleistungen der ETG im Rahmen der neuen Qualitätsstrategie - insbesondere der Hilfestellung im Reklamationsfall.

BTH: Wie sieht die aus?

Dr. Schröder: Das wichtigste Element bilden die "Carpet-Inspektoren", eine neutrale Schlichtungsstelle, die man im Reklamationsfall für eine erste Beurteilung hinzuziehen kann. Auf diesen Service werden übrigens tatsächlich nur zertifizierte Handwerker und Händler zurückgreifen können.

BTH: Woher rekrutieren Sie diese "Carpet-Inspektoren"? Über welche Qualifikation verfügen sie?

Dr. Schröder: Die Inspektoren werden öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sein, die zusätzlich eine spezielle Schulung durchlaufen müssen, bei der das TFI die Regie übernehmen wird. Derzeit führen wir entsprechende Gespräche mit der Sachverständigenvereinigung des Raumausstatterhandwerks BSR - werden aber auch für andere qualifizierte Gutachter im Bereich Fußbodentechnik offen bleiben. In einigen Fällen behalten wir uns außerdem vor, als TFI selbst mit eigenen Mitarbeitern herauszugehen.

BTH: Haben Sie schon Handwerker und Händler für eine Zertifizierung gewinnen können?

Dr. Schröder: Die Vorbereitungen laufen bereits seit zwei Jahren und wir verfolgen das hochgesteckte Ziel, im nächsten Jahr 1.500 Verkaufsstellen für Teppichböden zertifiziert zu haben - insgesamt in Handel und Handwerk. Wir werten diese Zahlen als großen Erfolg und als Bestätigung unserer Strategie. Zumal uns bereits zahlreiche Anfragen weiterer Zertifizierungskandidaten vorliegen, unter denen sich sehr namhafte und vor allem auch marktbedeutende Unternehmen befinden.

BTH: In der Industrie scheint sich die Begeisterung hingegen in Grenzen zu halten. Zum Jahresende sind 11 ETG-Mitglieder ausgetreten - darunter vor allem objektlastige Teppichbodenhersteller wie Anker und Desso DLW. Was nützt das ganze ETG-Qualitätskonzept, wenn es immer weniger zertifizierte Ware am Markt gibt?

Dr. Schröder: Für die Austritte gibt es unterschiedliche Gründe. Von den objektlastigen Anbietern kommt unter anderem das Argument, dass Ihnen das ETG-Teppichsiegel in ihrem Kerngeschäft nichts bringt. Wir halten das für eine Fehlinterpretation: Es gibt derzeit rund 900 lizensierte Qualitäten im Markt, von denen zwei Drittel als Objektware einzustufen sind. Ob die Zertifizierung wirklich nichts bringt, wird man sehen, wenn die ausgetretenen Hersteller plötzlich keine zertifizierte Ware mehr im Programm haben.

Sicher geht es um Geld. Gerade im Objektgeschäft wird angesichts der anhaltenden Rezession im Baugewerbe heute um jeden Cent gefeilscht. Und der Fußboden muss als buchstäblich letztes Gewerk hier oft besonders leiden. Das Thema Preis sollte aber eigentlich nur auf dem Weg vom Hersteller zum Händler eine bedeutende Rolle spielen. Auf dem Weg vom Händler zum Nutzer gibt es hingegen noch ganz andere, mindestens ebenso wichtige Auswahlkriterien - wie die Qualität, die Farbe und die Nutzungseigenschaften. Hier liegt es am Verkäufer, über welche Argumente er einen Belag verkauft.

Wir bieten hier mit dem neuen ETG-Konzept eine echte Hilfestellung an, indem wir Qualität transparent machen. Das wird letztlich auch der Kunde - ob Endverbraucher oder Architekt im Objektgeschäft - zu schätzen wissen und vor diesem Hintergrund hoffentlich künftig gezielt zertifizierte Ware nachfragen, was dann wiederum der Industrie Anreiz bietet, das Konzept zu unterstützen. Wir sind daher zuversichtlich, zahlreiche Unternehmen, die derzeit den Sinn einer Mitgliedschaft in Frage stellen, bald wieder in der ETG begrüßen zu können.

BTH: Bislang dreht sich das ganze ETG-Zertifizierungs-Konzept ausschließlich um den Teppichboden. Ließe es sich nicht auch auf andere Produktgruppen übertragen?

Dr. Schröder: Das Konzept könnte tatsächlich Vorbildfunktion für benachbarte Branchen haben. Mit dem ebenfalls als Qualitätssicherungssystem ausgelegten TUVdotCom/ TFI-Zeichen, das ebenfalls auf Produktüberprüfungen sowie eine Produktionsüberwachung durch das TFI in Kooperation mit dem TÜV Rheinland/Berlin-Brandenburg beruht, haben wir bereits eine Brücke zu den Verlegewerkstoffen und Pflegemitteln geschlagen. Wir können uns auch vorstellen, dass unsere neue Marktstrategie beispielsweise bei den elastischen Belägen mit Interesse verfolgt wird.
aus BTH Heimtex 01/03 (Marketing)