Belair: Interview mit Hans-Günther Kirches

"Unsere Stärke ist die Marktnähe"

Die Branchenflaute ficht Belair nicht an. Seit der Umstrukturierung vor drei Jahren befindet sich das Unternehmen kontinuierlich auf Expansionskurs: Umsatz und auch Ergebnis nehmen stetig zu - und das nicht zu knapp. Was ist das Erfolgsrezept? Und kann das Wachstumstempo beibehalten werden? Wie sind die weiteren Perspektiven? Darüber sprach BTH Heimtex-Redakteurin Birgit Genz mit Geschäftsführer Hans-Günther Kirches.

BTH Heimtex: Die Deko- und Gardinenbranche hat es schwer zur Zeit. Vor allem im Inland sind Umsatz und Absatz weiter auf Talfahrt. Sie waren 2003 gut gestartet, konnten Sie sich auch im weiteren Jahresverlauf und in diesem Jahr vom negativen Branchentrend abkoppeln?

Hans-Günther Kirches: Absolut. Wir haben in den letzten drei Jahren im Schnitt eine Umsatzsteigerung von 56% erzielt, in diesem Jahr werden wir voraussichtlich immerhin noch 25% über Vorjahr liegen. Und nachdem wir schon 2003 ein sehr gutes Ergebnis erwirtschaftet haben, werden wir auch dies 2004 weiter verbessern können.

BTH Heimtex: Das hätte sicher gern mancher Ihrer Wettbewerber. Woher kommt diese Dynamik? Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Kirches: Das sind sicher unsere Trendthemen, mit denen wir vor allem junge Kunden ansprechen und unser durchdachtes, marktgerechtes Vermarktungskonzept. Natürlich profitieren wir auch von unserer starken Muttergesellschaft in der Türkei mit ihrer modernen, leistungsfähigen Produktion. Und ganz wichtig ist unser hoch motiviertes Team.

BTH Heimtex: Sie müssen inzwischen auch guten Rückhalt im Handel gefunden haben. Das war eins Ihrer persönlichen Hauptziele, als Sie vor drei Jahren bei Belair angefangen haben.

Kirches: Das stimmt. Wir sind inzwischen mit allen namhaften Adressen im Handel im Gespräcn und dort akzeptiert. Und wir gewinnen stetig neue Kunden dazu....

BTH Heimtex: Sie haben sich auch mit dem Thema Teleshopping beschäftigt, hat sich das gelohnt?

Kirches: Teleshopping war strategisch gesehen eine unserer Zielrichtungen, hat sich aber als nicht interessant erwiesen - zumindest für Dekos und Gardinen.

BTH Heimtex: Und welche Rolle spielen die Industriekunden?

Kirches: Wir sprechen sie an und pflegen sie auch, forcieren diesen Bereich aber nicht.

BTH Heimtex: Wie sind die einzelnen Vertriebsschienen bei Belair aktuell gewichtet?

Kirches: Unsere mit Abstand wichtigste Kundengruppe ist der Fachhandel mit 67% Anteil, vor den Fachmärkten, dem Möbelhandel, den Versendern, den Baumärkten und Discountern mit zusammen 10% sowie Industriegeschäft und Export mit 23% Anteil.

BTH Heimtex: Und in welchen Bereichen haben Sie am meisten zugelegt?

Kirches: Beim Möbelhandel und bei den Filialisten, sowie beim Export. Insgesamt waren die Baumärkte etwas rückläufig, dafür hat der Möbelhandel zugelegt. Auch unseren Schwerpunkt im Fachhandel konnten wir weiter ausbauen, und zwar überproportional.

BTH Heimtex: Das klingt, als sei Ihre Strategie erfolgreich....

Kirches: In toto schon, wobei zu einer richtigen Strategie eben auch das Zeitmoment dazugehört. Und auch das hat bei uns gepasst.

Unsere Stärke ist sicher unsere Marktnähe. Wir bleiben mit den Füßen auf dem Boden, sind nicht produktverliebt, sondern orientieren uns voll daran, was der Markt will, bzw. die Kunden und bieten ihnen die entsprechenden Präsentationshilfen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das an Marketing-Unterstützung eigentlich ausreicht. Mehr wollen unsere Kunden gar nicht.

Also investieren wir in diesen Bereich. Ein Schwerpunkt unserer erheblichen Investitionen 2005 werden Dekoständer und Ständersysteme sein.

BTH Heimtex: Ihr Sortiment ist dreigeteilt: Stückgeschäft, Coupons und Fertigkonfektion. Wie haben sich hier die einzelnen Bereiche entwickelt?

Kirches: Die Fertigkonfektion kommt bereits auf einen Anteil von 45%, ebenso die Meterware, Coupons auf die restlichen 10%, wobei hier momentan ein überproportionaler Zuwachs zu verzeichnen ist.

BTH Heimtex: Worauf führen Sie das zurück?

Kirches: Wir haben einen besonderen Schwerpunkt auf das Coupon-Geschäft gelegt und glauben, dass es mittelfristig auf 15 bis 20% Anteil zulegen wird. Allerdings braucht man etwas Geduld, wenn man im Coupon-Bereich wachsen will. Das erfordert eine gute Kollektion, die in Form von Musterbügeln am Markt penetriert werden muss und diese bringen dann irgendwann den Umsatz - das kann aber zwei Jahre dauern. Ein gutes Argument für uns ist sicher, dass unsere Kollektionen nicht abgehoben sind und über ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis verfügen. Immerhin bieten wir unseren Kunden eine Marge von 150% gegenüber den üblichen 120 bis 130%.

BTH Heimtex: Wie unterstützen Sie Ihre Zielkunden außerdem, bzw. binden sie an sich?

Kirches: Zum Beispiel über unsere individuellen Präsentationslösungen. Das geht so weit, dass wir Räume komplett einrichten und mit unserer Ware bestücken oder sogar individuelle Verpackungen. In dieser Richtung wollen wir noch viel weiter gehen - denn: schöne Ware haben auch andere, aber diese Serviceorientierung, diese Serviceleistungen, dieses Eingehen auf Kundenwünsche - das ist sicher unsere besondere Stärke.

BTH Heimtex: Welche Rolle spielt der Export für Sie?

Kirches: Als ich 2001 zu Belair kam, war er völlig unterentwickelt; inzwischen liegen wir bei 25% gegenüber 23% im vergangenen Jahr.

BTH Heimtex: Welche sind Ihre Hauptabsatzmärkte und welche Märkte wollen Sie ausbauen?

Kirches: Nach unserem Heimmarkt Deutschland liegt Österreich an zweiter Stelle. Das ist unser mit Abstand wichtigster Exportmarkt mit einem Anteil von 50% vor Russland mit 20%, der Schweiz mit 15%, Ungarn mit 10% und den Benelux-Ländern mit knapp 8%. Der Rest verteilt sich auf die anderen Länder, die aber nur untergeordnet sind.

Ausbauen wollen wir Skandinavien, Großbritannien und Fernost. Und wir wollen die Märkte in Osteuropa noch weiter penetrieren.

BTH Heimtex: Nach dem guten Start ins Jahr 2004 - was erwarten Sie für die zweite Jahreshälfte und mit welchen Erwartungen gehen Sie ins Jahr 2005?

Kirches: Für Belair erwarte ich einen weiteren Umsatzzuwachs in der Größenordnung um 35%, während der Gesamtmarkt eine leichte Steigerung von 1,5% erreichen könnte. Wobei ich glaube, dass Fachhandel und Kaufhäuser etwas an Marktanteilen verlieren werden, während die anderen Vertriebsschienen zulegen, speziell die Großflächen und Filialisten.

BTH Heimtex: Die Deko- und Gardinenbranche hat lange auf einer Insel der Seeligen gelebt und ist erst spät von der Konjunkturflaute getroffen worden. Jetzt zeigen sich auch hier die Konsequenzen: Zusammenbrüche, Fusionen, Übernahmen. Hätte man vorher dagegen steuern können?

Kirches: Das ist schwierig zu sagen. Allerdings denke ich schon, dass die Branche Anfang der 90er Jahre manche Chance verschlafen hat, strategische Schwächen auszugleichen und dadurch an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Ich frage mich zum Beispiel, warum man sich nicht frühzeitig weltweit leistungsfähige Partner etwa für Flächenproduktion oder Veredlung gesucht hat, die günstiger produzieren können, als im Hochlohnland Deutschland. Jetzt suchen diese Unternehmen selbst Zugang zum Markt....

BTH Heimtex: Sie spielen auf Ihre türkische Mutter an. Aber selbst die könnte ja mittelfristig mit neuer Konkurrenz aus Asien zu kämpfen haben, die noch günstiger produzieren kann, als Sie in der Türkei.....

Kirches: Das Problem haben wir heute schon. Das werden wir nie aufhalten können. Dann müssten wir schon Gesellschaftsstrukturen verändern.
Letztlich befinden wir uns in einem globalisierenen Markt. Wobei Korteks darauf bereits reagiert hat und Investitionen in den betreffenden Ländern tätigt, etwa in Form von Joint-Ventures. Das muss nicht immer China sein. Es gibt auch Länder in der Nähe der Türkei, im Nahen Osten, infrastrukturschwache Gebiete, wo Korteks mit dem gleichen Preislevel wie China antreten kann. Genau genommen hat die türkische Textilindustrie heute die gleichen Probleme wie die Europäer vor 10 oder 15 Jahren....

Grundsätzlich wird sich der Konzentrationsprozess, den wir jetzt schon erleben, fortsetzen - auf Seiten der Industrie wie des Handels.

BTH Heimtex: Immer mehr Anbieter sehen Chancen für sich im Objektgeschäft. Sie auch?

Kirches: Weniger. Zwar machen wir im asiatischen Raum mal das eine oder andere Objekt, würden uns aber nicht direkt als Objektanbieter bezeichnen. Dafür braucht man einen speziellen, geschulten Außendienst.

Wir sehen für uns mehr Chancen in einem Ausbau des Produktsortiments, zum Beispiel mit Tischwäsche oder Bettwäsche.


Belair - das Unternehmen

Belair Gardinen GmbH
Katharinenstr. 39
36103 Flieden
Tel.: 06655/7980
Fax: 06655/ 79849
E-Mail: info@belair.de

Geschäftsführer: Hans-Günther Kirches
Muttergesellschaft: Zorlu-Gruppe (Istanbul/Türkei)
Mitarbeiter: 25 plus 15 im Aussendienst ( 12 im Inland, 3 im Ausland)

Sortiment:
- gewebte, gewirkte, bedruckte und bestickte Gardinen und Dekorationsstoffe, Scherlis, Ausbrenner, im Stück, als Coupon und fertig konfektioniert
- Stückbereich: 600 Positionen
- Coupon: 600 Positionen
- Fertigkonfektion: 500 Positionen

Fertigprogramm:
- Fertigschals - Schlaufe, Schleife, Variobefestigung (Kräusel, Schaube oder Schlaufe)
- Flächenvorhänge
- Faltrollos
- Coordinates - Kissen, Tischdecken, Mitteldecken, Tischläufer, Platzsets

Kundenstruktur:
- 67 % Fachhandel
- 10 % Fachmärkte, Möbelhandel, Versender, Baumärkte
- 23 % Export und Industriekunden

Vertriebsschienen:
- Fachhandel, Raumausstatter
- Fachmärkte
- Möbelhandel
- Versender
- Baumärkte

Marketing:
- 2 x jährlich Themenkollektionen, 75 % zur Heimtextil, 25 % für den Herbst, ganzjährig kontinuierlich zusätzliche Themenkollektionen und laufende Kollektionsergänzungen
- Fertigkonfektion für den Fachhandel und Großflächen-Prospekte
- Basisshops mit Themenmodulen
- Kompaktständer zielgruppenorientiert für Fachhandel, Großfläche und Discounter
- SB-Verpackungen

Exportquote: 25 %, Exportländer: Österreich (50%), Russland (20%), Schweiz (15 %) Ungarn (10 % ), Rest Benelux
aus BTH Heimtex 10/04 (Wirtschaft)