Girmes International GmbH

Girmes ist insolvent


Jahrelang ging es bei Girmes (Grefrath) immer wieder auf und ab: mal wurde diversifiziert, dann wieder konzentriert; erst im September hatte der neue Vertriebsgeschäftsführer Günther Diermann eine Umstrukturierung angekündigt, bei der das Schwergewicht wieder stärker auf Einrichtungsstoffe und technische Textilien gelegt und die Abhängigkeit von den Bekleidungsstoffen reduziert werden sollte.

Das ist nun alles Makulatur: Am 5. November - fünf Tage vor dem 124. Geburtstag des traditionsreichen Textilunternehmens - hat Geschäftsführer Dr. Dirk Busse beim Amtsgericht Krefeld Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Düsseldorfer Rechtsanwalt Horst Piepenburg bestellt.

740 Mitarbeiter bangen jetzt um ihren Platz. Noch ist völlig unklar, ob und wie es bei Girmes weitergeht. Auf jeden Fall wird weiter produziert, der aktuelle Auftragsbestand beläuft sich nach Zeitungsberichten auf 13 Mio. EUR.

Die Zahlungsunfähigkeit von Girmes basiere auf verschiedenen Gründen, teilte der Insolvenzverwalter mit und nannte unter anderem Verbindlichkeiten in Höhe von 100 Mio. EUR (!) sowie den zunehmenden Kostendruck durch Wettbewerber aus Osteuropa und Asien. Zudem sei der Umsatz im laufenden Jahr eingebrochen: 2002 hatte die Gruppe noch 134 Mio. EUR erlöst, in den ersten zehn Monaten 2003 kamen gerade 98 Mio. EUR zusammen. Zudem verzögerte sich die Verlagerung wesentlicher Teile der Produktion nach Tschechien und China, wo erst vor wenigen Monaten ein neues Werk gestartet war; Sie konnte nicht mehr in dem erforderlichen Umfang realisiert werden. Auch die Standorte in USA und Kanada hätten Probleme bereitet.

"Nach einem weiteren Umsatz-einbruch ist das Unternehmen zahlungsunfähig und überschuldet. Weder Gesellschafter noch Banken sehen sich in der Lage, die entstandenen Verluste durch zusätzliches Kapital und neue Liquidität auszugleichen", heißt es in der offiziellen Pressemitteilung.

Mit Girmes verabschiedet sich einer der großen alten Namen der ehemals blühenden Textilindustrie am Niederrhein. Am 10. November 1879 war das Unternehmen als Polweber gegründet worden und galt viele Jahre lang als "Perle vom Niederrhein". In mehreren Werken wurden Samt, Cord, Webpelze, Einrichtungsstoffe, Teppichböden und technische Textilien gefertigt - alles von anerkannt hohem Niveau. Webveloure wie Hochflor oder Samtflor waren bis zum Verbraucher hin Begriff für Qualität und Komfort. In seinen besten Zeiten beschäftige Girmes 3.900 Mitarbeiter.

Danach ging es kontinuierlich bergab. Der vorläufige Tiefpunkt war der Karnevalssamstag 1989, als Uwe Klimant, Vorstandsvorsitzender der damaligen Aktiengesellschaft, Vergleich anmeldete. Drei Wochen später wurde eine Auffanggesellschaft gegründet, geführt von Dr. Dirk Busse. Die Belegschaft wurde von 1.900 auf 1.500 reduziert, in den Folgejahren gelang es Girmes, wieder Fuß am Markt zu fassen und sogar Gewinne zu erwirtschaften.

Nur die Bereiche Einrichtungsstoffe und Teppichböden erholten sich von dem Schlag nie wieder richtig. Führungsprobleme, unklare Konzepte und eine Sortimentspolitik, die am Markt vorbei ging, ließen die Umsätze immer mehr zusammenschmelzen. Auch die Akquisition des Objektstoffspezialisten Ornata von der Verseidag brachte nur eine kurzfristige Besserung. Zum Schluss dümpelten beide Sparten in der Bedeutungslosigkeit dahin. 2002 schließlich trennte sich Girmes von den Teppichboden-Aktivitäten und verkaufte sie samt der Marke Girloon an Infloor-Inhaber Ulrich Dresing.

Zuletzt agierten laut Krefelder Zeitung unter dem Dach der Holding Girmes GmbH 19 in- und ausländische Gesellschaften. An den deutschen Standorten Grefrath-Oedt und Nettetal-Lobberich waren 740 Personen beschäftigt, weltweit 1.250.
aus BTH Heimtex 11/03 (Wirtschaft)