Belair

Neue Strategie, neues Sortiment, neue Mannschaft

Bei Belair weht seit knapp zwei Jahren ein frischer Wind; nur noch der Name und der Standort Flieden bei Fulda erinnern an frühere Zeiten unter französischer Vorherrschaft. 1998 übernahm der türkische Konzern Zorlu den Gardinen-und Dekoanbieter, verselbstständigte die deutsche Tochter und holte 2001 Hans-Günther Kirches als Geschäftsführer. Der krempelte das Unternehmen von Grund auf um und startet jetzt mit neuem Sortiment, neuer Strategie und neuer Mannschaft durch. Nachdem sich bereits 2002 ein Aufschwung abzeichnete, gibt nach dem ersten Quartal 2003 ein
regelrechter Schub dem neuen Konzept Recht.

Von außen ist es recht unscheinbar, innen steckt umso mehr Dynamik darin: das Firmengebäude von Belair im hessischen Flieden, nahe Fulda, mitten in den Wäldern der Rhön gelegen. Hier hat sich in den letzten anderthalb Jahren ein radikaler Wandel vollzogen, das Unternehmen ist fast von Grund auf neu aufgebaut worden. Der neue Auftritt wird demnächst auch mit völlig neuen Räumen zum Ausdruck gebracht.

Der Name Belair, früher im deutschen Fachhandel wohlbekannt, war in der zweiten Hälfte der 90er Jahren nahezu in der Versenkung verschwunden. Zwar zählte die Kundenkartei der deutschen Tochter des französischen Gardinenanbieters immer noch an die 2.000 Adressen, doch dümpelte das Unternehmen mehr oder weniger in der Bedeutungslosigkeit dahin.

Bis 1998 die türkische Zorlu-Gruppe, mit 480 Mrd. $ Umsatz (2001) europaweit größter Heimtextilienhersteller, die Franzosen übernahm, 2000 die deutsche Vertriebsgesellschaft verselbstständigte und zum 1. Juli 2001 Hans-Günther Kirches als neuen Geschäftsführer holte. Der 53jährige Dipl.- Ökonom brachte profunde Kenntnisse von Markt und Branche mit, war er doch zuletzt bei der Albani-Gruppe - einem der größten deutschen Gardinenproduzenten - als Stellvertreter des Alleingesellschafters in der Geschäftsführung tätig.

Dieses Know-how kam ihm bei Belair zugute, zumal ihm die Türken weitgehend freie Hand ließen - eine ebenso herausfordernde wie reizvolle Aufgabe. Das spornte Kirches an. Er entwickelte ein Strategiepapier. Dazu analysierte er im ersten Schritt Markt und Vertriebsschienen, um daraus im zweiten Schlüsse für die künftige Positionierung von Belair zu ziehen. Danach wurde der inländische Markt für Gardinen und Dekos 2002 auf ein Volumen von knapp 770 Mio. EUR zu Hersteller-Abgabepreisen bzw. 1,74 Mrd. EUR zu Verkaufspreisen geschätzt, die sich zu 66% auf Gardinen und 34% auf Dekostoffe verteilen. Der Gesamtmarkt verspricht mittelfristig nur geringfügiges Wachstum, bei einzelnen Produktgruppen wie konfektionierten Artikeln wird dagegen eine überproportionale Steigerung erwartet.

Bei den verschiedenen Vertriebsschienen erkannte man eine Verschiebung weg vom traditionellen Fachhandel sowie den Kauf- und Warenhäusern, hin zu Möbelhandel und Fachmärkten. Potenzial sahen die Fliedener auch bei Baumärkten und Discountern, hauptsächlich für fertigkonfektionierte Artikel.

Parallel wurde das bestehende Sortiment einer kritischen Überprüfung unterzogen und dabei festgestellt, dass Bel Air - noch in alter Schreibweise, inzwischen wurde sie modifiziert - im wesentlichen von der Coupon-Kollektion getragen wurde, die allerdings überaltert und inaktuell war. Meterware war nur "rudimentär vorhanden", standard- und preismäßig "völlig neben dem Markt". Insgesamt nicht die besten Voraussetzungen, um am immer härter umkämpften Markt zu bestehen - geschweige denn, dazu zu gewinnen.

Kirches zog die Konsequenz aus diesen Beobachtungen und krempelte das Unternehmen resolut um. Er definierte Ziel- und Zukunftsmärkte sowie neue Zielgruppen, richtete das Sortiment daran aus, reorganisierte den Vertrieb und rekrutierte neue Mitarbeiter. Das war ein gewaltiger Kraftakt, der die zweite Hälfte 2001 und das gesamte Jahr 2002 in Anspruch nahm. Inzwischen sind Kirches und seine neue Mannschaft so weit, dass sie mit vollem Schwung durchstarten können und ihre ehrgeizigen Ziele 2003 ansteuern können.

Als Zielmärkte festgelegt wurden zunächst der klassische Fachhandel, zu dem Belair auch Fachmärkte, den Möbelhandel und Kaufhäuser zählt, Versandhandel und Telemarketing sowie Bau- und Heimwerkermärkte, bei denen man in Flieden durch deren zunehmende Hinwendung zum Thema Dekoration vor allem für Fertigkonfektion und Accessoires Chancen wittert. Der Markt und seine Vertriebswege ändern sich, alte Verkaufspunkte verschwinden, neue entstehen, ist man in Flieden überzeugt und will sich dem rechtzeitig anpassen. "Es gibt keinen Distributionskanal unter unserem Niveau", sagt Kirches, "überall dort, wo wir Gardinen verkaufen können, sind wir richtig." Ein Anbieter könne sich heute nicht leisten, auf eine Struktur zu verzichten, müsse beispielsweise auch den Trend zu Discountern im Blick haben.

Eine weitere Strategy Business Unit, kurz SBU, bildet der Export, wo man zum Teil schon beachtliche Erfolge verzeichnen kann. Gut im Griff hat das Unternehmen etwa den Fachhandel in Österreich, und über Möbel-Pfister ist man auch in der Schweiz breit präsent. "Wir sind im Prinzip bei allen unseren Zielkunden gelistet", freut sich Vertriebsleiter Thomas Jakob, der den Export und Key Accounts betreut. Er kommt aus der Mode und ist im Zuge der Erneuerung der Vertriebsorganisation zu Belair gestoßen, ebenso wie sein Kollege Ingo Knoll und die 15 Außendienst-Mitarbeiter, davon zehn im Inland und fünf im Ausland.

Besonders viel Arbeit erforderten Bereinigung und Neuaufbau des Sortiments. Dabei galt es drei Aspekte zu berücksichtigen:
- Erstens wollte Kirches die enormen Produktionsmöglichkeiten der türkischen Mutter nutzen und darstellen, die nicht nur über riesige Kapazitäten verfügt, sondern auch eine ungeheure Vielfalt verschiedener Techniken beherrscht - allein beim Drucken stehen mehrere Verfahren zur Auswahl,
- zweitens müssen die Kollektionen auf den deutschen Geschmack zugeschnitten werden
- und drittens sollen neben der traditionellen Gardinen- und Dekoklientel im mittleren Alter neue Zielgruppen wie die Twentysomethings berücksichtigt werden, die gerne und spontan konsumieren, deren Einkaufsverhalten von Erlebnis-Erwartung geprägt ist und die hohen Wert auf Individualismus und Zeitgeist legen - das muss sich in den Stoffen widerspiegeln.

Nicht zuletzt geht es Kirches auch um ein "schnelles Geschäft" mit kurzfristiger Verfügbarkeit der Ware und immer wieder Neuheiten als "Appetitanreger" für die Kunden.

Vorgaben, die inzwischen erfüllt sind. Belair unterhält mittlerweile ein vielseitiges, ebenso breit- wie tiefgefächertes Sortiment an Gardinen und Dekos im konsumigen bis zum mittleren gehobenen Niveau mit modischen, aktuellen Produkten, "die der Markt braucht und bisher nicht hatte", wie es selbstbewusst formuliert wird, "und das in einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis". Jährlich werden 25 bis 30% des Programms erneuert. Zweimal pro Jahr - zur Heimtextil und zum Herbst - wird kollektioniert, dazu kommen mindestens zwei bis drei zusätzliche Themenkollektionen, "damit der Außendienst auch zwischendurch etwas Neues zeigen kann".

Das Sortiment ist gegliedert in den Stückbereich, der unter dem Titel Modern Art läuft - aktuell 300 Positionen -, die Couponline Classic Line - weitere 110 Positionen und ein sehr umfangreiches Angebot an Fertigkonfektion - 100 Artikel für die Handelskunden, 120 für die Großflächen - von herkömmlichen Fertigschals mit verschiedenen Aufhängungsvarianten über Flächenvorhänge und Rollettos bis hin zu Tischdecken, Kissen, Läufern, Platzsets und sogar Schürzen. In Planung ist Bettwäsche. Alles wird am Lager in Flieden vorgehalten. Die Lieferzeit für den Cut-Service, bei dem dem Handel eine "hochinteressante Marge" eingeräumt wird, beziffert Jakob auf 5 Tage, ansonsten 14 Tage. Künftig soll noch ein Lager für Grundware eingerichtet werden, um die Reaktionszeit zwischen Auftrag und Lieferung weiter zu verkürzen.

Weil eine "saubere, attraktive Präsentation" die Artikel wertiger erscheinen lässt, hat Belair auch in diesen Bereich investiert. Schmucke SB-Verpackungen für die Fertigkonfektion wurden entwickelt, stabile Papp-Präsenter für die Großflächen, der branchenerfahrene Architekt Frank Plehn gestaltete variable Themen-Module und Kompaktständer für den Handel.

Als letzte Punkte auf der Agenda stehen jetzt noch die Konzeption eines übergreifenden Corporate Designs und die Erweiterung und Modernisierung des Firmengebäudes, die in diesem Jahr in Angriff genommen werden sollen.

Der Geschäftsverlauf im vergangenen Jahr und in den ersten Monaten dieses Jahres bestätigt, dass Belair auf dem richtigen Weg ist. 2002 stieg der Umsatz um 30%, das Ergebnis gar um knapp 58%, der Auftragsbestand lag per 31. Dezember um fast 53% über Vorjahr. Zugelegt haben die Hessen vor allem bei der Fertigkonfektion, das Stückgeschäft war pari, im Coupon-Bereich musste aufgrund der geänderten Kollektion und der Umstellungen im Vertrieb ein Minus hingenommen werden.

Aufgrund dieser ermutigenden Zahlen hat Kirches für 2003 ein höchst ambitioniertes Budget aufgestellt, das von weiterem starken Umsatzzuwachs und einer überproportionalen Ergebnisverbesserung ausgeht. Auf jeden Fall will er dieses Jahr schwarze Zahlen schreiben. Das erste Quartal ließ sich vielversprechend an: Umsatz, Ergebnis und Auftragsbestand übertreffen deutlich die Planung und lassen auf eine weitere positive Entwicklung hoffen.


Belair - das Unternehmen

Belair Gardinen GmbH
Katharinenstr. 39
36103 Flieden
Tel: 06655/7980
Fax: 06655/79849
e-mail: info@belair.de

Geschäftsführung: Hans-Günther Kirches (seit 1. Juli 2001)

Vertriebsleitung: Thomas Jakob (Export; Key Account), Ingo Knoll (Inland)

Muttergesellschaft:
Zorlu-Gruppe (Istanbul/Türkei), Geschäftsbereich Textil
Umsatz (2001): 480 Mio. $, davon 50% im Export

Mitarbeiter: 30, davon 15 im Außendienst (10 im Inland, 5 im Ausland)

Sortiment:
gewebte, gewirkte, bedruckte und bestickte Gardinen und Dekorationsstoffe, Scherlis, Ausbrenner, im Stück, als Coupon und fertig konfektioniert; Anteil 70% Transparente, 30% Dekostoffe

Produktlinien:
- Curtains Modern Art für den Stückbereich und Fertigkonfektion
- Curtains Classic Line für Coupons
- Fertigkonfektion mit dem Label Loops
aus BTH Heimtex 04/03 (Wirtschaft)