Wieland Neuberth 60 Jahre jung

Mit Tatkraft neue Ideen umsetzen

Er hat alle Höhen und Tiefen im Szenario der Teppichbranche erlebt: Wieland Neuberth. Ende August feiert der Geschäftsführer von Creation Roesner in Korntal-Münchingen seinen 60. Geburtstag. Er gilt als einer der integersten, zuverlässigsten und nicht zuletzt auch kreativsten Importeure im Bereich der handgefertigten Teppiche.

In die Wiege war es Wieland Neuberth nicht gelegt worden, dass einmal die handgefertigten Teppiche wesentliche Teile seines Lebens bestimmen werden. Eher durch Zufall landete er im Alter von 24 Jahren in der Firma seines Onkels Emil Roesner. Neuberth hatte zuvor nach dem Besuch der Höheren Handelsschule in einer ganz anderen Branche ein kaufmännische Lehre und verschiedene Praktika absolviert, seine zweijährige Soldatenzeit hinter sich gebracht und schließlich seine Ausbildung mit einem Studium der Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt auf Marketing abgeschlossen.

Emil Roesner befand sich zu dieser Zeit schon auf Erfolgskurs. Bereits 1957 hatte er seinen Marokko-Import gegründet und profitierte vom Fernweh der langsam wieder wohlhabend werdenden Bundesbürger der Nachkriegszeit. Marokkanische Schnitzereien, Kamelsitze und runde Lederpolster zierten damals die deutschen Wohnzimmer. Dazu kamen die ersten handgeknüpften Teppiche aus Marokko. Als Wieland Neuberth 1968 zum Roesner-Import seines Onkels kam, steuerten Berber-Teppiche auf ihre Boomjahre zu. Die Firma Roesenr hatte einen wesentlichen Anteil an der starken Nachfrage. Neuberth profilierte sich schnell als Einkäufer in Marokko und auch in Algerien und wurde mit Leib und Seele Teppichhändler.

Schon früh erkannte Wieland Neuberth die Gefahren einer überhitzten Nachfrage. Mit seinen Kenntnissen als Marketingfachmann versuchte er, der Firma Roesner, deren Geschäftsführer er nach dem Tod von Emil Roesner er 1974 geworden war, mit Exklusiv-Kollektionen ein eigenes Profil zu geben. Er entdeckte seine kreative Ader und brachte dessinierte und auch dezent farbige Berber-Teppiche auf den Markt. Doch den Niedergang des Berber-Teppichs konnte auch er nicht aufhalten.

Schon früh hatte sich Wieland Neuberth, mittlerweile Kommanditist der expandierenden Firma Roesner, als Ausgleich für den schrumpfenden Berber-Absatz nach neuen Knüpfregionen umgesehen und für sich ganz persönlich und als neue Geschäftsbasis schon 1979 Nepal entdeckt. Er gehörte zu den Vorreitern im Import von Nepalteppichen und wollte der aufstrebenden nepalesischen Teppichindustrie ein ähnliches Schicksal wie den marokkanischen Knüpferfamilien ersparen. Er engagierte sich stark und mit erheblichem finanziellen Aufwand schon lange vor den Aktivitäten von Care & Fair, Rugmark oder anderen Hilfswerken in der S.N.T.C., in dem über die Teppichbranche hinaus aktiven Deutsch-Nepalesischen Hilfswerk sowie als Gründungsmitglied in der Rhino-Liga, die neben den sozialen Aspekten auch Umweltschutzmaßnahmen durchsetzte.

Mit dem Nepal-Boom wuchs auch der Creation Roesner Exklusiv Import zu einem der großen und bedeutenden Teppich-Importunternehmen in Deutschland heran. Andere Knüpfländer wurden erschlossen, neue Absatzkanäle aufgebaut. Es gab eine Vielzahl modischer Kollektionen, zielgruppenorientiert gegliedert, aus dem Hause Roesner in Korntal-Münchingen. Neue, größere Geschäftsräume mussten bezogen werden. Doch gegen das immer geringer werdende Interesse der Verbraucher an handgefertigten Teppichen konnte auch Wieland Neuberth mit immer neuen Marketingstrategien nicht ankämpfen. Mitte der 90er Jahre drehten die Banken den Geldhahn zu. Wie für etliche andere Teppich-Importunternehmen auch war für die meisten Kunden überraschend für den Creation Roesner Exklusiv Import das Aus gekommen.

Doch Wieland Neuberth ließ sich nicht unter kriegen. Von ganz unten begann er den Neustart und kämpfte sich Stück für Stück vorwärts. Sein tadelloser Ruf in der Branche, seine in langen Jahren erworbenen Fachkenntnisse, sein Marketingwissen und nicht zuletzt seine Kreativität versetzten ihn in die Lage, wieder Fuß zu fassen. Mit seinen Handtuft-Kollektionen aus Indien, seinen Knüpfkollektionen aus Nepal und mit seinem Marokko-Sortiment spricht er heute Marktnischen an. Es ist nicht mehr sein Ziel, zu den "Großen" der Branche zu gehören. Deshalb hat er auch im Frühjahr dieses Jahres seinen Sitz im Beirat der Domotex, zu deren Mitbegründern er zählt, aufgegeben.

Vom Teppich aber kann er nicht lassen. Er will Wohlbefinden bei der Wohnraumgestaltung, ein Stück Lebensqualität vermitteln. Allerdings soll darunter nicht mehr seine eigene Lebensqualität leiden. Zeit für sich und seine Familie zu haben, bedeutet ihm heute mindestens genau so viel, wie erfolgreich Teppiche im Markt zu platzieren.
aus Heimtex Orient 04/04 (Personalien)