Evteks in Istanbul

Vergrößerter Marktplatz der türkischen Heimtextilindustrie

Die Evteks in Istanbul ist eine Leistungsschau der türkischen Heimtextilindustrie. Dieser Wirtschaftszweig ist der dynamischste und einer der wichtigsten Exportmärkte des Landes. Weltweit zählt die Türkei zu den drei größten Lieferanten, exportiert in mehr als 90 Länder, wobei die EU mit 70% und die USA mit 22% den Hauptanteil stellen. Seit der Einführung des Euro allerdings sei der Handel vor allem mit Deutschland schwieriger geworden, sagen einige Anbieter. BTH Heimtex-Redakteurin Marianne Nehm war auf der Evteks und hat mit den interessantesten Unternehmen gesprochen.

Mit zufriedenen Gesichtern ging die diesjährige Evteks in Istanbul zu Ende, die mittlerweile neunte Auflage der nach der Heimtextil zweitgrößten Fachmesse für Heim- und Haustextilien, wie die Veranstalter betonen.

Gegenüber BTH Heimtex äußerten sich bereits während der Messetage Aussteller positiv über den Verlauf. Nach dem Bau einer neuen Messehalle vergrößerte sich in diesem Jahr die Netto- Hallenfläche auf 85.000 qm und der Raumgewinn wurde von einigen Ausstellern für eine großzügigere Gestaltung ihrer Stände genutzt. Wobei sich das Bild der Messe nur in Nuancen von dem der großen westlichen Messestandsplätze unterscheidet.

Insgesamt stellten in diesem Jahr 553 Unternehmen aus, 2002 waren es noch 475 auf 45.000 qm. Trotz der global schlechten Wirtschaftslage, Angst vor Terror und der zur Zeit der Messe grassierenden Sars-Krankheit verzeichnete die Evteks einen Anstieg der Besucherzahlen. Aus dem türkischen Inland kamen 84.603 (Vorjahr 68.251), aus insgesamt 80 Ländern reisten weitere 12.546 Besucher an (Vorjahr 8.467).

Die meisten Ausländer kamen aus Iran, England, Israel, Russland, Griechenland und Deutschland, weniger als im Vorjahr aus den USA. Zum ersten Mal schlossen sich die beiden nationalen Heimtextilverbände EVSIAD und TETSD zusammen, um gemeinsam die Messe zu unterstützen. Ahmet Nazif Zorlu und Yilmaz Ulusoy, die beiden jeweiligen Präsidenten, stehen jeweils bedeutenden Familienunternehmen vor. Dabei ist die Zorlu-Gruppe hierzulande bekannt über ihre Tochter Korteks und den deutschen Ableger Belair.

Ausrichtung an den Wünschen der westeuropäischen Kunden

Generell befinden sich die türkischen Produzenten von Heim- und Haustextilien in einer Phase des Umbruchs. In den letzten zehn Jahren wurden, nicht zuletzt dank staatlicher Unterstützung, Maschinenparks modernisiert, Hightech eingeführt, Qualitätsmanagement installiert. "Das Bild hat sich gewandelt. Heute produzieren wir besseres Design und höhere Qualität, unsere Preise mussten wir wegen der Investitionen allerdings anheben", erklärt Engin Ocak von Guleser. Der Blick richtet sich nach Westen: Was wollen die Kunden dort, was haben sie für einen Geschmack? Wie weit lassen sich die zwangsläufig gestiegenenen Preise durchsetzen?

Der Blick richtet sich auch nach Osten - wird China zur Konkurrenz? "Wir hören immer wieder von Beschwerden über die Qualität, etwa über die Farbtreue bei Nachbestellungen", erläutert Erol Turkun. "Außerdem sind die Mindestbestellmengen sehr hoch, seitdem die Chinesen in Containerdimensionen verkaufen wollen. In der Türkei können Sie pro Farbe ein Minimum von 300 Metern oder sogar weniger bestellen. Gerade für europäische Kunden ist das sehr wichtig, die sich nicht mit einer hohen Lagerhaltung belasten wollen." Der Inhaber der Erol Turkun-Gruppe ist auf der Evteks mit den Marken Vanelli und Dina vertreten, die Deko- und Möbelstoffe sowie Gardinen auch an deutsche Verleger und Markenhersteller liefern. Als weiterer Vorteil gilt die Liefergeschwindigkeit. A. Kadir Pekkaya, Vorstandsmitglied von Hit: "Wir sind inzwischen so aufgestellt, dass wir innerhalb weniger Tage liefern können. Das erreichen die fernöstlichen Produzenten noch lange nicht. Unser Vorsprung hält bestimmt noch zehn Jahre und dann muss man sehen. Wir investieren in Qualität und Zuverlässigkeit..."

Neben Auftragsproduktion eigenes Markenprofil aufbauen

Auch wenn die Produktion für ausländische Firmen und fremde Marken immer noch einen enormen Anteil hält, nimmt der Appetit zu, eigene Marken zu schaffen. "Wir wollen mit Hit Home Collection als eigene Marke wahrgenommen werden", bringt Vorstandsmitglied Faik Agan die Bestrebungen auf den Punkt. Das Unternehmen wurde 1995 gegründet und produziert in der türkischen Textilstadt Corlu Dekostoffe und Gardinen. Die Muttergesellschaft Mega Tekstil hat kürzlich den deutschen Frottierwarenhersteller Egeria übernommen. Ein Crossover der Märkte, der neu ist. Hit wird 2004 zum ersten Mal auf der Heimtextil in Frankfurt ausstellen.

Seine eigene Marke stärken, das individuelle Auftragsgeschäft aber nicht vernachlässigen, will Akman Tekstil mit der gehobenen Marke Pinella sowie dem konsumigen Label Ecobella. Ein reiner Exporteur, wie so mancher, in Deutschland aber erst mit dem verschwindend geringen Anteil von 5% vertreten.

Das soll sich mit der Eröffnung eines Verkaufsbüros in Düsseldorf ändern. "Mit einem eigenen Büro sind wir einfach näher am Kunden", erläutert Inhaber Vehbi Akman auf dem attraktiv gestalteten Messestand sein Konzept. Das 1978 gegründete Familienunternehmen produziert seit 1996 auf dem neuen Firmengelände in Corlu, der Jahresumsatz der Gruppe lag im Jahr 2000 bei umgerechnet 33 Mio. EUR.

Das hiesige Verkaufsbüro soll die bisherige Export-Managerin Müjgan Denizkusu leiten und sie bringt dafür gute Voraussetzungen mit. Als Türkin zeitweise in Deutschland aufgewachsen, spricht sie deutsch wie ihre Muttersprache und kennt außerdem beide Mentalitäten.

Sehr gegensätzlich stellen sich zwei Möbelstoffhersteller dar: Bezz, ein Unternehmen der Gidas Gruppe, zeigt polyglott moderne Dessins und Farben, die zu 70% exportiert werden, hauptsächlich nach England, weiter nach Holland, Deutschland, Griechenland, Frankreich, USA, Russland, Kuwait, Israel.
In einem Sultanszelt wie im 17. Jahrhundert "residiert" dagegen die Firma Sahi. Auch die Kollektion ist eher traditionell, was in der Fremde offenbar gut ankommt: Die monatliche Produktion von 70.000 Metern Stoff geht komplett in den Export - nach Ungarn, Polen, Holland, Spanien, Russland, in den Mittleren Osten, alle Golfstaaten. Deutschland wird bislang nur indirekt beliefert, wenn Möbel in Polen bezogen und hier verkauft werden.

Einen Stand von 1.200 qm Größe, einen kleinen Basaar für sich, beanspruchte die Marke Brillant der Baydemirler-Gruppe. "Es gibt Firmen mit größerem Umsatz, aber im Gardinen-Produktionsbereich sind wir in der Türkei die größten, zählen in Europa zu den ersten drei und weltweit zu den ersten fünf. Wir produzieren in drei Fabriken und machen 100 Mio. Dollar Jahresumsatz, davon 45 Mio. Dollar im Export", fasst Erdogan Baydemir das Firmenprofil zusammen.

In Deutschland ist Brillant mit der Essener Niederlassung Eurobay vertreten. Zu den deutschen Abnehmern zählen Industrieunternehmen, Discounter, Kaffeekonzerne, Kaufhäuser und Versender. Unter Brillant werden im Ausland je nach Land 70 bis 75 % verkauft, der Rest neutral oder unter einer anderen Marke, aber das Baydemirler-Logo, so Verkaufsrepräsentant Kamil Keser, ist stets auf der Gardine zu finden.

Viele Besucher aus dem Ausland, aber nur wenige nicht-türkische Aussteller

Während auf den Gängen der Evteks immer wieder deutsche Stimmen zu hören sind, offensichtlich Besucher aus der Heimat, machen sich ausländische Aussteller rar. Besuch beim einzigen deutschen Aussteller, Thermocolor, und seinem Repräsentanten:"Gestern waren Iraner hier, die haben direkt gekauft, und Interessenten aus Kasachstan und Russland. Leute, die man sonst nicht erreicht, aber insgesamt sind es zu wenige," äußert Klaus Berster seine gelinde Enttäuschung. Zusammen mit einem Partner gründete er Thermocolor 1975, verkaufte es im letzten Jahr an Daun und ist seit Januar nur noch als freier Berater für das Unternehmen tätig. Nach einem Umsatzeinbruch im letzten Jahr zeichnet sich eine Wendung ab. Im ersten Quartal wurde ein Plus von 8% gegenüber dem Vorjahr erzielt und der positive Trend hält an. Immerhin einen Vorteil bot ihm die Präsenz von deutschen und österreichischen Besuchern. So konnte der eine oder andere Kontakt wieder aufgefrischt werden.

Wie geht es weiter mit der Evteks?

Ali Bulut, Geschäftsführer des Messeveranstalters: "In den kommenden Jahren wollen wir unser globales Marketing verstärken. Obwohl noch eine Warteliste von 200 Firmen abgebaut werden muss, bemühen wir uns, interessierten Unternehmen aus Westeuropa eine Ausstellungsmöglichkeit zu bieten. Außerdem in unserem Fokus: Trends und Design-Aspekte auf der Evteks noch mehr zu berücksichtigen."
aus BTH Heimtex 07/03 (Wirtschaft)