Künftig gibt es nur noch einen Einzelhandels-Verband in der Branche

Bundesverband Teppich- und Gardinenhandel löst sich auf: FDTB bietet Gastmitgliedschaft an

Die diesjährige gemeinsame Tagung von BDTG (Bundesverband des Deutschen Teppich-und Gardinenhandels) und FDTB (Fachverband des Deutschen Tapeten- und Bodenbelaghandels) wurde von einem Thema beherrscht: Der Auflösung des BDTG. "Unvorstellbare Änderungen in der Handelslandschaft", die zu Mitgliederschwund und daraus folgenden wirtschaftlichen Problemen führten, zwangen dazu. Den 78 verbliebenen Mitgliedern bietet sich als Alternative der FDTB, der ihnen zunächst eine einjährige Gastmitgliedschaft angeboten hat.

Ein Hauch Wehmut lag über der diesjährigen gemeinsamen Tagung der beiden Einzelhandelsverbände BDTG (Bundesverband des Deutschen Teppich- und Gardinenhandels) und FDTB (Fachverband des Deutschen Tapeten- und Bodenbelaghandels) in Erfurt - der letzten, denn den BDTG wird es künftig nicht mehr geben. Die traditionsreiche Handelsorganisation, 1949 gegründet und im Laufe der Zeit unter dem Vorsitz vieler fast legendärer Fachhandels-Persönlichkeiten wie Heinrich Pelzer, Heinrich Vogelwiesche oder Alfred Böhmler, beschloss auf der Versammlung einstimmig ihre Auflöung zum Jahresende. "Unvorstellbare Änderungen in der Handelslandschaft" nannten Vorsitzender Heiner Luttermann und Geschäftsführer Peter Engmann als Grund. Die Strukturkrise in der Branche hat viele alteingessene, klassische Fachhändler zur Aufgabe gezwungen - aus wirtschaftlichen Gründen oder in Folge von Nachfolgeproblemen. Und das Fachhandels-Sterben ist noch nicht zu Ende, prognostizieren Studien.

BDTG hatte zuletzt nur noch 78 Mitglieder

Das haben auch die beiden Verbände zu spüren bekommen. Die Mitgliederzahlen sind in den letzten Jahren drastisch geschrumpft: Der FDTB von 400 in seinen besten Zeiten Mitte der 80er Jahre auf heute knapp 200, der BDTG vereinte nach 12 Abgängen 2001 zuletzt nur noch 78 -"und davon haben 17 zum Jahresende gekündigt". Engmann befürchtet, dass mittelfristig gar nur noch 40 Firmen von diesen 78 am Markt existieren werden. Der Mitgliederschwund und der Ausfall eines zusätzlichen Geldgebers brachte den BDTG im Herbst 2001 ernsthaft in finanzielle Bedrängnis. Zudem dachte Geschäftsführer Engmann nach 30jähriger Arbeit für den Verband daran, in den Ruhestand zu gehen. Ein Nachfolger und der Erhalt der Geschäftsstelle hätten ohne eine deutliche Beitragserhöhung aber nicht mehr finanziert werden können. Also wählte man den bitteren Weg der Verbandsauflösung. Die früher bisweilen diskutierte Fusion mit dem Kollegenverband FDTB, die von diesem sehr begrüßt worden wäre, wurde verworfen, stattdessen bevorzugten die BDTG-Oberen einen "sauberen Abschluss" durch eine Liquidation, die in Erfurt kurz und schmerzlos einstimmig beschlossen worden.

Den verbliebenen BDTG-Mitgliedern bietet sich jetzt als Alternative der FDTB - sofern sie ihm nicht ohnehin schon parallel angehören. Damit sie in Ruhe prüfen können, ob ihnen der Verband zusagt, sind sie zunächst kostenlos zu einer einjährigen Gastmitgliedschaft eingeladen. Was das Sortiment angeht, gibt es zwischen den beiden Verbänden kaum noch Unterschiede - zumindest was den Stoffbereich angeht. Bei Orient- und handgefertigten Teppichen will der FDTB seine Kompetenz stärken und gewann dafür Silvester Apro vom gleichnamigen Teppichhaus in Ludwigsburg. Er wurde mit sofortiger Wirkung in den Verbandsbeirat berufen, und soll bei den nächsten Wahlen für dieses Ressort in den Vorstand aufrücken.

Der BDTG-Steuermann geht von Bord

Die Auflösung des BDTG bedeutet zugleich den Abschied von Geschäftsführer Peter Engmann und seiner Mitarbeiterin Dorothee Kindermann. Damit geht eine Ära in der Branche zu Ende. Der gebürtige Berliner Engmann hatte seine Verbandskarriere 1968 nach kaufmännischer Lehre, dem Studium der Nationalökonomie und einem kurzen Abstecher in den Im-und Export beim Verband der Tuch- und Kleiderstoffindustrie gestartet, bevor er 1972 zum heutigen BDTG kam und dort seine Lebensaufgabe fand. "Als Steuermann, der stets allen Problemen gewachsen und mit allen Problemen gewaschen ist", bezeichnete ihn BDTG-Primus Heiner Luttermann in seiner Dankesrede.

Zweifellos gehört Engmann zu den markanten Persönlichkeiten der Branche; mit ihm tritt ein ebenso engagierter wie kompetenter Vollblut-Handelsmann ab. Er führte den Verband fast autokratisch, aber immer auf das Wohl "seiner" Mitglieder bedacht, wirkte als unbestechliche "Stimme" des Fachhandels in vielen Gremien, nahm kein Blatt vor den Mund und scheute sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen, konnte sich streiten, aber auch wieder souverän auf den Kontrahenten zugehen, wie die Redaktion BTH vor vielen Jahren erlebt hat und wofür sie ihm großen Respekt zollt. Seine scharfe Zunge, sein profundes Fachwissen und seine Verbundenheit mit der Branche kamen auch in den regelmäßigen Mitteilungen an die Mitglieder zum Zuge, in denen er informierte, kommentierte, kritisierte. Dort waren inhaltliche Substanz und Mut zur Meinung vorhanden, was sie entsprechend beliebt und begehrt machte.

"Maßlose Wut im Bauch"

Luttermann bedauerte die für den BDTG unerfreuliche Entwicklung, sah in der Krise aber auch Chancen: "Die Konzentration auf einen einzigen Einzelhandels-Verband bedeutet zugleich seine Stärkung". Dem schloss sich auch FDTB-Vorsitzender Philipp Frese an, der ebenfalls eine Bündelung der Kräfte begrüßte.

Das ist umso wichtiger, als die Lage für den mittelständischen Fachhandel unverändert überaus schwierig ist, wie Frese und Luttermann anhand von Zahlen erläuterten. Dennoch appellierten beide an Durchhaltevermögen und Kampfesgeist ihrer Kollegen: "Trotz unserer derzeitigen Situation gibt es noch keinen Grund zu Weltuntergangsstimmung", beschwor Frese, der die junge vorwärtsblickende Generation im deutschen Fachhandel repräsentiert, die Anwesenden. "Wir werden wohl ein zweites raues Halbjahr vor uns haben und ich sehe nicht, dass es nach einem Regierungswechsel unter einem neuen Kabinett schlagartig eine Besserung einsetzt, aber es bleibt die Hoffnung auf eine Reihe kleinerer, aber folgerichtiger Reformen, die einen Stimmungswandel hervorrufen und insgesamt den Mittelstand stärken könnten." Er ist überzeugt, dass Händler, die eine durchdachte Strategie haben, es mit Engagement, einem klaren Sortimentskonzept und zielgerichtetem Marketing schaffen, Umsatz und Ertrag zu halten oder sogar mittelfristig zu steigern - bestes Beispiel dafür ist das Familienunternehmen Frese in Freiburg selbst.

Heiner Luttermann in seiner sympathischen emotionalen Art fühlten sich sicher viele Zuhörer in Erfurt nahe, als es ihm impulsiv entfuhr: "Ich habe eine maßlose Wut im Bauch, wenn ich an das Paket denke, dass uns drückt." Damit bezog er sich auf die Probleme, von denen der Fachhandel zur Zeit besonders betroffen ist - beispielsweise dem Reduzierungs-, Rabatt- und Bonuswahn in Deutschland. "Es ist zweifelhaft, ob der Verbraucher mit den angeblich günstigen Preisen bei Aldi, Tchibo, im Möbelhandel oder bei billigen SB-Märkten wirklich immer ein Schnäppchen macht. Mancher Discounter ist oft teurer als das normale Fachgeschäft, aber der Glaube versetzt nicht nur Berge, er schafft auch Tatsachen - und gerade in unserer Branche gibt es ein gutes Beispiel, wie man mit permanenten 80 % Rabatt offenbar gut über die Runden kommt." So gut kommt man damit aber offenbar aber doch nicht über die Runden, wenn die Gerüchte um eine Insolvenz der Tratex-Märkte stimmen.

Trotz der momentanen Probleme ist Luttermann wie sein Kollege Frese sicher, dass es eines Tages wieder aufwärts geht. "Wir haben schöne Produkte und sie halten nicht ewig. Außerdem unterliegt auch das Wohnen modischen und stilistischen Tendenzen." Bedarf sei durchaus da, aber Bedarf allein reiche nicht aus. "Es müssen Anregungen kommen und deshalb sind attraktive Schaufensterdekoration, Präsentation und Werbung so wichtig. Und wir müssen auch aktuell bleiben. Neuheiten dienen der Profilierung - Preispolitik und Preiskampf nicht. Die dienen nur der Gleichmacherei." Ebenso wichtig sei es für den Fachhandel, nicht am Personal zu sparen. "Gute Leute sind vielleicht sogar das Allerwichtigste, noch vor der Standorpolitik und der daraus folgenden Sortimentspolitik."

Er riet den Kollegen, sich auch auf Veränderungen durch Gesetzesnovellierungen einzustellen. "Wir müssen mit einer weitgehendn Aufhebung der einzelhandelsrelevanten Vorschriften rechnen. Wir werden mehr Sonderveranstaltungen, mehr Räumungsverkäufe und ein vielfältiges System von höheren Rabatten und Kundenkarten erhalten."

Eine Veränderung betrifft die Branche bereits direkt: Die Schaffung des neuen Ausbildungsberufes Bodenleger. Wesentlich daran beteiligt war als Vertreter des Handels FDTB-Vorstandsmitglied Karsten Krause, der in Erfurt von den Klippen im Vorfeld berichtete und Ausbildungsprofil sowie Ausbildungsverordnung vorstellte.

Berufssachverständiger Siegfried Heuer dürfte einer der meistgebuchten Gastredner der Branche sein. Er sprach auf der Verbandstagung lebhaft und beredt - aber auch unstrukturiert - wie immer - über "Aktuelle Probleme vom Auftrag bis zur Schlussabrechnung" und streifte dabei die Themen Gewährleistung, Vertragsrecht, Mängelrüge und VOB, abgerundet durch zahlreiche Bilder zu dramatischen Schadensfällen. Das kommt immer beim Publikum an.

Mit großem Interesse verfolgt wurden auch die Ausführungen von Designer Axel Venn, ebenfalls ein auf vielen Veranstaltungen beliebter Redner. Er zeigte "Designtrends - wohin geht die Zukunft?" auf und propagierte zugleich eine emotionalere Kundenansprache.

Die nächste Tagung des FDTB findet vom 1. bis 4. Mai in Oberstdorf statt.


Die Chronik des Bundesverbandes Teppich- und Gardinenhandel

1949 Gründung eines Fachhandels-Verbandes, erster Vorsitzender wird Senator August Schrader
1954 Richard Schmitz übernimmt den Vorsitz
1957 Umbenennung in Fachverband des Deutschen Teppich- und Gardinenhandel
1960 Heinrich Pelzer wird zum Vorsitzenden gewählt
1972 Peter Engmann wird zum Geschäftsführer berufen; die Geschäftsstelle des Verbandes wird nach Köln verlagert
1978 Der Vorsitz geht an Heinrich Vogelwiesche
1991 Alfred Böhmler wird Vorsitzender
1996 Neuer Vorsitzender wird Norbert Kirchhoff; Umbenennung in Bundesverband des Deutschen Teppich-und Gardinenhandels; die Aktion "Sauberer Orientteppich-Handel" startet;
1999 50jähriges Verbandsjubiläum; Heiner Luttermann übernimmt den Vorsitz
2002 Der Verband beschließt auf seiner Jahrestagung einstimmig die Auflösung zum Jahresende
aus BTH Heimtex 08/02 (Wirtschaft)