Absolventen der Lehranstalt des Deutschen Textileinzelhandels (LDT) in Nagold haben gute berufliche Perspektiven:

Ohne "Texer" läuft fast nichts

NAGOLD - Ein richtiger "Texer" muss trotz seines strapaziösen Lernalltags an seiner Lehranstalt zu jeder Stunde des Tages und zu jedem x-beliebigen Thema eine voll krasse Party feiern können. - Dieser keineswegs unsympathische Eindruck bemächtigte sich des in die Jahre gekommenen HAUSTEX-Redakteurs, aufgewachsen mit der "Feuerzangenbowle" und von Berufs wegen eher mit "Textern" vertraut, beim kurzweiligen Durchblättern des zum Sommersemester 2003 erschienenen "Textrablattes - dem Magazin für Texer".

Texer, diese im schwäbischen Nagold beheimatete Studenten-Spezies bildet gemeinsam mit dem ebenso exemplarisch wie pointiert porträtierten Lehrkörper der Lehranstalt des Deutschen Textileinzelhandels (LDT) die zentrale Zielgruppe des rund 200 Seiten starken Insider-Magazins, das auf Grund seiner überwiegend dokumentarischen Inhalte in klassischer Schwarz/Weiß-Optik aufmacht.

Ende Juni lag das erhellende, aber nicht so ernst gemeinte Szene-Druckwerk am Rande des viermal pro Jahr veranstalteten Schnuppertages der LDT aus, die als eingetragener Verein unter der Trägerschaft des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) als selbstständige, unabhängige Bildungseinrichtung fungiert. Im Rahmen von Führungen, Fragestunden, Einzelgesprächen sowie Unterrichtsveranstaltungen erfahren angehende "Texer" an diesen Schnuppertagen alles über die Zugangsvoraussetzungen zum Studium, die verschiedenen Studiengänge, die Berufschancen von LDT-Abgängern, Förderungs- und Finanzierungsmöglichkeiten, das Wohnungsangebot vor Ort usw. Dabei stehen Direktor Rüdiger Jung, Geschäftsführer Manfred Mroz und etliche Fachdozenten den Interessenten erschöpfend Rede und Antwort. ASTA-Vertreter stellen ihre Arbeit und die einzelnen Felder studentisch organisierter Aktivitäten (Schulpolitik, Sport, Kultur usw.) vor.

Außerdem können sich die Besucher bei parallel laufendem Unterrichtsbetrieb von der Professionalität des in Seminarform vermittelten Lehrangebots überzeugen, das sich - natürlich immer in Anlehnung an die textile Ausrichtung - in keinster Weise hinter dem von staatlichen (Fach-)Hochschulen verstecken muss. Im Gegenteil, auf Grund der wesentlich stärkeren Praxisorientierung bei einer nur zweijährigen Studiendauer im insgesamt viersemestrigen Vollzeitstudiengang sind die Unternehmen der Branche sehr an LDT-Absolventen interessiert. Nicht nur die auffällig dekorierten, an namhafte Hersteller vermieteten Schau-Vitrinen auf den Fluren symbolisieren die traditionell guten Verbindungen zwischen Schule und Textilindustrie. "Etwa 80 Prozent unserer Vollzeit-Studenten haben bereits im vierten Semester konkrete Job-Angebote vorliegen", weiß Manfred Mroz, wobei sich unter anderem das schwarze Brett der LDT als ungeheuer effektive und durchaus internationale Vermittlungsbörse erweist. Hier feiern die großen Modemarken dieser Welt mit reizvollen beruflichen Offerten ein munteres Stelldichein.

Nicht ganz so spektakulär, aber auf ebenso hohem Niveau bietet die LDT-Textilprüfstelle der Branche einen umfangreichen technischen Apparat, jahrzehntelange Erfahrungen sowie eine neutrale und zuverlässige Qualitätsprüfung und -bewertung an. Dabei hat sich das Institut durch seine exakte Gutachtertätigkeit einen ausgezeichneten Namen erworben. Die Prüfungen werden sowohl an Fasern und Fäden wie an textilen Flächen durchgeführt. Moderne Prüfgeräte erlauben qualitative bzw. quantitative Materialanalysen und bestimmen Reißfestigkeit, Berstdruck, Scheuerfestigkeit, Farbstoffklassen, Farbechtheiten, Einlauf- und Krumpfverhalten, Pillingbildung, Knittererholung usw.

Ein Mehr an Flexibilität auf Grund staatlicher Unabhängigkeit

Wer an einer staatlichen Hochschule studiert hat, der kennt sie aus dem Effeff, die bürokratischen Mühlen der Prüfungsämter und Sekretariate, die in einigen Fächern hoffnungslos überfüllten Hörsäle und die bisweilen realitätsfremden Lehrinhalte, die mit dem späteren Berufsleben nicht das Geringste zu tun haben. Diese Art der Zeitverschwendung entfällt in Nagold aus zwei Gründen: als privatwirtschaftlich geführte Schule, die sich zum überwiegenden Teil aus Studiengebühren finanziert, muss die LDT auf der Basis der erzielten Einnahmen kostendeckend wirtschaften; und als kundenfreundliche Einrichtung hat sie im Interesse ihrer Klientel die Lehr- und Lernpläne den sich ständig wandelnden, vielschichtigen Anforderungen der Praxis schnell und flexibel anzupassen. - Und was da derzeit unter den Stichworten Globalisierung, Konzentration und Vertikalisierung in der Mode- und Textilbranche passiert, das wissen die mehrheitlich weiblichen "Texer" nur zu genau.

Deshalb gilt es während des Studiums die erforderlichen warenkundlichen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zu erwerben, um rasch eigenverantwortlich tägliche Führungsaufgaben in mittelständischen Textilunternehmen zu übernehmen bzw. ohne gravierende Probleme neue berufliche Herausforderungen zu meistern. Die methodisch zeitgemäße Wissensvermittlung erfolgt in kleinen Gruppen innerhalb eines sehr persönlich gehaltenen Lehr- und Lernklimas bzw. -umfeldes. Auf diese Weise werden auch Sozialkompetenzen wie Teamgeist, Verhandlungs- oder Organisationsgeschick gefördert.

Das über 60 Personen umfassende Dozententeam, in dem sowohl ausgesprochene Spezialisten als auch breit ausgebildete Generalisten zu finden sind, setzt sich aus Frauen und Männern mit den unterschiedlichsten Qualifikationen zusammen. Neben klassischen Akademikern unterrichten etliche Praktiker, die ihr Handwerkszeug in Einzelhandelsunternehmen gelernt haben. Dabei wird ein Kernkollegium aus Vollzeit-Dozenten durch zahlreiche Gastdozenten ergänzt. Die skizzierte Personalstruktur entspricht in jedem Fall der gelebten Unternehmensphilosophie der LDT, die auf Einmaligkeit durch Praxis- und Kundenorientierung sowie auf Privatwirtschaftlichkeit setzt. Außerdem, und das fällt angenehm auf, scheint es zwischen Lernenden und Lehrenden bei aller gebotenen Distanz zu "menscheln", denn es herrscht ein zwangloser, fast freundschaftlicher Umgangston. Gleichzeitig wird die zwischenstudentische Teambildung durch gemeinsame sportliche und kulturelle Aktivitäten, "Absch(l)uss-Fahrten" - beispielsweise nach Ägypten - und feucht-fröhliche "Schnüffelfeste" im hauseigenen Fünf-Sterne-Treff "Waldruhe" gefördert.

Das immer wieder gern genommene Branchen-Vorurteil, Nagold biete zwar eine kurze Ausbildung, sei aber im Vergleich zu Weiterbildungsmaßnahmen an staatlichen Fachhochschulen sehr kostspielig, verweist Manfred Mroz in das Reich der Fabel. Zwar erscheint eine Semestergebühr von rund 2.500 Euro auf den ersten Blick ziemlich hoch, zumal Prüfungsgebühren, Kosten für Manuskripte und Literatur sowie für den kompletten Lebensunterhalt noch hinzukommen; aber dafür dauert das Studium bei der gebührenfreien staatlichen Konkurrenz in der Regel vier und nicht zwei Jahre, wodurch die Ausgaben für die Lebenshaltung enorm ansteigen. Eine insgesamt noch höhere Kostenbelastung ist die logische Konsequenz! - Darüber hinaus haben Nagold-Absolventen den unbestrittenen Vorteil, dass sie zwei Jahre eher im Berufsleben stehen und somit zwei Jahresgehälter mehr verdienen können. Neben verschiedenen Möglichkeiten, die Kosten eines LDT-Studiums steuerlich abzusetzen, existieren mit dem Schüler- und Meister-BaföG, dem von der Bundesregierung verabschiedeten Programm "Begabtenförderung Berufliche Bildung" sowie einem speziellen Bildungskreditprogramm der Kreissparkasse Nagold diverse Varianten solider finanzieller Unterstützung.

Die Studiengänge und das Seminarwesen auf einen Blick


Beim Vollzeitmodell vermittelt ein viersemestriger Studiengang mit dem Abschluss "Textilbetriebswirt BTE" oder "Schuhbetriebswirt BDSE" (Bundesverband des deutschen Schuheinzelhandels) das fachliche Wissen und Können für Führungsaufgaben in Handel und Industrie. Der Studiengang beginnt jeweils Mitte März oder Mitte September. Zulassungsvoraussetzungen sind ein beliebiger Schulabschluss und eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum/zur Einzelhandelskaufmann/frau. Die abgeschlossene Berufsausbildung kann für Abiturienten und diejenigen Interessenten entfallen, die im Vorfeld bereits mehrere Monate im textilen Einzelhandel gearbeitet haben.

Die Teilnehmer am Firmenmodell, das die gleichen Abschlüsse wie oben vorsieht, erwerben innerhalb einer 29-monatigen Traineephase die Fähigkeiten zur Übernahme von Führungsaufgaben im Textilhandel oder eines (elterlichen) Betriebs. Der praktische Ausbildungsteil in den Unternehmen liegt bei rund 60 Prozent (= 18 Monate) und wird immer wieder durch unterschiedlich lange Unterrichtsphasen (insgesamt 11 Monate) unterbrochen. Der Studiengang beginnt regelmäßig am 1. August eines Jahres. Zulassungsvoraussetzungen sind Abitur oder Fachhochschulreife sowie ein kooperierender Betrieb, der die praktische Ausbildung übernimmt, eine Trainee-Vergütung zahlt und die Teilnehmer für die Unterrichtsphasen freistellt.

Die Berufsbezeichnung "Textilbetriebswirt BTE" schließt bei beiden vorgestellten Studienmodellen die ADA-Prüfung (ADA = Ausbildung der Ausbilder) als Sonderqualifikation mit ein. Optional können sich Studierende, die eine Erstausbildung zum Einzelhandels-, Großhandels- oder Industriekaufmann erfolgreich abgeschlossen haben und anschließend eine 24-monatige praktische Tätigkeit in ihrem Beruf nachweisen können, freiwillig der Prüfung zum Handelsfachwirt unterziehen. Um der ungebremst voranschreitenden Internationalisierung der Produktions- und Handelsstrukturen Rechnung zu tragen, wird auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Schulen und Universitäten kontinuierlich ausgebaut. Etliche Studenten bestreiten bereits ein fünftes, freiwilliges Auslandssemester und nehmen damit die spannende Chance wahr, sich beruflich und privat in anderen Ländern und Kulturen zu beweisen. Ein mögliches sechstes Semester in Nagold, dessen Unterrichtsreihen ausschließlich in englischer Sprache abgehalten werden, verdeutlicht die enge Anlehnung der LDT an internationale Ausbildungsstandards. Als ausländische Kooperationspartner sind in diesem Zusammenhang die Pearl Academy of Fashion im indischen Neu Dehli, die US-amerikanische Northwood-University mit ihren Standorten in Miami, Dallas und Detroit, die britische University of Surrey und das niederländische Fashion Institute in Amsterdam zu nennen.

Generell gewährt die Einrichtung von so genannten Wahlfächern den Studenten die Freiheit, ihr Wissen entsprechend ihren Neigungen und beruflichen Zielen zu erweitern. Im Verlauf des Studiums müssen insgesamt zehn Wahlfächer belegt werden, darunter mindestens sechs warenkundliche, die alle zu einem der großen Produktbereiche HAKA, DOB, Sport oder Heim- und Haustextilien gehören. Diese sechs Fächer bilden - erfolgreiches Bestehen der jeweiligen Prüfungen vorausgesetzt - den warenkundlichen Fachabschluss. Der wiederum gilt als Zulassungsbedingung für die Abschlussprüfung im vierten Semester und dient der Spezialisierung. Andere zentrale Bausteine des Studiums sind die Semesterarbeit sowie die Präsentation der großen Fallstudie, innerhalb derer das erworbene theoretische Wissen praktische Anwendung findet. Bei durchschnittlichen Studentenzahlen von gut 350 - zum Herbst werden traditionell mehr Einschreibungen registriert - hat die Zahl der Spezialisten für Heim- und Haustextilien in letzter Zeit abgenommen, was neben der allgemein schwachen Konjunktur auch am etwas verstaubten Image dieser Handelssparte liegen mag.

Gestufte Fortbildung zum Fachberater oder Fachwirt LDT

Mitarbeiter im Verkauf können sich in zwei- bis vierwöchigen Seminarreihen innerhalb von drei bis vier Monaten zum Fachberater, beispielsweise für Gardinen oder Bettwaren, ausbilden lassen. Für Nachwuchskräfte auf der Führungsebene besteht zudem die Möglichkeit, sich in zehn plus zwei Seminarwochen innerhalb von etwa 18 Monaten zum Fachwirt LDT mit den Schwerpunkten Sport, Bekleidung oder Heim- und Haustextilien fortzubilden. Diese Seminarreihe richtet sich in erster Linie an Interessenten, die auf Grund ihrer angespannten beruflichen Situation kein Fachschulstudium absolvieren können.

Im Rahmen der Ausbildung zum Heim- und Haustextilien-Fachwirt stehen zehn Seminarwochen für allgemeine Themen aus den Bereichen Ware, Betriebswirtschaft, Personalwesen und Organisation zur Verfügung. In zusätzlichen zwei Wochen werden warenspezifische Inhalte aus den Bereichen Heimtextilien (Gardinen und Bodenbeläge) sowie Haustextilien (Bett- und Aussteuerwaren) vertieft. Die Studenten können wahlweise einen der beiden genannten Blöcke, aber auch beide besuchen. Bei der Terminplanung wird selbstverständlich Rücksicht auf Saisonrhythmen der Branche genommen. Inhaltliche Schwerpunkte der Lehrgänge sind:

- allgemeine und spezifische Einzelhandels-/Betriebswirtschaftslehre;
- Personalwirtschaft/Personalwesen;
- Ware/Einkauf/Sortimentsplanung;
- Marketing/Absatzförderung;
- Arbeits-/Wettbewerbs-/Vertragsrecht;
- EDV/ Betriebsorganisation.

Ein entscheidender Vorteil dieses Studiengangs besteht darin, dass sich sämtliche Inhalte an den besonderen Aufgaben und Problemstellungen der Branche ausrichten. Themen übergreifend wird zwecks Vertiefung und parallel zum Unterricht eine Fallstudie zur Analyse, Konzeptentwicklung sowie Planung bearbeitet.

Anlässlich des Ende Juni veranstalteten Schnuppertages hatte der Autor die Gelegenheit, als Gast einer zehnköpfigen Gruppe von angehenden Heim- und Haustextilien-Fachwirten am warenkundlichen Unterricht von LDT-Fachdozentin Rena Hoffmann teilzunehmen. Zuvor hatte ihn Lehrgangsleiter Kurt Ehrenfeuchter ausführlich über den Ausbildungsgang zum Fachwirt informiert. Im Anschluss an das Seminar beantworteten die Studentinnen und Studenten dem HAUSTEX-Redakteur einige Fragen, wobei das Ganze sehr schnell in ein lockeres Round-Table-Gespräch mündete. - Und was da von Studentenseite kam, gibt Anlass zur Hoffnung für eine Branche, in der junge, qualifizierte Führungskräfte dringend benötigt werden.

Alle Lehrgangsteilnehmer kamen aus kleineren oder mittleren Familienbetrieben des Raumausstatter-Handwerks bzw. des Bettenfachhandels; und alle spielten mit dem Gedanken, ihren Betrieb mittelfristig zu übernehmen, sofern - und das war einhelliger Tenor - die Eltern ihnen die notwendige Entscheidungsfreiheit einräumen. Die von manchem Unternehmensberater für viel Geld, aber mit wenig konkretem Inhalt verkaufte Erkenntnis, das Kundenorientierung und -nähe die obersten Gebote im Handel sind, diese Binsenweisheit hatten die Studierenden längst verinnerlicht, weil im täglichen Verkauf am eigenen Leib erfahren und praktiziert. Sie betonten unisono, dass es ihnen auf der Basis eines profunden Fachwissens darauf ankommt, qualifizierte und vor allem ehrliche Beratungsgespräche zu führen, an deren Ende ein Verkaufsabschluss steht, der dem Kunden bis hin zum Preis eine möglichst maßgeschneiderte Produktlösung und ihnen einen zufriedenen (Stamm-)Kunden beschert. Egal, ob Themen wie Mitarbeiter-Motivation, Kooperationen mit Lieferanten, Marketing- und Werbemaßnahmen oder der Umgang mit dem Verbraucher angesprochen wurden, immer wieder fielen die Begriffe "Fairness" und "Ehrlichkeit". - Handelt es sich dabei vielleicht um charakterliche Qualitäten, die mit Blick auf den wachsenden Preis-, Konzentrations- und Wettbewerbsdruck innerhalb der Branche allmählich in Vergessenheit geraten?
aus Haustex 09/03 (Wirtschaft)