Blaudruckwerkstatt W.A. Wittram jetzt 365 Jahre ununterbrochen im Familienbesitz

Handwerk mit langer Tradition

EINBECK - Die alte Hansestadt Einbeck am Solling, die Fachwerk- und Bierstadt zwischen Harz und Weser, ist ein lohnendes Urlaubsziel. Das gilt auch für die Städte Hildesheim, Goslar und Braunschweig im Umfeld mit ihren vielfältigen Kunstschätzen. Aber auch in den Harz und an die Oberweser ist es von Einbeck aus nicht sehr weit. Der Ort gehörte im späten Mittelalter zu den reichsten Städten Norddeutschlands und war damals größer als die heutige Landeshauptstadt Hannover. Den Besucher erwarten über 400 liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser. Etwa 120 spätgotische Bürgerhäuser, reich verziert mit Ornamenten und Schnitzwerk, sind hier besonders zu nennen. In einem von ihnen, Am Möncheplatz 4, befindet sich seit über 250 Jahren die jetzt 365 Jahre bestehende Blaudruckwerkstatt W.A. Wittram.

Die Textilindustrie und vorrangig das Bierbrauen brachten der Stadt großen Reichtum zu dieser Zeit. Bier wurde auch ins benachbarte Ausland und sogar ins klassische Bierland Bayern geliefert. "Der beste Trank, den einer kennt, wird Einbecker Bier genennt" bedankt sich schon der Reformator Martin Luther 1521 beim Herzog von Braunschweig. Für die Gründung des Hofbräuhauses soll sogar ein Braumeister aus Einbeck mit Geld "entführt" worden sein.

Neben der Braukunst hatte die Textilindustrie einen sehr hohen Stellenwert in der Stadt. Zulieferer für die zu färbenden und zu bedruckenden Stoffe, vorrangig Leinen, war das Umland. Färberwaid wurde großflächig dafür in Thüringen angebaut. Der daraus gewonnene Farbstoff musste aufwendig verarbeitet werden. Mehrfache - bis zu zehn - Einfärbungen für die verschiedenen Blautöne von Hell- bis Schwarzblau waren erforderlich.

Nach Öffnung des Seeweges nach Indien wurde das qualitativ weit bessere Indigo eingesetzt oder mit Färberwaid gemischt. Die Landesfürsten sahen aber ihre Pfründe aus dem Waidgeschäft schwinden und versuchten mit vielen Mitteln die Einfuhr von Indigo zu verhindern. Die mächtigen Fugger setzten sich jedoch mit ihren Importen dagegen durch.

Die chemische Industrie lieferte ab etwa 1930 die Indanthren-Farbstoffe, mit denen Kochfestigkeit und Farbechtheit erreicht wurde. Neben dem klassischen dunklen Indigo-Blau steht heute eine umfangreiche Farbpalette zur Verfügung. Die neuen Farbstoffe haben den Fertigungsablauf erheblich und somit Kosten senkend reduziert.

In den Wirren des 30-jährigen Krieges gründete Hans Wittram die noch heute im Familienbesitz befindliche Blaudruckwerkstatt als Stoff-Färberei. Frau Regine Wittram-Poppinga leitet das Haus jetzt erfolgreich in der 13 Generation. Nach dem 30-jährigen Krieg wurde das Land mit farbig gemusterten Kattunstoffen überschwemmt. Die zahlreichen Einbecker Färbereien konnten dagegen nichts Vergleichbares liefern. Viele mussten die Segel streichen.

Bereits im Jahre 1700 versuchte sich Hans Heinrich Wittram, der Sohn des Firmengründers, als erster in der Blaudrucktechnik. Noch heute werden die von ihm entworfenen biblischen Motive "Josua und Kaleb" (mit der großen Weintraube aus dem gelobten Land) sowie "Adam und Eva" aus dem Jahre 1720 erfolgreich genutzt.

Der Blaudruck hat viele Vorläufer im Altertum. Schon im alten Ägypten war Indigo bekannt und wurde zum Färben von Kleiderstoffen genutzt. Ähnliche Verfahren waren aber auch in anderen Kulturen schon früh bekannt. In Indien, China, Rom, aber auch im vorkolumbischen Amerika, z.B. Altperu, wurden der Batik ähnliche Techniken ausgeführt. Aus den verschiedenen Kolonien kamen dann viele bisher unbekannte Textilerzeugnisse nach Europa.

Das Grundverfahren bei der Blaudruck-Herstellung hat sich bis heute jedoch kaum verändert. Dieser Stoffdruck ist eine edle Handarbeit geblieben. Neben der seit vielen Jahren treuen klassischen Kundschaft werden sowohl die historischen als auch die aktuellen neuen Erzeugnisse von W.A. Wittram heute von Individualisten mit einem besonderen Geschmack sehr geschätzt. Bedruckt werden in Einbeck wie seit eh und je Leinen, Halbleinen und für besonders feine Muster auch Baumwolle als lange Bahnen verschiedener Breite oder zugeschnittene Einzelstücke in vielen Abmessungen.

Auf großen Tischen mit Polsterunterlage wird der Stoff straff ausgebreitet. Hier beginnt die Arbeit mit dem "Papp". Der "Papp" genannte grüne Brei besteht aus Kaolin, Gummiarabikum und weiteren nur dem Drucker bekannten, oft geheimen Zusätzen. Diese Masse wird gleichmäßig dünn in dem Druckchassis verteilt, vergleichbar mit einem großen Stempelkissen. Die zum Einsatz kommenden Druckmodel sind großen Stempeln ähnlich (heute ca. 30 x 30 cm, früher kleiner). Sie sind größtenteils handgeschnitzt aus Birkenholz hergestellt und zeigen das gewünschte Muster in Negativform. Etwa 800 aufwendig von Hand hergestellte Exemplare aus den verschiedensten Zeiträumen befinden sich im Hause. Der große Bestand wird aber immer wieder durch neue Muster ergänzt.

"Papp", die Druckmasse, wird mit dem entsprechenden Model millimetergenau und im Rapport auf den Stoff gestempelt. Die so bedruckten Bahnen und Teile dürfen sich beim Trocknen keinesfalls berühren. Nach vollständiger Trocknung erfolgt die Färbung im Farbkessel. Auch hier dürfen sich die Bahnen nicht berühren. Ist der Färbevorgang beendet, wird der aufgedruckte Papp vollständig ausgewaschen. Die beim Drucken abgedeckten Stellen des Stoffes erscheinen jetzt als Muster.

Das große aktuelle Stoffangebot bietet sich vielfältig für den Einsatz in der Raumausstattung an. Da sind u.a. zu nennen: Dekostoffe, Tischdecken, Tischsets, Kissenplatten, sowie der gesamte Modebereich von der Trachten- bis zur Kindermode. Gedruck werden nicht nur die beliebten historischen Muster. Viele ansprechende neue Lösungen sind im Programm. Sonderwünsche, auch exclusiv, werden gern ausgeführt. Zudem können Kataloge und Stoffmuster abgerufen werden. Zu empfehlen ist auch ein Besuch in diesem geschichtsträchtigen Haus. Frau Wittram-Poppinga und ihre Mitarbeiter freuen sich nach Absprache auf einen Besuch. Blaudruckwerkstatt W.A. Wittram, Inh. R. Wittram-Poppinga Möncheplatz, 37574 Einbeck; Tel. 05561/3350 Fax 05561/74028.
aus Haustex 04/03 (Wirtschaft)