Egeria

Mit neuen Zielgruppen wachsen

Tübingen - Die Traditionsmarke Egeria ist wieder im Handel präsent und will in bewährter Weise mit Qualität, Design und Kontinuität punkten. Nach der Übernahme durch den türkischen Textilhersteller agiert Egeria nach wie vor am traditionellen Standort Tübingen und beliefert von dort den europäischen Markt. Auch Entwicklung, Verwaltung, Marketing und Logistik befinden sich in der schwäbischen Kleinstadt. Lediglich die Produktion erfolgt bei der Muttergesellschaft in der Türkei.

Alles in trockenen Tüchern", prangt als Schriftzug auf dem pfiffigen Abi-Handtuch 2005, das Frottierwaren-Hersteller Egeria als Sonderedition für erfolgreiche Absolventen der Reifeprüfung aufgelegt hat. Die Redewendung trifft aber ebenso auf die Marke Egeria selbst zu, die nach der Übernahme durch die türkische Uslu-Gruppe im März 2003 unter neuer Führung angetreten ist, die jahrzehntelange Erfolgsgeschichte des hochwertigen Handtuch- und Bademantel-Programms weiter zu schreiben. "Wir waren selbst überrascht, wie gut der Fachhandel Egeria wieder aufgenommen hat. Die Resonanz ist mehr als positiv", freut sich Fritjof Eisenlohr, Vorsitzender des Egeria Aufsichtsrates.

Das neu etablierte Unternehmen mit derzeit 35 Mitarbeitern residiert nach wie vor am traditionsreichen Standort Tübingen, im ehemaligen Verwaltungsgebäude des alten Egeria-Gebäudekomplexes. Der repräsentative, Denkmal geschützte Gebäudeteil mit rund 7.000 qm Nutzfläche wurde vom Uslu-Konzern aufgekauft und zeitgemäß renoviert. Den meisten Platz nimmt ein imposantes, 5.200 qm großes Hochregallager im Untergeschoss ein, das 1994 errichtet wurde und auch künftig als Kommissionslager für Handtücher und Bademäntel genutzt wird. Eine Etage höher, in einem umgebauten, früheren Spinnerei-Saal, befinden sich die Licht durchfluteten Büroräume der Verwaltung. Direkt nebenan sind Entwicklungsabteilung, Musternäherei und Qualitätskontrolle untergebracht.

"Unsere gute Kapitalausstattung mit 3 Mill. Euro Stammkapital ist der Beweis dafür, dass wir nicht kurzfristig, sondern mittel- und langfristig planen. Das zeigt auch die großzügige Gestaltung der Verwaltung als Zentrale für den europäischen Markt", ist der Aufsichtsratsvorsitzende zuversichtlich, der in Abwesenheit des türkischen Geschäftsführers Fethi Giray kommissarisch dessen Part als kaufmännischer Leiter übernimmt.

Europäische Vertriebszentrale

Vom Egeria-Stammhaus in Tübingen werden Vertriebs- und Logistik-Aktivitäten in ganz Deutschland und europaweit gelenkt. Zur größten Kundengruppe zählt der Facheinzelhandel, wie Bettenfachhandel, Raumausstatter und Wäschegeschäfte. Hinzu kommt die potente Zielgruppe der Warenhaus-Konzerne und Möbelhäuser, mit denen Egeria traditionell zusammengearbeitet hat und derzeit "alte Geschäftskontakte wieder auffrischt", wie etwa Karstadt und Möbel-Rieger. Außerdem ist der Frottierwaren-Spezialist bei Versendern gelistet, darunter der Otto-Versand in Hamburg, Müller in Buttenwiesen und Heinrich Heine in Karlsruhe.

"Heutzutage braucht man ein breites Kundenspektrum, um die anvisierten Umsätze realisieren zu können", meint Geschäftsführer Michael Schmidt, der sich vorwiegend um Vertriebsaufgaben kümmert. Elf selbstständige Handelsvertreter bearbeiten Flächen deckend den deutschen Markt. Zudem sind insgesamt 14 Verkäufer in diversen europäischen Ländern vor Ort. Dem Außendienst-Team gehören auch mehrere Frauen an, die mit Kompetenz und Überzeugung das Frottierwaren-Sortiment vermarkten.

"Sehr gute Erfolge" kann das Unternehmen im Exportgeschäft verbuchen. Ein "starker Markt" bestehe in den Niederlanden und auch in Österreich habe die Traditionsmarke Egeria "einen guten Ruf", berichtet Exportleiterin Sonja Ayasse. Präsent ist man ferner in der Schweiz, in Italien, Belgien und Russland, das "als Zukunftsmarkt" gilt. Ausgeliefert werden alle Bestellungen, ob ins In- oder Ausland, vom Zentrallager in Tübingen, in der Regel mit Paketdienst.

Egeria - der Firmenname ist nach einer antiken, römischen Nymphe benannt -, erzielt rund 60 Prozent seines Umsatzes mit Handtüchern, 40 Prozent entfallen auf Bademäntel. Im türkischen Denizli, dem Stammsitz der Muttergesellschaft Uslu, ist die Warenfertigung angesiedelt. "In der Türkei erfolgt die Produktion, alles andere geschieht in Deutschland, wie Entwicklung und Design, Marketing, Verwaltung, Logistik und Lagerhaltung", erklärt Brigitte Scheufele vom Kreativ-Team H + B Scheufele Design, die gemeinsam mit Ehemann Helmut Scheufele für die Kollektionsgestaltung zuständig ist.

Der Uslu-Konzern, spezialisiert auf Großgeschäfte, produziert auftragsbezogen Frottierware und Hemdenstoffe für den Weltmarkt. Die Türken agieren als Lizenznehmer vieler internationaler Designer, legen jedoch keine eigenen Kollektionen auf und unterhalten kein Warenlager. Mit Egeria deckt Uslu nun auch das Premium-Segment ab und kann sich entsprechend im europäischen Markt positionieren. "Die Marke Egeria finden sie in der Türkei nicht", betont Helmut Scheufele.

Frottierwaren mit Zusatznutzen

Als Einkaufsquelle von Stoffqualitäten, die der Mutterkonzern nicht fertigt, dienen "bewährte, ehemalige Lieferanten", die "qualitativ hochwertige Ware herstellen". Jersey- und Rundstrickware wird von Erzeugern auf der Schwäbischen Alb bezogen, Druckware in Deutschland, Italien und der Schweiz beschafft.

Bei der Entwicklung der Egeria-Sortimente steht der Kunde im Fokus. "Wir haben verschiedene Qualitäten für unterschiedliche Kunden- und Nutzergruppen im Angebot", erläutert Brigitte Scheufele das Kollektionskonzept. Zur Auswahl stehen fünf Uni-Handtuch-Serien, Bademantel-Basics sowie Themen übergreifende Produktwelten, die entsprechend saisonaler Trends gestaltet werden.

Die Uni-Handtuch-Kollektionen sind - je nach Qualitätsstandard - unterschiedlichen Preisgruppen zugeordnet. Ausschlag gebend sind zum Beispiel Feinheit des Materials, Provenienz der Baumwolle und die technische Konstruktion. Der Egeria-Klassiker, die "Kernqualität Manhatten, die immer unser stärkstes Programm" war und in zahlreichen Farben offeriert wird, begeht dieses Jahr ihr 25-jähriges Marktbestehen und wird mit einem Händler-Gewinnspiel nach New York als Preis gefeiert. Zusammen mit Tiffany, einer Halbschur-Qualität und Brodway, einem jungen, sportiven Tuch mit Cord-Optik, wurde Manhatten im "konsumigen Bereich" positioniert. "Die mittlere Preislage ist unsere Stärke", informiert Michael Schmidt. Für die Einstiegspreisgruppe steht die Serie Diamant, während die Top-Qualitäten Queens und Highlight am obersten Preislevel rangieren. Die jeweiligen Uni-Kollektionen werden ergänzt durch farblich passende Dessins, wie Streifen, Karos, florale Muster oder Jacquards.

Einen eventuellen "Preisverhau" der Marke Egeria durch Schnäppchen-Angebote fürchtet der Geschäftsführer nicht. Dem Handel wird eine "attraktive Spanne" gewährt, so dass die empfohlenen Verkaufspreise eingehalten werden. "Dadurch haben wir an der Preisfront Ruhe." Angestrebt wird ohnehin, "nicht allein über den Preis zu verkaufen, sondern über den modischen Anspruch". Innovative Qualitäten mit Zusatznutzen sollen neue Kunden anlocken. "Wir arbeiten daran, den Bekanntheitsgrad der Marke zu steigern und an andere Zielgruppen heranzuführen." Bei der Kundschaft der "alten" Egeria-Sortimente, "vorwiegend Frauen ab 40 Jahren aufwärts", sei der Bekanntheitsgrad "nach wie vor hoch". So will der Frottierwaren-Spezialist weiterhin auf die Tradition bewährter Artikel setzen, aber dennoch sein Angebot durch neue Produkte "verjüngen".

Neue Zielgruppen erschließen

Gerade der populäre Wellness-Trend eröffnet neue Marktchancen. "Die Menschen wollen sich etwas Gutes tun und wir schaffen die Produkte dafür", konkretisiert Brigitte Scheufele die Idee. Darunter fallen beispielsweise Fitness-Anhänger sowie so genannte "Best Ager", ältere Personen, die über eine hohe Kaufkraft verfügen.

"Das Handtuch ist ein Artikel, der für das Freizeitverhalten ganz wichtig ist", weiß die Textildesignerin. Die neueste Entwicklung, ein antibakteriell ausgerüstetes Sporttuch, das im feuchten Zustand nicht riecht, nicht schimmelt und länger "frisch" bleibt, wurde im Mai eingeführt. Nun soll die super leichte, sehr saugfähige Micro-Cotton-Qualität für die Herbst-Kollektion zu Bademänteln verarbeitet werden. Bedient wird mit dem neuen Programm die "Sportzielgruppe", wie Wanderer, Radfahrer, Jogger, Fitnessclub-Besucher und Camper, "die sich in Situationen befinden, wo das Handtuch nicht täglich gewaschen werden kann".
Junge Leute werden mit Egeria-Erzeugnissen durch das bereits erwähnte Abi-Strandtuch vertraut gemacht. Was ursprünglich als Marketing-Coup gedacht war, wurde zum gefragten Insider-Objekt und erfährt in diesem Jahr eine Wiederauflage. Die Serie wird flankiert durch Werbemaßnahmen im Handel, mit Aufstellern, Plakaten und einem Preisausschreiben. Gesucht wird Deutschlands bester Abi-Jahrgang 2005. Für diese Klasse spendiert der Frottierwaren-Hersteller eine Abschlussparty im Wert von 1.500 Euro.

Ein weiteres wichtiges Standbein von Egeria ist das Objektgeschäft. Zur Kundschaft zählen Unternehmen, die Handtücher oder Bademäntel entweder als Werbemittel oder zu eigenen Zwecken nutzen und zum Beispiel ihr Firmenlogo mit Stickerei, Einwebung, Bedruckung oder Hoch-Tief-Technik aufbringen lassen. Neben Emblemen der Automarken Maybach, BMW und Toyota gab es Aufträge von der Supermarkt-Kette Edeka und von renommierten Spitzenhotels, wie dem Brenners Parkhotel. Auch ein Erdinger Weißbiertuch habe man jüngst gestaltet. "Durch unsere türkische Mutter können wir Direktimport-Preise anbieten und haben die Sicherheit von einem deutschen Markenlieferanten", bringt die Geschäftsleitung die Vorteile auf den Punkt.

Um wieder deutlich Präsenz am Markt zu demonstrieren, nimmt Egeria an zahlreichen regionalen und überregionalen Heim-, Haustextil- und Wäsche-Messen im In- und Ausland teil und plant in der Frottierwaren-Branche "bisher noch nicht da gewesene Marketing-Aktionen", die von der betrauten Keep in Touch Werbeagentur aus Stuttgart koordiniert werden. Zu diesem Zweck wurden Corporate Design und Bildsprache neu gestaltet und der Slogan "Auf der Haut zu Hause" kreiert. Endverbraucherwerbung sei "zum momentanen Zeitpunkt nicht vorgesehen". Man bemühe sich jedoch, im redaktionellen Teil von Zeitschriften zu erscheinen. "Den Handel als unseren direkten ersten Kunden zu aktivieren, steht für uns an erster Stelle." Bei Kunden bezogenen Veranstaltungen will man "Branchen übergreifend Menschen zusammenbringen und etwas anbieten, das die Leute reicher nach Hause gehen lässt, als sie gekommen sind", schwebt dem Kreativ-Team Scheufele vor.


Egeria - Chronik

1920 Gründung der privaten Württembergischen Frottierweberei durch Konrad Hornschuch und die Gebrüder Schweizer, Stuttgart.
1926 Bau und Bezug des Firmengebäudes in Tübingen-Lustenau
1953 Egeria GmbH als Vertriebsgesellschaft für die Württembergische Frottierweberei etabliert. Letztere wird Anfang der 80er Jahre aufgelöst.
2000 Egeria Internationale Frottiermode von Arnold Kock Gruppe übernommen. Auslagerung von Weberei und Konfektion ins Ausland, Färberei nach Steinfurt verlegt
2002 Eröffnung Insolvenzverfahren Egeria International
2003 Übernahme der Marke Egeria und Neugründung Egeria GmbH durch die türkische Uslu-Gruppe in Denizli. Kauf des ehemaligen Egeria-Verwaltungsgebäudes in Tübingen-Lustnau, das als Zentrale für den europäischen Markt etabliert wird.
aus Haustex 07/05 (Wirtschaft)