Interview mit Jens-Peter Höge, Rudolf F. Petersen, Hamburg

"Ich sehe die Zukunft des Teppichs mehr als optimistisch."

Jens-Peter Höge blickt auf 25 Jahre Erfahrung in der Teppichbranche zurück. Im Gespräch mit Heimtex Orient befasst er sich mit den deutlichen Verschiebungen im Teppichmarkt, den im Laufe der Zeit nötig gewordenen Änderungen im Sortiment und Serviceleistungen und den Zukunftsaussichten der Branche.

Heimtex Orient: Herr Höge, sie sind 25 Jahre in der Teppichbranche aktiv. In diesen Jahren gab es viele Verschiebungen im Teppichmarkt. Der Handel musste sich, wie die Importeure, dem Umfeld anpassen. Was waren die gravierensten Änderungen?

Jens-Peter Höge: Als ich 1979 in die Firma eintrat, habe ich als erstes eine Deutschlandrundreise gemacht und in dem Zusammenhang eine Marktanalyse. Mit dem Ergebnis, dass 80% des Teppichumsatzes über orientalische Fachgeschäfte erfolgt, und 20% über deutsche Fachgeschäfte, Waren- oder Textilkaufhäuser.

Anfang der 80er Jahre hat dann der Möbelhandel den Teppich entdeckt. Auch ist er preislich aggressiv in die Werbung hineingegangen und hat damit ohne Frage eines bewirkt: Dass die Käuferschicht für Teppiche deutlich größer wurde. Mit dem Einstieg der Möbelhäuser in dieses Produkt ist der Markt stark angestiegen.

Heimtex Orient: Also ist der Möbelhandel in Deutschland heute der wichtigste Absatzweg von Teppichen. Wie kommt es, dass die Verkaufszahlen auch hier sinken?

Jens-Peter Höge: Ohne Frage ist der Möbelhandel nach wie vor der größte Teppichverkäufer der Republik. Das hohe Umsatzniveau der 90er Jahre konnte aufgrund der deutlich schwächeren Konjunktur nicht gehalten werden.

Heimtex Orient: Der Markt für Teppiche scheint insgesamt immer kleiner zu werden. Sind denn Teppiche prinzipiell nicht mehr beliebt?

Jens-Peter Höge: Der Knüpfteppich steht nicht mehr alleine: Handgetuftete und Webteppiche haben den mengenmässigen Rückgang von geknüpften Kompensiert. Der Knüpfteppich befindet sich heute auf dem selben Niveau auf dem er vor der Boomphase war.

Der Teppich hat in seiner Wertigkeit eingebüsst und erreicht deshalb nicht mehr die Umsätze. Nicht zu übersehen ist auch, dass in den letzten Jahren Warenbestände aus über 500 Verkaufsstellen, die aus dem Markt ausgeschieden sind, liquidiert wurden. Die Überproduktion der Boomphase ist verschwunden, der Markt weitestgehend bereinigt.

Und wenn ich einen Ausblick in die Zukunft wagen darf, dann sehe ich den Teppich hier mehr als optimistisch. Wir sehen als Grundlage 50 Mio. qm Laminat, die in diesem Land jedes Jahr abgesetzt werden. Dann sind da noch die Natur-, Keramik- und Steinböden, die einen schalldämpfenden Teppich geradezu fordern. Wir sind sicher, dass die Nachfrage zur Zeit nicht auf den Markt drückt, weil die ökonomischen Rahmenbedingungen den Etat bei den meisten Menschen nicht zulassen.

Heimtex Orient: Ist denn der Preis zur Zeit ein wichtigeres Argument als die Wertigkeit?

Jens-Peter Höge: Erst einmal machen wir machen heute Mode für den Boden. Wir sagen, dass der Teppich Ausdruck des Lebensstils ist. Er muss Lebensfreude vermitteln und dementsprechend sind unsere Produkte ausgerichtet. Das betrifft nicht nur den günstigen Tuftteppich, das betrifft genauso einen Indischen geknüpften wie auch einen Nepalgeknüpften.

Heimtex Orient: War denn der Markt ein ganz anderer, als Sie in die Firma gekommen sind? War es ein anderes Arbeiten für Importeure?

Jens-Peter Höge: Für den Import war es deutlich einfacher. Wir sind in die Ursprungsländer gefahren und haben von den Lagern fertige Ware ausgesucht, fertig bearbeitet, die nur noch eingepackt und versandt werden musste. Das einzige Land, das wir seinerzeit kollektionsmäßig betrieben haben, war die Volksrepublik China, und das auch nur mit klassischen Designs.

China war auch das einzige Land, das die Produktion in Manufakturen organisiert hatte, so dass dort zwar auch auf Vorrat aber auch durchaus auf Auftrag gefertigt wurde. Nepal hat es zu der Zeit kaum gegeben, Indien eigentlich nur für persergemusterte Teppiche. Es waren die Bazare von der Türkei bis China, in denen wir Importeure fertige Ware aussuchten und sie dann hier dem Handel angeboten haben.

Heimtex Orient: Wie hat sich denn das für heute geändert? Wir haben jetzt 25 Jahre später. Wenn ich mir den Markt draußen ansehe, hat sich ja nun sehr viel getan. Was hat sich für Sie als Importeur geändert?

Jens-Peter Höge: Der Importeur als reiner Warenversorger ist beim modernen Teppich nicht mehr gefordert. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen um den Teppich geworden, mit einer vorgelagerten Produktion in Asien. Die Anforderungen des Marktes sind so hoch, dass der Asiate von sich aus kaum die richtigen Produkte fertigen kann. Er benötigt unseren Input in der gesamten Produktion, vom Design, Colorierung bis zur Entwicklung innovativer Qualitäten.

Heimtex Orient: Was für eine Art Ware war es, die damals aus China kam?

Heimtex Orient: Der China-Teppich hat sich von vornherein in drei Stilrichtungen gegliedert. Das eine waren florale, leicht verzierte Blumenteppiche. Dann der Pekingteppich, abstammend von dem klassischen, chinesischen Palastteppich. Als drittes und wichtigstes der Aubousson. Er ist meines Wissens auch der am meisten produzierte Teppich der Welt überhaupt.

Heimtex Orient: Das Geschäft mit China war bestimmt nicht ganz einfach. Wenn Planwirtschaft und die freie Marktwirtschaft zusammentreffen, sind Probleme wohl vorprogrammiert...

Jens-Peter Höge: Das ist leider richtig. China hat in der kommunistischen Zeit eine Planwirtschaft par excellence eingeführt. Es wurden Produktionszentren eingerichtet, die alle mit sehr viel Personal, sehr viel Manpower und sehr großer Kapazität ausgestattet waren und es gab den 5-Jahres-Plan. Es wurden Planmengen gemacht, ohne mit dem Markt zu kommunizieren. Es entstanden große Mengen unverkäuflicher Teppiche. Die Chinesen haben die Ware, die nicht verkauft werden konnte, sauber archiviert und in riesigen Lagerhäusern aufbewahrt, sie war ja Volkseigentum. Das ging über Jahre hinweg. So haben sich in China Läger aufgebaut, die gigantisch, die unvorstellbar waren. Mitte der 80er Jahre. kam die zentrale Planungskommission zu dem Ergebnis diese Lager abzustoßen. Und dann wurden diese gigantischen Lagerhäuser geöffnet. Zunächst mit bescheidenen Rabatten. Doch dann gingen die Preise immer weiter in den Keller. Der Abverkauf hat etwa 5 Jahre gedauert und hat letztendlich den Markt für klassische Chinateppiche nahezu ruiniert.

Heimtex Orient: Wie hat Petersen darauf reagiert?

Jens-Peter Höge: Als sich zeigte, dass sich die Lagerhäuser deutlich leeren und der Nachschub nicht mehr gesichert war, haben wir gesagt: So jetzt ist die Zeit, das wieder neu aufzubauen. Wir sind nach China gegangen und einen Neubeginn gestartet. Wir hatten eine klare Vorstellung, eine klare Konzeption, wie das zu tun ist. Für uns hieß das ganz klar, Produktionen in die eigene Hand zu nehmen. Die Grundsatzentscheidung ist schon 1995 dazu getroffen worden und wir haben das Projekt dann 1999 in Angriff genommen. Heute steht die eigene Produktion.
Heimtex Orient: Was für Teppiche produzieren Sie denn heute in China?

Jens-Peter Höge: Wir machen heute klassische, geknüpfte Chinateppiche in Wolle und Seide und natürlich handgetuftete Teppiche in allen Facetten. Gerade mit den Handtuft-Teppichen können wir eine ganz andere Zielgruppe ansprechen. Genau das war es was vom Markt gefordert wurde: Innovative Teppiche in attraktiven Preislagen.

Heimtex Orient: Ihr Angebot hatte sich parallel zum Chinageschäft aber auch mehr und mehr in Richtung Nepal verschoben.

Jens-Peter Höge: Anfang der 80er-Jahre haben wir auf zwei Standbeinen gestanden: Der Türkei und China. China mit den erwähnten Problemen Mitte der 80er und auch das türkische Geschäft war im Wandel. Die Türken hatten sich entschlossen, mehr und mehr Teppiche direkt an deutsche Touristen zu verkaufen. Das hatte zur Folge, dass immer mehr Einzelhändler in Deutschland den türkischen Teppich aus dem Sortiment nahmen. Wir waren auf der Suche nach einer Möglichkeit, diese Rückgänge auszugleichen.

Heimtex Orient: Und die haben Sie mit dem Nepalteppich gefunden?

Jens-Peter Höge: Richtig. Und Nepal ist auch heute noch das wichtigste Standbein von Petersen. Auch wenn der Nepalteppich durchaus durch Höhen und Tiefen gegangen ist und im Moment auch geht, hat er alle Perspektiven. Wir sagen, dass es der einzige, hochwertige, handgeknüpfte Teppich im modernen Bereich ist. Damit hat Nepal nach wie vor eine einzigartige Stellung. Der Nepalteppich ist ein extrem innovativer, hochaktueller und moderner Teppich, designed in Europa.

Heimtex Orient: Leider gibt es in Nepal zur Zeit politische Probleme. Wie relevant ist das für den Teppich?

Jens-Peter Höge: Die Produktion wird teilweise durch sogenannte "band's", Generalstreiks, beeinträchtigt. Gravierender sind allerdings Transportprobleme, wenn der einzige Landweg nach Indien blockiert wird.

Heimtex Orient: Neben Nepal und China gibt es aber noch andere, wichtige Standbeine in Ihrem Programm.

Jens-Peter Höge: Ja wir produzieren den ganzen Bereich des modernen Teppichs auch verstärkt in Indien. Auch der Inder hat kein Interesse mehr an stock- und Überproduktionen. Das eröffnet viele Möglichkeiten.

Heimtex Orient: Wie wichtig ist der marokkanische Berber für die Firma Petersen?

Jens-Peter Höge: Der Berber ist ein wunderbarer, zeitloser Teppich. Er hat in seiner Struktur und in verhältnismäßig einfachem Preislagenaufbau ohne Frage seine Daseinsberechtigung immer gehabt. Der Berber hat ja auch in Zeiten, als Nepal und andere Modeprodukte hoch kamen, immer einen gewissen Marktanteil gehalten. Ich sage dem Berber insgesamt ein langes Leben voraus. Man hat viel an ihm gearbeitet, hat versucht ihn zu verändern. Wir haben heute eine ganz klare Aussage vom Markt: So wie er ist, der ursprüngliche Berber, so ist er genau richtig.

Heimtex Orient: Ein großer Teil Ihres Programms stammt aus eigener Produktion. Kann man die Firma Rudolf F. Petersen denn überhaupt noch als klassischen Importeur bezeichnen?

Jens-Peter Höge: Wir fühlen uns heute nicht mehr als Importeur, wir fühlen uns auf der einen Seite als Produktentwickler und Produzent und andererseits als Lagerhalter und Großhändler für diejenigen, die kurzfristig einen Teppich benötigen. Besonders da wir jeden Artikel in unserem Sortiment auch sofort liefern können, haben wir in dem hart gewordenen Markt einen wichtigen Wertbewerbsvorteil.

Heimtex Orient: Vom Importeur zum Produzenten ist ein langer Weg.

Jens-Peter Höge: Ja, das ist schon eine völlig veränderte Welt. Wenn ich heute zurückdenke, wäre das für uns selbst noch vor 15 Jahren unvorstellbar gewesen. Wir hatten das Glück, die Boomphase des Teppichs verschlafen zu haben. Somit konnten wir frei von Altlasten in einem stark rezessiven Markt etwas Neues aufbauen. An dieser Stelle danke ich allen Kunden, die in den letzten Jahren zu uns gestossen sind und uns so vehement gefordert habe.
aus Heimtex Orient 05/04 (Wirtschaft)