Spektakuläre Pleite in Karlsruhe

Türkas ist insolvent

Kaum ein Ereignis wird in der Teppichbranche intensiv diskutiert, wie die Insolvenz des Karlsruher Importeurs Türkas. Die Bombe platzte am 25. Juli, als Türkas in einer offiziellen Pressemitteilung erklärte, Insolvenzantrag gestellt zu haben. Als Gründe dafür wurden "nicht änderbare ökonomische Rahmenbedingungen" und weitere "ungünstige Faktoren" hervorgebracht. Heimtex Orient fragte bei Türkas nach.

Am 25. Juli musste der Importeur Türkas Insolvenz anmelden. Der Zusammenbruch des Traditionsunternehmens wird nicht ohne Folgen bleiben, zählt es doch zu den größten Teppichimporteuren Europas.

Die Geschehnisse in Karlsruhe treffen die Branche schwer. Der süddeutsche Einzelhandel muss nach den Zusammenbrüchen von Tratex und Sabet und den folgenden Lagerausverkäufen einen weiteren groß angelegten und massiv beworbenen Ausverkauf überstehen.

Auch der Großhandel muss Federn lassen: Nicht nur, weil die gebeutelten Einzelhändler weniger abnehmen werden, sondern auch weil Türkas selber ein großer Kunde war. Viele haben Forderungen gegen Türkas und befürchten nun, dass sie ihr Geld abschreiben können. Die gleichen Sorgen plagen die Lieferanten in den Ursprungsländern.

Eine weitere Folge ist eine starke Störung im Warenfluss. Importeure, die Ware an Türkas verkauft hatten und noch keine Zahlungen erhalten haben, können wiederum nicht neu investieren, da ihnen die Geldmittel dafür fehlen.

Besonders hart getroffen sind Importeure, die selber mit Zahlungsziel in den letzten Monaten gekauft haben. Sie können jetzt fällige Zahlungen an die Lieferanten nicht leisten.

Doch wie konnte es dazu kommen, dass ein so großes Unternehmen in eine so schwere finanzielle Schieflage gerät?

Die ersten Informationen aus Karlsruhe geben nur wenig Aufschluss. Heimtex Orient druckt auf diesen Seiten die offizielle Pressemitteilung vom 25. Juli 2005 ab.

Gerade die deutschen Importeure, die in den letzten Monaten viel Ware geliefert hatten, beschäftigen aber andere Fragen, die nicht beantwortet wurden. So wurde nach dem Insolvenzantrag erst deutlich, in welchem Umfang Karlsruhe eingekauft hat. Auch die neugegründete Firma Kymo, vorher der Markenname für moderne Teppiche bei Türkas, gab Grund zu Spekulationen.

Um etwas Klarheit zu gewinnen hat die Redaktion von Heimtex Orient folgende Kernfragen in den Bereichen Wareneinkauf in den letzen Monaten, Hintergründe zur Insolvenz, den Räumungsverkauf an Endkunden und die Rolle von Kymo zusammengetragen:

- Welche Faktoren waren letztendlich entscheidend für die Insolvenz?

- Warum wurden in den ersten Monaten 2005 so intensive Einkäufe getätigt? Man spricht allein in Deutschland von einem zweistelligen Millionenbetrag. Was ist mit dieser Ware geschehen?

- Es gab einen Räumungsverkauf im Juni. Wie ist dieser Verkauf gelaufen? Wer profitiert von den Einnahmen aus diesem Verkauf? Die Banken? Die Lieferanten?

- Kymo soll weiter laufen. Wie sind die Verbindungen zwischen Türkas und Kymo? Wie ist Kymo strukturiert? Mit welchen Waren geht Kymo an den Markt?

Die Antworten auf diese Fragen, die wir an dieser Stelle nicht kommentieren wollen, drucken wir hier ebenfalls im originalen Wortlaut ab.

Wir werden die weiteren Entwicklungen im Hause Türkas aufmerksam weiterverfolgen und in den nächsten Ausgaben weiter berichten.

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Türkas-Statement zu den Fragen von Heimtex Orient

Welche Faktoren waren entscheidend für die Insolvenz?

Aus Sicht der Unternehmensleitung von Türkas, Sefik und Irmgard Türker, war das zeitliche Aufeinandertreffen von vier Faktoren im Wesentlichen für die ungünstige geschäftliche Entwicklung, die schließlich in den Insolvenzantrag vom 25. Juli 2005 mündete, entscheidend:

- Innergesellschaftlicher Dissens
Durch die Blockade eines Mitgesellschafters aus dem Familienkreis, der über eine Ein-Drittel-Beteiligung verfügt, wurde es unmöglich, einen von der Unternehmensleitung von Türkas entworfenen und von den Banken unterstützten Sanierungskurs einzuschlagen: Statt eine Aufstockung des Eigenkapitals vorzunehmen, beharrte dieser Mitgesellschafter auf einen Abzug seines Kapitals. Das Gesellschafterdarlehen wurde von ihm nicht nur gekündigt, sondern darüber hinaus wurden auch umfangreiche Bürgschaften zurückgefordert. Dieses blockierende Verhalten führte letztendlich auch zu einem Scheitern einer angestrebten Nachfolgeregelung, die eine Aufnahme von Sohn Denis Türker als Kommandist und Geschäftsführer vorsah.

- Wandel in der Kreditpolitik der Banken
Aufgeschreckt durch den innergesellschaftlichen Dissens und vor dem Hintergrund der Richtlinie Basel II, die 2007 in Kraft tritt, bekam Türkas die immer restriktivere Politik der Banken bei der Kreditvergabe zu spüren: Das Unternehmen konnte den strenger werdenden Anforderungen nicht mehr genügen. Die Hauptgläubigerbank, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), hielt die Kreditlinie - trotz einer jahrzehntelang erfolgreichen und soliden Geschäftsbeziehung - nicht mehr zu den bisherigen Bedingungen aufrecht. Innerhalb nur weniger Tage wurde Türkas letztendlich auf diese Weise durch hohe Rückzahlungsforderungen in Verbindung mit nicht erfüllbaren Konditionen durch die LBBW in die Insolvenz getrieben.

- Negative Marktentwicklung
Dem Insolvenzantrag war zudem ein stark rückläufiger, ja fast zusammengebrochener Großhandelsmarkt während des ersten Halbjahres 2005 vorausgegangen. Mehrere engagiert durchgeführte Sonder-Verkaufsaktionen zu Beginn des Jahres konnten nicht die gewünschten Erfolge zeitigen. Auch die bei vielen Kunden immer öfter zu beobachtende Tendenz, direkt in den Ursprungsländern einzukaufen, kann als ein für den ungünstigen Verlauf wesentlicher Faktor bewertet werden.

- Änderung der türkischen Einfuhrbestimmungen
Eine drastische Erhöhung von Import-Zöllen auf Orientteppiche durch die Türkei führte außerdem dazu, dass der Markt mit der Türkei, für Türkas Absatzland Nr. 1, quasi zusammenbrach: Aufschläge, die z. T. den eigentlichen Warenwert sogar noch übertrafen, entzogen den geschäftlichen Aktivitäten mit türkischen Großkunden jeglichen wirtschaftlichen Boden.

Hintergrund der Einkäufe im Dezember 2004 / erstes Quartal 2005

Die momentan in der Branche kursierenden Mutmaßungen über die Volumina und die Beweggründe der im Dezember 2004/erstes Quartal 2005 durch Türkas getätigten Wareneinkäufe bewegen sich lediglich auf der Ebene von Spekulationen, da sie jeglicher interner Einblicke in die Entscheidungsgrundlagen der Geschäftsleitung von Türkas entbehren. Um weiteren Gerüchten vorzubeugen, nimmt das Ehepaar Türker wie folgt detailliert Stellung:

- Im Vergleich zu den Umfängen der Türkas-Wareneinkäufe der vergangenen Jahre stellte das Volumen der diesjährigen Einkäufe keine Besonderheit dar, sondern bewegte sich vielmehr in einem für die Größenverhältnisse bei Türkas vollkommen üblichen Rahmen. So lag z. B. das Volumen sämtlicher in Hamburg getätigter Einkäufe zu Anfang dieses Jahres noch weit unter den alljährlich im gleichen Zeitraum getätigten Einkäufen in China. Die in der Branche kursierende, gemutmaßte Dimension eines zweistelligen Millionenbetrages der in Hamburg getätigten Einkäufe entspricht in keiner Weise der Wahrheit.

- Die Tatsache, dass die diesjährigen Wareneinkäufe von Türkas vorrangig in Hamburg getätigt wurden, liegt unter anderem auch in der schlechten Wirtschaftslage in Deutschland und den daraus resultierenden fehlenden Umsätzen bei den Hamburger Importeuren begründet: Letztendlich boten sich hier für Türkas Einkaufspreise und Zahlungsbedingungen, die günstiger als im eigentlichen Ursprungsland waren.

- Wenn im Kaufvertrag mit dem einzelnen Händler der Eigentumsvorbehalt vereinbart war, stehen diesem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Grundlage eines entsprechenden Nachweises Teppiche, die noch in Karlsruhe eingelagert sind, natürlich zur Verfügung.

Es bleibt festzuhalten, dass die angesprochenen Einkäufe im Dezember 2004/erstes Quartal 2005 keineswegs eine Abnormalität im Vergleich mit in dieser Branche üblichen Gepflogenheiten darstellten: Türkas tätigte umfangreiche Wareneinkäufe, um auf der bevorstehenden Messe Domotex und für die geplanten Sonder-Verkaufsaktionen im Frühling 2005 ein außergewöhnliches Angebot präsentieren zu können. Wie jedes wirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen tätigte Türkas diese Einkäufe zu den aus seiner Sicht besten Konditionen.

Hintergrund des Räumungsverkaufs "Generationswechsel"

Mit der Sonderverkaufsaktion "Generationswechsel", die Ende Mai startete, reagierte Türkas auf die anhaltend schlechte Situation im Großhandelsmarkt: Zum ersten Mal seit über zwei Jahrzehnten öffnete das Karlsruher Traditionsunternehmen seine Tore wieder für Privatkunden. Die Zielsetzung der Aktion bestand in der Beschaffung benötigter finanzieller Mittel, einer deutlichen Reduzierung des Türkas Warenbestandes sowie einer sich daran anschließenden Konzentration auf ein zukünftig schlankes, gleichzeitig hochwertiges Angebot.

- Die Aktion "Generationswechsel" fand vom 27. Mai bis zum 18. Juli statt und richtete sich vorrangig an Privatkunden der Region Karlsruhe - Nordschwarzwald - Vorderpfalz - Rhein-Neckar-Dreieck. Die Geschäftsleitung von Türkas prognostizierte bei einem Werbeaufwand von 750 TEUR für den Aktionszeitraum von nahezu sieben Wochen einen Umsatz von 9 - 10 Mio EUR. Mit letztendlich erzielten 3,2 Mio EUR wurden die Erwartungen jedoch nicht erfüllt.

Zwei Gründe können für den negativen Verlauf der Aktion als ausschlaggebend betrachtet werden: Zum einen herrschte fast über den gesamten Juni eine extreme Hitze bei selbst für die badische Rheinebene ungewöhnlich hoher Luftfeuchtigkeit. Des Weiteren machte sich die momentane Käuferzurückhaltung und das schlechte Konsumklima in Deutschland deutlich bemerkbar.

- Von den durch die Aktion "Generationswechsel" erzielten Einnahmen haben Banken und Lieferanten gleichermaßen profitiert.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Aktion "Generationswechsel" mit einem hohen finanziellen Aufwand und unter größten Anstrengungen seitens der gesamten Türkas-Belegschaft durchgeführt wurde: Mit besonderen Events wie dem Weltrekordversuch "Längste Teppichstraße der Welt" und dem Türkas-Sommerfest konnte eine große Resonanz seitens der Medien und der Bürger der Region generiert werden. Schließlich waren es jedoch die ungünstigen Rahmenbedingungen, die zu dem schlechten Ergebnis führten.

Die Zukunft von Türkas

- Die Geschäftsleitung von Türkas wird im Verbund mit den engsten Mitarbeitern alles Machbare versuchen, um einen Fortbestand von Türkas zu gewährleisten - auch unter Einsatz des gesamten Privatvermögens des Ehepaars Türker. Sämtliche Aktivitäten zielen natürlich vor allem auf den Erhalt der rund 70 Arbeitsplätze im Inland und den Zehntausenden Arbeitsplätzen im Ausland ab.

- Der vom Karlsruher Amtsgericht eingesetzte Insolvenzverwalter Markus Ernestus hat bereits im Rahmen eines Interviews mit den Badischen Neuesten Nachrichten vom 28. Juli kundgetan, dass Entlassungen derzeit nicht geplant seien. Des Weiteren bezeichnete er als seine vorrangige Absicht, eine vertrauensvolle Grundlage für die Fortführung der geschäftlichen Aktivitäten von Türkas zu schaffen sowie die Interessen von Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern gleichermaßen wahren zu wollen.

- Kymo nimmt als eigenständige GmbH eigene geschäftliche Aktivitäten auf, die sich auf den Betrieb der gleichnamigen Marke für moderne, handgearbeitete Designer-Teppiche für das mittlere bis gehobene/exklusive Segment beschränken. Klassische, orientalische Teppiche wird die Kymo GmbH nicht führen. Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass keinerlei personelle oder gesellschafterliche Verflechtungen zwischen Türkas und der Kymo GmbH bestehen.

Fazit

Von dem Insolvenzverfahren der Firma Türkas ist das Ehepaar Türker auch privat besonders hart betroffen, da das Privatvermögen ebenfalls für die Verbindlichkeiten der Türkas KG haftet:

- Sefik Türker war als persönlich haftender Gesellschafter gezwungen, als Privatperson ebenfalls Insolvenz zu beantragen.

- Irmgard Türker hat - obwohl nur Kommandistin - für alle Kredite der Türkas KG mitgebürgt. Somit ist neben ihrem gesamten ererbten auch das in den vergangenen vier Jahrzehnten erwirtschaftete Vermögen gefährdet sowie auch die Privathäuser der drei erwachsenen Kinder des Ehepaars.

- Selbst das Hotel Residenz in der Karlsruher Innenstadt ist mit einer Hypothek der Hausbank belegt.

- Selbstverständlich steht neben dem Hotel sowie dem ererbten und erwirtschafteten Vermögen der Familie Türker auch die Zukunft des Türkas-Showroom in Karlsruhe auf dem Spiel, da dieser ebenso Bestandteil der Masse ist, die für die Verbindlichkeiten haftet.

Die Familie Türker erhofft sich, dass der einsetzende Insolvenzverkauf die Möglichkeit zur Zurückzahlung der bestehenden Verbindlichkeiten bietet und eine solide Zukunft für die eigene familiäre Zukunft eröffnet."

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Offizielle Pressemitteilung zur Türkas-Insolvenz vom 25. Juli 2005

"Mehr als vier Jahrzehnte nach der Gründung hat die Türkas Im- und Export Türker KG am heutigen Montag, den 25. Juli 2005, beim Amtsgericht Karlsruhe einen Insolvenzantrag gestellt.

Bis zur letzten Minute hat die Geschäftsleitung von Türkas sich mit allen Kräften und unter Hinzunahme professioneller externer Hilfe bemüht, eine Rettung des Unternehmens herbei zu führen. Schließlich war jedoch eine Kapitulation vor nicht änderbaren ökonomischen Rahmenbedingungen und ungünstigen Faktoren unausweichlich.

Zu diesen ungünstigen Faktoren zählen vor allem der in den letzten Monaten stark rückläufige, ja fast zusammengebrochene Großhandelsmarkt für Orientteppiche sowie der Wandel in der Kreditwirtschaft. Für eine Entlastungsstrategie, die durch die Geschäftsleitung erarbeitet worden war, fehlten letztlich frische Kreditmittel.

Der Entschluss der Geschäftsleitung von Türkas, einen Insolvenzantrag zu stellen und fortan einen vorläufigen Insolvenzverwalter an ihrer Seite zu wissen, beruht auf wohlerwogenen Überlegungen und geschieht mit der Absicht, mit professioneller Unterstützung in ein geordnetes, rechtsförmiges Verfahren zu treten.

Es war und ist ein großes Anliegen der Geschäftsleitung, die Firma Türkas in geordneten Verhältnissen in das Insolvenzverfahren eintreten zu lassen: Türkas verfügt über eine engagierte, eingespielte Verkaufsberatung, eine professionelle Infrastruktur und eine funktionierende Administration. So ist eine Weiterführung des Unternehmens sowie die Sicherung der Arbeitsplätze der 80 Mitarbeiter am Standort Karlsruhe und der Zehntausenden weiterer Mitarbeiter, die im Auftrag von Türkas in der Teppichproduktion tätig sind, möglich.

Die Geschäftsleitung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten in enger Zusammenarbeit mit dem zukünftigen Insolvenzverwalter jede Anstrengung unternehmen, um die Beeinträchtigung offener Handelsaktivitäten so klein als möglich zu halten."
aus Heimtex Orient 03/05 (Wirtschaft)