Aus der Praxis des Teppich-Inspektors Arnold Derks

"Manchmal fühle ich mich ein wenig wie Sherlock Holmes"


Der Sachverständige und Innenarchitekt Arnold Derks ist einer von 24 Teppich-Inspektoren in Deutschland. Derks sammelte seine Erfahrungen in Handwerk und Industrie und hat schon einige knifflige Fälle gehabt, bei denen man die Ursache der Reklamationen nicht auf den ersten Blick erkennen konnte. Derks recherchiert dann die verschiedenen Faktoren der Verlegung und der Nutzung, bis der Fall gelöst ist. Der Teppich-Inspektor hat an der genauen Sachverhaltsermittlung großen Spaß: "Manchmal fühle ich mich ein wenig wie Sherlock Holmes."

Für FussbodenTechnik gibt Derks Einblick in seine Fälle als Teppich-Inspektor. In einem Fall reklamierte der Endverbraucher flächige Schattierungen. Der Bodenleger, der die Verlegearbeiten durchgeführt hatte, tippte auf Schading und lag falsch. Beim Ortstermin fand der Teppich-Inspektor einen 400 cm breiten, in 2 Bahnen im Wohnzimmer liegenden textilen Bodenbelag vor. Es handelte sich um eine melierte Veloursware, wobei die Melange durch zwei unterschiedliche Garntypen enstand. Aus Kulanz war eine der beiden Bahnen bereits ausgetauscht worden. Nach Angaben des Bodenlegers stammten beide Bahnen von einer Rolle und die Bahnen lagen richtungsgleich.

Eine Überprüfung von Verlegung, Klebermenge und gewählter Zahnung ergab keine Beanstandung. Der Bodenbelag hatte im Oberflächenbild eine leichte Riefigkeit, die vom Endverbraucher aber nicht beanstandet worden war. Mit dem bloßen Auge konnten keine Abweichungen der einzelnen Bahnen von der rechten zur linken Teppichkante festgestellt werden. Jedoch war eine Farbungleichheit der beiden nebeneinander liegenden Bahnen erkennbar. Beim genauen Betrachten mit einer Lupe ergab sich, dass der Anteil der weißlich hellen Fasern anteilsmäßig größer erschien. Dies wurde optisch zwar so wahrgenommen, aber tatsächlich war der Anteil der beiden Garntypen gleich. Die Messung mit einem Graumaßstab ergab eine Bewertung von 3,5 zu 5 gemäß DIN 54001.

Die Farbungleichheit der Teppichbahnen durch ein unterschiedlich helles und dunkles Erscheinen lag in der Verwendung zweier unterschiedlicher Garne. Das Garn kann texturiert, gedreht oder gezwirnt sein. In der industriellen Fertigung wird die Ware geschoren und anschließend "geputzt", d.h. mit einer Walzenbürste wird ein Oberflächenfinish erzielt. Zwar sind Scherwalzen in der Schermaschine justierbar, aber durch ihre Rotation und ihr hohes Eigengewicht treten Schwingungen auf, die im Scherprozess kaum steuerbar sind. Schon leichte Unterschiede in der Warenhöhe im 1/10-Millimeterbereich können bei einer melierten Velourware ein stark unterschiedliches Erscheinungsbild an der Oberfläche geben. Auch die Schärfe der Scherwalze, bzw. der einzelnen Messer spielt eine wichtige Rolle bei der Egalität der Oberfläche.

Geruchsbildung reklamiert

Beim Ortstermin in einem zweiten Fall ging es um das Thema Geruchsbelästigung. Hier fand Derks eine Tufting-Schlingenware aus reiner Schurwolle vor. Die Verlegung war auf einem Haftgitter erfolgt, das auf einem Gussasphalt-Estrich lag. Der Altkleber war größtenteils entfernt worden. Vor der Verlegung wurde der Altuntergrund mit einer Geruchsbremse versiegelt.

Der reklamierte Bodenbelag lag im Wohn- und Esszimmer. Der Sachverständige bat die Endverbraucher, die Fenster bis zu seinem Eintreffen nicht zu öffnen und die Zimmertür geschlossen zu halten. Die dort gemessene relative Luftfeuchte lag bei 55% und es herrschten 26,7C. Im Wohn- und Esszimmer war tatsächlich ein Geruch wahrnehmbar, aber nicht im angrenzenden Flur. Da die Teppichverlegung fast zeitgleich mit dem Streichen der Wände mit Dispersionsfarbe und dem Anschaffen einer neuen Polstergarnitur erfolgte, überprüfte der Teppich-Inspektor alle Wollprodukte im Wohn- und Esszimmer.

Dazu zählten:
- 2 abgepasste Webteppiche aus Schurwolle,
- 1 neue Polstergruppe mit Mohairbezug,
- 6 mit Mohair bezogene Polsterstühle
- und der reklamierte Bodenbelag.

Anschließend wurde eine so genannte olfaktorische Prüfung - sprich eine Geruchsprüfung - an mehreren Stellen auf dem Teppichboden vorgenommen. Der Sachverständige nahm eine Geruchsprüfung an der Wandfläche, an der Polstergruppe und an den abgepassten Teppichen vor. Die Untersuchung ergab, dass an den abgepassten Teppichen, Wandfläche und Polstergruppe ein leichter Geruch wahrzunehmen war. Der Geruch am Bodenbelag war etwas intensiver ausgeprägt.

Die Prüfung erfolgte im vereinfachten Verfahren, angelehnt an die RAL 430. Danach öffnete der Teppich-Inspektor den Nahtbereich des Bodenbelages auf einer Länge von 30 bis 40 cm. Das Haftgitter wurde berochen und der darunter liegenden Rest des Altklebers. Hier wurde kein intensiver oder unangenehmer Geruch festgestellt. Auch konnte im Bereich des Sockelstreifens an der Fuge zwischen Wand und Estrich kein störender Geruch wahrgenommen werden. Somit waren die Verlege-Zubehörmaterialien als Verursacher des Geruchs auszuschließen.

Der Geruch war nach Angaben des Endverbrauchers latent seit der Neuverlegung vorhanden. Beim Verlassen und Wiederbetreten des Raumes war der Geruch wahrnehmbar. Der Teppich-Inspektor empfand den Geruch nicht als unangenehm, sondern allerhöchstens "leicht muffelig". Dieser Geruch entsteht, wenn Wolle bei Wärme und erhöhter Luftfeuchte ihren Eigengeruch verstärkt. Bei einigen Herstellungs-Chargen hat man die Erfahrung mit starken Gerüchen gemacht, die als "Bockgeruch" bezeichnet werden. Der Begriff stammt eigentlich vom Schafsfleisch, wenn der Fleischgeschmack des männlichen Schafes hormonbedingt besonders intensiv ist. Der Geruch überschritt nach dem Urteil des Teppich-Inspektors nicht die Note 3 (= deutlicher, nicht belästigender Geruch) im Sinne der RAL 430. Zur weiteren Prüfung wurde für das TFI noch ein Teil des verlegten Haftgitters entnommen und eine unverarbeitete Probe des Bodenbelages untersucht, was aber auch zu keinem abweichenden Ergebnis führte. Das TFI lehnte deshalb die Reklamation als unbegründet ab.

Kunde reklamierte Flecken und Streifen

In einem dritten Fall lag ein textiler Bodenbelag in einem Wohn- und Esszimmer und machte auf den ersten Blick einen sauberen und gepflegten Eindruck. Der Kunde reklamierte Flecken und Streifen. Typische Laufstraßen waren genauso wenig wie Verfleckungen oder sonstige Vorschäden erkennbar. Die Verlegung war korrekt ausgeführt.

Der Endverbraucher monierte spezielle Verfleckungen unterschiedlicher Art. Wegen der laufenden, noch ungeklärten Reklamation wurde bewusst kein Reinigungsversuch durchgeführt. Eine olfaktorische Prüfung ergab keinen ungewöhnlichen Geruch im Fleckbereich. Bei der Prüfung mit einer UV-Lampe konnte keine ungewöhnliche Flusenanhaftung, keine kristallinen Mineralanhaftung und keine Ansammlung von künstlichen Aufhellern festgestellt werden. Die Verfleckungen wurden im Einzelnen im Bericht beschrieben und fotografiert. Schließlich fand der Sachverständige unter und neben dem abgepassten Teppich mehrere Striche in dunkelgrauer Farbe, in einer Länge von 0,5 bis 1 m.

Der Teppich-Inspektor kam nach langer Überlegung zu einem überraschenden Ergebnis. Bei längerem Betrachten der Striche, ihrer Größe und Anordnung fiel auf, dass der Abstand zweier paralleler Striche etwas geringer war als die Teppichbreite bzw. -länge. Beim genauen Hinsehen auf die Rückseite des Teppichs war exakt neben oder unter der Kante der Bandeinfassung ein Bleistiftstrich zu erkennen. Dieser Bleistiftstrich wird vor dem Einfassen des Teppichs mit Band rückseitig aufgezeichnet, um einen geraden Naht- und Einfassbandverlauf zu gewährleisten. Der Bleistiftstrich bzw. die Grafitpartikel hatten sich beim erstmaligen Hinlegen oder Ausrollen des Teppichs auf den Teppichboden abgezeichnet und für die Flecken und Streifen gesorgt. Ein kurioser Fall, der erst nach gründlicher Recherche vom Teppich-Inspektor gelöst werden konnte.
aus FussbodenTechnik 01/06 (Wirtschaft)