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Wümeg-Insolvenzantrag: Banken drehten den Geldhahn zu


Die Sanierungsbemühungen um die Wümeg sind gescheitert: Die Ludwigsburger Einkaufsgenossenschaft ist zahlungsunfähig. Am 4. April stellten die beiden geschäftsführenden Vorstände Andreas Büch und Wolfgang Wilhelm Insolvenzantrag, nachdem sie zuvor die Belegschaft darüber informiert hatten, dass die Banken die Wümeg nicht mehr über ihre Konten verfügen lässt. Schon für März hatten die Löhne und Gehälter nicht mehr gezahlt werden können.

Das Amtsgericht Ludwigsburg bestimmte den Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Bilgery zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Er hat den Geschäftsbetrieb am 8. April wieder aufgenommen und versucht jetzt, eine Auffanggesellschaft zu gründen.

Die Anteile der rund 2.800 Genossenschaftsmitglieder sind mit dem Zusammenbruch der Wümeg wertlos geworden. Sie haben zum Teil Einlagen in erheblichem Umfang geleistet. Nach Informationen der "Südwestpresse" haben einige über die Normaleinlage von 3.000 EUR hinus Geschäftsanteile zwischen 5.000 und 100.000 EUR gezeichnet - als Kapitalanlage oder als Altersvorsorge. Nicht nur dieses Geld ist weg, es drohen weitere finanzielle Verpflichtungen, denn gemäß Satzung der Genossenschaft besteht eine Nachschusspflicht für die Gesellschafter.

Das Desaster bei der zweitgrößten Einkaufsgenossenschaft für das gestaltende Handwerk ist noch viel größer als sich zunächst abzeichnete : Ex-Vorstand Wolfgang Wilhelm bezifferte den Umsatz 2001 der Wümeg mit ihren 25 Niederlassungen gegenüber der Südwestpresse auf 109 Mio. EUR, das sind 10 % weniger als im Jahr zuvor. Schon 2000 hatte das Unternehmen rote Zahlen geschrieben, 2001 vervielfachte sich der Verlust laut Insolvenzverwalter Bilgery von 500.000 auf "mehrere Millionen" EUR. Die Stuttgarter Zeitung meldete, dass sechs Banken der Wümeg Kredite in Höhe von 40 Mio. EUR gewährt hätten. Für 25 Mio. EUR davon soll es keine Sicherheiten geben. Den größten Schaden soll die Volksbank Ludwigsburg haben, die als Wümeg-Hausbank angeblich eine große Summe ungedeckter Kredite gewährt hat.

Offiziell wird die Wümeg-Pleite mit einer "Kostenexplosion durch Investitionen in neue Niederlassungen und den Aufbau der internen Verwaltung" bei gleichzeitigem drastischem Umsatzrückgang begründet. Inoffiziell ist von "Bilanzbetrug" und "Vertuschung der Finanzmisere" durch den im Februar entlassenen Vorstandschef Wolfgang Merkle und seinen Vorgänger Gerhard Claß die Rede. Die Stuttgarter Zeitung berichtet von "Verdachtsmomenten für eine "Gestaltung mehrerer Jahresabschlüsse"; so sollen in den Bilanzen u.a. Mieterträge aus gar nicht mehr genutzten Objekten aufgeführt worden sein.

Jetzt wollten Genossenschaftsmitglieder gegen Merkle und Claß klagen, heißt es weiter, außerdem auch gegen den Württembergischen Genossenschaftsverband Geno, der die Abschlussberichte aller Genossenschaft kontrolliert und bei der Wümeg nicht die notwendige Sorgfalt haben walten lassen.

Alle haben keine Schuld: Claß wies gegenüber der Stuttgarter Zeitung die Vorwürfe zurück und schiebt alles auf seinen Nachfolger. Der wiederum war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Der Geno-Verband ist sich ebenfalls keiner Schuld bewusst: man habe bereits bei der Prüfung des Abschlusses 2000 auf die "kritische Situation" hingewiesen und von Fehlern in der Bilanz wisse man auch nichts.

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Größenwahn - Ein Kommentar von Claudia Steinert

In der Stuttgarter Zeitung vom 29.4. steht eine bittere Geschichte vom Ulmer Malermeister Werner Wies, der fast 13.000 EUR bei der Wümeg-Pleite verloren hat. Zur Aufbesserung seiner Rente hatte er einen Teil seiner ausbezahlten Lebensversicherung der Genossenschaft anvertraut. Das Geld ist jetzt weg. Der 66jährige ist noch gut dran: Er weiß von Kollegen, die bis zu 50.000 EUR verloren haben. "Die haben mit unserem Geld die Löcher gestopft", sagt er und meint damit vor allen den im Februar geschaßten Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Merkle.

Der frühere Vertriebsdirektor von Armstrong-DLW hatte 2000 den langjährigen Wümeg-Vorstandschef Gerhard Claß abgelöst und wollte offenbar um jeden Preis die Nr.1 werden. Obgleich die Genossenschaft laut Insolvenzverwalter schon 2000 einen Verlust von 500.000 EUR auswies, blähte er sie weiter auf, investierte Unmengen in den Verwaltungsapparat und eröffnete eine Niederlassung nach der anderen - in Verbindung mit einem drastischen Umsatzrückgang liefen so 2001 Verluste in Millionenhöhe auf.

"Größenwahn" bescheinigen Merkle heute Wümeg-Mitglieder. Auch BTH hat schon in seinem Kommentar zur diesjährigen Domotex darauf hingewiesen, dass der Mann weder mit Geld noch mit Menschen umgehen konnte und jegliches Augenmaß verloren hatte. Wobei es häufiger vorkommt, dass Manager mit fremdem Geld verantwortungslos umgehen - auch in unserer Branche. Man erinnere sich nur an den ehemaligen Dura-Geschäftsführer Dr. Jesko v. Steynitz.

Doch ist es zu einfach, die Schuld allein auf Merkle zu schieben. Schließlich hat ihn auch keiner in seinem teuren Ego-Trip gebremst. Wo war der Aufsichtsrat, dem unter anderem der frühere Wümeg-Vorstandschef Claß angehört, der pikanterweise bis Mai auch im Aufsichtsrat der Wümeg-Hausbank saß? Warum haben die Banken nicht früher insistiert? Warum hat der Geno-Verbund, der die Abschlussberichte aller Genossenschaften prüft, die schlechten Zahlen ignoriert?

Inzwischen besteht laut Stuttgarter Zeitung der Verdacht, dass es um die Wümeg bereits vor Merkles Antritt nicht mehr so gut bestellt war und die Bilanzen geschönt wurden. Claß weist diese Vorwürfe zurück und wäscht seine Hände in Unschuld. Die Zahlen hätten sich erst unters Merkles Führung so "dramatisch entwickelt". Wie es sich wirklich verhält, bleibt zunächst zunächst offen. Insolvenzverwalter Dr. Wolfgang Bilgery sagte, es könnten Monate vergehen, bis das "desolate Zahlenwerk" vollständig geprüft sei.

Die Wümeg-Mitglieder machen ihrem Frust schon vorher Luft: Sie wollen gegen Merkle, Claß und auch gegen den Geno-Verbund klagen.
aus BTH Heimtex 04/02 (Wirtschaft)