50 Jahre Wunderlich

Zusatzsortimente mit guter Rendite

Teppichbremsen, Kunstrasen, Moonwalk und vieles mehr: Wunderlich ist das beste Beispiel für erfolgreiche Nischenpolitik. Vor 50 Jahren als kleine Gardinenwirkerei gegründet, hat sich das umtriebige Familienunternehmen heute auf praktische Randprodukte wie Teppichgleitschutz, rutschhemmende Unterlagen und Weichschaumbeläge spezialisiert, die sich als attraktives Zusatzgeschäft für den Handel anbieten. Alles ist gewirkt - in dieser flexiblen Fertigungstechnik hat Wunderlich sein Know-How perfektioniert.

Wunderlich stellt die Regeln der Betriebswirtschaft auf den Kopf: Statt sich auf möglichst wenige Produkte zu konzentrieren, um die Fertigung möglichst effizient zu gestalten, stellt das Familienunternehmen aus Osterode im Harz eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Artikel her: Teppichunterlagen und Tischdecken, Bodenbeläge und Sichtschutzblenden, Schneezäune und Tennisnetze - und ist damit auch erfolgreich. Diese heterogene Produktpalette basiert nämlich auf einem einzigen Fertigungsverfahren, und das ist höchst flexibel: das Wirken.

Der erfinderische Karl Wunderlich konstruierte einst die erste Wirkmaschine zur Herstellung von Gardinen. Bei Gardinen blieb es allerdings nicht, im Laufe der Jahre kamen immer mehr andere Artikel hinzu. Als der Markt für Wirkgardinen Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre nahezu zusammenbrach, weil nur noch die feine Webware gefragt war, stieg Wunderlich ganz aus der Gardinenproduktion aus. Bereut hat man diese Entscheidung nicht - auch wenn die Wirkgardine inzwischen wieder läuft. In diesem Segment gibt es nämlich harten Wettbewerb und Wunderlich agiert mit seinen Produkten viel lieber in Nischen, die nur von wenigen Anbietern besetzt werden und man sich demzufolge besser profilieren kann.

Diese Strategie ist offenbar richtig: 2001, im Jahr seines 50. Jubiläums produziert das Unternehmen jährlich 18 Mio. qm Gewirke und und geht auf einen Umsatz von 75 Mio. DM zu. Von Stagnation keine Spur. Vielmehr ist das Management überzeugt, dass noch ungenutztes Potential brach liegt; im Vertrieb seien die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft heißt es. Vor allem will man weitere Kundengruppen erschließen - auch aus dem Großflächenbereich -, ohne die angestammte Klientel aus dem Fachhandel zu vernachlässigen. Wobei die verschiedenen Distributionsschienen mit separaten Kollektionen bedient werden sollen.

Parallel will das Familienunternehmen den Umsatz bei bestehenden Kunden ausbauen, etwa durch Angebotserweiterungen in Richtung Tischwäsche und Bodenbeläge, die allerdings nicht selber produziert, sondern zugekauft werden sollen. Ziel ist, den Umsatz innerhalb der kommenden fünf Jahre auf 100 Mio. DM zu steigern.

Bestseller Teppichunterlagen

Freizeit, Auto, Camping, Sport und Outdoor sind Bereiche, in denen die funktionellen Wunderlich-Artikel eingesetzt werden. Wichtigster Umsatzträger im breitgefächerten Sortiment sind mit 25 % Anteil Teppichunterlagen, die es vielfältigen Varianten gibt: aus verschiedenen Materialien von PVC über Jute und Kautschuk bis zu Latexverbindungen, für unterschiedliche Böden - glatt oder textil -, in bis zu 10 Breiten - 60 bis 300 cm- und mehreren Angebotsformen - als 30 m-Rollenware oder fertig verpacktes SB-Produkt. Für Wunderlich sind die Teppichunterlagen ein gutes Geschäft. Christian Steinhoff, Vertriebsbereichsleiter Deutschland, Schweiz, Österreich, verweist darauf, das Bekanntheitsgrad und Akzeptanz in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind: "Das Produkt ist neu entdeckt worden." Das hängt in erster Linie mit der Renaissance des abgepassten Teppichs im Zuge des Trends zu glatten Belägen wie Parkett und Laminat zusammen.

Für den Handel sind Teppichunterlagen ein hochinteressantes Zusatzprodukt. Der Platzaufwand am Point of Sale ist gering: Kaum 2 Quadratmeter benötigen zwei Teppichunterlagen-Displays. Allerdings ist für den Verkaufserfolg ein kompetenter Verkäufer wichtig, der den Verbraucher beim Kauf eines Teppichs auf die Notwendigkeit einer Teppichunterlage aufmerksam macht. "Überredungskunst ist dann kaum noch nötig", weiß Steinhoff, "in der Regel kauft der Teppichkunde die Unterlage - und zwar ohne über den Preis zu diskutieren."

Die rutschhemmende Wirkung zeichnet weitere Produkte aus Osterode aus, etwa die farbenfrohen Multifunktionsunterlagen wie Magic Stop, ferner Kofferraummatten, Tischdecken-Unterlagen und Paletten-Sicherungen.

Eine weitere Visitenkarte des Hauses ist der Weichschaumbelag Moonwalk - eine anschauliche Bezeichnung für den unifarbenen oder bedruckten Belag, der den Nutzer sanft wie auf der schwerkraftarmen Oberfläche des Mondes über den Boden schreiten lässt. Weich, warm, sicher und hygienisch sind Attribute, die das Wunderlich-Marketing Moonwalk zuschreibt. Einsatzgebiet des feuchtigkeitsunempfindlichen Belages sind in erster Linie Badezimmer, Küchen, Wintergärten und Fitnessräumen; praktisch ist er auch am Swimming-Pool. Die aktuelle Kollektion wurde mit 14 neuen Dekoren ergänzt und umfasst nun neben 3 Unifarben 43 Dessins von klassischen Streifen über jugendliche Grafik und romantischen Blumen bis hin zu flotten maritimen Motiven. Moonwalk ist erhältlich als 65 oder 130 cm breite Bahnenware, als Badematte Sunrise im Format 60 x 90 cm und als 65 x 180 cm große Universalmatte mit 7 Dessins, die im 15-Rollen-Displaykarton als praktische Mitnahmeartikel präsentiert werden.

Tochter Wudeco konzentriert sich auf Kunstrasen

Vielen aus der Branche ist Wunderlich auch über seine Tochter Wudeco bekannt. Das 1993 gegründete Unternehmen konzentriert sich auf ein anderes Nischenprodukt: Kunstrasen, wo man als Lizenznehmer der Traditionsmarke Poligras agiert und damit Wintergärten, Balkon, Dachgärten oder Schiffsdecks ausstattet. Mutter und Tochter profitieren durchaus voneinander; so beschichtet Wunderlich Wudeco-Produkte und im Vertrieb ergeben sich Synergien, vor allem seit Wudeco 1999 in unmittelbarer Nähe zum Stammhaus eine neue Halle bezog.

Auch bei Wudeco will man über neue Produktfelder expandieren. Zu den jüngsten Sortiments- Zuwächsen gehört Polistep, eine Outdoor-Stufenmatte aus Polypropylen, noch mehr verspricht man sich von selbst entwickelten Golf-Abschlagmatten. Keine Driving Range der Welt könne bei schlechtem Wetter auf solche Trainingshilfen verzichten, argumentiert Steinhoff: "Unsere Matten sind extrem robust und halten viele tausend Abschläge aus."

Produktkompetenz durch vollstufiges Werk

Wunderlich ist ein typisches Familienunternehmen. Überall herrscht familiäres Klima - nicht nur wenn die Führungsmannschaft mit dem Außendienst Go Kart-Rennen austrägt. Dem Besucher fallen der freundliche Umgang der Mitarbeiter untereinander, mit den Gästen und auch die durchgängige Hilfsbereitschaft auf . Die Harzer Randlage macht es dem Arbeitgeber allerdings schwer, qualifiziertes Personal zu finden, wenn Not am Mann ist. Deshalb wird selber ausgebildet; viele der Nachwuchskräfte bleiben dann später dem Betrieb treu.

Das Werk ist fast komplett vollstufig organisiert: Schären, Wirken, Beschichten und Konfektionieren - alles läuft unter eigener Regie.

Kernzelle ist die Wirkerei. In diesem Fertigungsverfahren hat Wunderlich sein Know-How perfektioniert. Die Auslastung ist hoch: An fünf Tagen der Woche wird hier dreischichtig produziert. In dem großen Saal laufen 4 Schäranlagen und 40 Wirkmaschinen, an deren Vielfältigkeit sich erkennen lässt, wie flexibel die Wirktechnik ist. Da gibt es unter anderem klassische Raschel- und Häkelgalonmaschinen für die Herstellung von Beschichtungsträger oder Polyethelyn-Gewirken, aber auch Doppel-Fontur-Raschelmaschinen, mit denen sich dreidimensionale Abstandsgewirke fertigen lassen.

Insgesamt werden rund 50 verschiedene Gewirke aus unterschiedlichen Materialien produziert: Polyester, Polyethylen, Polypropylen, Polyamid, Baumwolle und Baumwollgemisch. Am meisten wird Polyester (PES) eingesetzt. Rund 60 % der Grundgewirke bestehen daraus. Das Garn wird entweder auf Spulen geliefert und dann auf eigenen Schäranlagen weiterverarbeitet, oder es wird bereits geschärt auf Teilkettbäumen angeliefert.

Vielfach wird auch Polyethylen (PE) verwendet. Wunderlich bezieht es als verarbeitungsfertiges Bändchen oder als Primärdoppelfolie, die auf Folienschneidstreckautomaten geschnitten, gestreckt und fixiert werden und dann in die Wirkmaschine gehen. Aus Polyethylen entstehen Produkte wie Sichtschutzblenden, Tennisblenden, Vogelschutznetze, Balkonverkleidungen usw., die Grundgewirke aus Polyester, Polyamid und Baumwolle werden dagegen einer weiteren Fertigungsstufe unterzogen und beschichtet - zu Bodenbelägen, Matratzenschonern, Yogamatten, Teppichunterlagen etc.

Beim Beschichtungsprozess gibt es ebenfalls verschiedene Verfahren, unter anderem Streichen und Pflatschen. Auch die Beschichtungsmassen stellt Wunderlich selbst her.

Die Moonwalk-Beläge durchlaufen noch einen weiteren Arbeitsgang und werden bedruckt - zum Teil im Tiefdruck bei einem Lohnunternehmen, und zum Teil auf der eigenen Transferdruck-Anlage, die seit dem vergangenen Jahr in Osterode steht. Als Vorteil der Transfer-Technik wird vor allem die Rapportfreiheit genannt.

Aus der Beschichtung oder dem Druck werden die Mutterrollen entweder direkt auf Schneidmaschinen der Konfektion gegeben oder erst noch umgerollt, wobei schon in der Umrollanlage ein Kantenschnitt von etwa 1,5 cm erfolgen kann. Der Zuschnitt ist variabel; Länge und Breite können eventuellen Sonderwünschen angepasst werden. Was nicht als Rollenware, sondern als Matte gedacht ist, läuft von der Schneidmaschine in die Faltanlage und dann in die Verpackung. Ständige Qualitätsprüfungen begleitet alle Fertigungsstufen.

Neuer Auftritt zum Jubiläum

Durch das tiefe und breite Sortiment ist die Lagerhaltung sehr aufwendig und platzintensiv. Das vorhandene Lager platzt bereits aus allen Nähten, ein Teil der Produkte musste bereits in nahe gelegenen gemieteten Hallen ausgelagert werden. Für eine perfekte Logistik ist diese dezentrale Unterbringung nicht ideal, weiß man in Osterode und ist auch intensiv dabei, an einer Lösung des Problems zu arbeiten. Bis 2002 will man damit fertig sein.

Seit einem halben Jahr beschäftigt sich die Marketingabteilung außerdem mit einer Modernisierung des Auftritts. Passend zum 50jährigen Jubiläum sollen Logo, Corporate Identity und Firmenslogan aufgefrischt werden. Zur Firmenfeier im August will sich Wunderlich dann mit dem neuen Gesicht präsentieren.

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Wunderlich - Die Firmenchronik

Zu seinem Gründungsdatum hat Wunderlich den Eintrag in die Handelsregisterrolle am 1. Januar 1951 erhoben. Tatsächlich begann Karl Wunderlich in Lerbach schon zwei Jahre früher mit der Herstellung von Gardinenstoffen auf selbstkonstruierten Wirkmaschinen. Noch heute übrigens sind Maschinen vom Zeichenbrett des längst verstorbenen Firmengründers im Einsatz.

Heutiger Standort ist Osterode. 1979 wurde dort ein Zweigwerk zur textilen Flächenherstellung eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte man schon über zwanzig Jahre Erfahrung mit Teppichgleitschutz auf der Basis von Latex und Vinyl gesammelt. "Antiglid" war der mustergeschützte Artikel 1956 getauft worden. Für ihn musste in der werkseigenen Schlosserei damals eigens eine Anlage zur Beschichtung konstruiert werden - denn solche Maschinen gab es nicht zu kaufen.

Mitte der 60er Jahre hatte Wunderlich bereits PVC-Matten zur Drainage von künstlichem Rasen, Tennisnetze und flammenhemmende Wandauskleidungen im Programm. In Gemeinschaft mit den Chemiefirmen Hoechst und Geigy konnte Polyethylen, das in Bändchenform bei Vogelschutznetzen, Gewächshausschattierung, Sichtschutzmatten und Balkonverkleidungen Einsatz fand, weiterentwickelt werden; es wurde UV-beständig und farbecht.

Nachdem 1982 das Osteroder Beschichtungswerk in Betrieb genommen worden war, verlegte man im Jahr darauf alle Unternehmensteile einschließlich Verwaltung und Verkauf an diesen Standort. Für Konfektion und Versand kamen 1987 das Werk 3 und 1996 das Werk 4 hinzu. Ein zentrales Warenauslieferungslager wurde 1999 in Betrieb genommen und als bislang jüngste Errungenschaft 2000 der Produktionsbereich "Oberflächenveredlung" mit seiner Thermodruckanlage für Moonwalk-Weichschaumbeläge.

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Wunderlich - das Unternehmen

Geschäftsform:
Gebr. Wunderlich GmbH & Co. KG, Wudeco Beläge GmbH
Hauptanteilseigner: Familie Wunderlich, dazu drei Mitarbeiter, die Anteile halten.
Kaufmännischer Geschäftsführer: Michael Pruss-Wunderlich
Technischer Geschäftsführer: Peter Mühlberger
Vertriebsleiter: Gunter Steinhoff
Bereichsleiter Verkauf: Frank Gropengießer (Export ), Hans-Joachim Kube (Garten/Freizeit), E. Christian Steinhoff (Teppichgleitschutz, Wudeco)
Gesamtumsatzentwicklung:
1980: 12,5 Mio. DM
1990: 32,5 Mio. DM
1999: 57,5 Mio. DM
2000: 68 Mio. DM
2001: 75 Mio. DM (geplant)
Exportquote:
1980: 20 %
2000: 51 %
Mitarbeiter: 200, davon rund 30 bei Wudeco
Außendienst: 13 Handelsvertreter
Produktions/Lagerfläche: 25.000 qm

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Wunderlich - das Sortiment

Rutschhemmende Unterlagen:
- Teppichunterlage
- Tischdeckenunterlagen
- Kofferraummatten
- Palettensicherung
- Unterlagen für andere Anwendungen

Bodenbeläge für indoor und outdoor:
- Moonwalk-Weichschaumbeläge
- Kunstrasen

Garten/Freizeit:
- Tischdecken
- Campingteppiche
- Schutznetze
- Schattiermatten
- Wind- und Sichtschutz
- Schneezäune
- Spezialnetze und -gitter

Sport/Tennis:
- Tennisnetze
- Tennisblenden
- Schleppnetzmaterial
- Spezial-Netze/Gitter
- Golfabschlagmatten (Wudeco)

Spezialbeschichtungen:
Kaschieren, Flatschen, Imprägnieren, Schablonenbeschichtung
aus BTH Heimtex 05/01 (Wirtschaft)