Strauss Innovation

Attraktives Lifestylekonzept für kleines Geld

Im September ist es soweit, der Textilfilialist Strauss Innovation feiert gemeinsam mit seinen Kunden die Eröffnung seiner 100. Filiale. Das mehr als hundert Jahre alte Unternehmen hat besonders in den vergangenen knapp zwanzig Jahren eine schwungvolle Firmenentwicklung hinter sich. Ein ganz wesentlicher Bestandteil des Sortiments sind Artikel rund ums Bett und ums Wohnen. Mit der Eröffnung von Fachgeschäften unter dem Namen Strauss Home kehrt das Unternehmen in diesem Jahr nun wieder zurück zu seinen Wurzeln.

Das Tempo, mit dem Strauss Innovation sein zweites Vertriebsstandbein Strauss Home aus der Wiege hob, illustriert anschaulich eine Stärke des Unternehmens. Mit Interesse hatte man zuvor beobachtet, wie Firmen wie Esprit, Zara oder Das Depot den Markt für Wohnaccessoires, Heim- und Haustextilien entdeckt und für sich genutzt haben. Strauss seinerseits hat seit seiner Gründung 1902 seine unternehmerischen Wurzeln in eben diesem Bereich, begannen doch die Unternehmensgründer Heinrich und Maria Strauss mit Kurz-, Weiß- und Wollwaren, dem klassischen Aussteuergeschäft. Seitdem zählen Bettwäsche und Bettwaren zum Sortiment des Unternehmens und stellen eine ganz wichtige Kompetenz des Unternehmens dar. Außerdem führt Strauss heute ein interessantes Sortiment an Artikeln, die das Wohnen angenehmer gestalten.

Vor gut einem Jahr, im August fällte darum die Geschäftsführung die Entscheidung, ihrerseits eigene Spezialgeschäfte zum Thema Living zu testen. Noch im Dezember, nur rund fünf Monate später, öffnete schon der erste Store in Augsburg seine Türen, im März kam in Trier ein zweiter Laden hinzu (Haustex berichtete darüber im April dieses Jahres). "Angriff ist für uns die beste Verteidigung", begründet Bernd Bednorz, Leiter Kommunikation bei Strauss, die strategische Entscheidung für eine Separierung eines Teils des Strauss-Sortimentes. Inzwischen gibt es X Testläden und ...

"Bei uns gibt es eben einen, der letztlich entscheidet", erklärt Bernd Bednorz die rasante Planungsphase. Der eine, das ist Peter Geringhoff. Mit Bruder Philipp Geringhoff, Arnold G. Stolper und Jürgen Lange bildet er die Geschäftsführung bei Strauss und ist primus inter pares. Peter Geringhoff hat als ältester Sohn zum 1. April 2004 die Geschäftsanteile seines Vaters Peter L. Geringhoff übernommen, mit dessen Namen die deutsche Einzelhandelsbranche den rasanten und viel beachteten Aufschwung des Langenfelder Unternehmens verbindet. Geringhoff senior trat seinerzeit als Substitut in das Düsseldorfer Familienunternehmen Strauss ein. Zielstrebig arbeitete er sich nach oben und wurde schließlich 1989 gemeinsam mit Arnold Stolper und Edmund Strauss neuer Gesellschafter. Sie etablierten neue Managementstrukturen und steuerten die zukünftige Unternehmenspolitik. Damit begann der eigentliche Aufschwung des damaligen, bis dahin schwerpunktmäßig im Rheinland angesiedelten Kleinfilialisten.

Der wesentliche Verdienst von Geringhoff senior ist es, das spezielle Sortiment des Unternehmens entwickelt und geprägt zu haben. Das Ergebnis ist ein Unternehmenskonzept, das sich schlagwortartigen Definitionen widersetzt und zumindest auf dem deutschen Markt wohl einzigartig ist. "Strauss ist eine Lebenshaltung, die sich durch eine einmalige Positionierung auf dem deutschen Einzelhandelsmarkt erfolgreich etabliert hat", schreibt das Unternehmen dazu in einer Firmenbroschüre. Die idealtypische Filiale hat eine Verkaufsfläche von rund 900 qm. Auf dieser Fläche findet sich ein Sortiment, das mit dem eines Kleinkaufhauses nur unzulänglich verglichen werden kann. Hier finden sich Damen- und Herrenmode, Damen- und Herrenartikel, Schuhe, Bettwaren, Kleinmöbel, Einrichtungsaccessoires, Kosmetika, dazu spezielle, gerne ausländische Lebensmittel, Weine, Süßigkeiten und weitere zur jeweiligen Jahreszeit passende Artikel.

Strauss deshalb als Kleinkaufhaus zu bezeichnen, wäre jedoch despektierlich und würde auch nicht den Kern treffen. Denn Strauss arbeitet zum großen Teil mit Eigenmarken wie Strauss, Studio, Maison Strauss oder Nature Club. Vor allem im Food-Bereich und bei den Bettwaren sind auch andere Label zu erkennen, unter anderem Frankenstolz. Zum anderen sind die Artikel in der Regel geschmackvoll und trendig, preiswert aber nicht billig. Dem Kunden wird das Gefühl gegeben, bei Strauss etwas Besonderes zu einem vergleichsweise günstigen Preis kaufen zu können. Bednorz: "Unser Ziel ist es, preislich interessant zu sein, nicht billig, aber günstig."

Was das Strauss-Konzept aber vor allem von einem Kaufhaus herkömmlichen Stils unterscheidet, ist die gekonnte Inszenierung der Artikel. Sie stehen nicht für sich allein, sondern werden miteinander kombiniert und zu Lifestyle-Welten zusammengestellt und ansprechend dekoriert. Legende sind zum Beispiel die festlich gedeckten und dekorierten Tische. Das Ganze wird zudem in kurzen Angebotsrhythmen in den Verkauf gestellt. Um so ein breites Sortiment auf einer vergleichsweise kleinen Fläche unterbringen zu können, muss auf die Tiefe im Sortiment verzichtet werden. Das Unternehmen trifft daher für seine Kunden eine Vorauswahl. Im Ergebnis präsentiert sich ein Strauss-Store als ein übersichtliches und doch attraktives Geschäft, in dem der Kunde gerne stöbert und sich zum Kauf verleiten lässt.

Das Sortiment ist intern gegliedert in die Produktwelten Damen, Herren und Living. Mit einem Umsatzanteil von 47 Prozent macht Living knapp die Hälfte des Umsatzes aus. Zu diesem Bereich gehören natürlich alle Artikel zum Thema Wohnen, aber auch Kulinaria, Weine und Süßwaren. Damen hat einen Anteil von 31 Prozent, Herren ist mit 22 Prozent die kleinste Warenwelt. Rund 70 Prozent der Kunden sind nach Angaben Bednorz Frauen. Wenn Männer in die Geschäfte kommen, dann meist am Wochenende. Die Lagerumschlagsgeschwindigkeit beziffert Bednorz auf im Durchschnitt 5 bis 6. Umgerechnet auf alle Filialen kommen jährlich im Durchschnitt zwischen 130.000 bis 140.000 kaufende Kunden in ein Geschäft.

Wie bereits erwähnt, stieg Peter L. Geringhoff 1989 als Gesellschafter in das Unternehmen ein. Zu der Zeit gab es insgesamt 14 Geschäfte. Nur zehn Jahre später verfügte das Unternehmen bereits über 57 Verkaufspunkte. Inzwischen war man unter anderem auch nach Berlin gegangen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte Strauss sich auch dort fest etablieren. Heute gibt es in der Bundeshauptstadt 15 Läden, die jüngste Neueröffnung fand im neuen Hauptbahnhof statt, dem früheren Lehrter Bahnhof. Die dortige Filiale ist die erste des Unternehmens, die an sieben Tagen in der Woche geöffnet hat.

Aktuell ist Strauss im Bundesgebiet in zwölf Bundesländern mit Filialen vertreten, in einigen jedoch nur mit einigen wenigen Geschäften. Vertriebliche Schwerpunkte bilden Nordrhein-Westfalen und Berlin. Alle weiteren Filialgebiete wie zum Beispiel Stuttgart, Frankfurt und Hamburg dienen als Grundlage für den Ausbau zu einem bundesweiten Filialisten. Mittelfristig, das heißt bis etwa 2010, strebt das Unternehmen rund 150 Filialen an. Es gibt noch viele potenzielle Standorte für ein Strauss-Geschäft. Es muss dabei nicht unbedingt die 1a-Lage sein, mitunter reicht auch eine gute Stadtteillage. Gerne positioniert sich das Unternehmen an Standorten, die von Karstadt aufgegeben wurden. Was die Qualität eines erfolgreichen Einzelhändlers ausmacht ist die Fähigkeit, mit der Eröffnung eines neuen Geschäfts die Attraktivität des Standorts aufzuwerten. Zu dieser Kategorie zählt zum Beispiel der Modefilialist Hennes & Mauritz. Aber auch Strauss ist in der Lage, die Kundenfrequenz eines Standorts anzuheben. Das spricht sich bei den Eigentümern von Handelsimmobilien rum und erleichtert dem Langenfelder Unternehmen Mietverhandlungen.

Der Betrieb der Filialen erfolgt durch drei Vertriebsgesellschaften. Strauss Innovation ist für alle Vollsortiments-Filialen in West- und Süddeutschland zuständig. Strauss Innovation Berlin betreibt alle Vollsortiments-Filialen in Nord- und Ostdeutschland. Strauss Home ist für alle Living-Filialen zuständig. Firmenzentrale und Logistikzentrum sind voneinander getrennt. Auf Grund der angestiegenen Warenmenge war die Eröffnung des neuen Logistik-Centers in Solingen 2005 nötig geworden. Dort ist die Warenversorgung aller Strauss-Filialen zentralisiert und wird über ein Netz von Verteilzentren weitergeleitet. Die Kapazitäten in Solingen seien für eine europaweite Expansion ausgelegt, heißt es. Die Geschäftsführung hat offenkundig noch einiges vor.

In Langenfelde sitzt unter anderem der Einkauf der Unternehmensgruppe. Etwa ein halbes Jahr, bevor die neuen Kollektionen auf den Markt kommen sollen, stimmen sich die Einkäufer und Designer ab, welche Artikel ins nächste Programm aufgenommen werden sollen, welche Farben, Schnitte und Qualitäten die neuen Artikel erhalten sollen. Diese Kollektionsabstimmungen finden alle zwei Monate statt. Das Sortiment besteht aus einer Mischung aus eigenen Kollektionen und Zukäufen. Wichtig ist, dass die einzelnen Artikel farblich miteinander harmonieren. Rund zehn bis 15 Prozent des Sortiments bestehen aus NOS-Artikeln, die quer durch das gesamte Sortiment gehen. Dazu zählen der Business-Baukastenanzug für den Herren (Sakko und Hose für zusammen 148,90 Euro), die Five-Pocket-Jeans "Silvia" für die Dame (39,90), Unterwäsche und Strümpfe, aber auch Kosmetik, der Bordeaux Chateau Bel Air (4 Euro) und Maison Strauss Pesto (2,50). Im Haustextil-Sortiment gehören zu den Basics unter anderem ein Schalkragen-Bademantel (39,90), Uni-Walkfrottier-Handtücher (Duschtuch 12,90) und Spannbetttücher (10 Euro Normalgröße).

Vielschichtig ist das Marketing-Konzept bei Strauss. Wichtigstes Werbemedium sind die Prospekte, von denen das Unternehmen in diesem Jahr allein 26 streut. Die Prospekte sowie das POS-Werbematerial werden von der eigenen Inhouse-Werbeabteilung mit eigenem Fotostudio produziert. Dazu kommen abgestimmte Filialkampagnen und ergänzende Maßnahmen wie Cross-Media-Kampagnen und Spezial-Kataloge. Im Rahmen des Marken-Konzeptes entwerfen eigene Designer alle Eigenverpackungen und Produktausstattungen. Für einen einheitlichen Auftritt der Filialen und eine durchgehende Warenpräsentation werden die für den nächsten Verkaufsabschnitt anstehenden Artikel in einem eigenen Testshop in Langenfeld aufgebaut und fotografiert. Die digitalisierten Vorlagen erhält dann jede Filiale als Vorlage.

Das Strauss-Warenkonzept hat im Textileinzelhandel für Furore gesorgt und bei zahlreichen Einzelhändlern Begehrlichkeiten geweckt. Die Kombination aus Stammsortiment und Randartikeln zur Steigerung der Kundenfrequenz war plausibel. Sie wurde deswegen gerne kopiert, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Oft wurde die Vielschichtigkeit der logistischen Anforderungen unterschätzt, die mit einem Sortiment zusammenhängen, das nun mal nicht zur Kernkompetenz zählt. Ein Unternehmen, das sehr erfolgreich in der Vermarktung von Artikeln jenseits seines Corebusiness ist, heißt Tchibo. Dieses Unternehmen erzielt mittlerweile mehr Umsatz mit seinen Non-Food-Artikeln als mit Kaffee. Bednorz äußerte gegenüber Haustex die Überzeugung, dass der Hamburger Konzern sich sein Erfolgskonzept von Strauss abgeguckt hat.

Geringhoff senior hat aus der Tatsache, dass sein Erfolgkonzept mit recht unterschiedlichem Erfolg kopiert wurde, die Konsequenz gezogen, 1994 den Innovations-Club zu gründen. Diese Einkaufs- und Marketinggesellschaft arbeitet inzwischen mit rund 80 bundesweit befreundeten Unternehmen zusammen, welche sich aus dem Angebot von Strauss bedienen können. Dazu finden alle zwei Monate Hausmessen statt.

Die jüngste Errungenschaft der Strauss-Gruppe sind nun die Home-Stores. Sie sollen nach Auskunft von Bednorz die Expansionsgeschwindigkeit der Gruppe steigern. Die Stores haben eine Größe zwischen 200 und 300 qm. Dies sei eine Dimensionierung, die auf dem Immobilienmarkt häufiger angeboten werde als ein 900-qm-Geschäft. In die kleineren Einheiten kann ohne große Umstellungsschwierigkeiten das attraktive Living-Sortiment von Strauss Innovation implementiert werden. Auch wenn die Geschäfte keine Matratzen führen, dürfte damit der Wettbewerbsdruck auf die klassischen Bettenfachgeschäfte zunehmen.

----

Strauss Unternehmensgruppe - Firmentelegramm

Gesellschaften:
Strauss Innovation GmbH & Co. KG: Einzelhandel West- und Süddeutschland
Strauss Innovation Berlin GmbH & Co. KG: Einzelhandel Nord- und Ostdeutschland
Strauss Home GmbH & Co. KG: Einzelhandel Deutschland Bereich Home Konzept
Innovations-Club Handelsgesellschaft mbH & Co. KG: Einkaufs- und Marketinggesellschaft
SVS Strauss Versicherungsservice GmbH & Co. KG: Versicherungsmakler
Strauss Logistik GmbH & Co. KG: Logistik-Dienstleistungsunternehmen

Geschäftsleiter: Peter Geringhoff, Andreas Gerecke, Philipp Geringhoff, Jürgen Lange, Dr. Jürgen Pelka, Marie-Louise Schröder, Arnold G. Stolper
Umsatz 2004: 267 Millionen Euro (Living 47%, Damen 31%, Herren 22%)
Mitarbeiter 2004: 2.013
Zahl der Filialen 2004: 89

Sortiment (unter anderem): DOB, HAKA, Damen- und Herrenartikel, Damen- und Herrenwäsche, Damen- und Herrenschuhe, Bettwaren, Bettwäsche, Tischwäsche, Frottierwaren, Glas, Keramik, Porzellan, Möbel, Deko-Objekte, Wohnaccessoires, Süßigkeiten, Körperpflegeartikel, Lebensmittel, Weine, Gewürze, Öle, Kaffee, Tee, dazu jahreszeitliche Artikel wie Gartenmöbel, Oster- und Weihnachtsartikel.

vertreten in folgenden Bundesländern: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein
1902 gegründet durch Heinrich und Maria Strauss in Düsseldorf
1986 Bau der Firmenzentrale mit Logistik-Center in Langenfeld
1989 Peter L. Geringhoff, Arnold Stolper und Edmund Strauss treten als Gesellschafter in die Firma ein
1992 Gründung der Strauss Innovation Berlin
1994 Gründung des Strauss Innovations-Clubs
1997 neben Peter L. Geringhoff übernimmt die Alldata GmbH, vertreten durch Dr. Jürgen Pelka, die Geschäfte der Unternehmensgruppe Strauss Innovation
2002 100-jähriges Firmenjubiläum
2004 Peter Geringhoff übernimmt die Leitung von seinem Vater Peter L. Geringhoff. Gründung des SVS Strauss Versicherungsservice
2005 neues Logistik-Center in Solingen. Gründung der Strauss Logistik und von Strauss Home.
aus Haustex 09/06 (Wirtschaft)