Symposium Digitaltapete

Flexibles Gestalten mit Digitaltapeten

Das Zeitalter der Digitalisierung macht vor der Tapete nicht halt. Und das ist auch gut so. Die elektronische Datenverarbeitung eröffnet ein breites wie flexibles Möglichkeitenspektrum: Ganze Tapetenkollektionen können in Kleinstauflage gedruckt werden, und zwar ganz nach Bedarf.

Das erst dieses Jahr in der Schweiz gegründete Tapetenforum widmete dem Thema gleich ein ganzes Symposium. Über 120 interessierte Fachleute und Studierende kamen im Sommer an die Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich, um sich mit dem Gestaltungspotenzial und den Anforderungen dieser Technik vertraut zu machen. Hersteller, Architektin, Designer und Künstlerin gaben Wissen und Erfahrungen mit der Digitaltapete in konzentrierter Form weiter.

Der Referent Michael Caspar, Mitinhaber Deutschlands kleinster Tapetenfabrik, arbeitet seit 2001 mit Digitaldruck. In seinem Vortrag "Die neue Tapete - Wallpaper on Demand" informierte er über technische Voraussetzungen, Herstellungsablauf, Qualitätsansprüche und gestalterische Möglichkeiten. Caspar verarbeitet Photoshop-fähige Daten, die per tonerbasiertem Digitaldruck auf Tapetenvlies gebracht werden (Bahnenbreite: 46,5 cm). Bei bahnübergreifenden Motiven werden die Bahnen einzeln nummeriert und von links nach rechts verklebt.

Ein praktisches Beispiel, das die Gestaltungsmöglichkeiten des Digitaldrucks voll ausnutzt, stellte Prof. Jasmin Grego vor. Die Architektin und Dozentin für Interiordesign an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel brachte großformatige Blumenmotive im Sinne der klassischen Wandmalerei in die Seniorenresidenz Tertianum Zürich-Enge. Hier galt es helle, freundliche Räume zu schaffen und den Bewohnern durch prägnante Motive und Hintergrundfarben die Orientierung zu erleichtern. Die Basis bildeten botanische Zeichnungen beliebter Gartenblumen, die allerdings nicht als typisches "Streublumenmuster" kleinrapportig auf die Wand gebracht wurden. Stattdessen definierte man großformatige Wandbilder mit Riesenblüten. Die Motive erscheinen zum Teil in unkonventionellen Ausschnitten und sollen in ihrer Anordnung die vorgegebene Raumgeometrie aufbrechen.

Künstlerin und Dozentin Vreni Spieser (Haus der Farbe, Zürich) hinterfragte in ihrem Vortrag "Digital - genial oder banal?" Tapetendogmen und trat der Digitaltapete durchaus kritisch gegenüber. Aus Spiesers Sicht hat der Digitaldruck nämlich nicht nur Vorteile: Immerhin müsse man hier farblich mit der milchig-grauen "Euroskala" vorlieb nehmen; darüber hinaus sei fraglich, inwiefern die extrem große Rapportbreite überhaupt ausgenutzt würde. Für Spieser ist Tapetendesign weniger eine Frage der Druckmöglichkeiten als eine Frage des Entwurfs und der Einstellung: "Es ist mir sehr wichtig, dass man Tapete nicht als flaches Gebilde wahrnimmt, sondern immer in Beziehung zum Raum stellt."

Ein leuchtend buntes Beispiel einer aktuellen Digitaltapeten-Kollektion führte schließlich der Designer Markus Benesch vor: Die Serie Colorflage von Rasch bietet laut Benesch "Vielseitige Gestaltungselemente, mit denen Räume spielerisch gegliedert, neu strukturiert und attraktiv gestaltet werden können." Die Muster verändern die Raumproportionen optisch, sie erweitern, verkleinern und strecken. Die Kollektion profitiert von der Flexibilität des Digitaldrucks, mit dessen Hilfe sich die Effekte beliebig auf die rapportierte Bahnenware übertragen lassen. Benesch: "Der Anwender entscheidet selbst über Muster und Farbkompositionen und wird selbst zum Gestalter." Neben Tapeten umfasst die Kollektion auch Wandfarben, Lacke, Möbel-Laminate und Stoffe.

Für Hansruedi Kaufmann, Präsident und Begründer des Tapetenforums, war das Symposium zur Digitaltapete ein voller Erfolg. "Die lebhaftesten Diskussionen fanden nicht etwa im Plenum, sondern im Vestibül statt", so der Tapetenprofi. Der Informationsfluss geht übrigens auch außerhalb der großen Veranstaltungen weiter: Zum Beispiel durch den Tapetenforum-Infoflyer "Aufs Tapet gebracht", der viermal jährlich erscheint.
aus BTH Heimtex 10/06 (Wirtschaft)