Interview mit Uwe Heinemann, Sprecher des Lenkungskreis Pro Teppichboden

Pro Teppichboden "Eine große Chance verspielt"


BTH Heimtex: Nur drei Jahre nach der sehr erfolgreichen Auftaktveranstaltung der Qualitätsinitiative "Pro Teppichboden" in Hannover folgt das "Aus". Was sind die Hintergründe dafür?

Heinemann: Der Lenkungskreises der Qualitätsinitiative "Pro Teppichboden" hat in seiner letzten Sitzung ein Resümee zum Erfolg der Initiative gezogen. Dabei wurde festgestellt, dass nach drei Jahren Aufwand und Nutzen in keinem wirtschaftlichen Verhältnis stehen. Wir konnten trotz aufwendiger Akquisebemühungen nicht die erhoffte Resonanz im Handel und im Handwerk erzielen und haben auch die angepeilte Marke von insgesamt 1.500 zertifizierten Partnern verfehlt. Wir hatten zum Schluss exakt 301 zertifizierte, aktive Partner, das ist definitiv zu wenig, um das Konzept dauerhaft auf eine tragfähige und solide Basis zu stellen. Außerdem stand das in keinerlei Relation zum finanziellen Aufwand und personellen Einsatz aller Beteiligten. Daher hat sich der Lenkungskreis entschlossen, die Auflösung der Qualitätsinitiative "Pro Teppichboden" per Ende 2007 zu empfehlen.

Dennoch möchte ich meinen Mitstreitern und Vertretern aus Handel, Handwerk und Industrie meinen ganz besonderen Dank und meine Anerkennung für ihr Engagement aussprechen.

BTH Heimtex: Gab es - im Rückblick betrachtet - grundsätzlich konzeptionelle Mängel, die zum Scheitern von "Pro Teppichboden" geführt haben?

Heinemann: Wir sind mit uns sehr kritisch ins Gericht gegangen und haben uns auch den Entschluss zum Auflösen der Qualitätsinitiative nicht leicht gemacht. Denn immerhin war "Pro Teppichboden" seinerzeit auf Initiative von Handel und Handwerk mit der klar formulierten Zielsetzung ins Leben gerufen worden, das Angebot an Qualitätsteppichböden sowie die Beratungs- und Serviceleistung in Handel und Handwerk zu verbessern. Alle hatten die Chance mitzumachen, aber leider haben viele, wie so oft, erst einmal abgewartet und zugeschaut: Lasst erst einmal die Anderen machen, nach dem Motto "Hannemann geh Du voran" bis es dann zu spät war.

Das Produkt Teppichboden sollte für den Endverbraucher insgesamt wieder attraktiver und werthaltiger werden. Das ist kein komplizierter Konzeptansatz und wurde so von allen Beteiligten von Beginn an mit getragen. Daher würde ich verneinen, dass es konzeptionelle Mängel gab, die zum Scheitern von "Pro Teppichboden" beigetragen haben. Wir haben auch nie ein solches Feedback aus dem Markt bekommen. Meine persönliche Einschätzung geht eher dahin, dass den Betrieben vermutlich das Procedere mit Blick auf Schulungen und Zertifizierung im Geschäftsalltag zu zeitraubend und vielen offenbar zu aufwendig war. Sicherlich werden wir hierzu intern aber noch weitere Ursachenforschung betreiben.

BTH Heimtex: Hatten die beteiligten Unternehmen in Industrie, Handel und Handwerk genügend Mitspracherecht oder hätten sie stärker mit eingebunden werden können?

Heinemann: Es gibt wohl kaum eine Initiative in unserer Branche bei der alle Beteiligten so intensiv bereits in der Planungs- und Konzeptphase mit involviert waren wie bei "Pro Teppichboden". Schließlich kam der Anstoß zu dieser Initiative, die sich als Qualitäts-Offensive verstanden hat, ja aus Handel und Handwerk. Insofern war es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Partner von Beginn an Mitsprache- und Vetorecht hatten und ihre Ideen, Anregungen und Kritikpunkte bereits in der Planungsphase aktiv mit einbringen konnten und auch sollten. "Pro Teppichboden" war vom Ansatz her eine Initiative, die nicht von "oben" entschieden und aufgesetzt, sondern die mit den Beteiligten für die Beteiligten entwickelt wurde.

BTH Heimtex: Haben Sie trotz der Auflösung von "Pro Teppichboden" Teilziele der Initiative erreichen können?

Heinemann: Auf jeden Fall und die aktuellen Branchenzahlen belegen das: Das durchschnittliche Preisniveau bei textilen Bodenbelägen lag zum Ende des dritten Quartals 2006 um 2,6% höher als im Vorjahr. Das ist für uns ein klarer Beweis, dass wir hier mit unserer Qualitätsoffensive erfolgreich beim Verbraucher waren. Offensichtlich sind unsere Botschaften beim Konsumenten und in der Presse eher gehört und verstanden worden als in Handel und Handwerk.

Das zeigte aber auch auf, wie groß die Chance ist, die mit dem Einstellen von "Pro Teppichboden" verspielt wird. Der Verbraucher orientiert sich ganz klar in Richtung Qualität und auf Dauer wird er das auch bei der Auswahl seines Fachgeschäftes tun. Eine soeben veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung Mercer hat am Beispiel von Lebensmittelsupermärkten ergeben, dass die absolute Hoch-Zeit von den Discountern ihren Zenit überschritten hat. Gefragt sind Qualität und die Inszenierung der Sortimente sowie eine vernünftige Service- und Beratungsleistung. Das sollte uns zu denken geben.

BTH Heimtex: Ist das Scheitern von "Pro Teppichboden" aus Ihrer Sicht gleichzusetzen mit einer vergebenen Chance für Handel und Handwerk? Könnte das Folgen haben?

Heinemann: Dass hier eine Chance ungenutzt geblieben ist, steht außer Frage. Zu den Konsequenzen kann ich nichts sagen, das wird die Zukunft sehr bald zeigen. Ich habe von Anfang an formuliert, dass "Pro Teppichboden" in dieser Form eine einmalige Initiative ist und vermutlich die letzte Chance für die Branche, sich geschlossen dem Thema Qualität zu stellen.

Es ist in diesem Zusammenhang betrachtet auch höchst bedauerlich, dass Handel und Handwerk diese Chance nicht wahrgenommen haben, ihre Mitarbeiter fachlich zu qualifizieren. Mit so wenig Aufwand wie wir es für "Pro Teppichboden" durchgeplant und organisiert hatten, wird wohl künftig kaum eine Schulung mehr möglich sein. Andererseits muss man positiv anerkennen, dass immerhin rund 1.500 Fachberater des Handwerks und Handels die angebotenen Schulungsmaßnahmen zur Weiterbildung nutzten und die Prüfungen auch erfolgreich absolviert und bestanden haben. Ein Asset, das uns auch über den Tag hinaus in der Branche erhalten bleibt.

Insgesamt betrachtet bin ich in der Tat der Überzeugung, dass sowohl Handel als auch Handwerk damit die große Chance vertan haben, sich mit überzeugenden Sachargumenten, mit dem besseren Service, der besseren Beratung und dem besseren Produkt von den Billig- und Großflächenanbietern abzugrenzen. Ich bedaure es sehr, dass diese Chance, sich durch Kompetenz zu profilieren, nicht verstanden oder überhaupt nicht als solche erkannt wurde. Das legt übrigens auch die Schlussfolgerung nahe, dass es der Branche offensichtlich noch zu gut geht.

BTH Heimtex: Die Europäische Teppich-Gemeinschaft ETG hat die Qualitätsinitiative finanziell unterstützt. Wie geht es jetzt mit der ETG weiter?

Heinemann: Der gesamte finanzielle Aufwand aus Etatmitteln der ETG - inklusive Anschubfinanzierung - liegt bis heute bei rund 1,3 Millionen EUR. Das ist mit Blick auf das Ergebnis wirtschaftlich ein Desaster und war daher konsequenterweise nicht weiter vom Lenkungskreis vertretbar.

Künftig wird sich die ETG, deren Zielsetzung ja immer auch die Förderung des Qualitätsgedanken war, wieder verstärkt dieses Themas annehmen. Vor diesem Hintergrund wurde vom Vorstand eine strategische Neuausrichtung der ETG verabschiedet, mit deren Umsetzung bereits begonnen wurde.
aus BTH Heimtex 12/06 (Wirtschaft)