Interview mit dem BSOT-Vorsitzenden Franz ten Eikelder

"Dieser Verband ist im engsten Sinne des Wortes eine Interessengemeinschaft"

Franz ten Eikelder ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Sachverständigen für orientalische, handgeknüpfte Teppiche und Flachgewebe (BSOT) sowie geschäftsführender Gesellschafter des renommierten Kölner Fachgeschäftes Bodenkultur ten Eikelder. Heimtex Orient sprach mit ihm über den gegenwärtigen Stellenwert des klassischen Orientteppichs im Markt und über aktuelle Themen des BSOT.

Heimtex Orient: Der klassische Teppich hat in den vergangenen Jahren deutlich gegenüber dem modernen Teppich verloren, ist sogar noch weiter auf dem Rückzug. Woran liegt das?

Franz ten Eikelder: Ein Großteil der Kunden will heute nicht mehr von der Stange kaufen. Die Kunden möchten beispielsweise nicht einen 2 m x 3 m, sondern einen 2,20 m x 2,90 m großen Teppich. Und sie sind heute viel subtiler in ihren Farbwünschen. Reduziertheit, Purismus ist heute ein Mainstream, üppige, kleine Muster will heute keiner mehr. Das sind alles Dinge, die es dem traditionellen Perserteppich sehr schwer machen.

Heimtex Orient: Darum geht es auch dem Ziegler derzeit so gut.

Franz ten Eikelder: Ja, weil er farblich anders ist, weil er nicht so klein gemustert, sondern großblumig ist, und weil die Muster teilweise so kaputt gewaschen werden, dass sie gar nicht mehr zu identifizieren sind. Das ist mit Sicherheit trendig.

Heimtex Orient: Wie haben Sie in Ihrem eigenen Fachgeschäft in Köln auf die Geschmacksveränderung beim Endverbraucher reagiert?

Franz ten Eikelder: Wir haben das Sortiment schon vor langer Zeit verändert. Wir machen heute fast drei Viertel des Geschäftes mit Bestellware. Im Regelfall kommt unser Kunde mit einem Dekostoff-Muster oder mit einem Plan und informiert uns über seine Einrichtung, woraufhin wir ihn beraten. Wir verkaufen keinen Teppich, wir beraten in puncto Einrichtung.

Heimtex Orient: Das heißt, auch Sie haben in Ihrem Geschäft den Sortimentsschwerpunkt verlagert zugunsten moderner Teppiche?

Franz ten Eikelder: Da kommen wir zur Frage, wie man den Begriff Orientteppich definiert. Das ist eine Frage, die kürzlich im BSOT diskutiert worden ist und weiter diskutiert werden wird. Wenn wir von Orientteppichen sprechen, was meinen wir damit? Die geographische Zuordnung, die schon um China, Tibet und Nordafrika erweitert worden ist? Oder meinen wir damit Muster oder Knüpfgebiete?

Aber zurück zu Ihrer Frage. Ganz klare Antwort: weg von Orient-Mustern.

Heimtex Orient: Betrifft das auch alte und antike Stücke?

Franz ten Eikelder: Nein, da muss man differenzieren. Ich glaube, dass alte Stücke, Bauernteppiche, Nomadenteppiche, Kelims immer ihre Klientel haben werden, auch alte Chinesen. Die Klientel für diese Teppiche wird nicht wachsen, aber sie wird immer existent bleiben. Man wird mit Sicherheit immer Leute für nomadische Ware begeistern können, die ursprünglich ist, so sie noch auf dem Markt zu finden ist. Auch für Kelims, die eben nicht in Manufakturen produziert werden. Auch sie erfüllen den Wunsch nach Authentizität.

Heimtex Orient: Sie sagten vorhin, Sie haben kürzlich im BSOT über den Begriff Orientteppich diskutiert. Warum?

Franz ten Eikelder: Wir haben zur Diskussion gestellt, in wieweit man den Bestallungsbegriff erweitern muss - wir haben ja im Regelfall die Vereidigung im Fachgebiet Orientteppiche. Ein Vorschlag von mir ist: handgeknüpfte und in anderen Verfahren hergestellte Teppiche, besonders Orientteppiche.

Eines unserer Probleme ist, dass wir Aufträge erhalten, sei es von Versicherungen oder von Gerichten, und treffen dann auf ein Konvolut von Teppichen. Im Regelfall sind es zu 90 Prozent Orientteppiche. Aber wenn Handtuft-Teppiche dabei sind, die man nur mit viel Wohlwollen, geknebelt und geknechtet, als Orientteppich bezeichnen kann, wird es schwierig, denn dafür liegt keine Bestallung vor. Deshalb müssen wir uns von der Begrifflichkeit her verändern.

Heimtex Orient: Vor kurzem fand in Köln die BSOT-Mitgliederversammlung statt. Wie läuft so eine Versammlung ab?

Franz ten Eikelder: Am ersten Tag haben wir die Ausstellung "Schätze der tibetanischen Klöster" in der Villa Hügel in Essen besucht, kein direktes Teppich-Thema, aber ein tangentielles. Mit der Mitgliederversammlung verbinden wir grundsätzlich immer ein Seminar. Schwerpunktthemen waren diesmal Nepalteppiche und Veredlung, gerade bei Nepalware ein ganz relevanter Punkt. Dr. Knecht aus St. Gallen hat den Vortrag gehalten. Am dritten Tag haben wir das Auktionshaus Carola van Ham in Köln und zwei Teppichwäschereien besucht.

Teppichwäsche ist ein ganz wichtiges Thema für uns, denn wir werden häufig mit Fällen beauftragt, in denen es nach der Wäsche zu Schäden gekommen ist. Wir müssen das Thema immer wieder aufgreifen, denn es werden immer wieder neue Verfahren und Materialien entwickelt. Hinzu kam noch ein Vortrag zum Thema versicherungstechnische Begriffe und Siawosch Azadi hat über neue Erkenntnisse zum Thema der Mohtashem Keshans referiert.

Heimtex Orient: Wie viele Mitglieder haben teilgenommen, wie viele werden auf der nächsten BSOT-Jahresreise 2007 in Amsterdam teilnehmen?

Franz ten Eikelder: Wir sind so um die 50 Mitglieder, davon haben jetzt in Köln etwa 30 teilgenommen, in Amsterdam werden auch ungefähr 30 dabei sein. Wir haben immer eine recht gute Quote.

Dieser Verband ist im engsten Sinne des Wortes eine Interessengemeinschaft. Wir wissen alle, dass wir kooperieren müssen. Es gibt niemanden, der in jedem Gebiet 100prozentig ist. Es ist sehr, sehr wichtig, dass jeder weiß, wo er seine Stärken hat, wirklich höchstes Niveau hat, und wo er Schwächen hat. Und wenn er Schwächen hat, dann muss er sie auch zugestehen. Es ist besser zu sagen, ich weiß es nicht, als aus dem Status des Sachverständigen heraus zu argumentieren und später widerlegt zu werden.

Heimtex Orient: Gibt es weitere Treffen aller BSOT-Mitglieder?

Franz ten Eikelder: Der BSOT führt außerdem einmal im Jahr eine gemeinsame Reise durch, die wir 2006 nach Wien gelegt haben. Im Seminarteil haben wir mit unseren österreichischen Kollegen kooperiert. Wir werden immer internationaler. Mittlerweile haben wir einen Niederländer, einen Schweizer sowie Ehrenmitglieder aus Italien, England und Österreich, mit deren Verband wir im Übrigen sehr erfolgreich kooperieren. Irgendwann werden wir möglicherweise auch einen internationalen Verband haben.

Heimtex Orient: Das würde sicherlich das Nachwuchsproblem etwas abschwächen.

Franz ten Eikelder: Nachwuchs ist ein ganz schwieriges Thema. Die Antragsteller müssen vor dem Fachgremium eine Prüfung ablegen. Zur Prüfung 2005 waren ursprünglich 7 Kandidaten angemeldet, davon haben 5 zurückgezogen, und von den verbliebenen zwei Kandidaten ist einer durchgekommen.

Wir sind sehr froh über diesen neuen Kollegen, der sich auch sofort dem Verband angeschlossen hat.

Heimtex Orient: Woran sind die meisten gescheitert?

Franz ten Eikelder: Ich glaube, sie haben gesehen, dass sie noch nicht so weit waren. Möglicherweise war auch die Vorbereitungszeit zu kurz.

Heimtex Orient: Wie fördern Sie die Antragsteller?

Franz ten Eikelder: Die Antragsteller können zum Beispiel bei Seminaren hospitieren. Beim letzten BSOT-Treffen waren unsere drei derzeitigen Kandidaten bei der Ausstellung und bei den Seminaren mit dabei, um zu lernen und um am allgemeinen Erfahrungsaustausch zu partizipieren.

Ein ganz großer Vorteil ist, dass die Kandidaten bei der zuständigen IHK Einblick in die letzten Prüfungsfragen nehmen können, so dass alles ein wenig objektiviert wird.

Wir sehen das Problem, wir veraltern dramatisch. Hinzu kommt, dass je nach Land und IHK die Bestallung mit 70 oder 72 endet.

Heimtex Orient: Gibt es dadurch schon Engpässe?

Franz ten Eikelder: Mit den immer geringer werdenden Umsätzen wird auch das Aufgabenvolumen geringer. Allerdings haben wir eine ganze Reihe von Kandidaten, die in maximal fünf Jahren ihren Stempel abgeben müssen. Sie können aber immer noch mit Privatgutachten beispielsweise für Versicherungen beauftragt werden, bleiben im BSOT. Nur, im Regelfall wollen die Gerichte öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige um zu vermeiden, dass eine der streitenden Parteien den Sachverständigen nicht akzeptiert.

Das Gremium, das Sachverständige zulässt, ist jetzt von München nach Düsseldorf verlegt worden, aus Kostengründen. Ein Großteil der Sachverständigen sitzt in NRW, deshalb können die Industrie- und Handelskammern die Prüfungen dort am kostengünstigsten abhalten. Die Kosten werden auf die Kandidaten umgelegt - das ist irgendwann nicht mehr tragbar.

Heimtex Orient: Wie wird man überhaupt Orientteppich-Sachverständiger?

Franz ten Eikelder: Man muss eine überdurchschnittliche bis herausragende Fachkompetenz besitzen. Herausragend heißt, dass man auch alle periphären Gebiete des Orientteppichs kennen muss. Man muss etwas über den Islam wissen, man muss von Exponaten in den relevanten Museen Kenntnis haben. Man muss ein ganz differenziertes Wissen über klassische Teppiche haben, man muss die Newcomer kennen. Man muss bei den Knüpfdichten von Kaschmir-Teppichen und indischen Teppichen genauso kompetent sein wie von iranischer Ware, was teilweise ein Problem ist. Wir haben Kandidaten, die sich in einem bestimmten Bereich perfekt auskennen, in anderen Bereichen nicht.

Ein anderes Thema ist die persönliche Integrität. Ein guter Leumund ist eine ganz wichtige Voraussetzung, auch für die Zulassung. Die dritte Hauptkomponente ist, das man alle gestellten Fragen in mündlicher und schriftlicher Form verständlich und grammatikalisch richtig beantworten kann.

Heimtex Orient: Ist die Aufnahme in den BSOT abhängig davon, ob die Prüfung zum Orientteppich-Sachverständigen abgelegt wurde?

Franz ten Eikelder: In Ausnahmefällen nehmen wir nicht vereidigte Sachverständige unter der Prämisse auf, dass sie wirklich hochkarätige Fachleute sind. Wir sind stolz und froh, wenn wir Koryphäen mit im Team haben.
aus Heimtex Orient 01/07 (Wirtschaft)