Mustermacher Silfox: Interview mit Geschäftsführer Michael Siekiera

"Der ganzheitliche Ansatz ist ein Wettbewerbsvorteil"


Die Silfox-Gruppe, Hersteller von Musterkollektionen, befindet sich mitten im Veränderungsprozess. Nach der Übernahme durch die Mittelstandbeteiligung Corvis wird die Produktion vom Standort Emsdetten komplett in das bereits seit 15 Jahren bestehende Werk im slowakischen Nitra verlagert. Erhalten bleiben die Bereiche Projektmanagement, Vertrieb, Marketing und Verwaltung. Geschäftsführer Michael Siekiera betont im Interview mit BTH Heimtex-Redakteurin Cornelia Küsel, dass die Verlagerung dazu dient, das Traditionsunternehmen nachhaltig zu stärken. Darüber hinaus zielt das neue Geschäftsmodell darauf ab, nicht nur als Mustermacher, sondern als Serviceanbieter für ganzheitliche PoS-Lösungen auf dem Markt aktiv zu sein.

BTH Heimtex: Herr Siekiera, die Silfox-Gruppe wurde 2013 von der Beteiligungsgesellschaft Corvis übernommen. Seit Anfang des Jahres leiten Sie als neuer Geschäftsführer die Geschicke des Herstellers für Musterkollektionen. Eine Ihrer ersten großen Maßnahmen ist die komplette Verlagerung der Produktion von Emsdetten in das bestehende Werk im slowakischen Nitra. Wird nun mit eisernem Besen gekehrt?

Michael Siekiera: Wir haben genau analysiert, wo wir stehen und wohin wir uns entwickeln wollen, um nachhaltig bestehen zu können. Daraus zogen wir den Schluss, dass eine Verlagerung unserer von manuellen Tätigkeiten geprägten Produktion aus Kostengründen unabdingbar ist. Zumal das Werk am Standort Emsdetten ohnehin nur noch im 1-Schicht-Betrieb lief und damit nicht ausgelastet war.

Durch die Verlagerung büßen wir aber keineswegs an Qualität und Flexibilität ein. Das Werk im slowakischen Nitra besteht schließlich schon seit 15 Jahren. Künftig wird dort alles, was bisher in Emsdetten produziert wurde, von genauso qualifizierten und auch Deutsch sprechenden Mitarbeitern an teilweise besseren Maschinen hergestellt.

Die Verlagerung folgt auf die Veränderungen des Marktumfelds, in dem die Wettbewerbsintensität zugenommen hat und die Kunden mehr Flexibilität und schneller Reaktionszeiten erwarten. Diesen Rahmenbedingungen müssen wir Rechnung tragen, um das Unternehmen und damit auch unsere Kunden langfristig zu stärken.

BTH Heimtex: Was werden Sie in Nitra produzieren?

Siekiera: Alles, was den Bereich Musterkollektionen betrifft. Wir werden uns dort auf Sonnenschutz, Heimtextilien und Automobil konzentrieren, während die Produkte für den Bereich Bodenbeläge nach wie vor bei unserem Tochterunternehmen Walter in Fulda hergestellt werden. Das heißt, wir spezialisieren uns innerhalb unserer Standorte.

Sowohl in Nitra als auch in Fulda werden wir sehr viel in neue Technologien investieren. Automatisierung ist ein großes Thema. Um unsere Vorhaben umsetzen zu können, arbeiten wir eng mit Ingenieuren und Konstrukteuren - teils aus den eigenen Reihen - zusammen, damit wir die Produktionsprozesse nachhaltig aufbauen können.

BTH Heimtex: Das bedeutet alles in allem Kostensenkungen?

Siekiera: Effizienzsteigerungen - und die streben wir an - führen immer dazu, dass der Herstellungsprozess günstiger wird.

BTH Heimtex: Was macht Silfox für die Beteiligungsgesellschaft Corvis so attraktiv?

Siekiera: Corvis ist eine reine Mittelstandsbeteiligung, die als Family Office am langfristigen Erfolg des übernommenen Unternehmens interessiert ist und entsprechend langfristig investieren will. Das Konzept sieht vor, nur solche Unternehmen zu übernehmen, die in bestimmten Marktsegmenten Nischenanbieter sind und unter Beweis gestellt haben, dass sie gut positioniert sind. Das war bei der Silfox-Gruppe der Fall.

Es gibt Silfox seit mehr als 40 Jahren. Zwar stand das Unternehmen zum Schluss von seiner Finanzleistung her nicht besonders gut da, aber es verfügt über Branchenerfahrung, umfassendes Know how, gute Strukturen und die Fähigkeit, auch mit sehr komplexen Produkten umzugehen. Aufgrund dieser Substanz ist es für Corvis sehr interessant.

BTH Heimtex: Neben der Produktionsverlagerung stehen sicherlich noch weitere Veränderungen an. Wie sieht die neue Gesamtstrategie für Silfox aus?

Siekiera: Unser neues Geschäftsmodell sieht vor, nicht nur als reiner Musterbauer, sondern als Serviceanbieter für ganzheitliche PoS-Lösungen am Markt aktiv zu sein. Das heißt, wir bieten über die zur Gruppe gehörenden Unternehmensteile von der Beratung über den Druck und Online-Angebote bis hin zu Logistik und Versand alles an, was unseren Kunden zu mehr Umsatz, Präsenz und Erfolg verhilft. Dabei können diese sich für eine komplette Lösung entscheiden oder aber für einzelne Werkzeuge.

Mit diesen maßgeschneiderten Leistungen, die sich an den individuellen Bedürfnissen sowohl von Herstellern als auch Groß- und Fachhändlern orientieren, wollen wir zum integrativen Bestandteil unserer Kunden werden. Diesen Ansatz halte ich für einen Wettbewerbsvorteil, da er konsequent die Bedürfnisse unserer Kunden ganzheitlich abbildet.

BTH Heimtex: Was bedeutet das konkret?

Siekiera: Wir decken mit unseren Spezialisten unter dem Dach der Silfox-Gruppe verschiedene Bereiche ab. Das beginnt mit Beratung und Trendforschung für die Zusammenstellung einer neuen Kollektion. Hier arbeiten wir mit unserer Trendagentur Global Color Research in London und unserer Entwicklungseinheit 360 Grad zusammen. Das Angebot reicht von der Konzeptidee bis zur Umsetzung von Marketing und Verkaufsförderungs-Instrumenten.

Silfox beziehungsweise Walter sind dann zuständig für die Produktion von Musterkollektionen jeglicher Form. Sollen Muster reproduziert dargestellt werden, kommt unsere Druckerei Lechte ins Spiel. Wir können zum Beispiel Oberflächenstrukturen realistisch nachdrucken. Das ist sehr wichtig, wenn es zu schwierig oder zu teuer ist, Originalmuster am PoS zu zeigen. Digitale Visualisierungen lassen wir über unseren Partner Active Online erstellen.

Darüber hinaus übernehmen wir auch Fulfillment - die Musterbevorratung für den Versand. Aber das muss der Kunde entscheiden.

Wir bieten diese Leistungen über unsere miteinander verzahnten Geschäftsfelder ganzheitlich an. Der Kunde sucht sich heraus, was er braucht. Alles ist abgedeckt: Beratung, Musterbau, Offet- und Digitaldruck, Online, Belieferung.

BTH Heimtex: Sie sprechen den Bereich Online an. Er wird zur Visualisierung von Mustern und ganzen Produkten am PoS immer wichtiger. Welche interaktiven Bausteine halten Sie für Ihre Kunden parat?

Siekiera: Wir haben eine sehr enge Kooperation mit Active Online. Das Unternehmen deckt für uns den Bereich der digitalen Darstellung ab.

Der Ansatz geht in zwei Richtungen. Der Kunde braucht für die Visualisierung der Produkte sowohl im Store als auch online eine realistische, auf einheitlichen Daten beruhende Wiedergabe, was Form, Farbe und Struktur angeht. Da geht es zum Beispiel um die Frage, wie sich ein Teppich so fluffig darstellen lässt, wie er wirklich ist. Dafür ist eine einheitliche Datenstruktur nötig, mit der eine Agentur und eine Druckerei arbeiten können. Das ist der eine Ansatz.

Der andere ist, Verkaufstools für digitale Medien herzustellen, mit deren Hilfe der Kunde vor Ort oder über sein Laptop seinen Raum individuell mit Tapeten, Bodenbelägen, Sonnenschutz gestalten und möglicherweise auch noch sein Sofa reinstellen kann. Diese Kombinationsmöglichkeit ist eine gute Verkaufsunterstützung.

BTH Heimtex: Diese Angebote richten sich direkt an den Handel, der am PoS attraktiv sein muss. Auf welche Instrumente kann darüber hinaus die Industrie bauen?

Siekiera: Der Hersteller kann seine Produkte online anbieten und dem Besucher seiner Webseite die Möglichkeit geben, diese nach seinen Wünschen zusammenzustellen. Basierend auf der Planung geht er mit einer vorgefertigten Einkaufsliste in den stationären Handel und sagt: Genau so hätte ich es gern.

So kann der Kunde sich vorab Informationen einholen und sich anschließend in das Geschäft begeben, wo er nach der Visualisierung ein haptisches Erlebnis hat - das Produkt fühlt und riecht. Dabei hat er dann die Möglichkeit, sich in seiner Vorauswahl bestätigen zu lassen oder aber sich anders zu entscheiden. Diesen Prozess begleiten wir.

BTH Heimtex: Der interaktive Bereich ist von schnellem Wandel geprägt. Es gibt inzwischen schier unendliche Möglichkeiten der Visualisierung. Wo sehen Sie Trends, was setzen Sie schon um?

Siekiera: Im Trend liegt Augmented Reality. Das bedeute: Ich kann mit verschiedenen Tools meine eigene Realität zusammenbauen, indem ich einen leeren Raum mit einzelnen Komponenten fülle. Das ist stark im Kommen, ob über Tablet, Laptop oder im Laden. Da werden wir der technischen Entwicklung folgen.

BTH Heimtex: Hat der stationäre Handel angesichts der zunehmenden Stärke des Internets noch eine Chance?

Siekiera: Ich bin mir sicher, dass der stationäre Handel profitiert, wenn er die Bereiche Online und klassischen Verkauf geschickt zusammenbringt. Denn bei Kaufentscheidungen für so wertige Produkte wie Sonnenschutz, Bodenbeläge und Stoffe will der Kunde diese vor Ort sehen, anfassen und sie letztlich im Gesamtzusammenhang betrachten, um erkennen zu können, wie alles zusammenpasst. Da verlässt er sich nicht auf das Internet, sondern will eine Beratungsleistung vor Ort haben. An dieser Stelle kann der Handel deutlich punkten. Diese Beratung muss er stärker herausstellen.

BTH Heimtex: Also bedarf es auch in Zukunft der dicken Musterkoffer und Kollektionssammlungen?

Siekiera: Die großen Musterbücher werden wir weiterhin brauchen. Der Kunde will doch wissen, wie die Produkte aussehen, wie ihre Haptik ist. Ohne Muster kommen wir deshalb nicht aus.

BTH Heimtex: Wie sieht Ihre Kundenstruktur aufgeteilt nach den einzelnen Segmenten aus?

Siekiera: Im Bereich Heimtextilien, Sonnenschutz und Bodenbelag halten sich Hersteller und große Händler die Waage. Je nach Saison kann es jedoch Verschiebungen in den verschiedenen Branchen geben.

BTH Heimtex: Worauf legen Ihre Kunden besonderen Wert?

Siekiera: Wir müssen über eine hohe Beratungskompetenz verfügen und damit genau wissen, was technisch überhaupt realisierbar ist. Wichtig ist auch die Langlebigkeit einer Musterkollektion. Die muss ein paar Jahre halten, denn die Kosten dafür sind relativ hoch. Deshalb verlangen viele Kunden ihre bewährte Standardkollektion, die wir in Abständen optimieren.

Wir haben aber auch Kunden, die möchten mal was ganz Neues, Ausgefallenes haben. Auch dafür bieten wir die optimale und individuelle Lösung an.

Aber eines eint alle Kunden: Die Kollektionen müssen verbindlich zum vereinbarten Termin bereitgestellt werden.

BTH Heimtex: Derzeit ist Silfox auf die Automobil- und Heimtextilienbranche fokussiert. Haben Sie bereits andere Segmente im Visier?

Siekiera: Das analysieren wir gerade. Vorerst geht es uns aber vor allem darum, die Kontakte in den Branchen zu intensivieren, auf die wir ausgerichtet sind, und dort neue Kunden mit neuen Konzeptansätzen zu gewinnen. Wenn wir das umgesetzt haben, wenden wir uns weiteren Produktbereichen zu.
aus BTH Heimtex 06/14 (Wirtschaft)