Initiative Textile Räume: Interview mit Karsten Brandt und Martin C. Pötz

"Wir wollen, dass Stoff wieder sexy wird"


Die Initiative Textile Räume ist gegründet worden, um für den Stoff zu werben. Noch hat sie zwar keinen offiziellen Status, aber bereits rund 25 potenzielle Mitglieder, von denen fast alle eine Anschubfinanzierung geleistet haben. Von diesem Geld sollen unter anderem die Auftritte bei der Heimtextil und der Kölner Möbelmesse bezahlt werden. BTH Heimtex-Chefredakteur Michael Steinert und Redakteurin Cornelia Küsel sprachen mit den Impulsgebern der Initiative Karsten Brandt, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Tapetenindustrie, und Raumausstatter Martin C. Pötz über Ziele und Zielgruppen.

BTH Heimtex: Vor gut einem Jahr wurde die Initiative Textileräume aus der Taufe gehoben, um den Stoff wieder in den Mittelpunkt der Einrichtung zu rücken und für ihn zu werben. Noch ist es ein lockerer Zusammenschluss. Wann geben Sie der Initiative einen offiziellen Status als Verein?

Karsten Brandt: Wir sind noch dabei, potenzielle Mitglieder zu werben und Geld einzusammeln. Einen Verein wollen wir in diesem Quartal gründen. Aber erst einmal warten wir die Resonanz auf die beiden Messen Heimtextil und Imm Cologne ab. Dort wird sich zeigen, wie Textile Räume angenommen wird und wie viel neue Mitglieder wir noch gewinnen können. Bei der Vereinsgründung handelt es sich um eine Formalie, mit den Vorbereitungen der Aktivitäten sind wir schon längst gestartet. Der offizielle Kickoff findet am ersten Heimtextil-Tag statt.

BTH Heimtex: Wie viel potenzielle Mitglieder führen Sie inzwischen auf Ihrer Liste?

Brandt: Eine Absichtserklärung haben bisher 25 Interessenten abgeben. Fast alle Editeure sind dabei, aber auch Hersteller und Webereien als potenzielle Vollmitglieder sowie beispielsweise Garnhersteller und weitere Zulieferer als assoziierte. Dazu kommen Verbände als mögliche Fördermitglieder. Wir haben aber noch längst nicht alle Marktteilnehmer angesprochen.

BTH Heimtex: Wer darf Mitglied werden?

Martin C. Pötz: Die gesamte Wertschöpfungskette vom Editeur und Hersteller über Zulieferer bis zu Verbänden, Kooperationen und Einzelhandel. Schließlich profitieren alle von der Werbung für Stoff.

BTH Heimtex: Sie sprachen von der Präsenz auf den Messen. Wird Textile Räume mit eigenem Stand auf der Heimtextil und der Imm Cologne zu finden sein?

Brandt: Ja, bei beiden Messen haben wir kurzfristig eine kleine Fläche in bester Lage erhalten. Bei der Heimtextil hat uns ein Aussteller, der bei uns sowie im Deco Team Mitglied ist, einen Bereich abgetreten. Ziel unserer Messepräsenz ist es, die Branche von der Initiative zu überzeugen und zum Mitmachen anzuregen. Wir wollen erreichen, dass alle Textilanbieter mehr verkaufen.

BTH Heimtex: Wer zeichnet denn als Auftraggeber für die Messe offiziell verantwortlich?

Brandt: Das Deutsche Tapeten-Institut. Ich habe die Genehmigung des Verbands der Deutschen Tapetenindustrie, über meine Arbeit als Geschäftsführer hinaus für Textile Räume tätig zu sein. Im Gegenzug zahlt die Initiative eine monatliche Pauschale an das Tapeten-Institut für die Nutzung der Infrastruktur.

BTH Heimtex: Dann treffen Sie auch alle anderen Entscheidungen?

Pötz: Verantwortlich für Textile Räume ist derzeit ein Dreierteam. Es setzt sich zusammen aus dem Unternehmen Trevira, das als Garnhersteller nur indirekt mit Stoff zu tun hat und dadurch als Ansprechpartner aus der Industrie für alle Mitglieder fungiert, Herrn Brandt und mir. Herr Brandt leitet den operativen Bereich, ich als hauptberuflicher Raumausstatter bin für das Netzwerken zuständig und damit für eine positive Stimmung für unser Anliegen. Dieses geballte Know how ist sensationell, das wird es so nur schwer wieder geben.

Brandt: Um Entscheidungen zu fällen, haben wir zwei Gremien gebildet. Der aus Firmenvertretern zusammengesetzte Marketingausschuss entwickelt Konzepte, Ideen, Präsentationen und entscheidet. Das läuft so ähnlich wie im Tapetenverband. Als zweites Gremium wurde eine Finanzaufsicht eingesetzt, die Claus Anstoetz von Jab Anstoetz übernommen hat. Er wacht auch über ein Sonderkonto beim Tapeten-Institut. Das Ganze ist vorläufig, bis ein Verein mit einem gewählten Vorstand und der üblichen Aufgabenteilung existiert.

BTH Heimtex: Wie kamen sie auf Trevira als übergeordnetem Mitglied?

Pötz: Die Idee, Textile Räume zu gründen, entwickelte sich während eines Treffens von Jochen Stock von Rasch Textil und mir. In dem Gespräch wurde betont, dass das Tapeteninstitut mit großem Erfolg Werbung für die Tapete mache. Diese Aufgabe könne es doch auch für Stoff übernehmen. So stieß Herr Brandt dazu. Gemeinsam überlegten wir dann, wer Ansprechpartner in der Industrie sein kann. Wir einigten uns auf Trevira, legten dem Garnhersteller unser Konzept vor und erhielten kurze Zeit später die Zusage: Wir machen mit.

BTH Heimtex: Wie finanzieren Sie bisher die Ausgaben von Textile Räume?

Brandt: Wir haben die potenziellen Mitglieder um eine Anschubfinanzierung gebeten. Fast alle haben mittlerweile Geld auf das Sonderkonto beim Tapeten-Institut überwiesen.

Pötz: Es ist ein Phänomen: Auf der einen Seite haben uns Unternehmen Geld auf das Konto eines Vereins überwiesen, den es offiziell noch nicht gibt. Sie sind bereit, in diese Gründung Geld zu stecken, damit das genannte Team arbeiten kann. Damit sind sie weit über ihren Schatten gesprungen. Das ist in der Vergangenheit noch nicht vorgekommen.

Auf der anderen Seite sind weitere ernsthafte Interessenten misstrauisch. Sie warten ab und verlangen: Zeigt doch erst mal was vor, dann werden wir Mitglied.

Brandt: Da beißt sich sich die Katze in den Schwanz. Wenn man kein Geld hat, um Aktivitäten zu entwickeln, kann man nichts zeigen. Wenn man aber nichts zeigen kann, gewinnt man weniger Mitglieder.

BTH Heimtex: Bleiben wir beim Geld. Was ist Ihre finanzielle Zielmarke, damit Textile Räume effektiv arbeiten kann?

Brandt: 500.000 EUR sind die Hürde, die wir uns vorgenommen haben.

BTH Heimtex: Wie wollen Sie diese Hürde nehmen?

Brandt: Wir haben einen Treuhänder eingeschaltet, der die potenziellen Mitgliedsfirmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gebeten hat, die Umsätze anzugeben. Diese bilden die Basis für eine anteilige Mitgliedsgebühr, die wir von Textilanbietern und assoziierten Mitgliedern verlangen würden. Nach den vorliegenden Zahlen lägen wir noch unter 500.000 EUR.

BTH Heimtex: Es gibt also keine Pauschalsumme wie bei Teppich & Du der Copa?

Brandt: Bei uns geht es nach Leistungsfähigkeit und Größe. Der Große zahlt mehr als der Kleine.

Pötz: Wir wollen das Beitragssystem so gerecht wie möglich gestalten. Aus diesem Grund erhoffen wir uns, dass möglichst alle Marktteilnehmer mitmachen. Denn alle werden profitieren.

BTH Heimtex: Sie wollen auch die Raumausstatter gewinnen. Doch das sind oft sehr kleine Unternehmen mit geringem Umsatz. Denen fällt es schwer, von ihrem wenigen Geld auch noch etwas abzuzweigen. Welche Lösung haben Sie sich dafür überlegt?

Poetz: Nach unseren Vorstellungen sollen die Betriebe pro Laufmeter Stoff 10 Cent vom Lieferanten für die Initiative fakturiert bekommen. Raumausstatter gehören schließlich wie auch Möbler und andere Einzelhändler zur Wertschöpfungskette, auch wenn es kleine Unternehmen sind. Die Bereitschaft dazu ist übrigens da.

Brandt: Wir haben Verleger, Maschinen- und Garnhersteller sowie Weber dabei. Dann auch den Einzelhandel mit aufzunehmen, finde ich sehr gut. Um aber überhaupt erst einmal starten zu können, müssen wir auf jeden Fall diejenigen an Bord haben, die ein unmittelbares Interesse haben - nämlich die Editeure.

BTH Heimtex: An welche Zielgruppe wollen Sie sich mit Ihren Aktivitäten wenden?

Brandt: Wir wollen den Verbraucher erreichen. Er soll über Artikel in der Publikumspresse angeregt werden, Stoff zu kaufen. Aber natürlich müssen wir uns auch an die Entscheider und Architekten wenden. Die können wir nicht außen vor lassen. Da gibt es schließlich Überschneidungen. Auch Architekten lesen Verbraucherzeitschriften und richten Hotels ein, in die der Verbraucher geht. Für diese Gruppe brauchen wir aber andere Maßnahmen.

Vorerst konzentrieren wir uns auf den Verbraucher. Dazu gehört auch eine Aktion auf der Heimtextil, die eigentlich eine B2B-Veranstaltung ist. Aber dort sind auch viele potenzielle Mitglieder vertreten. Die wollen wir überzeugen. Deshalb bereiten wir für die Messe etwas in Richtung Verbraucher vor.

Pötz: Architekten wollen wir mit Seminaren und Workshops sowie Auftritten in Fach- und Hochschulen und über deren Medien gewinnen. Da ist ein anderes Programm nötig als für Verbraucher. Nur können wir zu Anfang nicht so differenziert vorgehen, das würde uns überfordern.

BTH Heimtex: Wenn es dann konkret an die Werbemaßnahmen geht: Haben Sie keine Angst, dass sich bei den dann hoffentlich zahlreichen Mitgliedern einzelne Unternehmen in den Vordergrund drängenkönnten?

Brandt: Nein. Das ist Aufgabe der Agentur, für Ausgleich zu sorgen und bei Werbefotos mal den einen und mal den anderen zu berücksichtigen.

Pötz: Wir machen keine Werbung für einzelne Unternehmen und Marken. Dafür sind diese selbst zuständig. Unsere Stärke ist die Neutralität. Wir wollen, dass Stoff wieder sexy wird, dass Verbraucher und Architekten sich wieder mit Stoff beschäftigen.

BTH Heimtex: Seien wir doch mal visionär. Zu einem textilen Raum gehört auch ein textiler Bodenbelag. Wäre es nicht ein sinnvoller Schritt, sich mit Teppich & Du zusammen zu tun? Die Kampagne ist auf drei Jahre angelegt.

Pötz: Darüber kann man nachdenken, aber es ist noch etwas zu früh. Natürlich sind wir mit Herrn Birkenstock und seinem Team in Kontakt. Unsere Aufgabe ist es jedoch erst einmal, Textile Räume zum Laufen zu bringen.

Im Übrigen können die Beteiligten selbst etwas tun. Warum zeigen Teppichhersteller auf ihren Raumbildern keine Stoffe und umgekehrt? Wenn das eines Tages gemacht wird, haben wir schon viel erreicht.
aus BTH Heimtex 01/15 (Wirtschaft)