Initiative Textile Räume: Interview mit Karsten Brandt und Joachim Stock

"Jetzt oder nie"

Mitte Februar ist die Initiative Textile Räume (ITR) offiziell gestartet. BTH Heimtex-Redakteurin Birgit Genz hat beim Vorsitzenden Joachim Stock (Rasch Textil) und Geschäftsführer Karsten Brandt nachgefragt: Was ist geplant, um den Endverbraucher wieder für Stoff zu begeistern? Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Und wie soll es gelingen, die Interessen einer äußerst heterogenen Branche vom Maschinenhersteller bis zum Raumausstatter unter einen Hut zu bringen?

BTH Heimtex: Nach einigen Vorbereitungen ist die Initiative Textile Räume Mitte Februar offiziell gegründet worden. Was ist seitdem passiert?

Joachim Stock: Wir haben einen Vorstand gebildet, auf dem Münchner Stoff Frühling Gespräche mit potentiellen Teilnehmern geführt und uns auf eine PR-Agentur für die Kampagne festgelegt. Das Konzept liegt in der Schublade bereit. Es gibt einen Slogan, mit dem wollen wir spielen, junge Leute sollen angesprochen werden. Er hat einen visuellen Bezug zum Gewebe.

BTH Heimtex: Sie wollen damit den Endverbraucher ansprechen. Können Sie mehr ins Detail gehen?

Stock: Was ich jetzt schon sagen kann: Wir wollen mit wenig Budget, aber möglichst progressiv zeigen, wie man mit Stoff ungemütliche Orte gemütlich machen kann. Beispiel: Eine Bushaltestelle in der Innenstadt wird komplett textil dekoriert mit Vorhang, Kissen, Teppich und kleinem Sofa. Diese Bushaltestelle ist mit einem mal dekorativ. Wir wollen frisch wirken, nicht angestaubt, und damit Aufmerksamkeit erzeugen. Das Ganze begleitet durch professionelle Pressearbeit.

Sehr wichtig sind Online-Aktivitäten: Internet, Blogs, Youtube - alles, was wenig Geld kostet und mit Feedback verbunden ist, womit man Leute abholen kann. Im Mittelpunkt steht ein Webportal und es gibt Aktionen, um Verbraucher dorthin zu führen.

Sobald wir das Startbudget von 400.000 EUR zusammen haben, geht es los.

BTH Heimtex: Mit aktuell 25 Mitgliedern werden sie das kaum schaffen. Und um die Nachfrage spürbar zu verändern, brauchen Sie einen langen Atem. Woher sollen die finanziellen Mittel dafür kommen?

Karsten Brandt: Aus den Mitgliedsbeiträgen. Weil wir die komplette heimtextile Wertschöpfungskette mit ins Boot nehmen, gibt es auch viele potentielle Unterstützer. Zunächst die ordentlichen Mitglieder, die als Webereien oder Verlage mit eigenem Vertrieb unterwegs sind. Sie zahlen ein Viertel Prozent vom Umsatz. Webereien, die an einen Textilverlag verkaufen, werden assoziierte Mitglieder. Weil sie andere Margen haben, zahlen sie ein Promille vom Umsatz. Assoziierte Mitglieder können auch z.B. Maschinenhersteller sein. Und dann gibt es noch Fördermitglieder wie die Messen, der Heimtextilverband und die Einkaufsverbände. Sie zahlen einen angemessenen Pauschalbetrag.

Stock: Aber auch der Raumausstatter soll mitmachen. Für ihn ist ein Beitrag von 10 Cent/lfm. vorgesehen, als Aufschlag auf die Rechnung der Verlage.

BTH Heimtex: Und wenn der Raumausstatter nicht bereit ist zu zahlen? Es ist doch wichtig, dass er überhaupt dabei ist.

Stock: Wir wollen eine langfristige Kampagne. Denn wenn wir nur einmal vier Wochen lang Endverbraucherwerbung machen und danach nichts mehr, wird das keine Wirkung haben. Deshalb brauchen wir nicht nur ein mündliches Bekenntnis, sondern auch einen finanziellen Beitrag. Zumal Raumausstatter und Fachhandel einen Erfolg als erste spüren werden. Die Verbraucher werden die Firmen in ihrer Nähe über eine Postleitzahlensuche auf unserer Webseite finden.

Momentan ist die Kampagne noch eine ideelle Sache, die Aktionen erst in der Planung. Aber wenn sie erst einmal läuft, werden sich die Leute leichter damit tun, sich zu ihr zu bekennen. Wir werden nicht alle kriegen, aber mehr als wir heute haben.

BTH Heimtex: Der Stoffmarkt ist sehr heterogen, die einzelnen Mitstreiter sind sich nicht immer grün. Wie wollen Sie die unter einen Hut bekommen?

Stock: Zunächst einmal sind die Strukturen sehr unübersichtlich. Es gibt Verlage, die beim Endverbraucher wie ein Hersteller auftreten. Und wir haben in den hintersten Ecken Europas Webereien mit exzellenten Produkten, die aber bis zum Konsumenten viel zu teuer werden, so dass die Firmen kaum noch überleben können.

Dann, da haben Sie recht, liegen in der Branche viele über Kreuz. Es gibt dieses Grüppchendenken; etwa die Aussteller auf der Kölner Möbelmesse, die Teilnehmer an der Heimtextil und den Münchner Stoff Frühling.

Aber wir alle spüren einen extremen Druck. Wir müssen etwas für den Absatz tun. Und in der ITR kann man einen Beitrag dazu leisten, um übermorgen überhaupt noch Stoffe in Deutschland verkaufen zu können. Schon heute sitzen dort Fischbacher und Rasch Textil an einem Tisch; und das sind doch sehr unterschiedliche Unternehmen, wenn es um Stoffe geht.

Was man gemeinsam erreichen kann, hat uns der Tapetenverband vorgemacht. Es werden zwar immer noch weniger Tapeten verkauft als in den Boomjahren der 1970er, aber die Umsätze sinken nicht mehr. Das hat man mit kleinem Budget geschafft.

Brandt: Ich sehe das positiv: So weit wie jetzt in der ITR war die Branche selten. Wir haben schon von einem Maschinenhersteller bis zum Raumausstatter alle Stufen der Wertschöpfung zusammen. Die Mitglieder finden es super, dass sie in diesem Rahmen über den Markt und über gemeinsame Aktivitäten reden können. Sie zeigen ihren Mitarbeitern und Kunden, dass sie Verantwortung übernehmen.

Stock: Und die ITR ist eben auch die einzige Initiative in der Branche, die sich an den Endverbraucher wendet. Deshalb sehe ich uns auch nicht als Konkurrenz, etwa zum Deco Team.

Ich glaube nicht, dass es so bald noch einmal eine Initiative wie die ITR geben wird. Deshalb heißt es: jetzt oder nie. Jeder ist willkommen, dabei mitzumachen.
aus BTH Heimtex 06/15 (Wirtschaft)