Nordpfeil: Zwischenbilanz rund anderthalb Jahre nach der Übernahme durch Vorwerk

"Vorwerk und Nordpfeil profitieren voneinander"


Seit etwa anderthalb Jahren laufen die Geschäfte der im Juli 2013 in die Insolvenz gegangenen Norddeutschen Teppichfabrik unter der vom neuen Eigentümer Vorwerk gegründeten Nordpfeil GmbH. Obwohl die Umsätze 2014 um 25 % auf 15,3 Mio. EUR erheblich abgesackt sind, zeigen sich die Geschäftsführer Johannes Schulte und Alexander Christian Holl sowie Innendienst-leiterin Silke Steffen im Gespräch mit BTH Heimtex-Redakteur Jochen Lange sehr optimistisch, was die Zukunft angeht. Der nach wie vor große Zuspruch aus dem Großhandel und die zahlreichen Synergien in Produktion und Vermarktung zwischen Hameln (Vorwerk) und Geesthacht (Nordpfeil) sollen dafür sorgen, dass allein in 2015 der Umsatz um mehr als 40 % anzieht.

BTH Heimtex: Rund anderthalb Jahre ist es jetzt her, dass Sie die Geschäfte der Norddeutschen Teppichfabrik mit der neu gegründeten Vorwerk-Tochter Nordpfeil weitergeführt haben. Es gab erhebliche Verunsicherung bei Mitarbeitern und Kunden hinsichtlich der wirtschaftlichen Zukunft. Wie ist momentan die Stimmung im Unternehmen und bei der Kundschaft?

Johannes Schulte: Die verständliche Verunsicherung ist mittlerweile einer Aufbruchstimmung gewichen. Das wurde sehr deutlich auf der internen Veranstaltung "Ein Jahr Wir" hier in Geesthacht. Zu der sind am 1. Februar 2015, einem Sonntag, genau ein Jahr nach der Übernahme fast alle Mitarbeiter gekommen. Gemeinsam wurde Bilanz gezogen und sich über alle Dinge ausgetauscht, die gut und schlecht laufen.

BTH Heimtex: Mit welchen Dingen sind Sie, Herr Schulte, als Geschäftsführer zufrieden?

Schulte: Wir haben bereits viele Synergien geschaffen zwischen den Standorten Hameln (Vorwerk) und Geesthacht (Nordpfeil). Außer Produktion und Innendienst bei Nordpfeil findet heute alles in Hameln statt. Das verbessert die Kostenstruktur erheblich - wohl gemerkt: sowohl von Nordpfeil als auch von Vorwerk. Die Erkenntnis, dass von der Übernahme beide Unternehmen erheblich profitieren, hat sich mittlerweile bei allen eingestellt. Wir sind ein Unternehmen mit zwei sich ergänzenden Marken.

Silke Steffen: Das kann ich nur bestätigen. Die Mitarbeiter an beiden Standorten arbeiten gut und auf Augenhöhe zusammen. Wir haben ein gemeinsames Verständnis.

Am Anfang hat es administrativ und organisatorisch logischerweise vor allem aufgrund der SAP-Einführung bei Nordpfeil ganz schön geruckelt. Wir wurden aber von unseren Kollegen in Hameln sehr gut aufgenommen.

Zudem wurden in Geesthacht zentrale und langjährige Mitarbeiter übernommen, beispielsweise die Produktionsleiterin Annette Weber und der Entwicklungschef Rainer Hartmann. Diese personelle Kontinuität an Schlüsselpositionen hat Verunsicherungen abgebaut.

BTH Heimtex: Eine Reduktion der Belegschaft von 360 vor der Insolvenz auf heute 85 Mitarbeiter ist eine große Veränderung. Wie verhalten sich die Kunden Ihnen gegenüber als komplett umgekrempelten Lieferanten?

Schulte: Die für Nordpfeil wichtigste Kundengruppe, der Großhandel, ist zufrieden. Es herrscht keine Sorge mehr, ob die Kollektionen weiterlaufen und lieferfähig bleiben. Wir haben alle Listungen, die seit Februar 2014 anstanden, wesentlich erfolgreicher abgeschlossen als angenommen.

Alexander Christian Holl: Wir haben zwar den letzten Umsatz der Norddeutschen Teppichfabrik aus dem Jahr 2013 in Höhe von knapp 20 Mio. EUR in 2014 mit 15,3 Mio. EUR deutlich unterschritten. Der Grund sind aber verlorene Großhandelslistungen in der Zeit zwischen Beantragung der vorläufigen Insolvenz im Sommer 2013 und der Übernahme der Geschäfte im Februar 2014 durch uns. Zudem haben wir 2014 aufgrund zahlreicher innerbetrieblicher Umstellungen im Zuge der Übernahme lediglich sieben Monate voll produzieren und vertreiben können. Die momentane Auftragslage ist aber so gut, dass wir für das laufende Jahr mit einem Umsatzwachstum von mehr als 40 % rechnen.

BTH Heimtex: Woher kommt der zusätzliche Umsatz in einem insgesamt stagnierenden Markt? Nimmt Nordpfeil Vorwerk Umsatz weg?

Schulte: Nein. Ganz im Gegenteil. Beide Unternehmen sind mit ihren Marken Vorwerk und Nordpfeil unterschiedlich im Markt positioniert. Sie ergänzen sich damit sogar. Nordpfeil ist anerkannter Lieferant des Großhandels und des Objekteurs und hat seine Stärken außerdem bei der Schlinge, im Hotel-Geschäft sowie im Export. Vorwerk ist über den Fachhandel und die Raumausstattung positioniert beim Endverbraucher und daher stark im Velours. Gut verankert ist man auch über den Architekten im Objekt-Geschäft. Diese Positionierungen werden wir noch weiter schärfen.

BTH Heimtex: Das heißt, die Vertriebsarbeit ist komplett getrennt?

Schulte: Im Objektgeschäft in Deutschland bietet der Vorwerk-Außendienst die Nordpfeil-Kollektionen mit an. Das ist sinnvoll, weil wir so breiter anbieten können.

Das Listungsgeschäft wird mehr und mehr komplett in die Hände des neuen fünfköpfigen Außendienstteams von Nordpfeil unter der Führung von Christian Wenzel gelegt. Er berichtet an den Vorwerk-Vertriebsleiter Deutschland und Niederlande Jörg-Michael Kogelfranz.

Zu Fachhandelskunden, Ketten und Filialisten gehen wir getrennt. Es gibt in der Kundschaft eben Nordpfeil- und Vorwerk-Freunde.

BTH Heimtex: Dann resultieren aus den unterschiedlichen Marktpositionierungen auch unterschiedliche Preise?

Holl: Vorwerk bleibt Premium; Nordpfeil auf der wertigen Ebene.

Schulte: Im Gegensatz zu der im Markt weit verbreiteten Annahme sind die Nordpfeil-Konditionen übrigens nicht unattraktiv und befinden sich auf einem vernünftigen Niveau. Das Problem war einfach die Kostenstruktur. Und die haben wir jetzt, wie beschrieben, auf neue Füße gestellt.

BTH Heimtex: Sie hatten kurz nach der Übernahme angekündigt, ein "produktionstechnisch optimiertes Baukastensystem zu entwickeln". Was kann man sich darunter vorstellen und ist es bereits aufgesetzt?

Schulte: 30 bis 35 % der Produkte beider Marken haben technisch vergleichbare Konstruktionen. In Zukunft werden wir bei allen neuen Kollektionen diese Überschneidungen berücksichtigen, sie für eine effizientere Maschinenauslastung nutzen, die in Frage kommenden Qualitäten nur noch an einem Standort produzieren und dann je nach Marke in der Fertigstellung differenzieren. Beispiele sind COC-, 5/64’’- sowie 1/10’’-Ware. Zudem wird bereits heute ausschließlich in Hameln gedruckt und gewebt.

BTH Heimtex: Das heißt, zukünftig werden Vorwerk-Produkte in Teilen in Geesthacht produziert. Kommen damit auch Nordpfeil-Qualitäten aus Hameln?

Schulte: So ist es. In Bezug auf das Tuch speisen sich beide Marken aus beiden Standorten. Ein Beispiel für eine ganze Kollektion wird die neue Vorwerk-Serie Fascination sein, die Anfang 2016 herauskommt. Hier kann Vorwerk jetzt Produkte bieten, die wir vorher nicht hatten, beispielsweise LCL-Ware, die ausschließlich in Geesthacht vom Band läuft. Auch wenn der Begriff bereits sehr abgegriffen ist: Wir haben für Nordpfeil und Vorwerk eine klassische Win-Win-Situation.

BTH Heimtex: Gewinnen auch die Kunden?

Schulte: Auf jeden Fall durch vielfältigere und breiter aufgestellte Kollektionen. Gerade haben wir die neue Architekten-Kollektion Independent von Nordpfeil vorgestellt, die aus sechs Farbkarten besteht und sowohl Bahnen- als auch Fliesen-Ware bietet. Es folgen die Fliesen-Serie Modul 50 sowie Anfang 2016 die neue Hotel-Kollektion.

Nordpfeil Daten und Fakten


Nordpfeil GmbH
Kuhlmannstraße 11
31785 Hameln

Vertrieb & Produktion:
Düneberger Straße 70
21502 Geesthacht
Tel.: 04152 / 8 06-0
Fax: 04152 / 8 06-325
info@nordpfeil.net
www.nordpfeil.net

Geschäftsführung: Johannes Schulte (Marketing und Vertrieb), Alexander Christian Holl (Finanzen)
Gesamt-Vertrieb Deutschland und Niederlande: Jörg-Michael Kogelfranz
Verkauf Deutschland: Christian Wenzel
Innendienst: Silke Steffen
Produktion: Annette Weber
Entwicklung: Rainer Hartmann

Gründungsjahr: 2014
Markenname: Nordpfeil
Muttergesellschaft: Vorwerk & Co. Teppichwerke
Umsatz 2014: 15,3 Mio. EUR
Produktion: 1,8 Mio. m2 auf 21 Tufting-Anlagen
Mitarbeiter: 85, davon 7 im Innen- und 5 im Außendienst
Produkte: Gewebte und getuftete Teppichböden sowie -fliesen
Vertriebskanäle: Großhandel (60 %), Objekt (25 %), Einzelhandel (15 %)
Export-Quote: 30 %
aus BTH Heimtex 07/15 (Wirtschaft)