Hossein Rezvani – 21st Century Persian Carpets

Der traditionelle Revolutionär


Wenn zwei grundverschiedene Welten aufeinandertreffen, knistert es: Feuer und Wasser. Frauen und Männer. Der traditionelle Perserteppich und modernes Design. Und manchmal werden aus den scheinbar so gegensätzlichen Partnern "ziemlich beste Freunde". Ein solch freundschaftliches Band hat Hossein Rezvani geknüpft, oder vielmehr: knüpfen lassen. Aus Hochlandwolle und Seide, von erfahrenen persischen Knüpferinnen.

Tabriz und Bakhtiar heißen die Designs, mit denen der Hamburger seinen Durchbruch hatte. Diese Teppiche aus der Serie Persia Reinvented verbinden alte Knüpftechniken und Stilelemente mit einer neuartigen, modernen Umsetzung und aktuellen Tönen. Gleichzeitig sind die Teppiche so wohnlich, dass sie das Zeug dazu haben, Klassiker von morgen zu werden.

Solche Stücke ausgerechnet von den sehr sorgfältigen und gleichzeitig sehr traditionsverhafteten, eigenwilligen und stolzen Knüpferinnen des Iran fertigen zu lassen, schien lange ein Ding der Unmöglichkeit. Rezvani hat es trotzdem gewagt - mit Erfolg. Der Hamburger mit iranischen Wurzeln gilt als der Einzige, der dem feinen persischen Stadtteppich ein modernes Gesicht gegeben hat und gleichzeitig die typisch hohe Qualität und Farbtreue iranischer Manufakturen gewährleistet. Dafür wurde Rezvani bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet, zum Beispiel dem renommierten Red Dot Design Award.

Traditioneller Modernismus

"Eigentlich", erklärt Hossein Rezvani, "bin ich ja ganz konservativ." Das sei jedenfalls in mancherlei Hinsicht so: Denn Rezvani setzt auf traditionelle Knüpftechniken, feine Garne und beste Farben. Auch Musteraufbau und Designelemente der Teppiche sind offensichtlich durch alte persische Traditionen inspiriert. Kollektionen wie Tabriz und Bakhtiar tragen nicht nur die Namen der klassischen Provenienzen, man erkennt deren alte Muster trotz Verfremdung darin wieder.

Modern sind wiederum die Farbstellungen: Gern kombiniert Rezvani dezente Creme-, Grau- und Braunnuancen mit leuchtenden Tönen wie Rot oder Orange oder er setzt auf elegante Hell-Dunkel-Kompositionen. Am modernsten ist wohl die Designtechnik: Alle Entwürfe entstehen in Rezvanis Hamburger Büro am Computer. Der einzige Designer im Unternehmen ist Rezvani selbst.

Reduziert, französisch, psychedelisch: die Kollektionen

Besonders wichtig ist Hossein Rezvani die eigene, wiedererkennbare Handschrift. Die zieht sich als Faden aus persischer Hochlandwolle und chinesischer Seide durch das gesamte Sortiment. Alle Teppiche sind sehr fein geknüpft, mit Knotendichten von 400.000 bis hin zu 1.000.000 Knoten pro Quadratmeter.

Heute bietet Rezvani diverse Knüpfkollektionen an. Hier eine repräsentative Auswahl:

Tabriz - die erste Erfolgskollektion. "Der explodierte Teppich" nennt Rezvani das Design. In der Mitte ist ein sehr großes, nach außen drängendes Ornament zu sehen; der Rest ist "abhanden gekommen". Drei dezente Farbtöne werden zu einem leicht belebten Hintergrund aus Wolle gemischt, von dem sich das Ornament aus farbiger Seide abhebt.

Bakhtiar - die Essenz eines Teppichs. Das Design reduziert das Muster auf das Wesentliche, auf das "Teppichrückgrat" sozusagen. In seiner Zweitonigkeit wirkt Bakhtiar wie ein vereinfachter Holzschnitt eines Orient-Klassikers. Auch hier wird der Fond aus Wolle, das Muster aus Seide geknüpft.

Frenchie - französische Nostalgie. Die Serie greift die Muster klassischer handgewebter Aubussons auf, legt sie aber minimalistischer aus. "Den verblichenen Vintage-Look findet man bei mir sonst nicht, hier schon", erklärt Rezvani. "Denn hier passt er perfekt."

Electric - echt elektrisierend! Mit psychedelisch angehauchten geometrischen Mustern, die dennoch den Aufbau eines klassischen Knüpfteppichs erkennen lassen. Umgesetzt unter anderem in "funkigen" Farben wie einem leuchtenden Orange, das sich wunderbar vom hellgrauen Hintergrund abhebt.

Saphir - die vielleicht typischste Rezvani-Kollektion, edel und "abgefahren" zugleich. Ein stark vergrößertes, schattenbildartiges Mittelmedaillon, das entfernt an einen edlen Kronleuchter erinnert, wird scheinbar willkürlich von mehreren Linien umgeben.

Farah - ein zweifarbiges, abstrahiertes "Negativbild" eines Teppichs mit deutlich erkennbarer Bordüre, Medaillon und Arabesken.
Termeh - ursprünglich ein persisches fein gemustertes Tuch mit langer Tradition. Ein Termeh-Tuch zu weben erfordert Können, Sorgfalt und viel Zeit. Hossein Rezvani hat die Webkunst auf einen modernen Knüpfteppich gebracht: mit gekreuzten Aussparungen im filigranen Muster.

Undyed - Das jüngste Projekt des Hamburgers setzt verschiedene Erfolgskollektionen wie Tabriz oder Saphir mit fein gesponnener naturbelassener Gabbehwolle um. Der Kontrast zwischen dem ungefärbten Material und den Ornamenten aus farbiger Seide macht den besonderen Charme der Serie aus. Die sehr feine Arbeit mit der naturbelassenen Gabbehwolle stellt hohe Ansprüche an die Knüpferinnen.

Etwa 60 % aller Rezvani-Teppiche werden gezielt nach Kundenwunsch geknüpft. Lagerware ist hauptsächlich in den Standardgrößen 250 x 300 cm und 200 x 300 cm vorrätig und kann sofort geliefert werden. Bei Custom Order richtet sich die Lieferzeit nach der Größe: Bei 200 x 300 cm sollte man drei Monate einplanen, bei 300 x 400 cm fünf.

Die Evolution des modernen Perserteppichs

Den traditionellen Perserteppich in die Sprache des 21. Jahrhunderts zu übersetzen - das erfordert Mut und Geduld. Und eine hohe Frustrationstoleranz. Rezvani kann ein Lied davon singen: "Im Iran herrscht eine andere Mentalität als in Knüpfländern wie Nepal oder Indien, wo es schon lange gang und gäbe ist, Auftragsarbeiten 1:1 nach den Vorstellungen des Kunden umzusetzen." Als Rezvani etwa die ersten modernen Teppichinterpretationen in Auftrag gab, bekam er zwar Teppiche zurück - die hatten aber mit den Entwürfen nicht viel gemeinsam, hatten anderen Farben und andere Größen. "Die Knüpferinnen fanden das so besser."

Das war ärgerlich, hat Rezvani aber keine Ruhe gelassen: "Ich wollte nicht akzeptieren, dass ausgerechnet das Mutterland des Teppichs es nicht hinkriegt, mit der Zeit zu gehen." Da gab es für den Hamburger nur eins: am Ball bleiben, in den Iran reisen, die Produktion besuchen. Mit den Knüpferinnen sprechen, unbefriedigende Ware neu knüpfen lassen. Immer wieder. Dann, auf der Domotex 2011, der Durchbruch: Die Kollektionen Tabriz und Bakhtiar waren ein großer Erfolg, ein hart erkämpfter. "Ich habe extrem viel Lehrgeld gezahlt", erinnert sich Rezvani. "Aber es hat sich gelohnt."

Faire Bedingungen, hohe Qualität

Etwa 450 bis 500 Knüpferinnen arbeiten für Hossein Rezvani - unter guten Bedingungen: Die Tätigkeit wird überdurchschnittlich und regelmäßig bezahlt. Dabei ist die tägliche Knüpfstundenzahl auf ein vernünftiges Maß begrenzt. Denn keine Knüpferin kann hochkonzentriert stundenlang an einem Stück arbeiten, ohne dass Qualität und Motivation leiden. Die Zufriedenheit seiner Knüpferinnen schlägt sich laut Rezvani im Erscheinungsbild der Teppiche nieder. "Meine in Persien gefertigte Ware setzt sich deutlich von vielen anderen Auftragsknüpfungen ab. Man sieht sofort die besondere Qualität."

Stimmen müssen auch die Farben. Dabei hilft das ARS-Referenzsystem: Wenn der Kunde hier eine bestimmte Nuance aussucht, gibt Rezvani dessen genaue ARS-Bezeichnung an die Produktion im Iran weiter, die über das gleiche Referenzsystem verfügt: "So können wir hundertprozentige Farbtreue garantieren."

Darüber hinaus sorgt Hossein Rezvani dafür, dass die Randbedingungen der Produktion stimmen. Er liefert das Arbeitsmaterial an die Knüpferinnen: die Knüpfstühle und natürlich auch die Garne. Die Seide wird in China roh eingekauft und in Ghoum gefärbt; die Wolle stammt aus dem Iran und erhält ihre Farbe in Isfahan.

Geknüpft wird ausschließlich in Isfahan und Umgebung. Das ist auch ein Verkaufsargument: "Der Name Isfahan spricht für sich", erklärt Rezvani. "Er steht für Qualität und feine, sorgfältig gearbeitete Knüpfungen. Das ist wie eine Marke, die jeder kennt, der sich für Teppiche interessiert."

Einzelhändler, Einrichtungshäuser und Luxus-Objekte

Und die Zielgruppe für Rezvanis Fusion-Teppiche? "Das sind alle modernen, designinteressierten Menschen von 20 bis 90", erklärt Rezvani. Menschen, die großen Wert auf Qualität legen und bereit sind, angemessen dafür zu zahlen.

Direkte Vertriebspartner sind designaffine Einzelhändler mit hochwertiger Ware. Oder Einrichter der gehobenen Klasse, die komplette Konzepte anbieten. Drittes Standbein: das Objektgeschäft. Innerhalb Europas ist Deutschland der stärkste Markt, darüber hinaus sind Rezvani-Teppiche auch in China, Kanada und dem nahen Osten sehr beliebt.

Telegene Teppiche und ein mediagener Designer

Hossein Rezvani kann sich einer großen Medienpräsenz erfreuen: Seine Teppiche hatten sogar schon einen Auftritt in einer "Tatort"-Folge, der vielleicht beliebtesten deutschen Fernsehserie. Die Presse kennt und liebt ihn: Er gehört zu den jüngeren Akteuren der Branche, sieht gut aus, ist eloquent - ein hervorragendes Aushängeschild für seine edlen Teppiche. Während sich anderswo langbeinige Frauen auf den Teppichen räkeln, stellt sich Hossein Rezvani selbst davor oder daneben und repräsentiert damit höchstpersönlich seinen Einsatz in der Branche. Inzwischen muss er sich nicht mehr von sich aus an die Medien wenden, die Medien wenden sich an ihn.

Was sich so anhört, als liefe es "ganz von selbst", ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Hossein Rezvani ein hervorragender Kontakter ist. Er kennt die "richtigen" Menschen und lernt ständig neue kennen. Zum Beispiel auf großen Teppich-Events rund um den Globus, die er gemeinsam mit den dortigen Rezvani-Händlern umsetzt.
aus Carpet Magazin 04/15 (Wirtschaft)