Roundtable mit dem Deco Team

"Das Deco Team ist die Heimtextil"


Bevor im Januar das Deco Team auf der Heimtextil in Halle 3.0 zu Trendinszenierungen und -workshops einlädt, steht traditionell eine Gesprächsrunde mit BTH Heimtex-Redakteurin Birgit Genz auf dem Terminplan. Diesmal traf sie Hanns Bergmann (Stoeckel & Grimmler), Reinhold Hampl (Sonnhaus), Ottmar Ihling (Apelt), Burkhard Koop (Heco), Olaf Maier (Höpke), Andreas Stanke (Gardisette), Hendrik Unland (Unland) und Birgit Schlenker, verantwortlich für das Marketing beim Deco Team. Thematisch ging es u.a. um Ideen für die Vermarktung von Textilien, den Nachwuchs für die Branche und den Heimtex-Verband.

BTH Heimtex: Die Marktsituation für Heimtextilien ist weiterhin angespannt. Stoffe spielen beim Endverbraucher nach wie vor keine große Rolle. Was kann die Industrie, was kann der Handel dagegen tun?

Hanns Bergmann: Beim Verkaufen von Heimtextilien lautet das Zauberwort "Emotionen". Die müssen über die Dekoration und Präsentation im Laden beim Verbraucher geweckt werden. Darauf zielen auch die Aktivitäten des Deco Teams während der Heimtextil ab.

BTH Heimtex: Ist Funktionalität nicht so wichtig?

Andreas Stanke: Grundsätzlich haben alle Stoffe Funktionen, ob wir über Sicht- oder Sonnenschutz sprechen oder ob ich meinen Arbeitsplatz damit gestalte. Wir vermarkten die Funktion nur zu wenig. Es ist wichtig, dass man tolle Produkte hat mit einer tollen Haptik. Wenn man dann dem Endverbraucher die Zusatznutzen noch erläutert, fällt die Kaufentscheidung wahrscheinlich deutlich leichter. Aber das ist nichts, was wir erfinden müssen; die Stoffe bringen das von Natur aus mit.

BTH Heimtex: Die Tapeten haben Glööckler und Bohlen, Jordan hat Magdalena Neuner, selbst der Korkboden hat RTL II Moderatorin Eva Brenner. Wer wirbt für Stoffe oder könnte für Stoffe werben?

Birgit Schlenker: Ich weiß nicht, ob ein Produkt mehr gekauft wird, nur weil Magdalena Neuner sagt, es sei gut. Ich kaufe ein Produkt, weil ich es schön haben will, weil es mir gefällt, weil ich überzeugt davon bin, weil ich dieses Wohlgefühl schätze. Das ist meiner Meinung nach das Entscheidende.

Henrik Unland: Ich finde es eher mutig, einen Dieter Bohlen für die PR zu nehmen. Zu dem gibt es ja nicht nur positive Stimmen. Ich hielte es für gefährlich, sich zu sehr an Personen zu binden. Ich wüsste keinen, der für die Gardinen ein besseres Image schaffen könnte.

Burkhard Koop: Ohne Marianne Koch hätte es die Goldkante nicht gegeben.

Unland: Sie hat mal in einer Talkshow gesagt, dass sie sich mit dem Produkt überhaupt nicht identifizieren würde und davon Abstand nimmt. Was ist das für eine Aussage, nachdem sie hunderttausende von Mark bekommen hat.

Koop: Ich denke, es müsste nur originell sein. Die Verona Feldbusch - jeder kennt ihren Blubb. Wie schnell gespielte Dummheit einen berühmt macht.

BTH Heimtex: Was kann beim Verkaufen von Stoffen heute noch helfen?

Reinhold Hampl: Wer heute zum Raumausstatter kommt, will ganzheitliche Lösungen haben. Deshalb wird sich der Wandel vom Raumausstatter zum Raumgestalter und Raumeinrichter noch verstärken. Wir Lieferanten müssen ihm die entsprechenden Werkzeuge zur Verfügung stellen: Cross-Product-Konzepte, die hinsichtlich Farbe und Design aufeinander abgestimmt sind. Dazu gehören auch Accessoires, die wir unseren Kunden auch in den kleinen Mengen liefern können, die sie benötigen.

BTH Heimtex: Nimmt der Raumausstatter solche Angebote an?

Hampl: Ja. Wir haben bundesweit Verarbeitungsschulungen gemacht. Die zehn Veranstaltungen waren alle ausgebucht.

BTH Heimtex: Dazu passen ja auch die Kreativseminare, die das Deco Team auf der Heimtextil und jetzt auch übers Jahr bei den Mitgliedern anbietet.

Unland: Unsere Seminare nach der Heimtextil waren voll, die Teilnehmer waren begeistert. Ich glaube, dass solche Veranstaltungen ganz wichtig sind. Vor 20 Jahren haben wir regelmäßig Schulungen durchgeführt. Das ist dann über die Jahre zurückgefahren worden. Heute muss der Handel offenbar wieder mehr geschult werden. Da sind wir gefordert.

Schlenker: Während der Kreativseminare bei den Deco Team Mitgliedern wurden auch die Firmenführungen extrem gut aufgenommen; der Blick hinter die Kulissen in Design- oder Näh-Ateliers war wie das Eintauchen in eine textile Erlebniswelt. Darüber hinaus haben die Teilnehmer gelernt, den Geschmack und die Bedürfnisse ihrer Kunden zu ermitteln, um dann zielgerichtet beraten zu können. Und dann das Zusammenspiel von dekorativen und funktionalen Aspekten - einige Seminarteilnehmer haben gar nicht gewusst, was ein Stoff alles zu leisten vermag.

BTH Heimtex: Nutzen Sie noch andere Möglichkeiten, um mit Ihren Kunden in Kontakt zu treten?

Ottmar Ihling: Wir haben einen Newsletter, aber die Resonanz bei den Raumausstattern könnte noch besser sein. Youtube wäre sicher auch eine Möglichkeit. Aber die Mehrheit unserer Kunden ist im Netz - noch - nicht so stark drauf.

Oalf Maier: Wir haben einige Filme produziert. Aber die werden doch relativ wenig angeklickt.

Stanke: Als Deco Team legen wir den Fokus nach wie vor auf die Heimtextil. Einmal im Jahr sind wir die Branchenplattform mit einem interessanten Programm.

Unland: Ich habe allerdings hin und wieder den Eindruck, dass viele gar nicht wissen, was ihnen auf der Heimtextil geboten wird. Das ist eine tolle Veranstaltung. Von allen Messen, die ich kenne und die sich mit dem Thema Gardinen und Deko beschäftigen, ist sie die beste weltweit.

Es geht hier ja nicht nur um Produkte. In Frankfurt kann ich neue Lieferanten kennen lernen; oder einen, den ich schon kannte, noch besser kennen lernen.

Gleichzeitig gibt es auch neue mögliche Zielgruppen für die Messe. Neben dem klassischen Raumausstatter und den Flächenanbietern gibt es mittlerweile Unternehmer, die ohne Raumausstatter gelernt zu haben oder ohne Meisterbrief sehr erfolgreich in ihrem Umfeld große Mengen an Produkten aus unserem Portfolio verkaufen. Und die sind noch nie in Frankfurt gewesen. Die müssen wir auch dorthin bringen.

BTH Heimtex: Ist da nicht der Veranstalter gefordert?

Unland: Da haben Sie recht. Die Blogs etwa sind ziemlich abgehoben und überhaupt nichts für unsere Kunden.

Koop: Und wenn das Deco Team die Trendthemen der Messe nicht so umsetzen würde, dass sie auch Lieschen Müller versteht, würde kein Mensch damit etwas anfangen können.

BTH Heimtex: Wie funktioniert das mit den Trendinszenierungen?

Schlenker: Wir geben die Trendthemen der Heimtextil an die Designteams der Deco Team Mitglieder. Und die erarbeiten dann eine marktgerechte Umsetzung mit den Stoffen der Firmen. Darum geht es: die Themen für den Raumausstatter verständlich machen, so dass er sie bei seinen Kunden umsetzen kann. Im vergangenen Jahr sind dabei zwei polarisierende Themen herausgekommen, diesmal sind es wieder vier, mit denen die große Bandbreite des textilen Wohnens abgedeckt wird.

BTH Heimtex: Machen Sie uns neugierig.

Schlenker: Die vier Themen heißen Florida, Nordic, Glamour und Metropolitan. Sie zeigen moderne Wohnwelten, unterschiedliche Stile für unterschiedliche Menschen mit individuellen Wohnkonzepten, allesamt mit textilem Mehrwert. Wir wollen zeigen, dass zu modernem Wohnen die Textilien dazugehören.

Wie man das umsetzen kann, zeigen wir in unserem Eventprogramm - und zwar an allen vier Messetagen. Es wird wieder die bereits angesprochenen Kreativ-Workshops geben, bei denen Trendcollagen erstellt werden. Zusammen mit unseren Trendkarten kann die jeder Teilnehmer mit nach Hause nehmen. Das hilft ihm bei seiner Arbeit und er kann seinen Kunden zeigen, dass er sich auf der weltgrößten Heimtextilienmesse informiert hat. Außerdem stellen wir die Materialo-Software vor, bei der es um die Visualisierung von ganzheitlicher Raumgestaltung geht. Dreimal täglich verlosen wir ein iPad mit dieser Software.

Wir erwarten eine noch größere Resonanz als beim letzen Mal und ich denke, dass am Schluss 400 Besucher teilgenommen haben werden, die ihre Erlebnisse und Erkenntnisse dann daheim im Laden nutzen können.

Am Messe-Freitag heißt es dann "Young Generation - Nachwuchs mit Zukunft". Wir wollen den jungen Raumausstattern zeigen, dass sie uns wichtig sind und welche Produkte wir ihnen für ihre Arbeit anbieten. Dazu haben wir Meisterschulen angeschrieben, die alle ihr Kommen zugesagt haben. Das Heranführen der nächsten Raumausstatter-Generation an kreative Konzepte, an den Besuch von Messen und Events als Quelle für Inspiration, Information und das Erleben internationaler textiler Wohnwelten ist uns ein besonderes Anliegen.

BTH Heimtex: Nun ist die Heimtextil aber auch eine internationale Messe und Ihre Firmen sind im Ausland aktiv. Sollte man da nicht auch als Deco Team international auftreten?

Unland: Nein, da ist nichts geplant. Das Deco Team konzentriert sich auf den deutschsprachigen Markt. Da sind wir gut aufgehoben. Und da haben wir genug zu leisten.

Koop: Das Deco Team ist die Heimtextil. Wenn wir da nicht für den deutschen Kunden ausstellen würden, wäre es zappen duster in der Halle.

BTH Heimtex: Sie haben einige Veränderungen bei Ihren Kunden schon angesprochen. Sehen Sie noch weitere?

Unland: Da tut sich einiges. Firmen aus unterschiedlichen Gewerken der Innenausstattung schließen sich zusammen. Maler fangen an, auf Maß gefertigte Produkte zu verkaufen. Der Raumausstatter muss aufpassen, dass er da nicht rechts überholt wird.

Innenliegenden Sonnenschutz etwa können Sie heute überall kaufen: beim Raumausstatter, aber eben auch im Baumarkt, beim Maler, bei jedem Polsterer. Wenn das so weiter geht, wir demnächst über den Preis verkauft. Und einen Preiskampf kann der Raumausstatter nicht gewinnen. Er braucht Produkte, die man nicht im Baumarkt bekommt. Er muss sich auf seine Beratungsleitung konzentrieren und die richtigen Kollektionen aussuchen. Und dafür muss er auf eine Messe gehen.

Ihling: Gerade in den Großstädten gibt es einen Trend hin zu Großflächenanbietern.

Unland: Und die konzentrieren sich auf das, was sich gut verkauft, die Schnelldreher. Produkte mit höherem Anspruch und entsprechendem Preis kauft da keiner.

Maier: Und das färbt auch auf das Geschäft des Raumausstatters ab. Dabei wäre dieser ruinöse Wettbewerb gar nicht nötig. Die Leute sind bereit, mehr Geld auszugeben.

BTH Heimtex: Doch sicher auch für Produkte "made in Germany". Hat denn der Produktionsstandort Deutschland noch eine Zukunft? Und wo sehen sie die größte Konkurrenz?

Maier: Wegen der Löhne wird es immer schwieriger, in Deutschland zu produzieren. Gleichzeitig werden etwa in Polen riesige Fabriken gebaut - mit Subventionen der EU, die auch der deutsche Steuerzahler mitfinanziert.

Unland: Unsere größten Konkurrenten sind die türkischen Webereien, die mittlerweile auch sehr gute Qualitäten produzieren.

BTH Heimtex: Können Sie die Nachteile ausgleichen, etwa durch besonders kompetente Mitarbeiter? Gibt es überhaupt noch genug in Deutschland - auch was den Nachwuchs für die Industrie angeht?

Unland: Ich bin im Saterland einer der wenigen Arbeitgeber, die relativ hohe Löhne und Gehälter zahlen. Daher habe ich keine Probleme.

Koop: Wir haben schon Probleme. Aber das liegt auch an der relativ niedrigen Arbeitslosenquote in Memmingen und der Nähe zu Österreich und vor allem der Schweiz mit ihren hohen (Mindest-)Löhnen.

Hampl: Wir haben eine Ausbildungsquote von 10 %. Und die brauchen wir auch, um frei werdende Stellen zu besetzen. Oftmals bekommt man am freien Markt nicht die Mitarbeiter mit den geforderten Qualifikationen.

Ihling: Es gibt genügend Nachwuchs im Design. Es klemmt höchstens beim Personal für die Weberei.

BTH Heimtex: Sind die Bewerber denn ausreichend qualifiziert?

Ihling: Sie müssen neues Personal immer für das jeweilige Unternehmen qualifizieren. Das ist nicht schwieriger geworden.

BTH Heimtex: Themenwechsel: Zuletzt hat es einige Turbulenzen im Heimtex-Verband gegeben. Braucht man überhaupt eine solche Interessenvertretung?

Ihling: Natürlich braucht man den Verband. Es stehen viele Themen an. Die Politik drückt uns Reglementierungen auf, gegen die der einzelne nicht ankommt. Nehmen sie nur die EEG Umlage. Andere Dinge haben hingegen an Bedeutung verloren, etwa Tarifverhandlungen.

Unland: Der Heimtex-Verband hat seine Existenzberechtigung. Aber es muss heute um mehr gehen als nur um das Thema Produktion. Da tut sich schon etwas. Sehen Sie sich nur die gemeinsame Geschäftsstelle mit dem Verband innenliegender Sonnenschutz an. In dem sind ja auch nicht nur Hersteller organisiert.

BTH Heimtex: Sollte sich Heimtex auch für Verlage öffnen?

Unland: Dann würde der Verband für die gesamte Branche sprechen.

Wichtig ist, dass ich für mein Unternehmen einen Nutzen aus der Mitgliedschaft ziehe, auch als Weberei wie Hohmann, Albani, Gerster oder eben Unland. Diesen Nutzen muss der Verband schaffen und deutlich machen.

Ihling: Der Verband stellt sich gerade komplett neu auf. Der Vorstand ist neu und ich glaube, wir haben ein paar gute Themen, um nach vorne zu gehen. Es braucht neue Strukturen, aber für die braucht es auch eine gewisse Zeit.
aus BTH Heimtex 12/15 (Wirtschaft)