IVM Chemicals: Lacksysteme für die industrielle Oberflächenbeschichtung

"Wir haben jetzt alle Basisprodukte für jede Fußbodenlinie"


Für die industrielle Beschichtung von Holzfußböden bedarf es sicherer Produkte und sorgfältig abgestimmter Prozesse. Wie man als Newcomer in diesem sensiblen Markt das Vertrauen potenzieller Kunden gewinnt, schildern Alexander Kollat und Claus Buchholz von IVM Chemicals im Interview.

Als Partner für Industrie und Handel vertreibt IVM Chemicals aus Herrenberg die Marke Croma Lacke in der DACH-Region. Das Unternehmen ist Teil der italienischen IVM-Gruppe, die mit Niederlassungen in Italien, Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Griechenland und Polen sowie Handelsvertretungen in über 100 weiteren Ländern zu den führenden Lackanbietern in Europa zählt. Die moderne Lackfabrik Intercoating im italienischen Parona produziert mit einer jährlichen Kapazität bis zu 200.000 t. Das Sortiment umfasst Standard-Holzlacke, UV-Lacke, Holzbeizen und Sonderprodukte. Außer von einem breiten Portfolio profitiert die deutsche Niederlassung auch vom internationalen Know-how der Forschungs- und Entwicklungslabore der Gruppe.

Vor rund fünf Jahren stieg der zuvor ausschließlich in der Möbelbranche aktive Anbieter in das Fußbodensegment ein. Die Produktschwerpunkte liegen auf wässrigen V-Fugenlacken für Laminat- und Designbodenbeläge sowie seit kurzem auch auf klassisch aufgebauten UV-Lacken für die Parkett-Beschichtung. Zurzeit beliefert IVM Chemicals neun Werke in Deutschland, Großbritannien und Luxemburg. Geschäftsführer Alexander Kollat und Claus Buchholz, technischer Leiter, haben den Markteintritt von Beginn an gestaltet.

Parkett Magazin: Sie haben im Januar erstmals auf der Münchner Bau Präsenz gezeigt. War die Messebeteiligung ein Erfolg?

Alexander Kollat: Ja, wir waren ziemlich viel unterwegs in den letzten Monaten. Voriges Jahr haben wir den Durchbruch im Fußbodensegment geschafft - jetzt stehen uns alle Türen offen. Das ist ein Erfolg. Einige Unternehmen öffnen uns die Tür, weil sie einfach wissen wollen, wer wir sind und was wir machen, auch wenn sie aktuell möglicherweise keinen Bedarf sehen. Aber auch aus solchen Kontakten kann sich erfahrungsgemäß auf längere Sicht eine Zusammenarbeit ergeben.

Claus Buchholz: Darüber hinaus hat sich die Bau für uns gelohnt, weil wir mit der Messebeteiligung signalisiert haben, dass wir uns nachhaltig mit dem Markt identifizieren - unsere Kunden haben das durchaus wahrgenommen.

Wie hat sich der noch junge Bereich Parkett-Beschichtung entwickelt?

Kollat: Wir sind sehr zufrieden. Als wir anfingen, war unsere Produktpalette im UV-Bereich für Walzenapplikationen noch unvollständig. Zunächst mussten wir die Erfahrungen der Gruppe aus den ausländischen Märkten zusammentragen und für unsere Zwecke adaptieren. Das bedeutete erst einmal eine Lernkurve, die wir zusammen mit unserem Referenzkunden erfolgreich gemeistert haben, indem wir alle Produkte ausführlich testen konnten. Gerade im Zusammenhang mit der Digitaldruckproduktion konnten wir die wesentlichen Produkte, deren Aufbau mit den Parkett-Systemen vergleichbar ist, entwickeln und serienreif machen. Jetzt haben wir alle Basisprodukte, um auf jede Fußbodenlinie gehen zu können.

Warum ist das Fußbodengeschäft für Sie so interessant?

Kollat: Für uns sind die Mengen im Industriekundengeschäft entscheidend. Während beispielsweise eine mittelständische Schreinerei 20 bis 30 t Lack im Jahr ordert, kommt ein großes Platten- oder Fußbodenwerk schnell auf Mengen zwischen 150 und 500 t. Mit Industriekunden machen wir inzwischen rund 40 % unseres Geschäfts. Für uns sind diese Großaufträge nicht zuletzt auch deshalb entscheidend, weil hinter uns ein großes Produktionswerk in Italien mit einer maximalen Jahreskapazität von 200.000 t steht. Wir wollen die Masse bedienen - und können das auch effektiv.

Nun wird ein Parketthersteller, nach der Devise "Never change a running system", nicht ohne weiteres den Lieferanten wechseln?

Bucholz: Um einen Industriekunden zu überzeugen, braucht es lange. Zum einen können Lacksysteme in der Regel nur gewechselt werden, wenn neue Dekor-Kollektionen aufgelegt werden. Für Mischsysteme übernimmt niemand die Verantwortung. Zum anderen müssen wir bei unseren Kunden alle Beteiligten von uns und unseren Systemen überzeugen - nicht nur den Einkäufer, sondern auch den Produktionsleiter und möglicherweise den Anlagenführer sowie den Geschäftsführer oder, wenn es ein familiengeführtes Unternehmen ist, sogar den Eigentümer.Einen klaren Vorteil haben wir gegenüber dem Wettbewerb, weil wir einen Großteil der benötigten Bindemittel selbst produzieren und somit auch preisstabiler im Markt agieren können. Die Rohstoffe müssen wir zwar auch einkaufen, aber auf die Preisentwicklung bei den Bindemitteln selbst haben wir einen gewissen Einfluss.

Kollat: Unser Interesse ist aber nicht, der Billigheimer zu sein. Wir bieten wettbewerbsfähige Preise und kümmern uns darüber hinaus nachhaltig um die Belange unserer Kunden. In Deutschland stehen vorwiegend ältere, abgeschriebene Anlagen, mit denen sich nicht so effizient produzieren lässt, wie man produzieren könnte. Im Osten hingegen sind modernste Anlagen installiert, mit denen nach neuesten Vorgaben appliziert werden kann.

In diesem Szenario stellt sich doch die Frage, wie hiesige Fußbodenhersteller ihre vorhandenen Anlagen am besten nutzen können. Mit welchen Stellschrauben lässt sich effizienter produzieren? Wie können Rüst- und Reinigungszeiten oder Verschleiß reduziert werden? Auf welche Walze kann möglicherweise verzichtet werden? Mit welcher Produkteinstellung wird bei gleichem Ergebnis weniger Material benötigt? Wir prüfen die Fußbodenlinien unserer Kunden hinsichtlich all dieser Möglichkeiten und loten vorhandenes Optimierungspotenzial aus. Dieser Service zeichnet uns im Wettbewerb aus.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Produktentwicklung?

Buchholz: Wir wollen die Prozesse beim Kunden so einfach darstellen, wie irgend möglich. Zum Beispiel, indem wir den Materialaufbau vereinfachen. Damit reduzieren wir zwar möglicherweise unseren mengenmäßigen Umsatz, aber wir erreichen gleichzeitig eine gewisse Verbundenheit. Denn die Kunden sehen, dass wir uns für sie engagieren und auch Weiterentwicklungen bei ihnen durchführen. Sobald wir ein neues Produkt entwickelt haben, mit dem sich im Prozess Einsparungen erzielen lassen, gehen wir damit aktiv auf unsere Kunden zu. So entsteht Fortschritt gemeinsam mit dem Kunden.

Wollen Sie künftig auch in weitere Regionen liefern?

Kollat: Das ist in Abstimmung mit unserer Gruppe grundsätzlich denkbar. Wenn es etwa eine Nachfrage nach unserer Service-Kompetenz in einem Markt gibt und ein anderes Tochterunternehmen diese nicht bedienen kann, dann besteht innerhalb der Gruppe die Möglichkeit. Wir haben das Team dafür, unsere Erfahrung und unser Know-how sind in Italien in die Entwicklung der Produkte eingeflossen. Innerhalb der Gruppe sind wir die Kompetenzträger im Fußbodensegment.

Worin besteht dieses besondere Know-how?

Buchholz: Unsere Techniker müssen sich sehr intensiv in die Maschinen-Technologie hinein denken, um genau zu verstehen, was im Prozess im Einzelnen geschieht. Es reicht nicht aus, sich mit den klassischen Walzenapplikationen für UV-Lacke auszukennen, es Bedarf schon eines speziellen Know-hows in Zusammenhang mit den verschiedenen physikalischen Prozessen in den Applikationsanlagen.

Welches sind aktuell die wesentlichen Produkte?

Buchholz: Für Parkett, Holz- und Korkböden führen wir reine UV-Lacksysteme, korundhaltig wie korundfrei. Ganz neu ist ein Produkt mit der im Trend liegenden matten Rohholzoptik: Unser UV-Öl bietet einen UV-Lackaufbau mit dem Oberflächeneffekt eines Öles. Wir können Lackieranlagen ohne größeren Reinigungsaufwand dafür binnen kürzester Zeit umrüsten. Das Interesse an dem Produkt ist groß.

Schon länger erfolgreich sind Sie mit V-Fugenlacken für Laminat- und Designbeläge. Was ist das Besondere an diesen Systemen?

Buchholz: Diese klassisch physikalisch trocknenden, wässrigen Systeme verfügen über eine hohe Füllkraft und ein sehr hohes Deckvermögen. Innerhalb von fünf Sekunden sind die Lacke trocken - das ist ein entscheidender Faktor, da die Längskanten in den Anlagen mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 m/Min. appliziert, und die Elemente direkt in die Verpackung produziert werden. Außerdem sind die Lacke stabil, auch wenn sie mal längere Zeit in der Applikationsmaschine stehen sollten.

Kollat: Einfach irgendeinen Lack in so ein System hinein zu pumpen, wird nicht funktionieren. Man muss schon verstehen, was er können soll. Ein HDF-Träger weist ein gewisses Saugverhalten auf. Wenn die Farbe appliziert wird, sinkt sie ein, und der Lackauftrag ist möglicherweise nicht sichtbar. Gleichzeitig sind Eigenschaften wie schnelle Trocknung, hohes Deckvermögen, nicht eindringend und hydrophob gefordert, damit die als Design-Element eingearbeitete V-Fuge so gut wie möglich geschützt ist. Das alles muss ein guter Fußbodenlack innerhalb kürzester Zeit können. Mit diesen geforderten Eigenschaften haben wir uns intensiv beschäftigt und entsprechende Produkte entwickelt. Unsere Kunden profitieren von besserer Qualität, weniger Reklamationen und stabileren Prozessen in der Anlage.

Wie ist bei der Produktentwicklung die Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe organisiert?

Kollat: Wenn ein Kunde ein neues Produkt anfragt, nehmen wir die Eckdaten der Produktion auf und legen fest, welche Anforderungen das Lacksystem erfüllen soll. Die Entwicklung selbst erfolgt dann im Stammhaus in Italien. Das dort erstellte Probenmaterial wird zunächst bei uns im Hause geprüft, bevor wir beim Kunden die Feinjustierung absolvieren und es in die Rezeptur einfügen. Anschließend kann produziert werden. Eine Ausnahme ist unser V-Fugenlack, den haben wir selbst entwickelt. Und auch einige andere Produktoptimierungen sind bei uns entstanden und dann später vom Mutterhaus für die gesamte Gruppe übernommen worden.

Vor allem ist IVM Chemicals aber ein Handelsstandort - welche Services bieten Sie Ihren Industriekunden?

Kollat: Für die V-Fugenlacke beziehen wir das Basismaterial, das wir derzeit in rund 20 Farbtönen an rund ein Dutzend Fußboden-Werke liefern, aus Italien. Eine Jahresmenge von über 500 t V-Fugenlack wird derzeit in Kesseln konfektioniert und ausgeliefert. Alle erforderlichen Farbtöne haben wir zusammen mit unseren Kunden abgestimmt und weitestgehend vereinheitlicht. Einer unserer Vorteile ist unsere flexible Verpackungsstrategie: Wir können in unterschiedlichsten Einheiten liefern - sei es im Container oder im Fass oder aber auch im 2,5 Liter-Kleingebinde. Wir sind völlig flexibel in der Abfüllung.

Buchholz: Darüber hinaus bieten wir unseren Kunden an, die Lagerhaltung für sie zu übernehmen und beliefern sie je nach Bedarf dann wöchentlich und öfter. Wir können schnell produzieren und dem Kunden jederzeit frisches Material für den Wochenbedarf zur Verfügung stellen. Wenns drauf ankommt, liefern wir das Material auch binnen 48 Stunden.

IVM Chemicals ist innerhalb einer internationalen Gruppe eher eine kleine Einheit. Wie denken potenzielle Kunden über diese Aufstellung?

Buchholz: Wir laden potenzielle Kunden gerne an unseren Stammsitz in Italien ein, um sich ein Bild vom Unternehmen zu machen. Wer die Größe des Werks kennt, der weiß, dass er es mit einem zuverlässigen Lieferanten zu tun hat. Die Kunden können sich die Entwicklung, die Analytik und das Qualitätsmanagement ansehen - die Ausstattung der Abteilungen spricht für sich.

Kollat: Beide Standorte ergänzen sich bestens. Auf der einen Seite gewährleistet das Produktionswerk jede geforderte Menge, auf der anderen Seite sind wir hier vor Ort klein und flexibel genug, um unseren Kunden individuelle, maßgeschneiderte Lösungen anbieten zu können.

Buchholz: Die Kunden kaufen in erster Linie bei uns und erst in zweiter Linie bei IVM. Auf diese Weise schaffen wir eine besondere Kundenverbundenheit. Im Industriesegment sprechen wir von Lackierlinien, die an 362 Tagen im Jahr in vier Schichten durchgängig laufen - da ist kein Platz für Diskussionen. Wenn der Kunde abends nach Hause geht, muss er sich auf seine Applikation verlassen können. Und dieses Vertrauen müssen wir aufbauen, anders geht es nicht.

Wie hat sich der Standort Herrenberg in den letzten Jahren entwickelt?

Kollat: Seit ich die Geschäftsführung im Jahr 2008 übernommen habe, wurden gut 4 Mio. EUR in Modernisierungen und Erweiterungen investiert. Hinsichtlich Sicherheit und Umweltschutz wurden vollständig neue Entwässerungssysteme installiert, inklusive 800 m Kanalisation und eines 145 m3 fassenden Haveriebeckens.

Außerdem wurden die Hallen vom Dach bis zur Fassade komplett renoviert und zum Teil erneuert. Zuletzt flossen größere Investitionen in moderne Abfüllanlagen, Rührwerke und Behälter sowie in verbesserte organisatorische Abläufe. Dadurch können wir jetzt den Bedarf von 500 t UV-Fugenlack gut abdecken. Zurzeit bauen wir unser Technikum weiter aus - Ende dieses Jahres dürfte auch das abgeschlossen sein.

Wie haben sich Aufträge und Umsätze in diesem Zeitraum entwickelt?

Kollat: Wir wachsen im Durchschnitt 7 % pro Jahr. 2016 belief sich der Umsatz bei einem Auftragsvolumen von 3.150 t auf 10 Mio. EUR. Dieses Jahr rechnen wir mit einer Steigerung auf 3.700 t und 12 Mio. EUR Umsatz. Das ist reines organisches Wachstum. Der Flooring-Bereich ist für uns ein strategisch wichtiges Zukunftsfeld, das vormals nicht bedient wurde und in dem sich jetzt die ersten Erfolge eingestellt haben. Diese Erfolge sind ausbaufähig, daran werden wir weiter nachhaltig arbeiten.

Das Gespräch führte Imke Laurinat

IVM Chemicals

IVM Chemicals GmbH
Johannes-Kepler-Str. 3
71083 Herrenberg
Tel.: 07032-2006-20
ivmchemicals@ivmchemicals.de
www.ivmchemicals.de

Geschäftsführer: Alexander Kollat, Guido Scappini, Alberto Sassella
Muttergesellschaft:
IVM Group, Milano/Italien
Umsatz Gruppe: 330 Mio. EUR (2015)
Umsatz IVM Chemicals:
10 Mio. EUR (2016)
Produkte:
Standard-Holzlacke (auf Basis von Nitro-Cellulose, Polyurethan und Wasser), UV-Lacke (100% UV, wasserbasiert und UV-Öle für Spritz- und Walzenapplikationen), Holzbeizen, Sonderprodukte wie Polyester-, Spezial- und Effektlacke
aus Parkett Magazin 03/17 (Wirtschaft)