Interview des Monats: Sanders.eu, Bramsche

"Kauffmann ist die Perle in der Sanders-Gruppe


Im April letzten Jahres übernahm der österreichische Industrielle Dr. Erhard F. Grossnigg über seine Grosso Holding das insolvente Unternehmen Sanders samt weiterer anhängender Beteiligungen. Auf der Heimtextil 2018 präsentierte sich die Firma in neuer Verfassung erstmals der Öffentlichkeit: Unter der neuen Firmierung Sanders.eu finden seitdem die ehemals selbständigen Unternehmen Sanders und Kauffmann zusammen, eine weitere Beteiligung von Grossnigg. Haustex sprach mit dem Firmendoktor, wie Grossnigg sich gerne beschreibt, über die ergriffenen Sanierungsmaßnahmen und das neue Firmen- und Markenkonstrukt.

Haustex: Dr. Grossnigg, in Österreich kennt Sie fast jedes Kind, in Deutschland ist es noch nicht ganz so weit. Erzählen Sie bitte kurz etwas über sich und ihre Finanzengagements.

Dr. Erhard F. Grossnigg: Wir Österreicher schauen immer mit großer Demut und großem Respekt auf Deutschland. Das Bevölkerungsverhältnis lautet in etwa eins zu zehn und wenn Österreich im Fußball einmal in 30 Jahren gegen Deutschland gewinnt, kann praktisch eine ganze Generation von diesem Ereignis zehren. Österreich ist ein kleines Land mit rund acht Millionen Einwohnern und wirtschaftlich in der internationalen Szene eher unerheblich. Was durch die Welt geht ist eher unser Zugang zur Kultur, insbesondere zur Musik, die wir praktisch in unserer DNA haben und ansonsten noch der Skisport, der international eher irrelevant ist im Vergleich zu anderen Sportarten wie Fußball oder Basketball.

Ich stamme aus einer Wirtshausfamilie und musste wie meine Schwestern im Wirtshaus und Hotel mitarbeiten. Es begann mit dem Polieren des Bestecks, erst später folgten die empfindlicheren Gläser. Ich wollte immer schon eigenständig sein, habe nach meinem Wirtschaftsstudium aber erst einmal bei der Chase Manhattan Bank begonnen. Unter anderem war ich für diese Bank in Paris und New York. Nach sieben Jahren machte ich mich vor rund 40 Jahren mit operativem Krisenmanagement selbständig.

Steckte ein Unternehmen in Schwierigkeiten, hat man mich geholt. Und da diese Firmen naturgemäß kaum Geld hatten, habe ich ein niedriges Honorar gefordert, dafür aber eine höhere Erfolgsbeteiligung in Form von Unternehmensanteilen von ein bis zwei Prozentpunkten. Das hatte zur Folge, dass ich die meiste Arbeit hatte und die anderen sich mehr oder weniger zurückgelehnt haben: "Lass’ das mal den Grossnigg machen, der ist ja eh beteiligt." Darum habe ich vor etwa 25 Jahren beschlossen, lieber Firmen zu übernehmen.

Haustex: Das führte dazu, dass Sie heute an einer Vielzahl von Unternehmen beteiligt sind.

Grossnigg: Über zwei Holdings besitzen wir heute 18 Firmen, einige minderheitlich, viele mehrheitlich oder komplett. Diese Firmen führen wir entweder via Geschäftsführung, Vorstand oder als Aufsichtsrat. Die Grosso Holding ist meine Holding. An der hat nur meine Nachfolgerin Kerstin Gelbmann noch weitere Anteile. Die Grosso Holding ist zurzeit auch die hundertprozentige Eigentümerin von Sanders.

Die Austro-Holding ist die zweite Holding. An ihr darf niemand mehr als 20 Prozent halten. Damit möchte ich verhindern, dass jemand Kraft seiner Anteile die übrigen Anteilshalter überstimmen kann. Die Macht in dieser Holding hat der Aufsichtsrat, der aus vier qualifizierten Personen besteht, gewählt von den Gesellschaftern. Sie bestimmen, welche Firmen gekauft oder verkauft werden, wer eine Firma führt.

Die Austro Holding habe ich nach der Lehman-Brothers-Krise gegründet. Die Konstellation der Austro Holding ist wie ein "Sparbuch", aber unterlegt mit Firmenbeteiligungen. Die Anteilseigner erhalten eine Verzinsung ihres Kapitals von sechs Prozent und darüber hinaus gehen wir von einer Unternehmenswertsteigung aus. Seit Gründung hat sich die Holding im Wert fast verdreifacht. Die Grosso Holding hält 20 Prozent an der Austro Holding, die übrigen 80 Prozent verteilen sich auf dreizehn Freunde von mir - Menschen, die mir vertrauen und denen ich vertraue. Ein sehr erfolgreiches Modell.

In der Austro Holding vereinen wir einen konsolidierten Umsatz von circa 350 Millionen Euro Umsatz mit sechs Beteiligungen. Die anderen Beteiligungen, die Austro minderheitlich besitzt, wo die Grosso auch Anteile hält, machen noch einmal 300 Millionen Euro Umsatz. Insgesamt beschäftigt die Austro Holding etwa 4.000 Mitarbeiter.

Die Grosso Holding dreht ein größeres Rad. Dort mache ich auch Dinge, die mir einfach Spaß machen. Wir sind dort etwa die Miteigentümer einer der größten österreichischen Privatbanken, Semper Constantia. Wir sind auch beteiligt an der Westbahn, einer österreichischen Privatbahn, die zwischen Wien und Salzburg verkehrt. Kürzlich verkauft habe ich meine wesentliche Beteiligung an dem IT-Unternehmen S&T an Foxconn, bekannt durch die Produktion der iPads von Apple. S&T macht eine Milliarde Euro Umsatz.

Haustex: Apropos Nachfolgerin: Sie hören auf?

Grossnigg: Zu meinem 70. Geburtstag habe ich alle aufsichtsrätlichen Verantwortungen und Kontrollverantwortungen abgegeben. Nur wegen Sanders bin ich jetzt noch kurzfristig tätig. Die operative Verantwortung habe ich mit 65 Jahren an Kerstin Gelbmann übergeben.

Haustex: Sind Sie ihrem Vorsatz untreu geworden, es künftig etwas ruhiger angehen zu lassen, als Sanders in die Insolvenz ging und einen Retter suchte?

Grossnigg: Nein, das hat einen anderen Hintergrund. Wir überlegen bei unseren Beteiligungen, ob ein Unternehmen in der Lage ist, aus der österreichischen zu einer europäischen Bedeutung zu kommen. Bekanntlich besitzen wir das Unternehmen Sleepwell Kauffmann in Hörbranz, das wir vor vielen Jahren gekauft haben. Seine Kompetenz liegt im Bereich Federn und Daunen. Das Unternehmen hat sich recht gut entwickelt, wenn auch in einem vergleichsweise kleinen Volumen von 13, 14 Millionen Euro Umsatz, aber mit einer guten Rendite. Unser Ziel war es, das Unternehmen in dem doch sehr heterogenen Markt mit sehr vielen kleinen Unternehmen zu einer europäischen Relevanz zu bringen.

Haustex: Kauffmann hat im Markt für Bettwaren doch durchaus eine europäische Bedeutung?

Grossnigg: Nur im Premiumsegment. Aber wenn wir in Europa relevant werden wollen, dann brauchen wir einen Umsatz von etwa 200 Millionen Euro. Und dann kam Sanders, ein durch mehrere Generationen familiengeführtes Unternehmen.

Der Plan war, Hans-Christian Sanders mit 25 Prozent zu beteiligen und ihm das Recht einzuräumen, zu einem späteren Zeitpunkt unsere 75 Prozent kaufen zu dürfen. Diese Punkte waren ausschlaggebend dafür, dass wir den Zuschlag erhalten haben.

WHaustex: Nun ist Hans-Christian Sanders allerdings nicht mehr im Unternehmen.

Grossnigg: Leider hat sich herausgestellt, dass in der Phase der Insolvenz die notwendigen Maßnahmen unterblieben sind, um das Unternehmen wieder auf die Spur zu setzen. Wir sind schließlich insolvent geworden durch mangelhafte Führung. In 99 Prozent aller Unternehmen, die in eine Schieflage geraten, passiert dies durch Missmanagement. Es gibt nur ganz selten exogene Faktoren.

Haustex: Was hätte man aus Ihrer Sicht unternehmen müssen?

Grossnigg: Man muss einfach mehr einnehmen als ausgeben. Das war hier nicht der Fall. Was muss man dann tun? Man kann die Preise anheben, dann muss aber auch der Kunde mitspielen. Oder man kann die Kosten senken, das hat man selbst in der Hand. Wenn Sie aber ein Geschäftsmodell haben, das bei Steigerung des Umsatzes keine Ertragsrelevanz bringt, weil es schlecht aufgestellt ist, und je mehr Sie produzieren auch umso mehr Verlust machen, dann geht das nicht, dann müssen Sie das Modell ändern.

Leider Gottes musste ich drei, vier Monate nach der Übernahme feststellen, dass die Ergebnisse nicht kommen. Dann habe ich mich mit Sanders zusammengesetzt, mit dem ich mich übrigens nach wie vor gut verstehe, und ihm gesagt: Hans-Christian, Du musst raus. Schau mal über acht Wochen wie es ist, nicht mehr arbeiten zu müssen. Und dann habe ich in den sauren Apfel gebissen und erst einmal interimistisch übernommen, weil es mir nicht zumutbar schien, einen meiner jungen Leute zu schicken. Das geschah Ende August, Anfang September letzten Jahres.

Haustex: Was haben Sie dann vorgefunden?

Grossnigg: Das Unternehmen befindet sich nicht erst seit zwei Jahren, sondern seit zehn, 15 Jahren in Schwierigkeiten. Es sind viele Dinge nicht geschehen, die hätten passieren müssen. Mit dem Ergebnis, dass sich im Bramscher Betrieb ein nicht unerheblicher Investitionsstau befindet. In Gänze war Sanders ein Unternehmen, bei dem massive Veränderungen nötig waren.

Da Hans-Christian Sanders es nicht schaffte, die Veränderungen im Unternehmen durchzusetzen, machte ich ihm klar, dass seine Rückkehr unter meiner Eigentümerschaft nicht denkbar sei. Ich glaube, die Zeit und die Umstände sind für seine Art der Unternehmensführung nicht geeignet. Das ist nicht abwertend gemeint, er ist ein sympathischer und gebildeter Mensch, mit dem ich immer noch sehr gut auskomme.

Aus dieser Situation ergaben sich jedoch zwei Handlungsmöglichkeiten: Entweder Hans-Christian Sanders kauft meine 75 Prozent, das hatte ich ihm angeboten, oder ich kaufe seine 25 Prozent. Die Entscheidung fiel dann erst im Dezember, notariell beglaubigt am 15. Dezember. Seitdem ist Hans-Christian Sanders komplett aus dem Unternehmen ausgeschieden.

Haustex: Wie ist die Geschäftsführung bei Sanders seitdem aufgestellt?

Grossnigg: Mich können Sie vergessen, da ich nur interimistisch in der Geschäftsführung bin. Aber es gibt Jürgen Hartwig für Vertrieb, Marketing und Produktentwicklungen der gesamten Gruppe. Norbert Fiedler ist neu eingestellt worden und für den kaufmännischen Bereich zuständig, IT, Human Resources, Rechnungswesen, Controlling und so weiter. Und dann haben wir noch Helmut Schrenk, verantwortlich für die Produktion und Vertrieb. Leider scheidet er allerdings aus familiären Gründen aus, sehr zu meinem Bedauern.

Haustex: Schrenk ist ein langjähriger Vertrauter von Ihnen?

Grossnigg: Ja, ich habe mit ihm schon manche Unternehmen wieder auf die Beine gestellt. Sein Ausscheiden ist sehr schade, aber die Friedhöfe sind voll mit "Unersetzlichen". Für Schrenk muss ich also eine Nachfolgelösung finden. Für das Massengeschäft unter Sleep ID bin ich auf der Suche nach einem Nachfolger für Marco Zander; interimistisch leite ich das Sleep ID Team. Voraussichtlich wird auch Herr Fiedler die Produktionsbetriebe verantworten, allerdings wird er Unterstützung erhalten.

Haustex: Welche Maßnahmen haben Sie nach dem Ausscheiden von Herrn Sanders ergriffen?

Grossnigg: Als erstes integrieren wir Sanders und Sleepwell Kauffmann und versuchen, die beiden Unternehmen auf einen gemeinsamen Nenner zu stellen. Mit den Unternehmen verfügen wir über zwei DNAs. Die eine ist die des Stoffausrüsters Sanders, für Inletts und so weiter. Wenn wir das bleiben wollen, müssen wir auf Innovationen setzen und beweisen, dass dies unser Thema ist. Die zweite DNA ist unsere Kompetenz bei Federn und Daunen, die eher bei Kauffmann vorhanden ist. Wir kaufen dort Federn und Daunen ein, waschen und bereiten sie auf, sortieren sie sehr genau, um höchste Qualität zu erreichen.

In Summe haben wir in der Gruppe fünf Standorte: Hörbranz, Bad Bentheim, Bramsche und zwei ukrainische Standorte. Diese sehr komplexe Situation mussten wir erst einmal managen. Alles an einem Standort zu konzentrieren, scheitert unter anderem an der Logistik, da wir sehr voluminöse Produkte herstellen.

Hinzu kommt, dass die Branche wenig effizient arbeitet. Dabei macht die deutsche Automobil-Industrie vor, wie man sehr effizient arbeiten kann. Unsere Anlagen in Hörbranz laufen mit einer Auslastung von 25 bis 30 Prozent. Es gelingt uns aber nicht, geschätzte 50 kleine Bettwaren-Unternehmen zu überzeugen, ihre Daunen bei uns sortieren zu lassen. Leider machen sie es lieber selbst, dieser Bereich ist sehr heterogen.

Haustex: Bedeutet die geringe Auslastung, dass Kauffmann defizitär ist?

Grossnigg: Nein, im Gegenteil, dort machen wir fünf Prozent Gewinn. Kauffmann ist die kleine Perle in der Sanders-Gruppe. Aber nun müssen wir sehen, wie wir unsere Strategie fokussieren. Und das ist geschehen.

Der eine Bereich ist die Massenfertigung, unter anderem für Ikea. Dort geht es um Produktionseffizienz und modernste Maschinen. Das machen wir in der Ukraine. Der Standort in Irschawa wird ausschließlich Massenprodukte herstellen. Wynograd ist dagegen auf Manufakturprodukte und Kleinserien für Sanders und Kauffmann ausgerichtet.

Haustex: Wie sieht die Zukunft der Marken der beiden Unternehmen aus?

Grossnigg: Wir reduzieren auf drei Marken. Im Fertigteil-Bereich ist die Marke Kauffmann für das höherwertige Segment zuständig und Künsemüller im preiswerten Segment. Zu Kauffmann kommt noch Kauffmann Home als Untermarke und etwas preisgünstigere Schiene. Sanders ist die Marke für das Stoff- und Inlettgeschäft, wo das Unternehmen ja auch ursprünglich herkam, bevor man auch Fertigware produzierte.

Haustex: Was ist mit den Produkten, die es bisher bei Sanders unter anderen Marken gab?

Grossnigg: Fertigteile wurden bei Sanders unter der Marke Betty vertrieben. Die guten und erfolgreichen Artikel dieser Marke wurden bei Kauffmann und Kauffmann Home integriert. Das gleiche gilt für Climabalance. Produkte mit Gänsedaune findet der Handel künftig unter Kauffmann First Class Daunen. Produkte mit Entendaunen und Edelhaaren gibt es unter Kauffmann Home. Wir haben die Produkte bereits auf der Heimtextil vorgestellt und werden Mitte dieses Jahres neu aufgestellt in den Markt gehen.

Haustex: Auf der Strecke bleibt offensichtlich die Lizenzmarke Sansibar?

Grossnigg: Die Rechte an der Lizenz lagen bei Hans-Christian Sanders, der seinem Unternehmen eine Sublizenz erteilte. Diese Lizenz wurde im Sommer letzten Jahres gekündigt, weil sich ein ausländischer Kunde von uns nicht an die Vertriebsrichtlinien gehalten hat. Ich bin allerdings nicht traurig drum, denn ich hätte die Lizenz sowieso nicht behalten wollen. Der wesentliche Teil des Umsatzes wurde nicht mit unseren, sondern mit Zukaufprodukten erzielt. Ich finde, man soll das machen, was man kann, und das sind in unserem Fall Bettwaren. Für das Gesamtunternehmen hatte das Lizenzgeschäft keine große Bedeutung. Ich habe in meinem Leben schon so viele Lizenzen gehabt und bin nie gut ausgestiegen. Nur ganz selten spürt der Konsument bei einer Lizenzmarke die Authentizität; es braucht jedenfalls eine äußerst bekannte Marke.

Haustex: Also bleiben die Standorte erhalten?

Grossnigg: Alle Standorte bleiben erhalten, allerdings nehmen wir in Bramsche und Hörbranz Reduzierungen im Personal vor. In Hörbranz machen wir nur noch Daunen und Federn, betreiben aber keine Konfektion und Füllung mehr. Diese Bereiche kommen nach Bentheim.

Haustex: Was bedeutet die Verlagerung von Konfektion und Füllung nach Bentheim für den Standort Hörbranz?

Grossnigg: Wir werden dort circa 40 Arbeitsplätze abbauen. Bis Ende März wurde dieser Schritt vollzogen. Buchhaltung, IT, Human Resources etc. werden künftig von Bramsche aus erledigt. Auf diese Weise haben wir in Bramsche 20 Kündigungen vermieden. Die Zusammenführung beider Unternehmen bis Ende dieses Jahres ist der erste Schritt.

Der zweite sind Investitionen in die Modernisierung der Produktion in Bramsche. Wir haben bereits mehr als zwei Millionen Euro in die Massenproduktion in der Ukraine investiert - Nähautomaten, Verpackungsautomaten, Roboter. Hier in Bramsche haben wir ein Großprojekt mit einer Waschanlage für die Stoffausrüstung. Das sind die zwei großen Investitionsprojekte, die bereits genehmigt wurden und sich in Umsetzung befinden.

Haustex: Inwieweit waren Sanders und Kauffmann gegenseitig Kunden?

Grossnigg: Kauffmann hat teilweise von Sanders Hüllen gekauft, aber umgekehrt hat Sanders in der Vergangenheit keine Federn und Daunen von Kauffmann bezogen. Das hat sich mit dem Zusammenschluss komplett geändert. Beide Bereiche profitieren von der neuen Allianz jetzt deutlich mehr.

Haustex: Mit welchen Maßnahmen möchten Sie mit Sanders wieder in die schwarzen Zahlen kommen?

Grossnigg: Das sind wir jetzt schon. Alleine die Maßnahmen bei Kauffmann bedeuten den Abbau von 40 Mitarbeitern beziehungsweise die Ersparnis von 1,5 Millionen Euro.

Haustex: Aber das betrifft nur Kauffmann.

Grossnigg: Das betrifft Sanders.eu, denn Kauffmann wird jetzt integriert und wird es als eigenständiges Unternehmen nicht mehr geben. In Hörbranz gibt es dann noch eine Produktion mit etwa 15 Mitarbeitern, die in der Federproduktion beschäftigt sind. Kauffmann wird lediglich als Marke bei Sanders.eu weiter leben.

Haustex: Wie ist Sanders also künftig unternehmensrechtlich aufgestellt?

Grossnigg: Sanders.eu hat die Marken Kauffmann, Kauffmann Home, Künsemüller und Sanders. Als eigenständige Unternehmung gibt es zudem Sleep ID für die Massenfertigung, etwa das Ikea-Geschäft. Und dann gibt es die Sanders Wynograd TOV, wo unsere Produktion in der Ukraine gebündelt ist. Daran halten wir 80 Prozent, die ukrainischen Mitgesellschafter 20 Prozent. Die anderen Gesellschaften gehören uns zu 100 Prozent.

Die Sanders Wynograd TOV hat die Standorte Irschawa und Wynograd. Irschawa arbeitet nun exklusiv für Sleep ID, weil wir die Steppproduktion und sonstige Produktionsschritte in ein neues Gebäude in Wynograd verlegt haben. Sleepwell Kauffmann sitzt in Hörbranz und produziert exklusiv Federn und Daunen für Sanders. Zusammengefasst werden sämtliche Aktivitäten in der Sanders Kauffmann GmbH als Holding.

Hinsichtlich der Standorte verfügt Sanders.eu über Bad Bentheim sowie Bramsche mit der Zentralverwaltung.

Haustex: Damit ist das Gebäude in Hörbranz viel zu überdimensioniert.

Grossnigg: Wir haben dort 9.000 Quadratmeter frei. Der Standort wird deshalb auch verkauft beziehungsweise geteilt und der freie Teil vermietet.

Haustex: Was haben die Sanders- und Kauffmann-Kunden von der neuen Konstellation zu erwarten?

Grossnigg: Wir werden unsere Produkte in gewohnter oder sogar noch besserer Qualität anbieten. Unser Vorteil ist, dass wir ein finanzstarkes Unternehmen mit einer hohen Eigenkapital-Quote sind. Eine meiner Regeln lautet, dass man nicht abhängig von Banken sein darf. Im Rumpfgeschäftsjahr 2017 vom 1. April bis 31. Dezember haben wir bereits einen, wenn auch bescheidenen Gewinn erzielt. In diesem Übergangsjahr hat es Einmaleffekte durch Kostenanpassungen gegeben, indem wir Mitarbeitern gekündigt und den Stamm reduziert haben. 2018 werden wir auch einen Gewinn erzielen, der ohne weitere Sondereffekte größer sein dürfte und in den kommenden Jahren hoffentlich weiter steigen wird. Aber das sind noch Hoffnungen, zuerst muss noch viel geschaffen werden.

Haustex: Sanders war schon längerfristig wirtschaftlich nicht gesund. Wie ist es Ihnen gelungen, die Kombination aus Sanders und Kauffmann so kurzfristig profitabel zu machen?

Grossnigg: Das ist ziemlich einfach. Sanders war beispielsweise durch eine hochverzinsliche Anleihe finanziert. Der Zinsbetrag lag bei rund zwei Millionen Euro im Jahr. Unser Zinsaufwand beträgt nun nur noch 200.000 Euro, da wir eigenkapitalfinanziert sind. Unser Personalaufwand ist 2,5 Millionen Euro niedriger als zuvor. Hinzu kommen die wesentlichen Maßnahmen: die Reduzierung der Artikelvielfalt und der Komponentenvielfalt.

Haustex: Wie sieht es beim Außendienst aus? Beide Unternehmen waren schließlich mit einem eigenen Außendienst unterwegs.

Grossnigg: Da hat natürlich eine Konsolidierung stattgefunden, sodass wir nun eine Mischung aus Sanders- und Kauffmann-Außendienstmitarbeitern haben. Insgesamt hat sich die Bereinigung des Außendienstes durch natürliche Fluktuation gut gefügt, sodass wir den Markt jetzt insgesamt stärker bedienen können als zuvor.

Uns kommt entgegen, dass wir in der Kundenstruktur eine große Schnittmenge zwischen Sanders und Kauffmann haben. Wer Ware von Kauffmann verfüllte, kaufte häufig seine Inletts bei Sanders und umgekehrt. Der Handel profitiert vom Zusammengehen beider Unternehmen dadurch, dass die Umsätze nun in einem Unternehmen zusammengefasst werden und er künftig für beide Artikelgruppen nur noch einen Ansprechpartner hat.

Haustex: Sie gelten einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit zufolge als Sanierer, der kommt, wenn alle anderen nicht mehr wollen. Sind Sie die letzte Chance von Sanders?

Grossnigg: Erst einmal gefällt mir das Wort Sanierer nicht, es hat für mich einen negativen Einschlag. Ich sehe mich eher als Firmendoktor, der ein krankes Unternehmen wieder gesunden lassen möchte. Und die letzte Chance bin ich schon gar nicht. Ich glaube, dass diese Industrie noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung ist.

Haustex: Und wohin geht Ihrer Meinung nach die Entwicklung?

Grossnigg: Wir leben in einer Zeit, die vor uns keiner erlebt hat, und vermutlich nach uns auch keiner: 70 Jahre Frieden, 70 Jahre ohne Währungsreform, 70 Jahre Wohlstand. Alleine in China sind 70 Prozent der Bevölkerung, immerhin eine Milliarde, von Hungernden zu Menschen ohne existenzielle Nöte aufgestiegen.

Kein Ökonom kann heute noch erklären, wie die Wirtschaft funktioniert, angesichts einer globalen Überschuldung. Wer produziert das Geld? Ich habe dazu eine eigenen Meinung: Die Welt ist immer eine Bilanz. Man kann nur Schulden aufnehmen, wenn es Geld gibt. Wer nichts hat, kann auch nichts borgen. Auf der einen Seite haben wir unglaublich viel Vermögen und auf der anderen Seite unglaublich viele Schulden. Dieses Ungleichgewicht wird heute gehalten, und keiner weiß wie und wie lange noch.

Haustex: Was hat Sie zur Übernahme von Sanders veranlasst?

Grossnigg: Ich denke, Sanders ist im Prinzip ein ordentliches Unternehmen. Es wird nun auf Vordermann gebracht und wird uns dann noch viel Freude machen.

Haustex: Dennoch denke ich, dass Sie ein gewisses Risiko bei Sanders eingegangen sind?

Grossnigg: Zahlenmäßig beläuft sich das Risiko auf etwa 20 Millionen Euro. Aber ich denke, dieses Invest wird sich rentieren.

Sanders ist ein Unternehmen, das sehr viel Entwicklungspotenzial bietet. Was nicht verwunderlich ist bei einem Unternehmen, das lange Jahre in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte und sich darum nicht so entwickeln konnte, wie man es vielleicht wollte. Ein Unternehmen lebt von den Menschen, die darin arbeiten. Und ich habe festgestellt, dass die Leute bei Sanders trotz der nicht immer leichten Zeit bereit zu Veränderungen sind. Ich habe hier ein Team of Good Hope zusammengestellt, 16 junge Leute, die ich einmal die Woche, wenn ich hier in Bramsche bin, für unsere Arbeit zu interessieren und begeistern versuche.

Ich trage einerseits grundlegendes betriebswirtschaftliches Wissen vor, aber auch Allgemeinwissen. Zum anderen wollte ich wissen, ob ich auf den Nachwuchs bei Sanders bauen kann. Ich kann jetzt schon sagen: Ja, diese jungen Leute werden die Zukunft unseres Unternehmens sein. Es gibt bei mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder Inhaberschaft und Mitarbeiterschaft bilden eine Einheit, dann funktioniert ein Unternehmen. Oder es funktioniert nicht, dann sind die betreffenden Personen auszutauschen, egal auf welcher Seite. Zum Beispiel habe ich hier als erstes einen neuen Logistik-Chef bestellt.

Haustex: Welche Produktionsstandorte möchten Sie langfristig erhalten?

Grossnigg: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Wir haben in der Ukraine zwei Faktoren, die uns nicht so lieb sind. Der eine ist, dass die Ukraine politisch noch nicht gefestigt ist. Das führt immer wieder dazu, dass das Land eigenartige Entscheidungen fällt, wie beispielsweise die Einführung von Zöllen. Diese Unklarheit macht uns das Arbeiten nicht leichter. Das Zweite ist die Öffnung der Grenzen für die Ukrainer, um im nahen Ausland besser bezahlte Arbeit anzunehmen. Dadurch haben wir in den letzten beiden Jahren erhebliche Kostensteigerungen in der Ukraine hinnehmen müssen. Die Personalkosten sind dort zwar immer noch günstig, liegen aber um 50 Prozent über dem Vorjahreswert.

Auf der anderen Seite haben wir dort gewachsene Standorte und Leute, die sich in unserer Industrie zu Fachkräften entwickelt haben. Wir haben dort sehr gute Leute. Schlussendlich: Wir möchten die beiden Standorte in der Ukraine gerne halten. Von den deutschen ganz zu schweigen. Ergänzend bauen wir in Bulgarien einen zusätzlichen Standort auf, um dort die Nähkapazitäten von ehemals Hörbranz zu ersetzen.

Neben den Produktionskosten ist auch ein wichtiger Aspekt "time to market", wie es auf Neudeutsch heißt, der Weg vom Produktionsort zum Vermarktungsort. Wenn ich in China produziere, benötige ich mindestens einen um drei Monate längeren Vorlauf, als wenn ich in Osteuropa produziere. Deswegen ist Osteuropa aus meiner Sicht extrem unterschätzt. Das sage ich nicht nur als Österreicher, da wir als Land traditionell eine gute Beziehung in den Osten Europas haben.

Haustex: Um es auf einen Nenner zu bringen: Wie sehen Sie die Zukunft von Sanders.eu?

Grossnigg: Die ersten Schritte zu einer wirtschaftlichen Gesundung sind gemacht. Jetzt geht es darum, dass wir die Kollektionen gut verkaufen, um auch am Markt voranzukommen. Es wird im Bramsche noch einiges passieren, das kann ich versprechen. Darüber hinaus beabsichtigen wir, die Anteile von Sanders.eu, die derzeit in der Grosso Holding gehalten werden, in die Austro Holding zu transferieren.
aus Haustex 05/18 (Wirtschaft)