Kerschensteinerschule Stuttgart

(Jung-)Meisterlich umgesetzt


Jungmeister im Raumausstatter-Handwerk präsentierten an der Kerschensteinerschule in Stuttgart-Feuerbach ihre praktischen Prüfungsarbeiten. Lob gab es gleichermaßen vom Ausbilder wie vom Publikum.

"Wir haben gewerkt, gelernt, geschuftet - jetzt haben wir das Ziel erreicht", verkünden stolz die frischgebackenen Meisterinnen und Meister am diesjährigen Raumausstattertag der Stuttgarter Kerschensteinerschule. Ein Jahr lang wurden sie an der Fachschule im Stadtteil Feuerbach für die Meisterprüfung im Raumausstatterhandwerk fit gemacht. Bei einer Kojenvorstellung kann sich das Publikum von den praktischen Fertigkeiten überzeugen. Und die sechzehn Absolventen bekommen viel Lob und Applaus von den rund 400 Besuchern, die laut Veranstalter über den Samstag verteilt bei der Ausstellung anwesend sind. Neben zahlreichen Branchenvertretern und Funktionären von der Raumausstatter- und Sattler-Innung bis zum Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR) sind auch viele Familienangehörige der Jungmeister gekommen.

"Das Interesse ist schon groß", erklärt Jürgen Straub. Für den Sattlermeister und studierten Berufsschullehrer ist es der zwanzigste Kurs in Folge als Klassenlehrer. In diesem Jahr sind es acht Frauen und acht Männer, im Schnitt 23 Jahre alt. Fünf Prüflinge haben im praktischen Teil mit der Note Eins abgeschlossen. "Das ist selten", betont der Kursleiter und freut sich, dass es diesmal "keine Durchfaller" gibt.

"Dass es immer wieder mal schlechte Noten im Praxistest gibt, liegt meist nicht an der mangelnden Qualität der Arbeit, sondern am Zeitproblem", meint Straub. Insgesamt stehen 51 Stunden für die praktische Prüfung zur Verfügung - " das ist schon sehr knapp bemessen."

Die Aufgabe: In einer "völlig nackten Koje" eine ganzheitliche Dekoration gemäß den Prüfungsparametern schaffen. Dazu zählen Polstern, Wandbespannung, Fensterdekoration und Bodenbelag. Dieser muss entweder aus zwei unterschiedlichen Materialien oder zwei Farben bestehen. Die Hälfte der Zeit nehme schon das "relativ schwierige" Polstern eines Sessels mit klassischer Schnürung in Anspruch, sagt Jürgen Straub. "Wer das umsetzen kann, arbeitet überall akribisch und sauber." So fließt die handwerkliche Ausführung mit hoher Gewichtung (90 % Anteil) in die fachpraktische Note ein. Dagegen wird die Gestaltung "eher weniger" berücksichtigt, weil hier keine objektiven Bewertungskriterien möglich sind: "Denn über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten."

Traditionell können die Besucher über die besten Meisterkojen abstimmen. Den ersten Platz beim Publikumspreis belegt Derya Reich mit dem Thema "Im Himmelreich". Zweiter wird Simeon Flor, der sich für eine Präsentation im "Maritimen Look" entschieden hat. Den dritten Preis erhält Alexandra Aicheler für ihre Koje "Vierjahreszeiten" mit einem bunten Sessel als Highlight.

Nicht überraschend ist deshalb, dass die Jungmeisterin Polstern als Lieblingsfach angibt. Den Meisterkurs fand sie "top durchorganisiert mit sehr engagierten Lehrern". Die junge Frau ist am Bodensee zuhause. Bis November absolviert sie eine Fortbildung zum Betriebswirt im Handwerk. Anschließend werde sie bei einem Raumausstatter arbeiten, um Berufserfahrung zu sammeln, und sich danach selbstständig machen. "Vielleicht kann ich einen Betrieb übernehmen, der keinen Nachfolger hat", hofft Alexandra Aicheler.

Jürgen Straub hat die Erfahrung gemacht, dass die "ganz jungen Leute mit Meistertitel" das finanzielle Risiko einer Betriebsübernahme scheuen; erst ältere, Anfang 30, seien dazu bereit. Auch hätten nur ein paar wenige Teilnehmer einen elterlichen Betrieb im Rücken.

Durch den Wegfall des Meisterzwangs aufgrund der Novellierung der Handwerksordnung 2004 habe es bei den Kursen "erwartungsgemäß einen Einbruch" gegeben, spricht der Leiter ein Problem offen an. Inzwischen entscheide sich die Klientel aber aus persönlichen Gründen für die Meisterlaufbahn. "Als Handwerker ohne Fort- und Weiterbildung auf dem Markt zu agieren, ist gefährlich", warnt er. Dem Einzelnen werde in den verschiedenen Fächern "deutlich aufgezeigt, wo seine Stärken und Schwächen liegen".

An der staatlichen Kerschensteinerschule unterrichten Lehrer des Landes Baden-Württemberg, die auch für die Meisterschule rekrutiert werden. Eine Ausnahme ist die externe Dozentin Jordi Evelyn Augenstein im Fach Dekoration. Sie führt in Stuttgart einen eigenen Raumausstatterbetrieb. "Als größte Schule für Raumausstatter in Europa", wirbt der Standort Feuerbach für sich. Das Einzugsgebiet ist der süddeutsche Raum von Bayern bis nach Hessen. Geboten werde "das komplette Paket" vom fachpraktischen Teil über Fachtheorie (u.a. Material-, Werkstoff- und Arbeitskunde) sowie einen wirtschaftlichen und rechtlichen Teil (BWL, Erfolgsanalyse, Buchhaltung) bis zu Berufs- und Arbeitspädagogik (Ausbildereignungsschein). Das prüfende Organ ist die Handwerkskammer. | Petra Lepp-Arnold
aus BTH Heimtex 09/18 (Wirtschaft)