Delius Holding GmbH

"Bei Delius verkaufen wir Funktionen"


Die Adresse ist seit 1722 dieselbe: Der Firmensitz in der Bielefelder Goldstraße dient seit nunmehr neun Generationen dazu, die ehemalige Leinenhandlung Delius den Anforderungen einer sich stetig wandelnden Branche anzupassen. So ergänzen jetzt Vinyltapeten die Kollektionen der Objektstoffe.

Die Cousins Friedrich Wilhelm und Rudolf Delius leiten die 1722 gegründete Firma Delius in der neunten Generation. Die eindrucksvolle Ahnengalerie im obersten Stock gibt einen Überblick über die Jahrhunderte, in denen an der Bielefelder Goldstraße mit Textilien gehandelt wird. "Vor allem die Entwicklungen in der Frisuren- und Bartmode lässt sich hier gut nachvollziehen", lacht Rudolf Delius, dessen Gemälde bislang noch fehlt. Doch die Familientradition wird sehr ernst genommen und die neunte Generation Delius soll nicht die letzte sein. Dafür sind immer wieder Überprüfungen und Neuausrichtungen des Geschäftes notwendig: Heute liegt der Fokus zu 100 % auf Textilien für den Objektbereich.

"Mit der Verknüpfung deutscher und internationaler Produktion, verantwortungsbewusster Unternehmens- und Mitarbeiterführung, der Stärkung von Vertrieb und Logistik sowie einer kontinuierlichen Weiterentwicklung innovativer Kollektionen begegnen wir den Herausforderungen der Zukunft", erklärt Rudolf Delius.

Industrie 4.0 aus Ostwestfalen

Kauften einst die Bielefelder Kaufleute das Leinen der Bauern aus dem fruchtbaren Ravensberger Land und vertrieben es europaweit, änderte die Industrialisierung alles. "Der Wandel damals war genauso extrem wie heute die Digitalisierung - und machte den Menschen genauso viel Angst", ist Rudolf Delius überzeugt. Aber der Unternehmer ist ganz sicher: "So wie wir die Industrialisierung gemeistert haben, werden wir auch die Digitalisierung schaffen."

Das Unternehmen sei auch auf der digitalen Ebene immer offen für neue Ideen. Beispielsweise engagiere sich Delius beim Bielefelder Pioneers Club, einem Co-Workingspace, an dem Start Ups und die etablierte, mittelständische Industrie aufeinander treffen. Rudolf Delius: "So wie aus dem Grundgedanken der Industrialisierung vor 160 Jahren viele gute Unternehmen entstanden, birgt auch die Digitalisierung immense Chancen. Und da kommt noch nicht so viel aus Ostwestfalen - das wollen wir mit dem Pioneers Club fördern. Wir machen hier Industrie 4.0 mit Hilfe dieser jungen Leute - und die mit unserer Hilfe."

In Ostwestfalen gebe es eine starke mittelständische Industrie. Mit den Start Ups sollen für diese Ideen entwickelt werden, beispielsweise Einkaufssoftware, die hilft, Bestellvorgänge und Lagerbestandshaltung für Mittelständler zu optimieren. Bei der Digitalisierung seien alle Branchen auf der Suche nach potenten Lösungen, nicht nur in der Textilindustrie. "Da sind wir in Bielefeld das einzige Unternehmen mit Webereistufe sind, wollen wir vorn dabei sein."

Stoffe und Tapeten
als analoger Gegenpol

Während bei digitalen Fragen noch allerlei ausprobiert und damit eher Geld ausgegeben werde, müssten auch Umsätze gemacht werden. Dafür gebe es immer wieder neue Stoffkollektionen und neuerdings auch Wandbekleidungen aus dem Hause Delius. "Die Architektur ist momentan eher nüchtern und spricht gegen den Stoff. Deswegen machen wir nicht einfach Stoffe, sondern wir lösen Probleme unserer Kunden." Wenn beispielsweise über Hotels gesprochen werde, dann wolle Delius Sicherheit und Bequemlichkeit liefern. "Wir verdunkeln des nachts, wir reflektieren das Sonnenlicht für die Arbeitsplatzrichtlinie, wir haben schmutzabweisende Möbelstoffe, die dennoch eine textile Haptik haben, wir bedienen die Themenfelder Akustik oder funktionale Outdoorstoffe", so Rudolf Delius: "Wir verkaufen Funktionen."

Bei den Objektstoffen sei vor allen Dingen die Schwerentflammbarkeit ein unverzichtbareres Merkmal, ergänzt Marketingleiterin Sylke Mikolajczak. Zwar brennen Stoffe aus Polyester FR oder Trevira CS (Brandklasse B1) am Ende auch geringfügig, aber bei diesen Textilien tropft das Gewebe nicht ab und brennt dann am Boden weiter. Im dem unabhängigen Prüfinstitut D-Lab auf dem Gelände der Delius-Tochter Delcotex im Bielefelder Stadtteil Jöllenbeck wird streng darauf geachtet, dass alle erforderlichen Normen eingehalten werden.

Vor einiger Zeit konnte Delius zudem mit einer Innovation punkten: einem preisgekrönten sonnenlicht- und wärmereflektierenden Stoff, der die Wärme im Sommer draußen und im Winter drinnen hält - und trotzdem transparent ist. "Delitherm wird aus einer Aluminiumfaser gewebt, ist transparent und leicht", beschreibt Mikolajczak das Produkt. Bis zu 15 % Heizkosten könnten im Winter damit eingespart werden und im Sommer habe man bis zu 55 % weniger Sonneneinstrahlung. Rudolf Delius ist sicher: "Die Zusatzfunktionen im Stoff und die Sicherheit, dass wir das, was wir versprechen, auch halten - das sind unsere Verkaufsargumente."
Eigenes Atelier, eigene Weberei

Die Kollektionen werden im Atelier am Bielefelder Stammsitz konzipiert. Vier Designerinnen entwickeln die Farben, Muster und Produkte. Ein Qualitätsmanager legt die Qualitätsstandards wie etwa Lichtechtheit fest und dann wird bei Partnerbetrieben im Ausland produziert: zu 40 % in Asien, zu 60 % und mit steigender Tendenz in Europa.

Das Unternehmen hat zwar noch die Weberei in Jöllenbeck: Unter der Firmierung Delcotex werden hier mit rund 100 Webstühlen hauptsächlich die technischen Textilien hergestellt, beispielsweise für schusssichere Westen, sowie einige Unis für die Kollektionen. "Alles in Bielefeld zu produzieren, ist aus Kostengründen nicht mehr möglich", erklärt Rudolf Delius. Die von den Partnerbetrieben hergestellte Ware kommt dann aber auch nach Jöllenbeck, um im Labor die Qualitätsprüfungen zu durchlaufen. Hier werden auch Logistik und Vertrieb koordiniert.

Der Unternehmer setzt neben Qualität auch auf die Einhaltung garantierter Lieferzeiten: "Wenn ein Hotel einen festen Eröffnungstermin hat und der benötigte Stoff hängt auf einem Containerschiff im chinesischen Meer fest, dann ist der Schaden immens." Deswegen veredelt Delius einen Teil der asiatischen Produkte in Europa: "Wir lassen die Rohware produzieren und veredeln sie dann in Deutschland, Frankreich oder Belgien."

Der Kunde bekommt das,
was versprochen ist

Wie unterscheidet sich Delius von den anderen Unternehmen am dicht gedrängten Textilmarkt? Rudolf Delius: "Wir sind ein produzierendes Textilunternehmen, auch wenn wir nicht jeden Dekostoff im eigenen Hause herstellen. Wir haben Textilingenieure, mit dem D-Lab ein unabhängiges Prüfinstitut, wir haben Webstühle und Weberfahrung. Kurzum: Wir sind Textilexperten und können mit unserer Expertise guten Einfluss auf unsere Partnerbetriebe nehmen, weil wir wissen, worauf es ankommt." Rudolf Delius ist sicher, mit seinem Team einen besseren Blick zu haben als ein reiner Stoffverlag, der nur einkauft.

Der Strukturwandel des Unternehmens begann langsam und kam 1995 dann extrem in Fahrt. "Da waren wir schon bei 850 Mitarbeitern - von ehemals 3.000 in den 1930er Jahren." Die wesentlichste Veränderung war die Einstellung der Bekleidungsstoffe zwischen 1995 und 2003. Drei der vier verbliebenen Fabriken wurden geschlossen, danach waren es noch 250 Beschäftigte.

Heute werden Anpassungen im Produktsortiment sanft vollzogen, wie das neue Angebot an Vinyltapeten zeigt. "Unser Vertrieb läuft über den Außendienst: Da können wir keine Produkte verkaufen, die nicht über die gleichen Kanäle angeboten werden", erklärt Marketingleiterin Sylke Mikolajczak. Die Vinyltapeten würden den Architekten zusammen mit den Stoffen vorgelegt; da müssten keine neuen Kundengruppen gesucht werden. "Wir haben sehr darauf geachtet, dass es ein Produkt ist, das auch sehr gut ins Hotel passt." Nun hofft sie, dass die exklusiv für Europa angebotenen Tapeten auch bei den Kunden ankommen. Preislich rangieren die Produkte von Delius im mittleren Segment. Was nicht am Lager ist, versuchen die Bielefelder innerhalb von sechs Wochen zu liefern.

Stoffe mit Zusatzfunktionen

Zusatzausrüstungen wie speziell gewebte Gardinen mit guten Akustikwerten sind ein wichtiges Thema für Delius, um konkurrenzfähig zu bleiben. So wird viel Wert auf die exakte Messung von Schallabsorptionsgraden gelegt, um die Kennzahlen zuverlässig zu dokumentieren. "Wir versuchen, die Realität darzustellen und geben die Werte raus, die wir in eigenen Prüfungen ermitteln." Delius stehe schließlich für Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit, die wolle man nicht aufs Spiel setzen.

Bei einer Kundenumfrage habe das Unternehmen einen hohen Stellenwert und Bekanntheitsgrad im Objektbereich errungen, erzählt Sylke Mikolajczak. "Wir gelten als zuverlässig, traditionell und dem Zeitgeist entsprechend. Wir wollen unseren Kunden das bieten, was sie brauchen, statt als große Trendsetter aufzutreten."

Den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft tritt das Familienunternehmen gelassen und optimistisch entgegen, ganz nach dem Motto von Rudolf Delius: "Wir haben alles überlebt - was kommt, wird uns auch nicht umbringen." | antje.lueckingsmeier@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 10/18 (Wirtschaft)