Oritop setzt auf afghanische Eigenproduktionen

Durchdachte Designs, kreative Knüpfer


Afghanistan gilt als eines der wenigen Knüpfländer, in denen noch traditionelle, individuelle Volkskunst geschaffen wird. Hier hat der österreichische Importeur Oritop seinen Sortimentsschwerpunkt. Seine Eigenproduktionen setzen alte Muster ganz neu um; in der Herstellung trifft eine durchdachte Organisation auf die spontane Kreativität der Knüpfer. Traditionelle afghanische Teppiche kauft die Oritop auf Basaren ein.

Wir kennen das Prinzip aus der Modewelt: Da kommen mal die 1960er-Jahre zurück, dann sind die 80er wieder angesagt - mit Stulpen und Schulterpolstern. Schaut man aber genauer hin, sieht man, dass es so einfach nicht ist. Die Schlaghosen von damals sind heute aus Jeansstoff, nicht aus Breitcord. Die Bügelfalte fehlt, die Taille sitzt anders. Kurz: Die Inspiration wird ins Heute transportiert.

Moden und Rückbesinnung auf vergangene Trends gibt es auch in der Einrichtung. Viele Käufer lieben den Look alter Teppiche, gerade im Zeitalter der Digitalisierung, der schnellen Veränderungen. Bloß eben nicht genau so, wie man sie aus Omas und Opas Wohnzimmer kennt. Sondern in aktuellen Tönen und in Größen, die in die Wohnwelt des 21. Jahrhunderts passen. Same same but different.

Dass solche nostalgisch-modernen Fusionen funktionieren können, wurde in der älteren und jüngeren Geschichte mehrfach bewiesen. Durch Ziegler & Co, durch die Petag, durch Zollanvari, Miri und Woven Legends zum Beispiel - alle lieferten kreative Neuinterpretationen alter Vorlagen.

Experten für das
Knüpfland Afghanistan

Heute knüpft der österreichische Anbieter Oritop insbesondere mit seiner Kollektion "Treasures of the Past" wortwörtlich an die Vergangenheit an, und zwar in neuen Farben. "Ein wichtiger Katalysator für Innovationen im Knüpfteppich war - so traurig es ist - der Einzug der Roten Armee in Afghanistan 1979 und der darauf folgende Krieg", erklärt Oritop-Senior Fritz Langauer. Millionen Menschen flüchteten in den 1980er-Jahren in den Osten des Iran und vor allem in das Peschawar-Gebiet im Nordwesten Pakistans. Durch die Initiative amerikanischer und europäischer Unternehmen wurde hier eine Teppichproduktion aufgebaut, in deren Rahmen bis heute neue Gattungen entstehen: Teppiche, die sich auf traditionelle Muster berufen und gleichzeitig den westlichen Zeitgeschmack besonders gut treffen. Damit ist es also gelungen, konservative und überaus traditionsverhaftete afghanische Stämme wie Turkmenen, Hazara oder Tadschiken zu extremen Veränderungen zu motivieren - und das ist beachtlich.

Das zu erreichen, erfordert viel Geduld, Erfahrung, Geschick ... und nicht zuletzt Präsenz. All das bringt der österreichische Importeur Oritop seit Jahrzehnten auf; hier in Afghanistan setzt der Anbieter seinen Produktschwerpunkt. Etwa zweimal jährlich reisen Oritop-Mitbegründer Fritz Langauer und sein Schwiegersohn und Geschäftsführer Christoph Ziereis in das Land, um die Produktion zu überprüfen - vor allem aber, um den Kontakt mit den Menschen dort zu wahren, aus dem sich oft neue, wertvolle Ideen ergeben. Denn neben Marokko und einigen persischen Provenienzen ist Afghanistan heute das einzige klassische Knüpfland, in dem noch traditionelle, individuelle Volkskunst geschaffen wird. Für die Oritop ist es das Knüpfland der Gegenwart und Zukunft.

Spezialisten
in Sachen Afghanistan

Vor allem im Norden des Landes, in der Gegend um Andkhoy und Aqceh, und um die Hauptstadt Kabul gibt man Teppiche in Auftrag, die dort nach den Vorstellungen des Unternehmens geknüpft werden. Die hochwertige Rohwolle dafür bezieht die Oritop zum Großteil aus Ghazni im Süden Afghanistans, aus der Türkei und dem Iran. Aufwendig wird sie in Handarbeit zum fertigen Garn verarbeitet: Ein besonders wichtiger Schritt ist das sorgfältige Kämmen. Dabei entsteht der Kammgarnzug mit parallel ausgerichteten langen Fasern, die dann von Hand versponnen werden. Das Ergebnis ist ein lebhaftes Garn, das beim Färben einen attraktiven Abrasch zeigt. Hierbei kommen entweder Naturfarben zum Einsatz oder hochwertige synthetische Färbemitteln, mit denen sich bestimmte Töne sehr genau treffen lassen.

"Wir nehmen Einfluss auf Knüpfstruktur, Dessins, Größen und Farbstellungen unserer Teppiche", berichtet Christoph Ziereis. Weil sich deren Zusammenspiel aber erst in der praktischen Umsetzung richtig einschätzen lässt, werden zunächst Musterstücke von 90 x 60 cm geknüpft. Diese sorgfältig durchgeplanten Arbeitsschritte zur Vorbereitung auf die Produktion sind langwierig und zeitaufwendig und waren für die afghanischen Knüpfer anfangs ungewohnt - doch der Oritop ist es gelungen, sie von deren Notwendigkeit zu überzeugen. Nach dem Knüpfen ist die Arbeit allerdings noch lange nicht abgeschlossen: Es folgt die Wäsche, die wiederum in Pakistan stattfindet. Bei der Bewältigung der oft schwierigen Grenzsituation profitieren Fritz Langauer und Christoph Ziereis wieder von ihrer langjährigen Erfahrung vor Ort.

Jeder Teppich ist anders

So sorgfältig und vorausblickend in den afghanischen Oritop-Manufakturen gearbeitet und geplant wird - gewisse Dinge überlässt man doch bewusst dem Zufall und vor allem der Kreativität der Knüpferinnen: Die Oritop gibt ihnen freie Hand bei der detaillierten Ausgestaltung der Designs. So wird jeder Teppiche etwas anders; jedes Mal entsteht ein Einzelstück mit kleinen kreativen Abweichungen. Das gilt auf für Sonderanfertigungen nach Kundenwunsch zu, die die Oritop ebenfalls entgegennimmt: "Natürlich kommen auch dabei wieder ganz individuelle Exemplare heraus, Teppiche mit Seele", erklärt Fritz Langauer.

Aktuelle Kollektion:
Treasures of the Past

Das gilt auch - beziehungsweise ganz besonders - für die Kollektion "Treasures of the Past", die die Oritop 2015/16 eingeführt hat. Das Prinzip dahinter: "Wir wollen Klassiker den heutigen Anforderungen und Geschmäckern anpassen und dabei hohen ästhetischen und qualitativen Anforderungen genügen." Die Teppiche sollen so sorgfältig geknüpft werden wie noch vor hundert Jahren und sich dabei alter Musterelemente bedienen - aber gleichzeitig auch ein modernes Erscheinungsbild zeigen, mit helleren Farben und in Größen, die gut in westliche Wohnzimmer passen. Same same but different eben. Ganz konkret lässt sich die Oritop bei der Designgestaltung von traditionellen Mustern inspirieren. Die meisten sind eher nomadischer Art, aber auch andere Provenienzen werden zitiert: antike Heriz und Bidjar zum Beispiel, ebenso anatolische und kaukasische Motive.

Eigenproduktionen und
traditionelle Basarware

Neben der noch recht jungen "Treasures of the Past"-Kollektion unterhält die Oritop mehrere weitere afghanische Eigenproduktionen. Überhaupt ist man vor Ort durchgehend im Dialog mit den Produzenten. "Ständig wird Neues versucht, verworfen oder ausgebaut", berichtet Christoph Ziereis. "Letztlich hängt auch vieles von den Knüpfern und generell von unseren Mitarbeitern in Afghanistan ab, von deren Zugang zu und Interesse an der Sache."

Die Oritop-Eigenproduktionen sind das eine, darüber hinaus importieren die Österreicher auch traditionelle Ware von afghanischen Basaren: Teppiche, die im Hausfleiß entstanden sind und die ursprüngliche Volkskunst am Leben halten. Das Angebotsspektrum reicht hier von der Einstiegspreislage bis hin zu fein gearbeiteten, ästhetisch hochwertigen Stücken. Die "Beludj" aus der südlich von Herat gelegenen Provinz Shindand etwa sind ausdrucksstarke und gleichzeitig gut bezahlbare Dorfteppiche; am anderen Ende der Preisskala stehen die mit besonders hochwertiger Wolle geknüpften "Khal Mohammadi Beljique".•


Social Responsibility bei der Oritop
"Es ist uns emotional sehr wichtig, die Knüpfer Afghanistans zu unterstützen", betont Firmenmitbegründer Fritz Langauer. Sichere Arbeitsplätze und faire Arbeitsbedingungen sind Langauer ein großes Anliegen. Darüber hinaus investiert die Oritop besonders im Norden des Landes in die Bildung von Kindern und Jugendlichen, etwa durch die Subventionierung von Schulen. "Wenn wir den Menschen in den Dörfern Arbeit geben, ist das immer noch die beste Wirtschaftshilfe", erklärt Langauer. "Und abgesehen von dem Lohn gibt man den Menschen dadurch auch Selbstvertrauen."

Wer ist die Oritop?
Im Jahr 1973 in Zürich ins Leben gerufen, agiert die Oritop heute ausschließlich als Importeur und Großhändler. Dabei kombiniert die Geschäftsführung aus Unternehmensmitbegründer Fritz Langauer und seinem Schwiegersohn Christoph Ziereis "60 Jahre Erfahrung und junge Dynamik". 2005 zog das Unternehmen nach Wien. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Oritop zunehmend auf den Import aus Afghanistan ausgerichtet: Zum einen kauft man Teppiche auf Basaren ein (in Kabul, Herat, Mazar-i-Sharif, Aqceh, Andkhoy und Maimana). Einen Großteil des Geschäfts nimmt jedoch die Produktion eigener Kollektionen in Anspruch.
aus Carpet Magazin 03/18 (Wirtschaft)