Mattes & Ammann, Meßstetten-Tieringen

"Gelebte Nachhaltigkeit zeichnet uns aus"


Die aktuellen Debatten um Klimaschutz und CO2-Reduktion sieht man bei Mattes & Ammann gelassen: Das Unternehmen von der Schwäbischen Alb, führender Produzent von gewirkten und gestrickten Matratzenbezugsstoffen, gilt als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Davon zeugen zahlreiche Zertifizierungen, ein eigenes Prüflabor und weitere Projekte zur Produktentwicklung. Der Preisdruck des Matratzenmarktes trifft auch die Zulieferer. Wie das Unternehmen damit umgeht und dabei seiner Linie treu bleibt, darüber sprach die Haustex mit dem Inhaber Christoph Larsén-Mattes sowie Werner Moser, Eberhard Keinath und Lara Keinath.

Haustex: Die Matratzenbranche hat es aktuell nicht leicht: Wie schätzen Sie aus Ihrer Sicht als Zulieferer die Marktsituation der Branche ein?

Christoph Larsén-Mattes: Der Matratzenmarkt ist das eine, der Absatz der Firma Mattes & Ammann ist das andere.

Haustex: Lässt sich das so sauber trennen?

Larsén-Mattes: Dass die Entwicklung am Matratzenmarkt Einfluss auf unser Geschäft hat, gegebenenfalls auch auf unseren Erfolg, ist unbestritten. Nichtsdestrotrotz sind wir nicht diejenigen, die den Markt verändern werden. Wir sind Zulieferer, wissen dass wir Zulieferer sind, nehmen diese Position an und richten uns nach dem Markt. Und wenn der Markt sich ändert, ändern wir uns auch in gewisser Weise.

Haustex: Wie verändert sich der Markt aktuell?

Larsén-Mattes: Ich sehe mich nicht autorisiert, dass wir uns als Zulieferer über den Markt äußern. Wir sehen im Moment, dass wir im Heimtex-Bereich ein erhebliches Plus haben.

Werner Moser: Dass sich die Matratzenhersteller bis aufs Messer bekämpfen, das kriegen wir natürlich mit. Das wirkt sich bei uns unmittelbar auf die Preissituation aus, denn der Druck am Markt wird natürlich auch an die Zulieferer weitergegeben. Für uns ist aber entscheidend, was unserer direkten Wettbewerber machen. Die Maschenstoffe an sich haben nach wie vor einen hohen Marktanteil, der Absatz und das Marktvolumen sind da. Unser Marktumfeld hat sich insoweit geändert, dass wir bis auf ein kleineres Unternehmen der einzig verbliebene deutsche Matratzenstoffhersteller sind.

Larsén-Mattes: Es ist sicherlich so, dass es uns gut getan hat, dass ein wesentlicher Hersteller den Markt verlassen hat.

Haustex: Sie sprechen von Bodet und Horst, einem Unternehmen, das zumindest den europäischen Markt verlassen hat.

Larsén-Mattes: Wir beobachten das natürlich aufmerksam. Es kann auch sein, dass man in Asien sein Geld verdienen kann. Aber für mich persönlich sage ich: Ich bin im Gefühl Deutscher, wenn auch per Pass Schwede, aber auf jeden Fall Europäer. Und ich möchte nicht nach Asien umziehen.

Eberhard Keinath: Das sehe ich genau so. Wir leben in Deutschland, wir produzieren in Deutschland und wir konsumieren in Deutschland. Wir wissen aus allen Bereichen, dass chinesische Produkte in allen Bereichen günstiger sind als europäische, da muss jeder seinen Weg finden. Der genannte Wettbewerber hat uns schon nicht so stark tangiert, als das Unternehmen noch in der Slowakei war. Und von Asien merke ich persönlich nichts.

Moser: Unsere Stabilität, unsere Zuverlässigkeit und unsere Produkte zeichnen uns aus. Das ist gelebte Nachhaltigkeit. Das hat letzten Endes dazu geführt, dass es uns am Markt noch gibt, andere Wettbewerber aber nicht mehr. Unsere Kunden schätzen die Werte, für die wir stehen. Sie schauen nicht auf den allerletzten Cent, den werden sie bei uns auch nicht finden. Aber was sie finden ist die Seriosität, die Zuverlässigkeit und die Nachhaltigkeit im Produkt und im Prozess. Wer Nachhaltigkeit nicht im Sinne eines Green-Washings sieht, sondern es ernst meint und als Zusammenfassung von Ökonomie, Ökologie und Sozialem versteht, der wird in uns einen sehr guten Lieferanten finden.

Haustex: Gleichwohl wächst der Druck, wenn der Durchschnittpreis einer verkauften Matratze derart sinkt wie in jünster Zeit.

Lara Keinath: Wir sind nicht der Ziellieferant für die günstigste Matratze, sondern eher für den mittleren und gehobenen Bereich. Wir haben zu unseren Kunden einen sehr guten persönlichen Draht. Wir stehen in permanentem Kontakt mit ihnen und konzipieren viele Produkte nach ihren Anforderungen. Wir verkaufen nicht von der Stange, sondern entwickeln gemeinsam mit dem Kunden sein spezielles Produkt. Der Aufwand, den wir betreiben, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, die Musterungen, die Prüfungen in unserem Labor zur Qualitätssicherung: Das alles kann der Wettbewerb so nicht.

Larsén-Mattes: Dem schließe ich mich mit der kleinen Ergänzung an, dass wir natürlich auch Günstig-Linien haben, aber diese nicht fokussiert verfolgen.

Moser: Wenn man über mehrere Jahre zurückschaut, sind natürlich auch bei uns die Durchschnittpreise gefallen. Das hat auch damit zu tun, dass die Qualitäten bezogen auf die Grammaturen zurückgegangen sind. Wir erleben aber aktuell einen Umschwung und liefern qualitativ wieder höherwertig.

Haustex: Worauf führen Sie das zurück?

Larsén-Mattes: Darauf, dass die Kunden sich besinnen. Sie sind unser Fokus, das was der Kunde will, machen wir. Uns kommt die Zeit tendenziell entgegen.

Haustex: Weil das Bewusstsein für Qualitätsprodukte auch beim Endverbraucher wieder steigt?

Moser: Wenn das einzige Differenzierungsmerkmal für das Endprodukt der Preis ist, wird es immer jemanden geben, der billiger liefert. Wir meinen zu sehen, dass sich die Kunden wieder auf den originären Qualitätsbegriff zurückbesinnen und sagen: Als Differenzierungsmerkmal am Markt hilft eben doch die Qualität. Nur der Preis reicht da nicht. Es wird wieder stärker versucht, Qualität im Sinne eines höherwertigen Produktes einzusetzen, aber auch den Gedanken der Nachhaltigkeit zu leben.

Haustex: Das ist für Sie kein neues Thema. Die aktuellen Debatten über Klima- und Umweltschutz dürften ihnen daher sehr zupasskommen, oder?

Larsén-Mattes: Das läuft uns im Prinzip voll rein. Wir geben seit nahezu 25 Jahren eine Umwelterklärung ab, seit vielen Jahren eine Nachhaltigkeitserklärung. Seit mehr als zehn Jahren sind wir in der Nachhaltigkeits-Initiative Baden-Württemberg engagiert. Diese Initiative hat zum Ziel, die Welt in dieser Hinsicht ein Stück besser zu machen. So ist auch die WIN-Charta entstanden, wo wir Erstunterzeichner waren. Nachhaltigkeit bedeutet vielerlei. Sie ist typisch für den Mittelstand.

Haustex: Warum ist das so?

Larsén-Mattes: Ein Mittelständler denkt in längeren Zeiteinheiten als Konzerne. Ökologie und Soziales sind bei uns über verschiedene Zertifizierungen gewährleistet. Sei es die DIN ES 14001 oder GOTS, IVN best, Green made oder Oekotex Standard 100, wo wir in der Regel in der Babyklasse arbeiten, und anderes mehr. Ich bin der Meinung, dass kein Wettbewerber von uns in dieser Hinsicht jemals Vergleichbares zu bieten hatte. Wir verfolgen diesen Sachverhalt ganz konsequent weiter.

Haustex: Alle reden über CO - Sie also auch?

Larsén-Mattes: Unsere CO-Bilanz stimmt schon seit Jahren, darüber spricht bei uns kein Mensch mehr. Wir haben beispielsweise die Produktreihe Eco Planet, bei der auf CO-Reduktion geachtet wird. Wir sind auch in die Faser-Analyse gegangen und haben analysieren lassen, welche Pflanzen welche Fasern abgeben können. Wir haben uns schließlich für die Nessel und unser Produkt Marlene entschieden. Das ist ein sehr beschwerlicher Weg. Zur Stunde haben wir zwar ein Produkt in Marlene-Qualität, das wir aber noch nicht als serienreif betrachten.

Haustex: Was macht die Entwicklung so schwierig?

Larsén-Mattes: Die Partner im Bereich Marlene hatten uns mehr in der Zusammenarbeit versprochen als sie nachher in der Lage waren zu halten. Deswegen mussten wir uns des Themas wieder ganz neu annehmen. Zur Stunde verfolgen wir zwei Linien und Wege, die uns Anlass geben, sehr positiv in diese Richtung zu sehen. An einem anderen Produkt, das im Moment bei uns serienreif ist, wozu ich aber nichts weiter sagen werde, weil es geheim ist, haben wir 30 Jahre gearbeitet. Was sollen da die paar Jahre bei der Marlene bis jetzt ausmachen?

Haustex: Profitieren Sie von der aktuellen Debatte, die Greta Thunberg angestoßen hat?

Moser: Für uns ist diese Bewusstseinsschaffung von großem Vorteil, weil wir schon lange auf diesem Trip sind. Nachhaltigkeit besteht für uns aus zwei Themen: Die Nachhaltigkeit in den Prozessen des Unternehmens mit den entsprechenden Auditierungen und Zertifizierungen. Und die Nachhaltigkeit in den Produkten, egal ob das die Brennessel Marlene ist, Leinen, Bottle-Polyester oder was auch immer. Wir haben in den letzten 25 Jahren in beiden Segmenten sehr intensiv gearbeitet.

Haustex: Wird das von Ihren Kunden honoriert?

Moser: Unsere Kunden stehen vor einer Entscheidung: Wollen sie wirklich ein nachhaltig hergestelltes Produkt haben, oder wollen sie Green-Washing betreiben? Wenn man nachhaltige Produkte mit nachhaltigen Prozessen herstellt, wird das nicht zum Nulltarif gehen, das muss einem klar sein.

Haustex: Wo fängt für Sie Nachhaltigkeit an, wo hört sie auf?

Lara Keinath: Bei mir beginnt Nachhaltigkeit mit der Social Accountability. Wir sind nach SA8000 zertifiziert. Das bedeutet: Mindestlöhne, keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit. Das halten wir zum Beispiel beim Garneinkauf ein, wo wir bewusst auf Produkte verzichten, bei denen wir wissen, dass sie nicht so produziert wurden, wie wir uns das wünschen. Das kommunizieren wir auch gegenüber den Kunden. Es kann sicher jemand ein günstigeres Produkt anbieten, der darüber hinwegsieht. Wir möchten das nicht. Wir sehen uns hier in der sozialen Verpflichtung, dass wir dort einkaufen wo gewährleistet ist, dass die Standards eingehalten werden.

Moser: Noch einmal: Nachhaltigkeit bedeutet für uns Ökonomie, Ökologie und Soziales - in den Prozessen und Produkten. So wird Nachhaltigkeit ganz klassisch definiert. Daran halten wir uns sehr streng und decken alle drei Punkte in den Prozessen und Produkten ab.

Haustex: Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Moser: Wir verarbeiten zum Beispiel Garne, die sich auf einem Garnträger befinden. Diese sind in der Regel aus Polyolefinen und waren für uns immer ein Abfallgut. Schon vor Jahren haben wir über unser Ökomanagement eingeführt, dass diese Garnträger geschreddert und wieder zu Gebrauchsgütern verarbeitet werden. Das ist zwar ein Downcycling, das ist uns bewusst - aber lieber ein Downcycling als gar kein Recycling.

Haustex: Haben Sie auch ein Beispiel aus dem Recycling?

Moser: Früher haben wir immer Frischöl gekauft, das Altöl musste entsorgt werden. Bis im Ökomanagement jemand auf die Idee kam, das Altöl zu reinigen. Jetzt haben wir eine Ölreinigungsanlage in der Firma und verdienen Geld mit der Altölreinigung. Da befeuert die Ökologie die Ökonomie.

Haustex: Was treibt Sie hier an?

Moser: Man muss das Richtige tun, und das ist das Richtige.

Haustex: Sind sie ein grünes Unternehmen?

Larsén-Mattes: Wir sind grüner als viele andere Unternehmen, Punkt.

Moser: Das, was wir tun, wird in der Zukunft Normalität werden müssen. So wie die Menschen in den letzten hundert Jahren mit Rohstoffen umgegangen sind, kann es nicht weitergehen. Da braucht es einen anderen Umgang. Nur ein Beispiel: Man kann nicht eine Jeanshose für acht oder zehn Euro kaufen, diese drei Monate tragen und dann wegschmeißen. Das ist ein echter Frevel! Es ist ökologisch, ökonomisch und sozial nicht in Ordnung. Um bei der Jeans und damit beim Baumwollanbau mit seinem immensen Wasserverbrauch zu bleiben: Wasser wird irgendwann bewertet werden müssen, weil es immer knapper wird. Und dann wird auch die Jeanshose nicht mehr für zehn Euro kaufbar sein.

Larsén-Mattes: Welches Unternehmen hat etwa begonnen, auf dem Acker 40.000 Pflanzen zu setzen? Damit wäre Ihre Frage in meinen Augen beantwortet. Ergänzt durch 16 Zertifizierungen und ein akkreditiertes Labor, was unseres Wissens nach kein anderer Wettbewerber am Markt hat.

Haustex: Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Labor?

Larsén-Mattes: Das Installieren des Prüflabors war zunächst damit verbunden, einen erheblich hohen sechsstelligen Betrag zu investieren. Ein akkreditiertes Prüflabor ist dem vergleichbar, was in Forschungsinstituten beheimatet ist. Es berechtigt unter anderem auch, fremde Prüfungen auszuführen und dafür eine Rechnung zu schreiben. Unser erster Ansatz war aber nicht so sehr der kommerzielle, sondern uns insbesondere der Automobilindustrie als ein Zulieferer zu empfehlen, bei dem es an nichts mangelt. Das hat sehr ordentlich funktioniert und wir konnten den entsprechenden Effekt erreichen.

Haustex: Hat sich die Investition gerechnet?

Larsén-Mattes: Wir wären keine Kaufleute, würden wir nicht aufs Geld achten. Es ist klar, dass wir das Labor von Anfang an auch als Profitcenter gesehen haben. Nicht so die Welt um uns herum. Man hat jetzt nicht ausschließlich auf Mattes und Ammann und ein akkreditiertes Prüflabor gewartet. Und so war es die letzten drei Jahre unsere Aufgabe, sukzessive Kunden zu gewinnen, die auch in der Regel Meterware herstellen, uns aber nicht als Wettbewerber empfinden, oder uns aufgrund unserer Geisteshaltung tolerieren. Ich darf Ihnen sagen, dass das Jahr 2019 das finanziell erfolgreichste Jahr werden wird. Es ist ein ansehnlicher fünfstelliger Betrag, der hier eingenommen wird.

Haustex: Sie sprachen von der Automobilbranche. Unterscheidet sie sich in ihren Nachhaltigkeits-Anforderungen vom Heimtex-Bereich?

Larsén-Mattes: Ich glaube, dass der Heimtex-Bereich bei uns davon profitiert, dass wir Automobilzulieferer sind. Die Autoindustrie ist eine anstrengende Industrie in der Belieferung. Es gibt dort eine ganz hohe Preissensibilität, und auf der anderen Seite erwartet diese Kundschaft ein Produkt mit null Fehlern. Wir sind seit 1990/1991 zertifizierungstechnisch zur Perfektionierung unserer Systeme unterwegs und leben natürlich auch nicht zwei Kulturen - hier Automobil, dort Heimtex - sondern haben unsere Kultur an den strengeren Vorgaben der Kundschaft an uns ausgerichtet.

Haustex: Inwiefern konnte der Heimtex-Bereich hier profitieren?

Larsén-Mattes: Das Kostendenken der Autoindustrie hat unmittelbaren Niederschlag gefunden in der Heimtex-Industrie, wenngleich unsere Kundschaft im Heimtex-Bereich das Moment der Qualität noch nicht so konsequent wie die Autoindustrie in ihre Gesamtüberlegung einbindet. Sie ist noch etwas traditioneller preisempfindlich. Dem können wir aber begegnen, indem wir nicht unbedingt der Billigste sind, sondern der Günstigste, wenn man die Fehleranzahl per Rolle und damit die Ausbeute aus der Lieferung betrachtet. Hier wird allerdings die Heimtex-Industrie im Moment sensitiver. Und auch das ist etwas, was uns am Markt nach vorne bringt.

Moser: Wir haben relativ starke Wettbewerber aus der Türkei, die in den letzten Jahren zunehmend stärker geworden sind. Das erzeugt bei uns natürlich einen Preisdruck, denn dort wird ein Marktpreis generiert, den wir nicht ohne weiteres darstellen können, egal wie gut unsere Prozesse sind. Aber wenn man uns mit türkischen Wettbewerbern vergleicht, dann vergleicht man Äpfel mit Birnen. Und dann stellt sich die Frage der Wertschätzung: Schätzen die Kunden unsere Stabilität, unsere Zuverlässigkeit? Oder sagen sie: So lange das mit der Türkei politisch gut geht, machen wirs dort.

Larsén-Mattes: Natürlich beziehen auch wir Baumwolle aus der Türkei. Das ist heute in der Baumwollbeschaffung ein normaler Vorgang. Aber wir haben seit vielen Jahren im asiatischen Bereich Partner, auch im Rahmen des Möglichen auditiert, die exakt unseren Vorstellungen entsprechen. Deshalb fühlen wir uns dort im Moment sicher aufgehoben.

Haustex: Sie suchen auch nach Alternativen zur Baumwolle, das Stichwort Marlene ist bereits gefallen. Wie ist der aktuelle Stand dieses Projektes?

Larsén-Mattes: Wir sind 2013 mit Marlene gestartet und haben ungefähr dreimal neu damit angefangen. Heute würde ich uns in der vierten Schleife sehen. Die dritte hat ein Patent hervorgebracht, wir konnten aber keinen Partner finden, der in ein Invest entsprechend hineingeht, um die Faser zu industrialisieren.

Haustex: Ist das bei einer ökologischen Innovation nicht eigentlich erstaunlich?

Larsén-Mattes: Es hängt damit zusammen, dass diese Industrie im europäischen Bereich sehr stark dezimiert wurde und die Verbliebenen nicht mehr in der früheren Art und Weise investitionsfreudig sind. Dies hat uns jetzt in die vierte Schleife geführt, wo wir wiederum bereits ein Schutzrecht angemeldet haben. Wenn es uns gelingt, das umzusetzen, werden wir den Markt mit einem Produkt erfreuen. Und wenn es uns aus heute noch nicht ersichtlichen Gründen nicht gelingt, würde die fünfte Schleife folgen. Auf jeden Fall werden wir nicht nachgeben.

Moser: Jeder spricht von Nachhaltigkeit, das geht leicht über die Lippen. Aber um wirklich zu agieren, müssten ein paar Tausend Hektar Land umbrechen. Das startet mit den Bauern: Sie müssen dafür gewonnen werden, den Mais, den Raps, den Weizen vom Acker zu nehmen, und Brennesseln anzupflanzen. Das heißt auch, die Pelletindustrie für die Holzbestandteile anzusiedeln, das bedeutet ebenfalls ein Invest und einen entsprechenden Aufwand. Und schließlich müsste sich die Kundschaft heute festlegen, wieviele Tonnen sie in fünf Jahren abnimmt von diesem Produkt zum Preis X. Dafür ist das Denken heute viel zu kurzfristig. Die Großindustrie folgt diesem Gedanken nicht.

Haustex: Aber trotzdem bleiben sie dran, weil sie an die Erreichbarkeit Ihrer Ziele glauben?

Larsén-Mattes: Wir waren immer schon von einem gewissen Idealismus geprägt.

Haustex: All das leisten Sie aus eigener Kraft, ohne staatliche Unterstützung?

Larsén-Mattes: Subventioniert werden sie auf der Schwäbischen Alb nicht. Punkt.

Haustex: Wollen Sie auch nicht?

Larsén-Mattes: Wir würden das Geld natürlich nehmen, weil wir Kaufleute sind. Aber es ist nicht entscheidend, ob es das gibt oder nicht. Für unseren Wettbewerb war es immer entscheidend, wo es diese Art Gelder gibt. Das war im Osten, in der Slowakei, in Rumänien - das sind wir nicht.

Haustex: Lassen Sie uns auf Ihre Produkte zu sprechen kommen. Welche Trends und Entwicklungen gibt es hier aktuell?

Eberhard Keinath: Im Heimtex-Bereich kommen wir ursprünglich sehr stark aus dem Bereich der Baumwolle und der Polyestermischungen. Später kam sehr stark Lyocell hinzu, also Tencel. Inzwischen ist es so, dass sogar Kunden, die relativ preisaggressiv sind, zum Beispiel auf recyceltes Bottle-Polyester gehen, oder auf Cotton made in Africa. Wir haben Refibra im Angebot, Seaqual und so weiter - also einen Blumenstrauß an nachhaltigen Produkten. Das wird in den letzten Jahren, inklusive sehr neuer Dinge wie Seaqual, sehr gut angenommen.

Haustex: Wieviel eigene Entwicklungsarbeit steckt darin?

Eberhard Keinath: Das sind Dinge, die wir teilweise selbst entwickeln oder die uns von den Lieferanten angeboten werden und die wir dann einsetzen. Zum Beispiel Refibra von Lenzing, das ist ein Lyocell-Baumwoll-Gemisch, wobei die Baumwolle aus Schnittabfällen gewonnen wird. Hinter Seaqual verbirgt sich Plastikabfall aus dem Meer.

Moser: Eines der Produkte, in die wir selbst sehr viel Entwicklungsarbeit gesteckt haben, waren die Leinenprodukte für die Matratzenindustrie. Leinen wächst in Zentral-Europa und wird beispielsweise in Frankreich und Belgien angebaut, was der Fracht zugute kommt. Hier haben wir Garne für die Anwendung im Heimtex-Bereich ausspinnen lassen. Das war durchaus nicht trivial.

Haustex: Was war das Problem?

Moser: Man kennt Leinen mit seinem klassischen Charakter: kernig, neigt zu Falten, lässt sich schlecht bügeln und so weiter. Es ist aber auch eine sehr hydrophile Faser. Hier standen wir vor einer schwierigen Aufgabe, denn Leinen ist zwar ökologisch der totale Knaller, aber die Kunden nehmen es nicht an, weil es einfach zu hart ist für die Matratzenindustrie - Matratzenstoff muss weich sein. Wir haben eine Ausspinnung gemeinsam mit Baumwolle und Lyocell vornehmen lassen, so dass man den Leinen-Anteil ins Produkt hineinkriegt, und trotzdem die Weichheitsanforderungen generieren kann, gepaart mit einem sehr schönen hydrophilen Warencharakter. Da kommt am Ende alles zusammen, das hat uns aber relativ viel Arbeit gemacht.

Haustex: Sie sprachen von weiteren Produkten.

Moser: Im synthetischen Bereich hat uns das biologisch abbaubare Polymer ebenso viel Arbeit gemacht, das ist aber auch super spannend. Wenn man sich die Matratze anschaut, muss man sie am Ende ihrer Nutzungszeit entsorgen. Was passiert mit diesem Produkt? Die Gesetzgebung wird in den nächsten Jahren deutlich schärfer werden, was Reyclingquoten und Rücknahmeverpflichtungen anbelangt. Damit haben wir uns vor Jahren sehr intensiv beschäftigt, mit einem klaren Ziel: Wir brauchten ein synthetisches Polymer, um die technische Performance zu generieren, sonst könnte man ja auch alles aus Baumwolle machen.

Haustex: Worin liegt der Vorteil einer synthetischen Komponente?

Moser: Man baucht sie, wenn man bestimmte Bedingungen an das Produkt stellt, das waschbar und anti-bakteriell sein soll. Aber es bleibt die Frage, was man am end of life macht, wenn man eine synthetische Komponente einsetzt und das Material in einem Mehrkomponentensystem versteppt ist. Unser Ziel war es, aus dem biologisch abbaubaren Polymer die ganze Matratzenhülle herzustellen. Das heißt, es müssen der Oberstoff, das Untersteppmaterial, das Vlies, der Reißverschluss und der Nähfaden biologisch abbaubar sein. Dann nimmt man am Ende den Schaum oder Federkern heraus und kann die komplette Hülle biologisch abbauen und in den biologischen Kreislauf überführen.

Haustex: Das klingt einfacher, als es gewesen sein dürfte.

Moser: Da wir Meterwarenhersteller sind, haben uns die Vliesherstellung und die Reißverschlussherstellung unendliche Mühe gekostet. Jetzt haben wir ein cradle-to-cradle-zertifiziertes System, das von Rössle und Wanner als erstem Unternehmen in Serie gebracht wurde. Es ist ein substanziell starkes Produkt, für das wir sehr viele Anstrengungen unternommen haben. Aber auch hier ist wieder nachhaltiges Denken gefordert: Man muss ein Rücknahmesystem etablieren und das Produkt einem industriellen biologischen Abbau zuführen. Die klassische Denke lautet bisher: kaufen und wegwerfen. Im Sinne der Nachhaltigkeit muss es aber heißen: kaufen, zurücknehmen, wiederverwerten. Es bedeutet aber auch: Ich verkaufe heute etwas, für das ich in zehn Jahren die Rücknahme gewährleisten soll. Da alles ist wahnsinnig aufwändig.

Haustex: Das setzt aber auch voraus, dass der Endverbraucher dies nachfragen und kaufen muss.

Lara Keinath: Auch der Endverbraucher muss bereit sein, Nachhaltigkeit zu leben. Also ein Produkt mit einer langen Lebensdauer zu kaufen und sich beim Kauf Gedanken darüber zu machen, dass dieses Produkt nicht am Ende der Umwelt zur Last fällt. Das ist beim Endverbraucher teilweise noch ein längerer Prozess. Nehmen Sie das Beispiel der LED-Lampen: Zu Beginn wurden die auch nicht gekauft, weil sie sehr teuer waren, dann wurde das Produkt industrieller. Mittlerweile ist eine LED-Lampe ein Standard-Produkt, und der Verbraucher ist auch bereit, dafür etwas zu bezahlen. Hier findet ein Umdenken statt.

Haustex: Mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit: Wo sehen sie die nächsten Herausforderungen für Ihr Unternehmen?

Moser: Das nächste große Thema, an dem wir arbeiten, ist chemisches Recycling von Textilien. Der Denkfehler der Menschen liegt in der Verschwendung von Rohstoffen - billigst kaufen, kurz nutzen, wegwerfen oder unter einem Charity-Aspekt nach Afrika liefern. Dieser Charity-Aspekt ist nichts anderes als Kolonialismus pur. Wir verhindern den Aufbau der Industrie in Afrika und verlagern unseren Müll dort hin.

Haustex: Worin sehen Sie die Alternative?

Moser: Das chemische Recyling dieser Rohstoffe, also die Aufspaltung in ihre chemischen Komponenten, um kein Downcycling zu betreiben, sondern ein hochwertiges Gut zu erzeugen, wird unseres Erachtens das nächste große Thema werden. Daran arbeiten wir. Unser Ziel ist auch hier, zukunftsfähig zu bleiben und das zu tun, was in Zukunft unseren Umsatz, unseren Absatz und letzten Endes unser Dasein als Unternehmen sichert.
aus Haustex 12/19 (Wirtschaft)