Bauwerk Boen: Interview mit Klaus Brammertz und Tanja Lockwood

"Schlanker, schneller, kundennäher"

Neuer Verwaltungsrat, neue Eigentümerstruktur, hohe Investitionen - bei der Bauwerk Boen Group ist seit zwei Jahren viel in Bewegung. Zum Jahresanfang 2020 hat sich die Gruppe strategisch und organisatorisch neu aufgestellt. Zugleich wurde das Sortiment der Marke Bauwerk komplett überarbeitet und neu strukturiert. Viele Themen, über die Parkett Magazin mit CEO Klaus Brammertz und der neuen CMO Tanja Lockwood sprach.

Parkett Magazin: Herr Brammertz, als Sie Ende September 2019 die Halbjahres-Zahlen vorstellen, hinkte die Bauwerk Boen Group noch hinter dem Vorjahr her, Sie sprachen aber von einer positiven Tendenz. Hat sich das in den letzten Monaten des Jahres bewahrheitet ?

Klaus Brammertz: Sie wissen, dass ich noch keine konkreten Zahlen nennen kann (die 2019-Zahlen der Bauwerk Boen Group werden am 29. April 2020 veröffentlicht, Anm.d.R.) nur so viel, dass wir im Herbst einen soliden, steigenden Auftragseingang hatten und davon ausgehen, dass wir 2019 besser abschließen als das Vorjahr.

Das gilt für Umsatz und Ertrag ?

Brammertz: Vor allem für den Ertrag. Im Umsatz dürften wir uns nicht nennenswert steigern. Bei einer etwas geringeren Menge konnten wir den Produktmix und den Ländermix verbessern. Zusammen mit der inneren Gesundung durch die effizienzsteigernden Maßnahmen, die wir in den Werken umsetzen konnten, führt das zu besseren Erträgen.

Wie verteilt sich der Umsatz auf Ihre beiden Marken Bauwerk und Boen?

Brammertz: Unverändert 50:50.

Und wie verteilt sich der Umsatz auf die verschiedenen Märkte?

Brammertz: Von den 292 Mio. CHF, die wir 2018 erzielt haben, entfielen 180 Mio. CHF auf die DACH-Region, weitere 35 Mio. CHF auf Westeuropa. Auch in Osteuropa sind wir stark mit 35 bis 40 Mio. EUR.

Ist das hauptsächlich ein Boen-Geschäft?

Brammertz: Nein, dort sind wir mit beiden Marken gut unterwegs. Boen ist zwar insgesamt etwas stärker, allein durch die Homebase Baltikum, aber für Bauwerk ist zum Beispiel Polen ein ganz wichtiger Markt, wir sind in Ungarn und Rumänien gut, haben gerade einen neuen Vertriebsmann für den Balkan eingestellt und sind auch schon länger in Russland aktiv.

Und wie haben Sie in Ihrem Hauptabsatzgebiet abgeschnitten, der DACH-Region? Der wichtige deutsche Parkettmarkt war 2019 wieder leicht rückläufig, besonders gelitten haben die traditionellen Handwerksprodukte. Das ist Ihre Domäne bei Bauwerk, haben Sie das gespürt?

Brammertz: Nein, wir sind gegen den Trend gewachsen und konnten unseren Marktanteil in Deutschland um 1 % erhöhen. Damit kommen wir in Deutschland zum ersten Mal mit der Gruppe auf einen Marktanteil von über 15 %. Darauf dürfen wir stolz sein. Aber wir hatten 2019 auch einen klaren Fokus auf Deutschland gesetzt und unsere Initiativen haben richtig gegriffen. Wir sind bei den Verlegern sehr gut mit der Marke Bauwerk unterwegs und ebenso mit Boen im Handel.

Tanja Lockwood: Natürlich spüren wir den Gegenwind auf dem deutschen Markt, aber wir haben klare Ziele und kämpfen weiter.

Das hört sich ja gut an, doch im Markt war auch die Rede von Lieferschwierigkeiten bei Bauwerk.

Brammertz: Ja, wir hatten gravierende Lieferprobleme über einen längeren Zeitraum, bis weit ins Jahr 2019 hinein, deutlich mehr, als wir es je erfahren haben. Dabei haben zwei Themen eine große Rolle gespielt. Das eine war unser internes Problem mit dem Werksanlauf in Kroatien, wo Fehler in der Rohstoffversorgung und im proaktiven Managen des Verarbeitungsprozesses passiert sind. Das ist alles behoben.

Das zweite und gravierendere Thema ist die Rohstoffqualität durch die Verknappung der Eichenressourcen in Europa. Die Ausbeuten schwanken deutlich mehr als früher und die Qualitäten sind in den letzten drei Jahren deutlich rustikaler geworden. Das hat bei uns 2018 einen Höhepunkt erfahren. Wir kaufen natürlich im Vorfeld definierte Qualitäten und waren der Meinung, dass wir für die Saison gut eingekauft hätten und sind dann bei beiden Marken mit Aufträgen überrannt worden. Deshalb hatten wir zu wenig Rohmaterial, um vor allem feine Sortierungen bedienen zu können. Das hat vor allem Bauwerk extrem getroffen bei Villapark, einem Leitprodukt von uns. Wir mussten einen großen Teil der möglichen Verkäufe umpolen, das hat wehgetan.

Lockwood: Inzwischen ist das Thema wieder passé für uns, wir haben längst wieder eine Lieferfähigkeit von über 98 % und können uns auf das Verkaufen konzentrieren.

Brammertz: Wir haben eben lange Laufzeiten in dieser Branche. Wir kaufen das Rohmaterial in der Regel sechs bis neun Monate bevor es Parkett wird. Und wenn es dann unerwartete Abweichungen gibt, haben wir einen langen Reaktionsweg. Das ist ja das Verrückte an unserer Branche: Wir kennen die Endverbraucherbedürfnisse und wir wollen sie befriedigen. Aber das geht nicht 100%-ig, weil wir nicht einfach den Hahn aufdrehen und mehr produzieren können von dem, was gerade en vogue ist und nachgefragt wird. Weil wir nur mit dem leben können, was die Natur uns bietet.

Sie betreiben doch eigene Sägewerke. Lässt sich darüber nicht im Falle solcher Engpässe Nachschub organisieren?

Brammertz: Unsere Sägewerke repräsentieren nur 40 % unseres Bedarfs, 60 % kaufen wir zu. Wir können auch atmen mit den Sägewerken, könnten auf 60 bis 70 % Eigenversorgung hochfahren, das macht aber keinen Sinn.

Sie sagten gerade, dass urdevac nach den Anlaufschwierigkeiten jetzt rund läuft. Wie verteilt sich nun die Produktion auf Ihre drei Werke?

Brammertz: Da ist inzwischen eine ganz interessante Konstellation entstanden, die nachhaltig und erfolgreich ist. Fangen wir mit St. Margrethen an, ein tolles Werk, in dem wir die großformatigen zweischichtigen Parkette fertigen. Versorgt wird es just in time mit Decklagen aus der Vorproduktion in Kroatien. Ziel ist, in etwa einen Monatsbestand an Decklagen in St. Margrethen vorzuhalten.

urdevac ist ein zweiteiliges Werk. Zum einen fertigen wir aufgrund des nachhaltig verfügbaren Rohmaterials für die dortige Weiterverarbeitung vor, zum anderen für St. Margrethen und in geringem Maß für Litauen - aber nur zu Abdeckung von Spitzen. Die Parkettproduktion ist eine Kopie von Kietavikés in Litauen. Wir stellen Dreischichtparkett mit bislang ausschließlich lackierter Oberfläche her. In naher Zukunft werden geölte Oberflächen hinzukommen und innerhalb der nächsten zwei Jahre B-Protect- und Live Pure-Oberflächen. Das Grundprinzip ist, dass wir in Kroatien immer ausgelastet dreischichtig fahren - weil wir dort entsprechend Rohmaterial zur Verfügung, die neuesten Anlagen und die niedrigsten Lohnkosten aller drei Standorte haben. Und Litauen schließlich konzentriert sich auf die Volumenprodukte im Zwei- und Dreischichtbereich.

Die ersten Stimmen werden laut, dass sich die Baukonjunktur abkühlt. Schließen Sie sich denen an?

Brammertz:Die Indikatoren sind natürlich immer die Bauzahlen, weil wir in unserer Branche zu 50 % vom Neubau abhängig sind. Und der Neubau ist in manchen Märkten rückläufig. In Deutschland ist der Neubau sehr gesund, es könnte noch viel mehr fertiggestellt werden, wenn die Ausbaukapazitäten vorhanden wären. Hier erwarten wir auch für 2020 ein kleines Plus. Wobei das davon abhängt, wie es uns als Branche gelingen wird, Parkett in den Fokus zu stellen, damit die Kannibalisierung durch andere Produkte eingedämmt wird.

In Österreich sehen wir für 2020 ebenfalls ein leichtes Plus wie schon 2019, auch in Frankreich und Italien sprechen die Fakten dafür.

Die Schweiz ist hingegen schwierig. Dort sind die Baubewilligungen binnen 15 Monaten um 15 % zurückgegangen. Da spielen politische Themen wie die eingeschränkte Zuwanderung eine Rolle, die Netto-Zuwanderung beträgt nur noch 30.000 statt 100.000 und uns fehlen die 70.000, die eine Wohnung gebraucht hätten. Der zweite Schweiz-spezifische Faktor ist die Zweitwohnungs-Initiative, die den Anteil der Zweitwohnungen auf maximal 35% limitiert. Das trifft uns, denn in diesen Zweitwohnungen werden in der Regel hochwertige Landhausdielen verlegt. Aus diesen Gründen gehen wir in der Schweiz von einem leichten Minus aus.

Was uns in Europa fehlt, ist ein Leitmarkt wie Schweden mit über 5 % Plus über sieben Jahre hinweg. Das ist jetzt nicht nur in Schweden nicht mehr der Fall, es ist auch anderswo nicht in Sicht. Auch nicht in Osteuropa. Zieht man den Strich darunter, bedeutet das ein stagnierendes Umfeld.

Mit Vollgas auf den Kunden konzentrieren

Wie bereitet sich die Bauwerk Boen Group darauf vor? Welche Rolle spielen die Veränderungen im Verwaltungsrat und der Eigentümerstruktur bei Ihrer künftigen Strategie?

Brammertz: Ja, natürlich hat das einen Einfluss. Was für uns ganz relevant ist: Nach zehn Jahren wechselnder Eigentümer mit Private Equity-Gesellschaften dürfen wir nun längerfristig denken. Wir gehören zu 98 % einer Stiftung, die philanthropisch tätig ist und mit den Gewinnen aus ihren Industriebeteiligungen soziale und kulturelle Aktivitäten in der Schweiz fördert. Jedes Jahr werden über 2.500 Projekte bearbeitet, an die zum Beispiel 2018 40 Mio. CHF ausgeschüttet wurden. Die Unternehmensbeteiligungen sind nachhaltig und langfristig aufgestellt.

Im Verwaltungsrat waren drei von fünf Mitgliedern neu in der Branche und wollten verstehen, wie diese funktioniert. Eigentlich bräuchten wir gar keinen Verwaltungsrat, weil wir nur einen Eigentümer haben. Weil aber unser Grundprinzip Professionalität ist, spiegelt der Verwaltungsrat das Management wider - es gibt in beiden Gremien Spezialisten für Finanzen, Vertrieb und Marketing.
Wir haben uns also im zweiten Halbjahr 2019 intensiv mit dem Status Quo und unserer Zukunft beschäftigt, den Markt und unsere Branche analysiert und Szenarien durchdacht. Rein faktisch sehen wir, wie eben schon gesagt, für den Neubau in Europa in den nächsten Jahren eher rezessive Tendenzen. Das ist für unsere Branche, für den Parkettabsatz hochrelevant. Zugleich sehen wir eine Riesenchance, im Zuge der "Fridays for Future"-Bewegung die Bedeutung von Parkett hervorzuheben und zwar in mehreren Stoßrichtungen: Zum einen den Anteil von Parkett als einzigem wirklich nachhaltigen Bodenbelag beim Neubau zu erhöhen, zum anderen der gesunden Renovierung Impulse zu geben. Keiner kauft heute mehr einen Bodenbelag für die Ewigkeit, schon gar nicht die Generationen Y und Z.

Und wir haben auch analysiert, wie wir uns als Gruppe seit dem Zusammenschluss von Bauwerk und Boen 2013 entwickelt haben. Das war übrigens das Beste, was uns passieren konnte. Es ist ja ein riesiges Unterfangen, aus zwei kulturell völlig unterschiedlichen Unternehmen eine Gruppe zu formieren, die an einem Strang zieht. Ich glaube, dass uns das sehr gut gelungen ist und wir die Synergien aus dem Zusammenschluss optimal nutzen konnten, aber es war kein Selbstläufer. Bei 90 % aller Unternehmensfusionen wird das eine mehr als Gewinner und das andere eher als Verlierer wahrgenommen. Das wollten wir unbedingt vermeiden und haben deshalb eine Struktur geschaffen, die auf allen Ebenen bis zum Topmanagement alle Kulturen reflektiert. Teilweise haben wir sogar die Verantwortlichkeiten gedoppelt und hatten zum Beispiel einen Produktionsleiter für den nördlichen Produktionsraum und einen für den südlichen, weil es dort völlig unterschiedliche Aufgabenstellungen gab. Das hat zu einer zweigeteilten Organisationsstruktur geführt.

Das haben wir zum 1. Januar 2020 verändert. Jetzt wollen wir uns schlagkräftiger auf die Zukunft ausrichten, schlanker, schneller und kundenorientierter werden, um die Prämissen, die ich vorher sagte, optimal nutzen zu können. In diesem Zuge haben wir auch den Vorstand von neun auf sechs Mitglieder reduziert.

"Schneller, schlanker, kundennäher" ...was bedeutet das konkret?

Brammertz: Das Wichtigste ist: Wir müssen deutlich stärker werden im Marketing. Wir haben durch die Zwei-Marken-Politik vieles parallel gemacht, auch unkoordiniert, und sehr viel Energie darauf verwandt, unsere beiden Marken zu differenzieren, statt auch Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen. Unter Tanja Lockwood als neuer CMO der Gruppe (Chief Marketing Officer, Anm.d. Redaktion) zentrieren wir das Marketing auf oberstem Level. Sie wird sich als Vorstandsmitglied um das strategische Marketing und das Branding kümmern, wobei Bauwerk unverändert die Marke für den Profi bleibt und Boen die Marke für den Handel. Für mich ist Marketing kriegsentscheidend. Wir müssen Nutzen ziehen aus der einmaligen Chance, die sich der Branche bietet.

Zugleich führen wir den Vertrieb unter Verantwortung von Geir Wåland zusammen, damit der die Vertriebsorganisationen beider Marken führt. Die Entscheidung zum Einsatz der Marken in einem Markt wird wiederum vom jeweiligen Länderchef getroffen. Wir wollen besser koordiniert in den Märkten vorgehen, bislang haben wir zu viel Energie dabei verschlissen. Das kann auch Anpassungen im Sortiment der beiden Marken mit sich bringen. Pragmatisches Beispiel: Wir werden den Parkettlegern unter der Marke Bauwerk definitiv mehr Dreischichtparkett anbieten als in der Vergangenheit.

Aber die Vertriebe bleiben grundsätzlich separat? Gerade in Deutschland waren Bauwerk und Boen bislang strikt getrennt unterwegs...

Brammertz: Wir werden in den großen Märkten die Verantwortung auf drei aufteilen: Eine für den Verarbeiter, das ist sortenrein Bauwerk, eine zweite für den Handel, das ist weit überwiegend Boen und eine dritte für das Objekt für beide Marken. Bei Bauwerk gibt es das schon, für Boen ist das neu.

Wie sind die Zuständigkeiten in Deutschland?

Brammertz: Guido Müller ist verantwortlich für beide Marken in Deutschland und Österreich und hat die Schweiz, sowie sein Engagement im Produktmanagement abgegeben. An ihn berichten Guido Reibel, der in Deutschland die Marke Bauwerk führt und Sven Adebahr in gleicher Position für Boen sowie Michael Edlinger, der als Länderchef Österreich Bauwerk und neuerdings auch Boen betreut.

Eigentlich dezentralisieren wir. Bislang haben wir die beiden Markenorganisationen sehr zentral geführt: Also Bauwerk definitiv als Schweizer Marke mit internationalem Anspruch und Boen als norwegische Marke mit internationalem Anspruch. Das wollen wir durchbrechen, indem wir sagen "Customer first", d.h. wir entscheiden so nah am Kunden wie möglich wie wir ihn optimal bedienen - unabhängig von der Marke. Die kommt erst im zweiten Schritt. Unsere Vision lautet "We offer the best customer experience". Wir wollen unbedingt Kundenzufriedenheit erreichen, mit allen Produkten, Services und Informationen, die wir bieten können.

Ich möchte noch die dritte Säule neben Marketing und Vertrieb ergänzen. Das ist der Bereich "Operations" unter Verantwortung von Michael Rankl. Das ist eine Superfunktion mit 1.300 Mitarbeitern vom Einkauf über die Produktionsplanung bis zur Logistik - eine geplante Maßnahme zur besseren Koordination von Einkauf und Produktion. Wir hatten zum Beispiel bislang den Holzeinkauf, der ein zentrales Element für uns ist, in die nördliche und die südliche Region gesplittet. Jetzt bündeln wir das, um das Einkaufsvolumen von ca. 220 Mio. EUR optimal ausschöpfen zu können.

Lockwood: Was mir besonders am Herzen liegt, ist der wesentlich stärkere Fokus auf den Kunden. Wir haben uns in den letzten Jahren stark mit der Vorbereitung auf die Zukunft beschäftigt, seit dem 1. Januar konzentrieren wir uns wieder mit Vollgas und zu 100 % auf den Kunden. Unser erstes Ziel ist, die beste Lösung für den Kunden zu finden.

Mein Hintergrund ist ja bislang Bauwerk, nun beschäftige ich mich mit der Marke Boen. Größte Potenziale sehe ich tatsächlich im Sortiment. Wir haben heute 2.700 SKUs (Stock Keeping Units, Anm.d.Red.), ein Riesensortiment. Das Bauwerk-Sortiment haben wir komplett überarbeitet, nun schauen wir uns an, was wir als Gruppe anbieten und wie wir uns schlagkräftig aufstellen können. Wir haben zwei Marken, mit denen wir spielen können und prüfen, wo wir näher zusammenkommen können und wo wir vielleicht wieder mehr Differenzierung brauchen. Um es klar zu sagen: Wir haben keinerlei Ambitionen, die beiden Marken zu verschmelzen, sondern wollen sie koordiniert einsetzen - so, dass es für den Vertrieb einleuchtend ist, mit welcher Marke er jeweils den Kunden zufrieden stellen kann.

Weitere Themen, mit denen wir uns befassen werden, sind die Digitalisierung und die grüne Welle. Die Klimadiskussion spielt Parkett in die Karten und davon wollen wir natürlich profitieren.

Sie erwähnten eben die grüne Welle, an der Parkett partizipieren kann. Muss die Branche nicht generell mehr für ihr Produkt tun? Offensiver werden?

Brammertz: Ja, die Branche müsste sehr viel mehr für Parkett tun. Es ist wirklich an der Zeit für eine verbraucherverständliche Kommunikation. Das machen andere Bodenbeläge besser. Weil sie sich möglicher negativer Aspekte bewusst sind und dann proaktiv dagegen steuern. Und wir, die das natürliche, authentische, nachhaltige Produkt haben, unternehmen zu wenig, um diesen Vorteil darzustellen, sondern denken immer noch, dass das allgemein bekannt ist. Und wir sind auch zu fragmentiert als Branche.

Daher meine ich weniger eine Gemeinschaftswerbung, als vielmehr gemeinsam in ein Horn zu stoßen und eine Grundargumentation zu verfolgen, Aufklärung zu betreiben.

Haben Sie im Zuge der strategischen Neuaufstellung auch überlegt, wie andere Branchenplayer Ihr Sortiment über Parkett hinaus zu erweitern?

Brammertz: Wir wollen uns gewissen R & D-Themen stellen, die neuer Natur sind, zum Beispiel neue Bearbeitungsverfahren von Holz. Aber eines ist klar: Wir bleiben beim Holz. Das war eine der ersten Grundsatzfragen, die wir uns gestellt haben, vor allem angesichts der Herausforderung, dass große Marktbegleiter in andere Bodenbelagsarten investieren.

Wir wollen stattdessen unser internationales Geschäft stärken und die Abhängigkeit vom europäischen Markt verringern. Aber nicht dadurch, dass wir Europa zurückfahren, sondern vielmehr stärker international investieren. Unser Fokus ist klar zweigeteilt: Zum einen Nordamerika, wo wir Vertriebsstrukturen aufbauen werden, zum anderen machen wir in China einen größeren Schritt nach vorne und sind dabei, ein Konzept umzusetzen, mit dem wir die Marke Bauwerk stärker im chinesischen Markt einsetzen wollen. Auf der Boen-Seite arbeiten wir seit vielen Jahren erfolgreich mit einem Exklusivpartner zusammen, mit Bauwerk gehen wir einen anderen Weg.

Haben Sie in Nordamerika mit Mehrschichtparkett überhaupt eine Chance? Ist das nicht eher ein Massivparkettmarkt?

Brammertz: Richtig, über die Hälfte ist Massivparkett, aber in den letzten Jahren gibt es exponentielle Änderungen in Richtung Mehrschichtparkett. Der nordamerikanische Mehrschichtparkettmarkt wird von den Chinesen dominiert. Da eröffnen sich für uns Europäer Chancen durch den Handelskrieg der USA mit China - durch die unglaubliche Verteuerung und auch die emotionale Barriere, chinesisch zu kaufen. Diese Chancen wollen wir nutzen.

Bauwerk Boen bleibt also beim Holz... auch nur aus eigener Produktion oder wäre denkbar, dass Sie zum Beispiel mit Importware Segmente bedienen, in denen Sie bisher nicht aktiv waren?

Brammertz: Das wäre denkbar, ist aber nicht geplant. Wir schließen es nicht aus, was ich auch für falsch hielte. Wenn es zum Beispiel Produkte gäbe, die auf einer einzigartigen Technologie beruhen, würden wir die gerne haben.,

Frau Lockwood, ursprünglich waren Sie in St. Margrethen als Verantwortlich für die Marke Bauwerk angetreten. Wie lautet Ihr Fazit nach einem Jahr?

Lockwood: Ich bin ein ganz großer Fan der Marke Bauwerk. Sie hat ein starkes Profil, Leuchtturmcharakter in der Parkettbranche und sehr viel Potenzial, um auf diesem extrem guten Fundament aufzubauen. Wir erfahren viele Herausforderungen im Markt, angesichts derer es man sich nicht leisten kann, stillzustehen.

Was uns im vergangenen Jahr sehr bewegt hat, war das Thema Lieferfähigkeit. Qualität und guter Service sind ein Kernfaktor unseres Erfolges, deshalb haben wir intensiv mit Planung und Produktion zusammengearbeitet und die Prozesse optimiert, damit wir unsere Kunden noch besser zufriedenstellen können.

Außerdem war ich überrascht von der Komplexität der Branche und der Produkte. Teilweise sind die Sortimente sehr groß, auch bei uns. Natürlich lebt Bauwerk von einem tollen Sortiment, das für alle Zielgruppen von Retail bis Objekt das richtige Angebot bereithält. Ich glaube aber auch, dass es heute angesichts der Informations- und Produkflut immer schwieriger wird, bei einer riesigen Auswahl einen Verkaufsabschluss zu tätigen. Von daher haben wir das Sortiment von Grund auf zukunftsfähig überarbeitet, mit dem Ziel, die Komplexität zu verringern, die Struktur in Richtung Kunde zu vereinfachen, was sich auch nach hinten in der Kette positiv auf die Lieferfähigkeit auswirkt. Das ist die größte Erneuerung, die das Bauwerk-Sortiment je erfahren hat. Wir haben es nach einer leicht verständlichen Logik neu strukturiert, verschlankt, dabei die Bestseller behalten und ein Verkaufskonzept entwickelt, das für alle Zielgruppen funktioniert.

Ein weiteres wichtiges Thema für uns ist die Kommunikation pro Holz, die wir in diesem Jahr von unserer Seite aus mit forcieren werden. Es gibt ja schon eine österreichische und ein Schweizer Kampagne, die wir mit unterstützen, aber haben natürlich auch unsere Parkettwelten zum direkten Austausch mit den Endkunden und Architekten, in denen wir mit einer besonderen Aktion das Holz zum Sprechen bringen werden. | Das Interview führte Claudia Weidt


Bauwerk Boen Group
Die Bauwerk Boen Group gehört zu den Top 3 der europäischen Parkettindustrie. Die 2013 aus der Fusion von Bauwerk Parkett AG und Boen AS entstandene Formation fährt bewusst eine Zwei-Marken-Strategie: Bauwerk liefert Profiparkett, massiv, zwei- und dreischichtig, an den Verarbeiter, Boen bedient mit Dreischicht- und Zweischichtparkett den Groß- und Fachhandel.

Nach einem schwierigen Jahr 2018 hat sich der Konzern 2019 wieder erholt und konnte Erlöse und Volumina stabilisieren. In Deutschland konnte Bauwerk Boen im vergangenen Jahr in einem rückläufigen Markt hinzugewinnen und beansprucht dort nun einen Marktanteil von 15 %.

2019 übernahm die schweizerische Ernst Göhner-Stiftung vom vorherigen norwegischen Co-Eigentümer dessen Anteile und hält nun 98 %. Die Stiftung ist philanthropisch - und langfristig - orientiert, die Gewinne, die Bauwerk Boen und andere Industriebeteiligungen abführen, fließen in humanitäre Projekte.
"Schlanker, schneller, kundennäher"
Foto/Grafik: SN-Verlag, Claudia Weidt
Klaus Brammertz, Jahrgang 1959, steht seit Juni 2009 als CEO und President am Ruder der Bauwerk Parkett AG und heutigen Bauwerk Boen Group. Der Betriebswirt startete seine berufliche Karriere bei dem früheren Bodenbelagshersteller Pegulan in Frankenthal, stieg dort nach der Übernahme durch Tarkett weiter auf, internationalisierte dann als Geschäftsführer Wolf Garten und wechselte 2001 zu Leica Geosystems in schweizerische Heerbrugg. Brammertz lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in der Schweiz, besitzt sogar einen Schweizer Pass, erholt sich am liebsten im Tessin und hat eine Passion für schnelle Fahrzeuge, sowohl zwei- als auch vierrädrig.
"Schlanker, schneller, kundennäher"
Foto/Grafik: SN-Verlag, Claudia Weidt
Tanja Lockwood trat im Januar 2019 als President Bauwerk Brand und Senior Vice President Bauwerk Boen in St. Margrethen an, zu Beginn 2020 ist sie zum CMO (Chief Marketing Officer) der Gruppe aufgestiegen. Die eloquente, zielstrebige Wahl-Schweizerin verfügt über mehr als 15-jährige Erfahrung in B2B- und B2C-Marketing mit besonderem Schwerpunkt auf Markenführung, Kommunikation und digitalen Strategien, unter anderem in Führungspositionen bei Swarovski und Villeroy & Boch. Ihre Freizeit genießt die gebürtige Ulmerin gern auf dem Pferd.
"Schlanker, schneller, kundennäher"
Foto/Grafik: SN-Verlag, Claudia Weidt
Bauwerk-Parkettproduktion in St. Margrethen
1935 brachte Ernst Göhner die Idee vom Klötzli-(=Mosaik)Parkett zur Serienreife und gründete damit 1944 die Bauwerk Parkett AG im schweizerischen St. Margrethen nahe des Bodensees. Heute wird dort Zweischichtparkett (mit Fichte-/Tanne-Unterlage) oder HDF-Träger) zur vollflächigen Verklebung produziert. In den Werkhallen liegt noch immer das unverwüstliche,jahrzehntealte Original-Mosaikparkett. Mehr als 60 % der Bauwerkprodukte (nach Artikeln) werden in St. Margrethen hergestellt. Früher war der Betrieb vollstufig, mittlerweile ist die Decklagenfertigung ins kroatische Werk urdevac verlagert worden.

Besondere Kompetenz nimmt man in der Schweiz für die Oberflächenbehandlung in Anspruch: Ölen, UV-Lack, B-Protect als Kombination aus beidem). Außerdem befindet sich dort das Entwicklungszentrum der gesamten Gruppe.
aus Parkett Magazin 02/20 (Wirtschaft)