Dr. Rico Emmler über neue Normen und Prüfmethoden

Realitätsnäher prüfen

Industrie, Institute und Behörden sind ständig dabei, Normen zu aktualisieren, neue Entwürfe und Anforderungen aufzustellen und sich über passende Prüfverfahren zu einigen. Die Interessen sind vielfältig, mitunter kontrovers. Der eine will sich gegen billige Importware schützen, der andere hat den Verbraucher im Blick und manchen reizt die wissenschaftliche Forschung. Dr. Rico Emmler wies einen Weg durch die zahlreichen anstehenden oder bereits laufenden Projekte.

Wer oder was darf Laminatfußboden heißen?

Zukünftig darf sich nur das Produkt als Laminatfußboden bezeichnen, das einen Holzmasseanteil von mindestens
65 % enthält. So steht es in der geplanten Änderung zur DIN EN 16354. Ausdrücklich Erwähnung findet zudem, dass
Laminatböden in Feuchträumen installiert werden können, wenn der Hersteller sein Produkt in der Verlegeanleitung dafür freigibt.

Nutzungsklassen von Laminatfußböden

Ein neues Prüfgerät mit einer größeren Kugel als fallende Masse soll künftig in der FprEN 17368 die Stoßfestigkeit von Laminatfußböden bestimmen. Der Vorteil: das Gerät muss nicht kalibriert werden. Die Prüfung ist bestanden, wenn aus größter Fallhöhe, je nach angestrebter Nutzungsklasse, keine Risse an den Stoßstellen festgestellt werden. Auch der Stoßfestigkeitstest mit kleiner Kugel soll neue Anforderungen erhalten (DIN EN 13329, EN 14978, EN 15468). Hier sind laut Dr. Emmler "Änderungen der Oberflächengestaltung der Produkte, um die gleichen Nutzungsklassen zu erreichen, voraussichtlich nicht erforderlich."

Kratzfestigkeit von Laminatfußböden

Mikrokratzfestigkeit und Beständigkeit gegen Aufpolieren sind Thema der DIN EN 16094. Hier will man die visuelle Beurteilung verbessern und die Aufpolierneigung von matten, melaminbeschichteten Oberflächen zusätzlich mit dem Martindale-Gerät überprüfen.

Wasserbeständigkeit von Laminatbodenfugen

Wie wasserfest sind Fugen von Laminatfußböden? Das soll im Rahmen der ISO-Normung TC 219 WG 3 festgestellt werden. Eine Sichtprüfung der Kantenschwellung nach 14-stündiger Nässe auf der Prüffläche (Wet Mop Test) gilt als zu zeitraubend und unsicher. Favorisiert wird der amerikanische NALFA-Test, bei dem ein wassergefüllter Zylinder 24 Std. auf der Fläche steht, das Wasser dann abgesaugt wird und eine ebenfalls 24-stündige Trocknung folgt. Der NALFA-Klassifikation von mehr als 0,3 mm Schwellung bei normalem Laminat und weniger als 0,3 mm bei wasserfestem Laminat will Europa aber nicht folgen. Der aktuelle Vorschlag reduziert diesen Wert jeweils auf 0,15 mm.

Dimensionsstabilität von elastischen Böden

Bei Temperatureinwirkung dehnen sich elastische und MMF-Bodenbeläge aus. Dazu benennt die DIN EN ISO 23999 von 2018 ein Prüfverfahren. Das wurde nun an die Verlegung von Paneelen angepasst. Zudem sollen statt 80 °C andere Prüftemperaturen erlaubt und die Messung unmittelbar nach dem Erwärmen des Belages möglich sein. Nicht mitgeprüft wird aber, was an den Klickverbindungen passiert. Deshalb läuft seit Mitte 2019 am IHD ein zweijähriges Projekt, um praxisnahe Systemtests zu erarbeiten. Festgelegt wurden dazu die Aufheizrate und eine Oberflächentemperatur mit Hot Spots von maximal 70 °C.

Decklagenverklebung von Mehrschichtparkett

Ein Normentwurf zur Bestimmung der Decklagenverklebung wurde auf europäischer Ebene (DEN TC 175 WG 33) erarbeitet. Darin darf zwischen zwei Prüfmethoden gewählt werden: PT1 Ofentrocknung (rund 100 Std. bei 60° C) oder PT2 Kaltwasserlagerung für 6 h, bzw. Klimatisierung bei 50 % rel. Luftfeuchte und 23 °C für 24 Std., anschließend 8 Std. Trocknung bei 60 °C oder 16 Std. Trocknung bei 80 °C. Die abschließende Bewertung der Fugenöffnung folgt mit einer 0,2 mm Fühlerlehre, die mindestens 5 mm in die Fugen eindringen muss.

Höhenversätze von Parkettelementen

Fügt man lange Parkettelemente aneinander, kann es zu Höhenversätzen kommen, nicht selten an den Kopffugen. Um das realitätsnäher zu prüfen, wird im Normentwurf prEN 13647 statt zwei Dielen nun ein Dielenverbund von neun Paneelen als Prüffläche genommen.

Schwimmende Verlegung elastischer Beläge

Die DIN EN 14085 - Elastische Bodenbeläge, Spezifikation für Fußbodenpaneele für lose Verlegung - wurde ersetzt durch die DIN EN ISO 20326. Aber auch die befindet sich noch in der Revision. Der Grund: zwar gibt es künftig erhöhte Anforderungen an die Dickenquellung und die Auszugsfestigkeit in Hinblick auf die Nutzungsklassen 32 bis 34, doch sind noch nicht alle technischen Aspekte einhellig geklärt.

Abrieb bei Korkböden

Hersteller von Korkböden müssen nach Ergänzung der DIN EN 12104 nun auch die Abriebfestigkeit ihrer Oberflächen deklarieren. Das können sie wahlweise mit dem Sandpapierverfahren oder der Falling-Sand-Methode tun - ähnlich EN 1651 bei MMF-Belägen und EN 15469 bei Laminatböden.

Kein CE-Kennzeichen für Bambus

Weil die DIN EN 17009 - Bodenbelag aus lignifizierten Materialien, die kein Holz sind - vom Europäischen Normungskomitee CEN als "nichtharmonisierte" Norm ohne Anhang ZA veröffentlicht wurde, können beispielsweise Bambusböden keine CE-Kennzeichnung erhalten. Das war so nicht geplant und ist eine Folge juristischer Formalitäten. Trotzdem sind in der Norm Eigenschaften der Gebrauchstauglichkeit genannt, die sich an die DIN EN 13489 (Mehrschichtparkett) und DIN EN 14354 (Furnierte Böden) anlehnen.

Erstmalig erschienen sind in der EN 17142 Anforderungen für Deckschichten auf Basis von Holzpulvertechnologie. Vieles davon ist an die Laminatbodennorm EN 13329 angeglichen, einige Faktoren, wie Dimensionsstabilität, Stuhlrollenbeständigkeit und Fleckenwiderstand, wurden produktspezifisch angepasst.

Mindestwerte für Verlegeunterlagen

Druckfestigkeit (CS-Wert), Widerstand gegen dynamische Belastung (DL 25-Wert) und Ausgleichsfähigkeit für punktuelle Unebenheiten (PC-Wert) sind mit Mindestwerten in die DIN EN 16354 - Verlegeunterlagen für Laminatfußböden - eingeflossen. Auch allgemeine Anforderungen an geometrische Eigenschaften findet man in dieser Norm.

Stuhlrollentest für Laminat und MMF-Fußböden

Der gängige Stuhlrollentest EN 425 mit 3 Rollen, 90 kg Gewicht und 10.000 bis 25.000 Rotationen (nach EN 16511 bzw. EN 13329) entspricht nicht der Praxis. Ein Bürostuhl hat 5 Rollen. Außerdem sind Verlegeunterlagen nicht berücksichtigt. Deswegen entwickelt das IHD ein neues Verfahren. Der Vorschlag: 90 kg bleiben, 5 Rollen kommen, dazu CS60-Unterlagen für Laminate und CS3 für MMF-Beläge der Klasse 2, handfeste Fixierung der Testproben in einer Halterung sowie am Ende visuelle Bewertung von oben und optional nach Deinstallation. Wie viele Rotationen das Prüfgerät ausführen soll, war bei Redaktionsschluss noch in der Evaluation durch Mitglieder von EPLF und MMFA.

Rauchentwicklung bei Bodenbrand

Hinsichtlich der Rauchentwicklung beim Brandverhalten sind Bodenbeläge in die Klassen S1 (schwer entflammbar) und S2 (normal entflammbar) eingestuft. Weil aber identische Produkte bei der Rauchdichte nach EN 9239-1 von Prüfstellen unterschiedlich klassifiziert wurden, hat es sich das IHD zur Aufgabe gemacht, dem Problem auf den Grund zu gehen. Sorgen bereiten unter anderem neue, mehrschichtige Bodenbeläge. Mit verbesserten Referenzstoffen (Böden, Brennstoffen und Rauchgenerator) will das IHD präzisere Prüfprozeduren erarbeiten.

Elektrische Schläge ohne Mensch

Wer auf Teppich, Kunstrasen oder Laminatboden herumläuft, kann sich elektrisch aufladen. Gerät er an ein leitendes Material, bekommt er einen Schlag. Gemessen wird diese "Personenaufladung" nach ISO 6356 bei textilen und EN 1815 bei glatten Bodenbelägen. Exakt sind die Prüfergebnisse jedoch nicht. Sie variieren je nach Sohlenmaterial, Klima, Bekleidung und anderen Einflüssen. Dennoch gilt gemäß EN 14041 ein Grenzwert von 2,0 kV. Das Institut für Bodensysteme (TFI) möchte nun ein personenunabhängiges Messverfahren mit einem maschinengebundenen Begehtest und definierten Sohlen entwickeln. Ein anderer Ansatz ist die Suche nach ableitenden, antistatischen Beschichtungen. Weil die teuer, zudem nicht farbecht und chemisch instabil sein können, forscht das IHD an Oberflächenbeschichtungen auf der Basis von reduziertem Graphenoxid und funktionalisierten Acrylaten.
aus Parkett Magazin 02/20 (Wirtschaft)