Bierbaum Unternehmensgruppe, Borken

"Made in Germany spielt eine immer größere Rolle"


Die Bierbaum Unternehmensgruppe im westfälischen Borken ist Deutschlands größter Bettwäscheproduzent. Mit den Marken Bierbaum Wohnen und Irisette ist das Unternehmen auf allen Vertriebskanälen aktiv und dank künstlicher Intelligenz sowie hoher Innovationsfreude technisch auf dem neuesten Stand. Das 125-jährige Firmenjubiläum fällt dennoch in herausfordernde Zeiten. Der geschäftsführende Gesellschafter Jan-Frederic Bierbaum und Jürgen Weber als Geschäftsführer Vertrieb und Marketing der Vertriebsgesellschaft Bierbaum Wohnen erklären im Haustex-Interview, wie das Unternehmen durch die Corona-Krise kommt und warum sie am Grundsatz Made in Germany festhalten.

Haustex: Herr Bierbaum, Sie feiern 2020 den 125. Geburtstag Ihres Unternehmens. Ist Ihnen derzeit überhaupt nach Feiern zumute?

Jan-Frederic Bierbaum: Wenn wir uns die Lage im Handel und in Teilen der Industrie anschauen, ist die aktuelle Situation eher ein Anlass, demütig zu sein. Wir sind froh, dass wir noch genügend Arbeit durch andere Bereiche haben und nicht in Kurzarbeit müssen. Aber: Corona wird vorbeigehen. Unseren Mitarbeitern haben wir es zu verdanken, dass wir diese 125 Jahre erreicht haben, sie können zu Recht darauf stolz sein. Wir schauen auch trotz Corona positiv in die Zukunft. Durch den Zuspruch unserer Kunden sowie die Automatisierungsmöglichkeiten sehen wir eine sehr gute Perspektive für unser Unternehmen. Auch wenn es bei der Bettwäsche dort, wo Kunden schließen mussten, gerade eine schwierige Zeit ist.

Haustex: Können Sie sich an eine ähnlich herausfordernde Situation erinnern?

Bierbaum: Als ich 1979 kurz vor dem Abitur stand, sagte mein Vater zu mir: Junge, es hat keinen Sinn, dass Du in die Textilindustrie kommst - die Zukunftsaussichten sind düster. In den 70er- und 80er Jahren war uns eigentlich nie zum Feiern zumute. Wir haben trotzdem immer weiter gemacht.

Haustex: Was hat zu Ihrem Erfolg beigetragen?

Bierbaum: Natürlich unsere Kunden mit denen wir gemeinsam tolle Konzepte entwickeln konnten und entwickeln. Aber auch die großen Konfektionsstraßen, von denen die ersten bereits in den Siebzigern angeschafft wurden. Wir haben uns immer einen Weg geschaffen, auf dem wir weitergehen konnten. Das ging auch in den 90er Jahren weiter. Auch da haben wir öfter die Bettwäsche beziehungsweise den Produktionsstandort Deutschland infrage gestellt. Wir haben weiter automatisiert und optimiert und schließlich festgestellt, dass wir im Preis-/Leistungsverhältnis günstiger und preiswerter in Deutschland produzieren können als beispielsweise in der Türkei. Oder später, Anfang des neuen Jahrtausends, in China.

Haustex: Warum ist China keine Option?

Bierbaum: Wir haben dort 2005/2006 mit einer Produktion begonnen. Das hat uns schnell die Augen geöffnet. Wir haben beispielsweise 50 verschiedene Druckereien ausprobiert - so viele gibt es in Europa gar nicht. Die Beste hat es gerade einmal geschafft, 50 Prozent erste Wahl zu liefern. Dort waren die gleichen Druckmaschinen im Einsatz wie bei uns. Aber die Mitarbeiter haben unseren Qualitätsanspruch nicht verstanden. Deshalb haben wir uns wieder auf Deutschland konzentriert.

Haustex: Lässt sich hierzulande so viel einträglicher produzieren?

Bierbaum: Wir hatten auch hier Jahre, in denen wir mit der Bettwäsche kein Geld verdient und draufgezahlt haben. Aber insgesamt haben wir wieder sehr viel Spaß an der Bettwäsche, auch wenn wir in den letzten ein, zwei Jahren nicht ganz so zufrieden waren.

Haustex: Woran liegt das?

Bierbaum: Nicht zuletzt am Internet. Wenn sie vor fünf Jahren bei Amazon nach Bettwäsche gesucht haben, fanden sie maximal 4.000 Positionen. Heute sind es schon weit über 50.000. Durch das starke Wachstum des Amazon Marketplace kann jeder weltweit ungeprüft seine Produkte anbieten, sogar direkt aus China. Das hat zu einer Übersättigung geführt. Es gibt momentan einfach zu viele Anbieter. Aber das wird auch wieder weniger, wenn die Kunden nach einigen Wäschen erkennen, dass sie minderwertige Ware gekauft haben. Die Sensibilität der Verbraucher wird größer.

Haustex: Was macht Sie da so zuversichtlich?

Bierbaum: Unser Vorteil ist, dass wir die Möglichkeiten haben und nutzen, unsere Lohnstückkosten beispielsweise durch den Einsatz künstlicher Intelligenz weiter zu senken. Wir haben keine Sorge mehr, dass beispielsweise aus Indien eine Ware kommt, die genauso gut ist wie unsere, aber günstiger.

Jürgen Weber: Das Qualitätsverständnis beim Verbraucher wurde durch den Onlinehandel heruntergezogen. Dadurch ist die Bewertung hochwertiger und guter Mittelpreislagen, wie wir sie herstellen, durch den Endverbraucher gerade in Deutschland schwieriger geworden. Ich denke aber, dass durch den Corona-Effekt auch etwas Positives entstehen kann. Das Bewusstsein für den Wert von Made in Germany, aber auch für den Wert von Arbeitsplätzen in Deutschland, wird ein anderes sein als vorher.

Haustex: Trotzdem muss der Qualitätsanspruch Made in Germany aus Sicht des Endkunden bezahlbar bleiben.

Bierbaum: Pro zehn Euro VK-Preiserhöhung beim Endverbraucher halbiert sich die Menge. Wir könnten nicht Millionen von Bettwäschegarnituren jährlich produzieren, wenn diese 99 Euro kosten. Die müssen je nach Qualität unter 40 Euro, manchmal sogar unter 20 Euro kosten. Aber auch das ist in den Basis-Qualitäten in Deutschland möglich, wenn die Produktion automatisiert ist. Renforcé oder Biber pigmentbedruckt hat einen anderen Preis als eine bügelfreie Satinbettwäsche, die alle Ausrüstungsstufen durchlaufen hat. Unsere Automatisierung ermöglicht es uns, große Chargen herzustellen, was den Personalkostenanteil reduziert. Wenn die Maschinen stehen, werden sie in der Regel gerüstet. Bei 10.000 Stück hintereinander läuft die Maschine mit voller Geschwindigkeit durch. Dann kann ein einzelner Mitarbeiter große Mengen produzieren. Je kleiner die Mengen sind, desto teurer wird also das Produkt.

Haustex: Sie setzen vorrangig auf Menge und Preis?

Bierbaum: Wir können das ganze Klavier spielen, was wir mit Bierbaum Wohnen auch tun. Wir können auch das ganz Hochwertige abbilden: mit der ganzen Leidenschaft und Qualität, den zertifizierten Farbstoffen und Sozialstandards, die wir einhalten und übertreffen.

Weber: Wir wollen unseren Handelspartnern und dem Endverbaucher nicht einfach den günstigsten Preis anbieten können, sondern ein absolutes Top-Preis/Leistungsverhältnis. Das gelingt uns in den verschiedenen Qualitätsstufen. Hier sind wir mit unserer Produktions- und Kreativleistung in einer führenden Position auf unserem Markt

Bierbaum: ...und haben gegenüber allen anderen Bettwäscheherstellern den großen Vorteil, dass unsere gesamte Infrastruktur hier am Standort zur Hälfte durch die von uns produzierten Putztücher der Marke Kornbusch und Starting getragen wird.

Haustex: Das müssen Sie erklären.

Bierbaum: Dass die Reinigungstücher momentan so stark nachgefragt werden, gibt uns Sicherheit bei der Bettwäsche. Denn ein Großteil des Fixkostenblocks ist dadurch schon bezahlt, dass wir beispielsweise die selbe EDV, die selben Schlosser zur Wartung der Maschinen und die selbe Stromversorung nutzen. Ein großes Werk wie das hier in Borken braucht entsprechende Auslastung und Losgrößen aus dem Mengengeschäft.

Haustex: Wie verhält es sich mit der Bierbaum-Bettwäsche?

Weber: Wir waren bei Bierbaum Wohnen weniger betroffen als andere Unternehmen. Hier haben wir Handelspartner, die teilweise dem Lebensmittelhandel zugeordnet werden können und nicht komplett vom Lockdown betroffen waren. So konnten wir in dieser Zeit auch noch Umsatz machen, aber natürlich nicht auf dem Niveau der Vorjahre. Wir versuchen unsere Handelspartner der verschiedenen Vertriebsformen zu begleiten und individuelle Lösungen zu entwickeln, wie wir jetzt mit der Situation umgehen können. Wir hoffen sehr, dass alle Kunden in der Zusammenarbeit mit der Industrie gut durch diese Krise hindurch kommen. Wir sind immer bereit, Lösungen zu finden. So kennt man uns aus der Vergangenheit, und das ist auch der Anspruch für die Zukunft.

Haustex: In 125 Jahren haben Sie manche Krise weggesteckt, nicht zuletzt zwei Weltkriege. Hilft diese Erfahrung in der aktuellen Situation?

Bierbaum: Corona ist für uns die kleinste Krise, auch wenn das arrogant klingen mag. Aber das Unternehmen ist heute finanziell viel stärker aufgestellt ist als in der Vergangenheit. In den 70er Jahren, als der große Ausleseprozess in der heimischen Textilindustrie begann, war die Substanz nicht so stark wie heute. Auch Mitte der 90er Jahre, als wir gerade Irisette übernommen hatten, gab es einen Einbruch, alles war schwierig. Das war für uns viel anstrengender und viel gefährlicher als die jetzige Lage, wo wir eine gesunde Substanz haben und die Reinigungstücher ein stabiler Anker sind.

Haustex: Ihr Urgroßvater hat das Unternehmen 1895 gegründet, Sie führen es heute mit ihrem Cousin in vierter Generation. Was waren die Marksteine in der Firmengeschichte?

Bierbaum: Ein wesentlicher Punkt in den 70er Jahren war die Einführung der Nähautomaten. Bis dahin wurden ausschließlich Näherinnen beschäftigt, mehr als 100 Mitarbeiter waren auch damals schon notwendig. Damals haben das die Preise und die Lohnkosten noch hergegeben. Hätten wir die Nähautomaten zu dieser Zeit nicht eingeführt, wären wir nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen. Nicht minder wichtig war der Einstieg in die Reinigungstücher. Damals haben unsere Väter einige Betriebe gekauft, mittlerweile kommt die Hälfte des Umsatzes über diese Tücher, die so gut wie keine Konkurrenz aus Asien haben. Ein weiterer großer Meilenstein war 1994 der Kauf von Irisette. Damit sind wir erst in die Lage gekommen, reaktiv bedruckte Bettwäsche herzustellen. Vorher gab es bei uns nur die grob gewebte, pigmentbedruckte Bettwäsche. 1994 begann auch der Einstieg in die Produktion in Polen, was unter Kostengesichtspunkten damals auch sehr wichtig war. Und dann natürlich 2001 die Übernahme unseres heutigen Betriebsgeländes von der Firma 3M.

Haustex: Sie haben es im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen aus der deutschen Textilbranche nicht nur geschafft, zu überleben, sondern auch stark zu wachsen. Was haben Sie anders gemacht als die anderen?

Bierbaum: Wir haben immer weiter in unsere Produktionskapazitäten hier in Borken investiert und wurden so immer leistungsfähiger, was Qualität, Angebot und Wettbewerbsfähigkeit gesteigert hat. Natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu. Wie zum Beispiel das Angebot der Stadt, das Gelände von unserem alten Werk zu übernehmen, und dann der Weggang von 3M, der uns die Übernahme des viermal größeren Geländes mit neuen Gebäuden ermöglichte.

Haustex: Reicht allein eine glückliche unternehmerische Hand?

Bierbaum: Die größte Stärke des Unternehmens sind die langjährigen Mitarbeiter, von denen die meisten schon sehr lange bei uns sind. Auch hier spielt wieder das Glück eine Rolle, die richtigen Leute eingestellt zu haben. Wenn das Unternehmen solvent und gut dasteht, sehen das die die guten Leute ja auch und wollen gerne hier arbeiten.

Haustex: Heißt das, Sie kennen keinen Fachkräftemangel?

Bierbaum: Nein, das war bei uns nie ein Thema, auch wenn es natürlich eines in der Region ist. Wir haben immer wieder Top-Leute bekommen. Ein entscheidender Satz für mich lautet: Glück ist die Qualität der Beziehungen zu anderen Menschen. Für uns sind die Mitarbeiter wie gute Freunde. Anerkennung, Wertschätzung und Aufmerksamkeit sind uns wichtig. Mein Cousin und ich gehen täglich durch die Produktion und sprechen mit vielen Mitarbeitern.

Haustex: Wird das von den Beschäftigten honoriert?

Bierbaum: Ein weiterer wichtiger Satz für mich lautet: Die erfolgreichsten Unternehmen sind die, in denen am meisten gelacht wird. Wir haben viel Spaß, und wir feiern auch gerne mal zusammen. Wir arbeiten im Drei-Schicht-Betrieb und haben ein Durchschnittsalter von 44 Jahren. Aber unser Krankenstand liegt unter drei Prozent. Unsere Mitarbeiter arbeiten teilweise in vierter Generation bei uns, eine Fluktuation ist so gut wie nicht vorhanden. Alleine in diesem Jahr hatten wir 50 Jubilare, die 25, 40 oder in zwei Fällen sogar seit 50 Jahren im Unternehmen tätig sind. Das ist schon sehr besonders.

Haustex: Liegt das daran, dass es sich bei Ihnen um ein familiengeführtes Unternehmen handelt?

Bierbaum: Ja, auf jeden Fall. Und das ist die große Stärke des deutschen Mittelstandes. Familiengeführte Unternehmen sind in ihren Kennzahlen viel erfolgreicher als Konzerne. Vor allem dann, wenn die Inhaber präsent sind und Ihre Mitarbeiter wie Familienmitglieder behandeln.

Weber: Sie merken es auch bei unseren Mitarbeitern, die mit Spaß zur Arbeit kommen und eine hohe Kollegialität haben. Sie wissen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird, sie können sich mit ihren Ideen einbringen, die auch aufgenommen und umgesetzt werden.

Haustex: Das heißt, Sie stehen zum Hochlohnstandort Deutschland?

Bierbaum: Made in Germany spielt eine immer größere Rolle. Unser System mit all seinen Regeln, Auflagen und Kontrollen ist ein Wert an sich, denn es ist schwer, Regeln zu missachten, ohne dass es auffällt. Das ist in vielen Ländern anders.

Weber: Wir sind heute in der Lage, das als positives Vertriebsargument zu nutzen, sowohl im Bereich der Bettwäsche, als auch im Bereich der Reinigungstücher. Vor fünfzehn Jahren haben wir uns bei der Bettwäsche noch gefragt, ob wir damit überhaupt nach draußen gehen können. Da herrschte die Meinung: Was in Deutschland produziert wird, ist grundsätzlich zu teuer. Dies hat sich glücklicherweise gewandelt und wir konnten die Wichtigkeit und die Bedeutung der Auslobung von Made in Germany deutlich herausstellen. Das wird von unseren Handelspartnern angenommen. Es wird aber auch, und das ist ja das Entscheidende, vom Endverbraucher wertgeschätzt.

Haustex: Trotzdem muss man es sich leisten können, in Deutschland zu produzieren.

Weber: Wir befinden uns in dem Spannungsverhältnis, dass wir mit Importware gemessen werden und dass es in Deutschland generell einen sehr großen Preiswettbewerb gibt. Aber wir finden die richtigen Antworten darauf. Zu Zeiten, als viele Unternehmen Kompetenzen abgegeben und Tätigkeiten outgesourct haben, ging es uns immer darum, die Kompetenzen im Betrieb zu behalten, die eigenen Wege zu gehen, die eigenen Dinge zu entwickeln und sehr viel in Eigenverantwortung zu machen. Auch das ist eine besondere Stärke unseres Unternehmens.

Bierbaum: Ich werde oft gefragt, warum so viele Textilbetriebe in unserer Region verschwunden sind, wir aber nicht. Meine Antwort lautet immer: Die sind in den 80er Jahren alle auf das süße Gift der Importe hereingefallen. Sie haben im großen Stil in Asien eingekauft und nur noch Nischenprodukte in Deutschland hergestellt. Das hat dazu geführt, dass die großen Einkäufer irgendwann ihre eigenen Büros in Asien eröffnet und dort direkt eingekauft haben. Wenn man dann nur noch Nischenprodukte herstellt, sind die Kosten irgendwann so groß, dass man damit nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

Haustex: Welchen Weg ist man bei Bierbaum gegangen?

Bierbaum: Mein Vater und mein Onkel haben den Grundstein unseres heutigen Erfolges gelegt. Sie haben nicht in Asien gekauft, sondern weiter in Deutschland produziert, und haben dadurch die großen Mengen gehalten. Sie wussten aber auch, dass sie die entsprechenden Preise darstellen mussten, und haben begonnen, die Nähautomaten zu entwickeln. Aber: Diese Automaten produzieren bis zu 10.000 Bezüge an einem Tag, und die Maschinen kosten Millionen. Man brauchte also auch eine entsprechende Menge, damit sich diese Maschinen überhaupt rechnen.

Haustex: Wie ist ihre Vertriebsstruktur aufgebaut?

Weber: Wir sind in allen Formen des deutschen Einzelhandels vertreten, von den Mengenanbietern bis zu den Fachanbietern. Wir beliefern den Möbelhandel und die Warenhäuser, den Versandhandel und den Onlinehandel sowie Mengenanbieter aus dem Lebensmittelhandel. Mit all diesen Anbietern arbeiten wir zusammen, damit die Menge erreicht werden kann, die für alle Seiten wirtschaftlich darstellbar ist. Wir haben einen großen Baukasten, so dass wir innerhalb der Ausrüstungsstufen und der Qualitäten sehr gut variieren und entsprechend verschiedene Qualitäten und Preislagen abbilden können.

Haustex: Mit der Marke Bierbaum Wohnen sind Sie in der preislichen Mitte angesiedelt. Das alleine schafft aber sicher nicht die Menge, die sie benötigen?

Weber: Bierbaum Wohnen ist die Konsumpreismarke, mit der wir uns nach außen darstellen. Sie hat einen hohen Bekanntheitstgrad, auch wenn das in der Bettwäsche nicht so stark ausgeprägt ist wie in anderen Warenbereichen. Wir produzieren allerdings auch für die Eigenprogramme der Fachhandelsverbände, der Möbler und der Onliner, mit denen wir gemeinsam die Dinge entwickeln. Denn natürlich sind die Design- und Qualitätsansprüche sowie die VK-Preislagen je nach Vertriebskanal sehr unterschiedlich. Es ist eine der Stärken von Bierbaum Wohnen, dass wir das gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln, um die verschiedenen Kanäle bedienen zu können.

Haustex: Wie entwickelt sich der Preisdruck angesichts zunehmender Konzentrationsprozesse auf der Handelsseite?

Weber: Die Maximierung des Preisnachlasses, die in Deutschland von den Kunden gewünscht wird, hat sicher eine Spitze erreicht. Die Konzentrationen im Handel, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, führen dazu, dass der Druck größer wird. Wir sehen andererseits, dass der Verbraucher durchaus Qualitäten unterscheiden kann und einen Wiederkauf tätigt, wenn er zufrieden war. Das hängt mit Qualitäten zusammen, die nicht immer sofort sichtbar, aber fühlbar im Gebrauch sind. Das ist das Entscheidende: Wir bieten ein langlebiges Produkt und ein hervorragendes Preis/Leistungsverhältnis an, wodurch wir gemeinsam mit unseren Kunden erfolgreich sind.

Haustex: Trotzdem werden die Kunden nicht mehr...

Weber: Wir sehen es natürlich mit Sorge, dass die Konzentrationsprozesse im stationären Handel sehr stark stattgefunden haben. Und das alles in einer Zeit, in der sich das Spannungsverhältnis zwischen Onlinehandel und stationärem Handel bei uns in Deutschland ganz neu entwickelt und sich jeder zu positionieren versucht, um in beiden Bereichen erfolgreich zu sein. Denn eines ist klar: Man muss heute in beiden Bereichen präsent sein, damit das Gesamtgeschäft funktioniert.

Haustex: Wie reagieren Sie in der Produktion auf diese Rahmenbedingungen?

Bierbaum: Wir leben im Betrieb gemeinsam eine große Technikbegeisterung. So finden wir viele innovativen Lösungen oder auch Maschinen-Unikate, die nach unseren Ideen für uns gebaut werden. In Kürze führen wir einen mehrtätigen Workshop zum Thema künstliche Intelligenz durch, um zu überlegen, was wir in Zukunft noch weiter optimieren können. Wir können dabei vieles selber programmieren und müssen nicht teure Lösungen einkaufen. Unsere Stärke ist sicherlich auch die Größe, die wir haben. Wir sind in Deutschland der größte Bettwäschehersteller und können uns dementsprechend in vielen Bereichen Mitarbeiter leisten, mit denen wir solche Dinge voranbringen können. Das können Sie sich nur leisten, wenn Sie auch eine gewisse Umsatzgröße haben.

Weber: Auch im Bereich Bierbaum Wohnen gehört es dazu, die Kollektionsentwicklung, die Prozesse und die Qualitäten permanent infrage zu stellen und nie bei dem Erreichten stehen zu bleiben, sondern immer wieder durch das Gespräch mit unseren Kunden herauszufinden, was gut funktioniert hat, wo entsprechende Marktnischen oder große Marktanteile sind, in die wir hineinarbeiten können. Wir fangen immer wieder neu an zu denken und entwickeln immer wieder neue Herangehensweisen.

Bierbaum: Das Gute ist natürlich auch, dass Herr Weber und viele Kollegen seit Jahrzehnten in dieser Branche sind und dadurch auch ein entsprechendes Feedback bekommen, was am Markt gefragt ist. So können wir mit den Kunden gemeinsam das entwickeln, womit der Kunde Erfolg hat. Durch unser langjähriges Knowhow wissen wir sehr gut, was funktioniert, und wir kümmern uns darum, dass die Ware auch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Standort ist.

Haustex: Sie gelten darüber hinaus auch als größte Textildruckerei Europas.

Bierbaum: Das hat uns die Firma Stork bescheinigt, die Druckmaschinen herstellt und das für Europa sehr genau analysiert hat. Wir bedrucken 50 Mio. Quadratmeter im Jahr, nicht nur Bettwäsche, sondern teilweise auch Reinigungstücher. Aber es geht nicht nur um die Menge, sondern vor allem um die Qualität. Wie ich bereits sagte, hatten wir in China 50 Prozent zweite Wahl beim Drucken, in der Türkei, wo wir auch schon waren, hatten wir 15 Prozent zweite Wahl. Hier in Deutschland sind es drei Prozent. Das zeigt einmal mehr, dass zu kurz springt, wer nur die reinen Lohnkosten der Länder vergleicht. Wir haben das Glück, dass wir in Deutschland gut ausgebildete Leute haben, die in der Lage sind, komplizierte Maschinen zu bedienen und die Ware beurteilen zu können.

Haustex: Wie sieht es mit den Ansprüchen der Endverbraucher aus? Geht es denen nur um den Preis?

Bierbaum: Auch in den günstigeren Preislagen muss die Qualität top sein. Wenn sie in Asien produzieren, dann ist es relativ günstig, an jede Maschine fünf Mitarbeiter zu stellen, die nachschauen, ob das Produkt in Ordnung ist. Wenn wir das in Deutschland alles manuell machen müssten, wäre unsere Bettwäsche nicht mehr wettbewerbsfähig. Durch die Künstliche Intelligenz sind wir in der Lage, Druckfehler und ähnliches zu erkennen.

Haustex: Wie entwickelt sich der Absatz bei Ihnen über das Onlinegeschäft?

Weber: Wir haben in den letzten Jahren einen deutlich steigenden Online-Anteil bei einem gleichzeitig sinkenden Anteil der klassischen Print-Versender. Mit Letzteren waren wir immer schon stark, etwa zu den Hochzeiten von Quelle, Neckermann oder Otto mit ihren Print-Katalogen. Das ist natürlich stark zurückgegangen. Wir haben ein deutliches Wachstum im Onlinebereich und sind dort vor ganz andere Herausforderungen gestellt als in der Zusammenarbeit mit dem stationären Handel.

Haustex: Können Sie ein Beispiel nennen?

Weber: Wir mussten beispielsweise lernen, dass die Bildsprache, dass der ganze Content in der Beschreibung ein ganz wesentliches Element ist. Das war früher die klassische Handelsaufgabe, die wir als Hersteller nicht direkt übernehmen mussten. Aber auch da haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um uns den Gegebenheiten anzupassen. Wir haben beispielsweise aktuell für die Unternehmensgruppe hier in Borken ein Fotostudio eingerichtet, das uns die Möglichkeiten bietet, gerade in der Bildsprache noch deutlich besser zu werden, um unseren Partnern aus dem Handel die entsprechenden Bilder zur Verfügung zu stellen und die Qualitätsaussage zu stärken.

Haustex: Hat sich damit das Marketing grundsätzlich gewandelt?

Weber: Ja, das Marketing verändert sich komplett. Es gibt immer weniger Print, dafür wächst Online-Werbung und Social Media. Natürlich müssen wir auch da lernen und sehen, dass das Ganze auch wirtschaftlich darstellbar ist. Wir finden hier aber, wie in den anderen Bereichen der Produktion auch, eigene Wege damit umzugehen, so dass wir wirtschaftlich vertretbar unseren Kunden sehr erfolgreiche Modelle anbieten können.

Haustex: Klimaschutz ist das Thema der Stunde. Wie setzen Sie das Thema in Ihrem Unternehmen um?

Bierbaum: 90 Prozent unseres Strombedarfes erzeugen wir selbst. Wir können zu jeder Zeit sagen, wieviel Strom, Wasser und Heizenergie an welcher Maschine verbraucht und was an Ware dort produziert worden ist. Der Energieverbrauch pro Kilogramm produzierter Ware sinkt ständig, weil wir auch hier ständig optimieren. Durch unsere Blockheizkraftwerke, also die großen Verbrennungsmotoren mit Generator, sparen wir 25 Prozent CO. Das ist ein Vielfaches von dem, was wir mit Solardächern erzielen würden.

Haustex: Fühlen Sie sich durch die CO-Abgabe bestraft?

Bierbaum: Weil die Motoren unserer Blockheizkraftwerke fossile Brennstoffe verbrauchen, würden wir in Zukunft 55 Euro pro Tonne CO bezahlen müssen. Das würde für uns einen siebenstelligen Betrag jährlich bedeuten. Unsere Produkte würden dadurch verteuert. Produkte, die aus dem Ausland kommen, haben diese Belastung nicht, obwohl sie mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger umweltfreundlich hergestellt werden, weil dort Strom mit Kohle produziert wird und weniger effizient zu den Maschinen kommt. Das schadet dem Standort Deutschland.

Haustex: Wie können Sie darauf reagieren?

Bierbaum: Auch wir müssen rechnen und schauen, wie wir damit umgehen. Nehmen Sie das Bleichen der Stoffe, das bei uns in Deutschland in einer Maschine mit zertifizierten Chemikalien und Laugen geschieht. Das Abwasser wird von den Behörden überprüft, bevor es ins Klärwerk geht. Wenn die CO-Abgabe kommt, werde ich als erstes überlegen, die Ware aus Pakistan gebleicht zu kaufen, zumindest aber ausrechnen, was das kostet. Der Kunde wird ja nicht bereit sein, mehr zu bezahlen, nur weil die Ware aus Deutschland kommt. Das wird möglicherweise Arbeitsplätze kosten und global betrachtet die Umwelt belasten. Damit erreicht diese Steuer nicht ihren Zweck.

Haustex: Gibt es im Fall der CO-Abgabe ein Worst-Case-Szenario?

Bierbaum: Im Extremfall könnte sich die Bettwäsche so verteuern, dass sie künftig in Asien nach unseren Vorgaben produziert werden muss, so wie es bei einem Großteil unserer Wettbewerber bereits geschieht. Das wird mit 55 Euro pro Tonne noch nicht passieren. Aber wenn die Abgabe deutlich steigt, ist irgendwann die Grenze erreicht, um noch in Deutschland zu produzieren. Das wäre sehr schade, denn den Wettbewerb der niedrigen Löhne, den haben wir gewonnen. Aber wenn der Umweltwettbewerb jetzt so extrem auseinanderläuft, dann haben wir ein Problem, und ganz viele Konsumgüterhersteller, die im internationalen Wettbewerb stehen, auch.

Haustex: Sie haben auf der Heimtextil-Messe in Frankfurt Bettwäsche präsentiert, die mit dem Grünen Knopf ausgezeichnet wurde. Welche Bedeutung hat dieses Siegel?

Weber: Wir haben die Zertifizierung mit dem Grünen Knopf als eines der ersten in Deutschland produzierenden Unternehmen erhalten. In Frankfurt haben wir eine Serie vorgestellt, mit der wir gleichzeitig auch das 125-jährige Firmenjubiläum feiern. Wir bieten unseren Kunden ein Paket aus einer Mako-Satin-Bettwäsche in GOTS-Bio-Qualität an, die zusätzlich mit dem Grünen Knopf ausgezeichnet ist. Für die Herbstsaison ist es dann eine Feinköper-Edelflanell-Bettwäsche.

Haustex: Wie sinnvoll ist der Grüne Knopf?

Weber: Der Grüne Knopf ist ein Meta-Siegel, das auf den Zertifizierungen aufbaut, die wir ohnehin bei uns in der Produktion haben. Der ganze Betrieb ist beispielsweis STeP-zertifiziert und nach dem höchsten Made-in-Green-Level ausgezeichnet. Der Grüne Knopf ist aus unserer Sicht geeignet, vom Verbraucher verstanden zu werden und ihm das positive Gefühl zu geben, ein nachhaltiges Produkt zu erwerben, das in allen Bereichen - ökologisch, sozial und ökonomisch - nachhaltig produziert wird. Das ist auch der Anspruch, den wir an unser Unternehmen und unsere Herstellung haben.

Haustex: Sind die Endkunden entsprechend sensibel, dass sich das in einer nennenswerten Nachfrage wiederspiegelt?

Weber: Das Bewusstsein des Endkunden entwickelt sich sehr deutlich. Wir sind aber in der Zwickmühle, dass der Endverbraucher nach wie vor nicht bereit ist, dafür auch etwas zu bezahlen, sondern von uns erwartet, dass wir die Kriterien erfüllen. Das ist ihm aber keinen Euro mehr wert, und das ist die große Herausforderung, die wir haben. Denn eine solche Zertifizierung und eine nachhaltige Produktion findet unter anderen Voraussetzungen statt, und das kostet in der Herstellung den einen oder anderen Euro mehr. Ich hoffe, dass künftig immer mehr Verbraucher bereit sind, das zu bezahlen. Speziell im Textilbereich haben wir eine extrem große Bandbreite an VK-Preislagen für auf den ersten Blick identische Produkte. Das Bewusstsein muss an dieser Stelle noch geschärft werden. Wir werden aber weiter daran arbeiten, dass die Nachhaltigkeit unserer Produkte durch die Zertifizierungen herausgestellt wird. Denn das wird neben Made in Germany ein Merkmal sein, das uns gemeinsam mit unseren Kunden in Zukunft Verkaufserfolge garantieren kann.

Haustex: Wie bewerten sie auf lange Sicht die Perspektiven für Bettwäsche Made in Germany?

Bierbaum: Wir stehen vor der Herausforderung, dass aus vielen Kunden immer weniger Kunden werden, die zum Teil miteinander fusionieren. Der Preisdruck wird damit für uns immer größer. Wenn wir die Preise nicht darstellen können, dann können das andere auf der Welt aber auf Dauer auch nicht. Niedriglohn ist kein Vorteil mehr, er kann durch Automatisierung und Optimierung wettgemacht werden. Für unsere Abnehmer ist interessant, dass wir durch die Nähe zu den Kunden in Deutschland immer vier bis sechs Wochen schneller sein können als ein Lieferant aus Asien, der den Seeweg noch dazwischen hat.

Weber: Wir versuchen im Bereich der Dessinierungen mit verkaufsfähigen Bettwäscheprodukten ganz gezielt Themen zu entwickeln, die wir unseren Kunden sowohl für den Onlinebereich als auch für den stationären Bereich anbieten können. Wir sehen die Chance, durch die enge Verzahnung nicht nur im Design, sondern auch in der logistischen Abwicklung weiterhin eine tragende Rolle im Bettwäschebereich zu spielen.

Bierbaum: Seit Mitte der Fünfzigerjahre werden in Deutschland jährlich zwischen 25 und 30 Mio. Bettwäschegarnituren verkauft. Diese Zahl ist relativ konstant. Wir als Produzent können immer nur schauen, welche Bettwäsche der Kunde braucht, und ob wir sie hier herstellen können. Das geht so lange gut, wie der Verbraucher nicht sagt: Mircofaser aus China für 3,99 Euro reicht mir. Aber das wird nicht passieren.



Die wichtigsten Aussagen im Überblick:

Menge und Marke:
Bettwäsche wird in allen Qualitätsstufen angeboten

Made in Germany:
Niedriglohn wird durch Automatisierung wettgemacht

Kundennähe:
deutlich kürzere Lieferzeiten als Wettbewerber aus Asien

Grüner Knopf:
Zertifikate sichern die Nachthaltigkeit der Produkte

Onlinehandel:
Das deutliche Wachstum erfordert neues Marketing



Bierbaum- in Kürze

Bierbaum Unternehmensgruppe GmbH
Gelsenkirchener Straße 11
46325 Borken
Tel.: 02861 / 9480-1
Fax: 02861 / 948-321
www.bierbaum.de
info@bierbaum.de

Umsatz: 105 Mio. Euro
Mitarbeiter: ca. 700 an sechs Standorten
Produktionsfläche: 105.000 Quadratmeter
Investitionen: durchschnittlich 3-6 Mio. Euro jährlich

Vertriebslinien:
-Bierbaum Wohnen (Bettwäsche im Sortiments- und Aktionsgeschäft)
-Irisette (Markenbettwäsche für den Fachhandel)
-Leomi Textilwerke, Ramsdorfer Textilwerke (Heimtextilien für Handels- und Eigenmarken)
-Kornbusch & Starting (textile Reinigungstücher)



Jan-Frederic Bierbaum
Jan-Frederic Bierbaum ist geschäftsführender Gesellschafter der Bierbaum Unternehmensgruppe. Von 1981 bis 1985 absolvierte er ein Studium zum Textilingenieur. 1985 gründete er ein Startup für Betriebsdatenerfassungsanlagen in der Textilindustrie, bevor der heute 58-jährige Vater dreier Kinder 1989 in das Familienunternehmen eintrat.



Jürgen Weber
Jürgen Weber arbeitet seit dem 1. Mai 2019 als Geschäftsführer Vertrieb und Marketing bei der Vertriebsgesellschaft Bierbaum Wohnen. Er begann 1987 seine berufliche Laufbahn bei Bierbaum mit der Ausbildung zum Industriekaufmann und arbeitete zunächst als Verkaufsleiter und später als Key-Account-Manager und Prokurist. Gemeinsam mit seinem langjährigen Vorgänger Hans-Dieter Giesen und dem Designteam um Michaela Durante hat der 55-jährige zweifache Familienvater die erfolgreiche Entwicklung von Bierbaum Wohnen zum führenden Bettwäscheanbieter in Deutschland mit vorangetrieben.
aus Haustex 06/20 (Wirtschaft)