Viscoh: Geschäftsführer Joachim Weber im Interview

"Wir haben den Trend zur Einfachheit früh festgestellt"


Der Dämmunterlagenanbieter Viscoh fokussiert sich seit der Unternehmensgründung vor sechs Jahren konsequent auf die Strategie der Einfachheit. Das Sortiment umfasst gerade einmal acht Produkte für alle Anforderungen an eine Verlegeunterlage. Parkett Magazin sprach mit Geschäftsführer Joachim Weber unter anderem über den Trend zu einfachen Lösungen.

Herr Weber, wie laufen die Geschäfte bei Viscoh seit Beginn der Corona-Krise Anfang März? Sind Ihre Bezugsquellen gesichert?

Joachim Weber: Ja, unsere Bezugsquellen sind gesichert. Das liegt einerseits daran, dass wir uns schon Anfang März ausreichend bevorratet haben, als unsere Kunden vermehrt auf uns zu kamen, weil sie teilweise keine Designböden mehr aus China bekamen. Da hatten wir den Eindruck, es könnten irgendwelche Lieferketten wegbrechen und haben uns sicherheitshalber besser bevorratet. Zum anderen haben wir keine Engpässe, weil unsere Produkte von unserem Partner, einem führenden Schaumstoffhersteller, exklusiv für Viscoh in Deutschland hergestellt werden.

Und wie sieht es umsatzseitig aus?

Unsere Umsätze hatten sich bis Ende März hervorragend entwickelt und lagen ungefähr 10 % über dem Vergleichszeitraum 2019. Im April konnten wir dann noch ungefähr 80 % unserer Vorjahresumsätze realisieren. Wir waren teilweise überrascht, dass manche Kunden mehr bestellten als sonst, weil sie sich bevorratet haben. Und manche Kunden haben gar nicht bestellt, weil ihre Geschäfte geschlossen waren. Dennoch sind wir insgesamt sehr zufrieden.

Welche Kundengruppen beliefern Sie in welchen
Märkten?

In unserem Kernmarkt Deutschland beliefern wir hauptsächlich den Holzgroß- und -fachhandel, gefolgt vom Baustofffachhandel, Bodenbelagsgroßhandel und der Bodenbelagsindustrie. Etwa ein Drittel unserer Umsätze erwirtschaften wir im europäischen Ausland.

In welchen Bereichen streben Sie weiteres Wachstum an? Welche Ziele haben Sie?

Unser Wachstumsziel Nummer Eins ist, die Marke zu stärken - Viscoh soll als Synonym für Einfachheit stehen. Das mag kein messbares Ziel sein, aber es ist das wichtigste. Ansonsten sind wir ein junges Unternehmen, für uns gibt es noch sehr viel Wachstumspotenzial auf den Kernmärkten. Natürlich setzen wir auch auf den überproportional steigenden Designboden-Markt, respektive den Rigidboden-Markt. Als einer der ersten Anbieter haben wir im Herbst 2019 eine speziell für Rigid-Böden optimierte Unterlage eingeführt.

Sie betonen die Fokussierung auf Einfachheit. In jüngster Zeit sind bereinigte Sortimente ein großes Thema geworden - bei Bodenbelägen wie bei Verlegewerkstoffen. Sie verfolgen diese Strategie schon seit der Unternehmensgründung 2014 sehr konsequent. Spielt Ihnen das jetzt in die Karten?

Ja, absolut. Mein Bruder und ich haben den Trend zur Einfachheit früh festgestellt und wir haben unser gesamtes Konzept von Anfang an darauf ausgerichtet. Ausschlaggebend dafür waren Schlüsselerlebnisse in der Vergangenheit, die bis auf die Zeit zurückreichen, als ich selbst als Jugendlicher hinter dem Verkaufstresen des Eisenwaren- und Holzgroßhandels unserer Großeltern aushalf. Damals habe ich von der Pike auf vieles über die Bedürfnisse der Kunden gelernt - das ist ganz entscheidend. Es ist immer gut, beide Seiten zu kennen. Ich kann mich in die Lage der Holzhändler gut hineinversetzen.

Wieso transportieren Sie diese Botschaft jetzt mit der neuen Marketingkampagne "Zeit für Veränderung, Zeit für Einfachheit"?

Weil man sich in einer immer komplexer werdenden Welt, in der es immer größere Herausforderungen gibt, zu einfachen Lösungen bekennen sollte. Wir meinen, Kompetenz hat - zumindest bei Zubehörprodukten - nichts mit der Breite des Sortiments zu tun. Ein grundlos aufgeblähtes Sortiment führt im Gegenteil zu Inkompetenz und Produktkannibalismus. Viscoh steht hier für einfaches Verkaufen, wenige selbsterklärende Produkte und höchste Sicherheit in punkto Beratung und Produktsicherheit.

Aber verlangt der Markt nicht immer wieder nach etwas Neuem?

Nein, überhaupt nicht. Das Neue ist ja das Konzept der Einfachheit. Wer sich für einen Bodenbelag entschieden hat, will sich nicht noch lange mit der Auswahl der Zubehörprodukte beschäftigen, sondern einfach das passende Produkt von seinem Händler empfohlen bekommen. Bei unserem Viscoh-Sortiment muss der Verkäufer dem Kunden beim Kauf eines Parketts im Prinzip nur nach dem Untergrund fragen und ob er sich für das Einstiegs- oder Highend-Produkt entscheiden möchte. Der Rest ergibt sich von allein. Viscoh bietet dem Händler ein Vollsortiment, das aus nur wenigen Produkten besteht und schon dadurch klar und verständlich ist.

Ihr aktuelles Sortiment umfasst acht Produkte. Wie lassen sich damit - vor dem Hintergrund der doch sehr unterschiedlichen Verlegesituationen - alle Anforderungen an eine Dämmunterlage abdecken?

Das ist es ja gerade, was unsere Alleinstellung ausmacht. Die Entwicklung des Konzeptes, die Auswahl der Materialbasis bis hin zur Serienreife der Produkte war im Vorfeld ein Prozess, der zwei Jahre Entwicklungszeit verschlungen hat. Die Vernetzung der Materialbasis ist der Schlüssel für die Multifunktionalität unserer Produkte. Das ist unser USP. Der vernetzte Polyolefinschaum wird in einem dreistufigen Prozess aus Extrudieren, Vernetzen und Aufschäumen hergestellt. Dadurch erhält das Material seine Viskoelastizität, das unseren Produkten hohe Formstabilität, hohes Rückstellverhalten und vor allem den dauerhaften Erhalt dieser Eigenschaften gibt.

Was bedeutet Viskoelastizität? Und wie beeinflusst diese Eigenschaft konkret den Geh- und Trittschall?

Viskoelastizität ist ein zusammengesetztes Wort aus Viskosität und Elastizität. Damit vereinen wir zwei grundsätzlich physikalisch gegensätzliche Eigenschaften. Bildlich kann man das mit dem Stoßdämpfer eines Autos vergleichen, der beim Überfahren eines Schlaglochs gleichzeitig eine federnde und eine dämpfende Wirkung hat. Bei der Unterlage ist es das Gleiche: Hat das Material eine extreme Feder-
eigenschaft, verhindert es das Durchschlagen nach unten - in diesem Fall die Übertragung des Schalls auf den Estrich. Das Ergebnis ist ein gute Trittschalldämmung.

Um einen guten Gehschall zu erzeugen, braucht die Unterlage hingegen gute dämpfende Eigenschaften. Der Boden sollte beim Begehen möglichst nicht in Schwingung versetzt werden, ähnlich wie bei vollflächig verklebtem Parkett, das ein hervorragendes Klangbild besitzt. Die viskoelastische Materialbasis unserer Produkte vereint diese beiden gegensätzlichen Eigenschaften: Viskosität sorgt für eine gute Gehschalldämmung, Elastizität sorgt für eine gute Trittschalldämmung. Der Kunde muss sich bei uns also nicht für das eine oder andere entscheiden, sondern erhält alles in Einem.

Was die Tritt- und Gehschalldämmwerte betrifft, loben Sie Ihre Unterlagen oberhalb aller Mindestanforderungen von EPLF und MMFA aus. Sind die von den Laminat- und Designbelagsherstellern definierten Mindestanforderungen aus Ihrer Sicht ausreichend?

Also, ganz klar, nein. Aus zwei Gründen: Erstens halte ich die Mindestanforderung von 14 db für Trittschall bei Laminatböden für zu gering; die erhöhte Trittschall-Anforderung von 18 db halte ich für ausreichend. Zweitens gibt es für den Gehschall bis heute keine einheitliche validierte Messmethode. Wir legen aber darauf die meiste Gewichtung. Für uns galt von Anfang an der Anspruch, es gibt bei uns kein Produkt, das nicht ausnahmslos alle Anforderungen erfüllt. Selbstverständlich kann eine Unterlage in Richtung Gehschall oder in Richtung Trittschall optimiert entwickelt werden. Die Kunst besteht aber darin, die Ausgewogenheit der Performance der Produkte zu optimieren. Wir machen unsere Produkte zu Allroundern.

Wie ist die neue Europäische Normierung für Dämmunterlagen in diesem Kontext zu bewerten?

Die Europäische Normierung für Dämmunterlagen ist zum Großteil eine brauchbare Grundlage, aber sie ist noch nicht zu Ende entwickelt. Die Anforderungen des EPLF finden sich darin bislang nur teilweise wieder. Außerdem gilt die Norm nur für Laminatböden. Wünschenswert wäre, dass sie auch für Designböden nachgereicht wird - und vielleicht irgendwann auch für Parkettböden.

Welchen Anspruch stellen Sie an die Nachhaltigkeit Ihrer Unterlagenprodukte?

Nachhaltigkeit hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Sieben unserer acht Produkte sind inzwischen mit dem Blauen Engel zertifiziert, an dem achten sind wir dran, und alle Produkte sind bauaufsichtlich zugelassen. Außerdem sind einige unserer Unterlagen Sentinel-Haus-zertifiziert - das ist ein tolles Konzept, das immer beliebter und gefragter wird. Die ersten Händler haben das so genannte Grüne Regal dafür bereits aufgestellt. Des Weiteren setzen wir gerade das Thema Cradle-to-Cradle um.

Ein Aspekt der Nachhaltigkeit ist auch die Dauerhaftigkeit eines Produkts. Viscoh gewährt auf Dämmunterlagen bis zu 30 Jahre Garantie. Warum sind Sie von der Langlebigkeit des Materials so überzeugt?

Wir wissen aus Langzeittests und Erfahrung, wie langlebig unsere Materialien sind. Sie behalten auf Jahrzehnte ihre Eigenschaften. Und das ist neben den rein technischen Werten für uns ein wesentlicher Bestandteil der Produktsicherheit. Denn was bringt eine Unterlage, die am Anfang funktioniert, aber nach fünf Jahren platt wie eine Flunder ist? Unser vernetztes Unterlagenmaterial besitzt verkettete Moleküle, quasi wie ein Gitter vorstellbar, das verbunden wird und dadurch dauerhaft Festigkeit gewährleistet. Das macht den Unterschied - und deswegen geben wir mit voller Berechtigung bis zu 30 Jahre Garantie auf die Eigenschaften unserer Highend-Produkte. Die Haltbarkeit ist ein wesentlicher Aspekt der Produktsicherheit.

Wo sehen Sie Entwicklungspotenzial für Ihre Produkte? Wie optimieren Sie das Sortiment weiter, ohne es zu vergrößern?

Insbesondere passen wir die Eigenschaften unserer Unterlagen an die veränderten Bedürfnisse der Bodenbelagsindustrie an: Als einer der ersten Anbieter haben wir eine speziell für Rigid-Böden optimierte Unterlage vorgestellt. Die starren Rigids sind zwar nicht so temperatursensibel wie elastische Designbeläge, aber mit ihrem harten Duroplast-Kern und der sehr dünnen Vinyl-Oberschicht sind sie sehr laut. Fast wie ein Laminatboden. Außerdem sind sie sehr dünn, oft nur 3 oder 3,5 mm, so dass die fragilen Verriegelungssysteme extremen Belastungen ausgesetzt sind. Deshalb benötigen Rigid-Unterlagen in punkto Druckstabilität und Gehschallverbesserung andere Eigenschaften als LVT-Unterlagen. Und darauf haben wir reagiert.

Wir entwickeln unsere Produkte generell ständig weiter, das ist ein kontinuierlicher Prozess. Denn wir wollen die Gesamtperformance der Materialien immer weiter verbessern.
| Das Gespräch führte Imke Laurinat

i Viscoh
Viscoh GmbH
Am Flügelbahnhof 4/II
96317 Kronach
Tel.: 09261 / 91 00 69 - 0
info@viscoh.de, www.viscoh.de

Gründung: 2014
Geschäftsführung: Joachim Weber
Vertrieb: Frank Hofmann
Exportquote: ca. 33 %
Mitarbeiter: 10
Vertriebskanäle:
Holz-, Baustoff- und Bodenbelagsgroßhandel, Bodenbelagsindustrie
Produkte: Dämmunterlagen
aus Polyolefinschaum für Parkett, Laminat und Designbeläge
aus Parkett Magazin 04/20 (Wirtschaft)