Interview des Monats: Oriental Weavers

Progressive Expansionspläne, starker Kundenfokus


Oriental Weavers backt grundsätzlich keine kleinen Brötchen: Domotex-Besucher dürften sich gut an die beeindruckenden Paläste erinnern, in denen die Anbieter ihr vielseitiges Programm ausstellen. Die ägyptischen Maschinenweber verfügen über ein enorm breites Angebot an Kollektionen, die sie direkt auf Großhändler, Importeure und große Einzelhändler zuschneiden und in über 130 Länder auf der ganzen Welt liefern. Zurzeit hat das Unternehmen große Expansionspläne: Man investistiert kräftig in den Maschinenpark, um das Angebotsspektrum noch stärker zu erweitern. Carpet Home sprach mit Yasmine Khamis (President Oriental Weavers) und Hany Amin (Export Director).

Carpet Home: Ihre Produktionskapazität betrug 2020 insgesamt 144 Mio. m2; damit ist Oriental Weavers ein echtes Schwergewicht und verkauft seine Teppiche ganz sicher nicht einzeln. Wie genau agieren Sie am Markt?

Yasmine Khamis: Wir fertigen grundsätzlich auf Bestellung und produzieren keine Lagerware. Stattdessen schneiden wir die Kollektionen genau auf unsere Kunden zu, also auf die weltgrößten Großhändler, Importeure und Handelsunternehmen. Die treffen vorher ihre Auswahl aus unserem sehr breiten Design-Angebot, das wir auf verschiedene Geschmäcker abstimmt haben. Zwei unserer Designstudios sitzen hier in Ägypten, ein weiteres großes betreiben wir in den USA. Die ägyptischen Studios sind in kleinere Bereiche unterteilt und auf verschiedene Märkte und deren Bedürfnisse ausgerichtet: auf Europa, die USA, Australien, Südamerika, Afrika, den Mittleren und Fernen Osten und auf Ägypten. Dadurch können wir uns jedem Markt sehr gezielt und mit der entsprechenden Expertise widmen. Und natürlich ändern wir Designs auch auf Kundenwunsch ab und entwerfen Exklusiv-Kollektionen für die ganz großen Handelsunternehmen.

Hany Amin: Unser größter Produktionsstandort ist natürlich Ägypten; hier verfügen wir mit Abstand über die umfangreichste Kapazität. Die Werke in den USA und China ergänzen die ägyptische Produktion und sorgen außerdem dafür, dass wir diese Märkte besonder schnell beliefern können.

Carpet Home: Dass es sich bei Oriental Weavers um ein vollständig vertikal integriertes Unternehmen handelt, kommt dem wahrscheinlich auch zugute.

Yasmine Khamis: Auf jeden Fall. Wir stellen alles, was man für die Teppich- oder Teppichbodenproduktion braucht, selbst her, sofern uns das möglich ist - mit Ausnahme gewisser Materialien wie Jute zum Beispiel, die Pflanze muss in Indien oder Bangladesch angebaut werden. Dadurch, dass wir vollständig integriert sind, können wir schnell und flexibel auf die Bedürfnisse unserer Kunden und auf die Marktbedingungen eingehen, und die sind inzwischen unberechenbar, gerade in den letzten 15 Monaten wegen COVID. Unsere Kunden verlangen eine immer breitere Auswahl und immer kürzere Lieferzeiten. Außerdem entscheiden sie sich bei ihren Kollektionen immer häufiger um. Dadurch, dass wir ein vollständig vertikal integriertes Unternehmen sind, haben wir sowohl Kontrolle über die Preise als auch über die Qualität unserer Produkte - und natürlich auch über unsere Liefergeschwindigkeit.

Carpet Home: In den letzten Monaten sind die Produktionskosten für Maschinenwebteppiche ja extrem stark gestiegen.

Yasmine Khamis: Zurzeit ist es wirklich schwer, Kosten zuverlässig zu kalkulieren. Allerdings glauben wir fest daran, dass wir durch unsere Größe enorme Vorteile haben: Je mehr wir produzieren, je länger unsere Webmaschinen rund um die Uhr laufen - und das ist derzeit der Fall -, desto geringer fallen unsere Kosten ins Gewicht. Diese Tatsache hat uns in den letzten Monaten sehr vorangebracht. Ab Dezember 2020 konnten wir die größte Nachfrage in unserer Unternehmensgeschichte verbuchen: Jeden Monat hatten wir zweistellige Zuwächse im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen.

Carpet Home: Umsätze mit Maschinenwebteppichen haben sich in letzter Zeit stark in Richtung Onlinehandel verschoben. Für Oriental Weavers ist das bestimmt ein sehr wichtiger Bereich.

Yasmine Khamis: Allerdings, gerade in den USA und in Europa, und das sind immer noch unsere größten Absatzmärkte. Darum müssen wir jetzt ganz besonders innovativ sein, um uns von den vielen anderen Anbietern abzuheben. Zunächst mal natürlich in Sachen Design, aber auch in Sachen Kundenservice. Die Bedürfnisse unsere Kunden haben wir ständig im Blick, wir brennen sozusagen für sie. Das bedeutet, dass wir schnell auf alle Anforderungen reagieren und unsere Produkte genau nach ihren Wünschen liefern - und dazu rechtzeitig. Außerdem wollen wir weiter expandieren.

Carpet Home: Dann vergrößeren Sie also Ihren Maschinenpark?

Yasmine Khamis: Ja, wir investieren dabei in alle drei unserer Schienen: Weben, Tuften und Drucken. Dabei haben wir für den Bereich Maschinenwebteppiche die größten Pläne; hier investieren wir dieses Jahr in mindestens 24 Maschinen, 18 davon werden bald schon geliefert. Und damit ihnen das Material nicht ausgeht, müssen wir auch unsere Garnproduktion erweitern, mit allem, was dafür erforderlich ist: das Granulat, die BCF-Extrusion und die Thermofixierung von Polypropylengarnen. Entsprechend haben wir auch dafür die neusten Maschinen bestellt; im August sollen sie auf den Weg zu uns gehen. Darauf freuen wir uns schon sehr, weil die neue Technik in Sachen Garnproduktion uns ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Dadurch werden wir noch vielseitiger und schneller, das kommt uns gerade in den ungewissen Monaten zugute, die vor uns liegen. Außerdem erhalten unsere Kunden eine noch größere Auswahl an Produkten. Übrigens werden wir wohl rund 80 % der neuen Maschinen noch vor Ende dieses Jahres in Betrieb nehmen.

Hany Amin: Diesen starken Innovationsgeist hat uns der Unternehmensgründer Mohamed Khamis vermittelt, und er zieht sich durch alle Abteilungen, jeder Mitarbeiter macht mit. Dabei stecken wir viel Zeit und Energie in Maßnahmen, die unsere Qualitätsstandards verbessern. Zum Beispiel dadurch, dass wir am 20 Keys Project teilnehemen - einem berühmten japanischen Modell, das 20 Schwerpunktziele umfasst, zum Beispiel Erfolgskontrolle, Abfallvermeidung oder Energie- und Materialeinsparung.

Carpet Home: Apropos Innovation und Zukunftsplanung: Nachhaltigkeit ist ja ein zunehmend wichtiges Thema, auf das auch Kunden verstärkt achten.

Hany Amin: Das stimmt. Wir haben sehr intensiv daran gearbeitet, unseren CO2-Fußabdruck zu verkleinern und nachhaltige Kollektionen zu entwickeln. Bei den recycelten Rohstoffen, die wir weiterverarbeiten, können wir übrigesn zu 100 % nachvollziehen, woher sie stammen und dass sie unter fairen Bedingungen gesammelt und gesäubert wurden - also ohne Kinderarbeit. Auch einige unserer neuen Maschinen tragen dazu bei, dass unserer Produktion sehr viel umweltverträglicher laufen wird, darum werden sie von der EU subventioniert.

Carpet Home: Auch Indoor/Outdoor-Teppiche werden immer wichtiger. Da haben Sie schon einige Kollektionen im Angebot.

Yasmine Khamis: In den letzten zehn Jahren hat sich Oriental Weavers wohl als der größte Hersteller von Outdoor-geeigneten Teppichen hervorgetan, und darauf bin ich sehr stolz. Der Outdoor-Trend kommt ursprünglich aus den USA, dort hat man ihn so richtig großgemacht. Auch in Australien steigt die Nachfrage und andere Länder schließen sich natürlich an.

Hany Amin: Ganz aktuell haben wir die Qualität Aurora im Programm: die erste Outdoor-Kollektion, die 13 Farben in einem Teppich vereint. Wir haben sie gerade frisch herausgebracht, und sie ist wirklich einzigartig. Normalerweise haben Outdoor-Teppiche nämlich höchstens fünf oder sechs Farben. Aurora ist also sehr vielseitig und komplex.

Yasmine Khamis: Wir vergrößern unser Indoor/Outdoor-Programm ständig und sind dabei sehr trendbewusst. Ich schätze, wir bringen für unser gesamtes Produktspektrum jede Woche etwa zwei neue Kollektionen heraus - darin sind die Sonderkollektionen für unsere Großabnehmer noch nicht eingerechnet. Das nur, um Ihnen eine grobe Vorstellung davon zu vermitteln, wie schnell unsere Designentwicklung funktioniert. Der Indoor/Outdoor-Bereich spielt hier eine wichtige Rolle.

Hany Amin: Wir haben immer mindestens 15 Outdoor-Kollektionen am Start ... zur Hochsaison sind es dann schon mal 20 oder mehr: Flachgewebe, Schlingen oder beides in Kombination. Und manche Qualitäten haben sogar einen Flor.

Carpet Home: Ein beachtliches Produktspektrum. Normalerweise würden Sie die Kollektionen ja auf den Branchenmessen vorstellen und Ihren Besuchern erklären

Yasmine Khamis: Tatsächlich haben wir uns auch intensiv damit befasst, die Kontakte zu unseren Kunden zu digitalisieren, gerade nachdem die meisten unserer Messen abgesagt wurden. Also haben wir eine Tour durch einen virtuellen Showroom entwickelt und Kunden zweimal im letzten Jahr dazu eingeladen. Der Zugriff ist passwortgeschützt. Auf der Internet-Seite sieht man unser komplettes Programm, und man kann jeden Teppich so weit heranzoomen, dass man alle Details erkennt. Unser Sortiment live zu zeigen und die Menschen persönlich zu treffen ist natürlich immer noch etwas anderes, aber die virtuelle Tour ist immerhin eine gute kontaktlose Alternative. Und natürlich freuen wir uns sehr darauf, unsere Kunden ganz real wiederzusehen.



Über die Interviewpartner

Yasmine Khamis, President von Oriental Weavers, ist die Tochter des Gründers Mohamed Farid Khamis. Im Jahr 1999 stieg sie offiziell als Manager für Marketing und Produktentwicklung ins Unternehmen ein. Von 2001 bis 2010 war sie Vice President für die Bereiche Verkauf (weltweit), Marketing und Produktentwicklung, danach Vice President des Gesamtunternehmens. Im Jahr 2017 listete Forbes sie unter den 100 mächtigsten arabischen Gesschäftsfrauen. Nach dem Tod ihres Vaters Mohamed Farid Khamis im Jahr 2020 wurde sie President von Oriental Weavers.

Hany Amin, General Export Director von Oriental Weavers, ist seit 1998 im Unternehmen und hatte dort bereits Positionen als Export Manager, Marketing Manager and Regional Export Manager inne. Amin studierte Wirtschaftswissenschaften an der American University in Kairo und verfügt über einen MBA in Marketing der University of Tennessee in Chattanooga, USA. Im Laufe seiner Tätigkeit für Oriental Weavers war er für den Verkauf in mindestens 60 Länder verantwortlich, darunter die USA, Europa, Japan, Australien, der Mittlere und der Ferne Osten sowie Südamerika.



Die Oriental Weavers Group

Oriental Weavers wurde 1979 durch den Unternehmer und Industriellen Mohamed Farid Khamis gegründet. Das Unternehmen produziert Teppiche und Fußmatten, außerdem die für die Herstellung erforderlichen Materialien. Auch Polsterstoffe (Gobelin) gehören zum Angebot der Ägypter. Das Bodenbelagsprogramm umfasst Webware (Axminster und Wilton), Maschinentuft sowie bedruckte textile Beläge und Nadelfilz. Die Produktion ist vollständig vertikal integriert; dazu gehören die Extrusion synthetischer Fasern, Färberei, Spinnerei, das Maschinenweben und die Veredelung. Im Jahr 2020 betrug die jährliche Produktionskapazität der Gesamtgruppe 144,5 Mio. m2

Die Gruppe hat ihren Haupsitz in 10th of Ramadan City bei Kairo. Sie verfügt über Produktionsstandorte in drei Ländern (Ägypten, USA, China) mit insgesamt 31 Fertigungsanlagen. Das Unternehmen beschäftigt weit mehr als 17,000 Menschen und exportiert rund 60 % seiner Produktion in über 130 Länder auf der ganzen Welt.

Die Oriental Weavers Group unterstützt mehrere Wohltätigkeitsorganisationen in den Bereichen Bildung und medizinische Versorgung.
aus Carpet! 02/21 (Wirtschaft)