FENA-Präsident Roman Eberharter

"Wir alle im Fachhandel brauchen Perspektiven"


Brüssel. Die Möbelbranche leidet unter steigenden Preisen und Lieferengpässen. Verschiedene Verbände haben sich mit einem Hilferuf an die EU-Kommission gewandt. Roman Eberharter, Präsident des Europäischen Möbelhändlerverbandes FENA, spricht im Interview über die aktuellen Herausforderungen für Industrie und Handel.

Haustex: Herr Eberharter, wie bewerten Sie die Aussichten der Möbelbranche für das laufende Jahr?

Eberharter: Die Aussichten wären gut, hätten wir nicht das Thema der markanten Preissteigerungen und die Lieferketten-Problematik mit langen Lieferzeiten von Komponenten für die Möbelproduktion.

Haustex: Wieso hat sich das so zugespitzt? Sind das Auswirkungen der Pandemie?

Eberharter: Während der Pandemie waren viele Produktions- und Handelsunternehmen erst geschlossen und dann auf einmal wieder geöffnet. Erst wurde weniger produziert, dann gab es einen Stau an Aufträgen, der abgearbeitet werden musste. Das alles hat zu längeren Lieferzeiten geführt. Bei der Lieferung von Komponenten, etwa den Chemikalien für die Schaumproduktion, gab es gravierende Ausfälle. Hinzu kommt eine große Nachfrage aus China und den USA für viele Komponenten, die in der Möbelproduktion wichtig sind, beispielsweise Federkerne, Schäume und Holz. Die Summe all dieser Faktoren hat zu der jetzt sehr schwierigen Situation geführt.

Haustex: Was heißt das für die Unternehmen?

Eberharter: Viele Einzelhandelsgeschäfte im Möbelbereich kämpfen oftmals mit langen Lieferzeiten und können Aufträge nicht auf einmal fertigstellen, müssen also öfter zum Endkunden hinfahren. Die damit verbundenen Kosten kann der Händler nicht einfach weitergeben. Das ist eine schwierige Situation für den Fachhandel. Auch die großen Preissteigerungen bei Matratzen und Polstermöbeln können nicht eins zu eins an den Endkunden weitergegeben werden.

Haustex: Sie haben als FENA gemeinsam mit anderen Verbänden einen Brief an die EU-Kommission geschrieben und Forderungen aufgestellt, die in der aktuellen Situation helfen sollen. Was erwarten Sie von der EU?

Eberharter: Die Möbelbranche ist sehr heterogen, an ihr hängen sehr viele Arbeitsplätze. Wir fordern, dass der Fleckerlteppich an Maßnahmen, wie wir ihn derzeit in Europa vorfinden, harmonisiert wird, dass Maßnahmen besser koordiniert und kommuniziert werden. Wir alle im Fachhandel brauchen Perspektiven.

Haustex: Ist es denn angesichts des unterschiedlichen Infektionsgeschehens realistisch, eine einheitliche Linie in der EU zu finden?

Eberharter: Wir müssen zugeben, die Chance auf ein einheitliches System ist sehr niedrig, das ist uns auch bewusst. Wir wollen aber darauf hinweisen, dass in einem geeinten Europa der Personen- und Warenverkehr grenzüberschreitend stattfinden muss. Ohne Einschränkungen, ohne Grenzschließungen. Wir brauchen ein gemeinsames Fundament an Regeln: Welche Maßnahmen sind beim Überschreiten bestimmter Inzidenzwerte notwendig und was passiert dann?

Haustex: Sie haben den grenzüberschreitenden Warenverkehr angesprochen. Welche Auswirkungen spüren sie hier aktuell in den Lieferketten?

Eberharter: Wir spüren vor allem, dass wir in vielen Bereichen von Asien abhängig sind. Oft sind es unscheinbare Produkte oder Komponenten - viele davon kommen aus Asien. Hier brauchen wir ein Umdenken in Europa. Wir als Möbelbranche, die Industrie wie auch der Groß- und Einzelhandel, müssen dem Endkunden zeigen, dass auch wir in Europa tolle Produkte herstellen. Jene sind vielleicht etwas teurer, aber oftmals haben diese eine bessere Qualität und nicht zuletzt werden dadurch Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Europa geschaffen. Wir können auch entsprechend flexibler und individueller auf nur schwer vorhersehbare Ereignisse reagieren.


Die FENA und ihr Präsident

Die FENA (EuropeanFederation for Furniture Retailers) ist die in Brüssel ansässige Interessensvertretung von rund 100.000 europäischen Unternehmen der Möbelbranche. Der 1959 gegründete Verband vertritt heute die gemeinsamen Interessen der europäischen Möbelhändler und Innenausstatter in 27 Ländern. Seit September letzten Jahres ist Roman Eberharter neuer Verbandspräsident. Der Unternehmer aus dem österreichischen Zillertal betreibt ein Bettenfachgeschäft in Ramsau und einen Produktionsbetrieb für Matratzen und Boxspringbetten, vor allem für die Hotellerie.
"Wir alle im Fachhandel brauchen Perspektiven"
Foto/Grafik: FENA
FENA-Präsident Roman Eberharter
aus Haustex 06/21 (Wirtschaft)