Nachhaltige Leistenfertigung: Martin Pedross im Interview

"Wir planen, produzieren und investieren enkeltauglich"


Der Südtiroler Leistenhersteller Pedross investiert für das laufende Projekt "Smart Factory" massiv in innovative, moderne Produktionstechnik. Jede Entscheidung zur Optimierung der Produktionsprozesse erfolgt sowohl nach ökonomischen wie ökologischen Aspekten. Im Interview mit Parkett Magazin legt CEO Martin Pedross sein Verständnis von gesundem, nachhaltigem und werteorientiertem Wachstum dar.

Herr Pedross, wie ist Ihr Unternehmen bis jetzt durch die Zeit der Pandemie gekommen? Mit welchen Herausforderungen waren bzw. sind Sie noch konfrontiert?

Martin Pedross: Die vergangenen 16 Monate waren hektisch und begleitet von großer Sorge. Der von der italienischen Regierung auferlegte dreiwöchige Komplett-Lockdown im März 2020 kam aus heiterem Himmel und traf uns völlig unvorbereitet. Wir haben uns von dieser Zwangsschließung dann aber schnell erholt und die daraus resultierten Umsatzverluste bis zum Jahresende mehr als wettgemacht. Seitdem ist ein Leben und Produzieren nach neuen Verhaltensregeln und den bekannten Hygiene- und Vorsorgemaßnahmen täglich Brot.

Inwiefern sind auch Sie von Engpässen in der Rohstoffversorgung konfrontiert? Haben für Sie vor diesem Hintergrund Aspekte der Regionalität weiter an Bedeutung gewonnen? Haben Sie Veränderungen in Ihrer Produktions- und/oder Logistikstrategie vorgenommen?

Natürlich wurden auch wir mit Engpässen in der Rohstoffversorgung und den damit verknüpften Preiserhöhungen konfrontiert. Diesem dramatischen Szenario kann sich momentan niemand entziehen. Von einer Entspannung kann keine Rede sein, wir navigieren auf Sicht, aber trotz der komplexen Lage wurden bis dato alle Kundenaufträge pünktlich verladen. Wer sich jetzt erst darum bemüht, den Einkauf breiter aufzustellen, ist hoffnungslos verloren. Diese Hausaufgaben muss man in ruhigen Zeiten machen, und ich kann da unserer Einkaufsleitung nur ein großes Lob aussprechen. Aber auch unsere langjährigen Lieferanten lassen uns nicht im Stich.

Wir haben in der Vergangenheit vor allem aus ökologischen Beweggründen versucht, unseren Beschaffungsradius immer mehr einzugrenzen. Noch nie in der Unternehmensgeschichte haben wir einen Rohstoff bzw. Fertigware aus Fernost oder China bezogen. Die Aspekte der Regionalität stoßen in Zeiten wie diesen aber an ihre Grenzen.

Wie haben sich Produktion und Umsätze Ihrer Unternehmensgruppe zuletzt entwickelt?

Wir sind mit der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten drei Jahren sehr zufrieden. Optimierte Prozesse führten zu höherer Produktivität und besseren Ergebnissen. Das Wachstum in unserer Unternehmensgruppe bezeichne ich als gesund, nachhaltig und werteorientiert. Und: Die Zufriedenheitsrendite bei der Belegschaft in allen drei Unternehmen ist spürbar und macht Freude.

Sie betreiben in Latsch eine moderne Leistenproduktion, in die kontinuierlich Investitionen in neue Technologien einfließen. Mit dem Projekt "Smart Factory" liegt ein Schwerpunkt auf Automatisierungen - wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten bzw. welche Investitionen bzw. Erweiterungen stehen aktuell in Ihrem Fokus?

Was den Fortschritt und die Automatisierung unserer zentralen Produktionsprozesse betrifft, befinden wir uns praktisch mitten im Projekt "Fertigung, die sich selbst organisiert". Ganz aktuell konzentrieren wir uns auf die Modernisierung der Furnierabteilung und die komplette Erneuerung unserer Profilummantelungsanlagen.

Signifikante Investitionen in innovative und moderne Produktionsanlagen sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Prozessoptimierungen, Standardisierungen und wertstromorientiertes Arbeiten zu einer "Smart Factory" gehören. Durch geschickte Überarbeitung von Anlagenlayouts, Materialflüssen, Lagerplätzen und Arbeitsabläufen wurden nicht nur zusätzliche Fertigungskapazitäten geschaffen, sondern auch bedeutsame Raumgewinne verzeichnet. Auch mit geänderten Schichtmodellen und zeitversetzten Pausen wirken wir der gesteigerten Nachfrage aktuell noch ohne direkte Investitionen entgegen.

Wie wird die Digitalisierung in diesem Zusammenhang vorangetrieben? Zum einen intern im Unternehmen, zum anderen übergreifend, gerade haben Sie Ihre Internetpräsenz erneuert

Die Internetpräsenz ist nur ein sichtbarer Baustein unserer Digitalisierungsstrategie. Wir arbeiten daran, alle Prozesse im Unternehmen zu digitalisieren. Auf Kundenseite entwickeln wir beispielsweise eine Plattform, die Produktinformationen maßgeschneidert zur Verfügung stellt. Innerhalb der Produktion gehen wir weiter in Richtung von individuellen Produkten, die sich nur durch digitalisierte Prozesse abbilden lassen, sprich kleinere Losgrößen sollen schon bald genauso wirtschaftlich produziert werden wie bei einer Massenproduktion. Schlussendlich stellen wir zukünftig auch im After-Sales-Bereich digitale Werkzeuge zur Verfügung, die einen Effizienzgewinn für Pedross und unsere Kunden darstellen.

Pedross lebt Nachhaltigkeit seit jeher - CO2-Kompensationen, Photovoltaikanlagen, ein Biomasse-Heizkraftwerk auf dem Gelände oder die Verarbeitung PEFC-zertifizierter Hölzer sind Beispiele. Mit der Klimabewegung, und auch verstärkt durch die Pandemie, erfährt das Thema Nachhaltigkeit zurzeit eine neue Dimension. Profitieren Sie in diesem Szenario von Ihrer immer schon ausgeprägten Umweltorientierung?

Wir springen nicht erst jetzt auf den Zug Nachhaltigkeit auf. Das kann belegt werden. Leider ist uns nicht bekannt, ob unser umweltorientiertes Schaffen von unseren Geschäftspartnern honoriert wird und ob wir deswegen am Ende des Jahres einen Laufmeter mehr verkauft haben. Das Thema Nachhaltigkeit ist bei einer Kundenakquise nicht relevant. Ausschlaggebend bei einem Geschäftsabschluss sind immer noch der Preis, die Qualität und der Service.

Aber, und diese Gewissheit erfüllt uns mit Genugtuung: Wir planen, produzieren und investieren enkeltauglich und tragen einen kleinen Teil dazu bei, unseren Nachkommen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Ein lapidares Beispiel: Unzählige Mitarbeiter inklusive Chef kommen mit dem Fahrrad, dem E-Roller oder dem E-Bike zur Arbeit. Das ist gesund, beispielhaft und macht bei den vielen Sonnenstunden in Südtirol durchaus Sinn :-).

Welche Priorität haben Nachhaltigkeitsoptimierungen und Ressourcenschonung bei Ihren derzeitigen bzw. geplanten Investitionen? An welchen Stellschrauben lässt sich im Sinne der "grünen Fabrik" noch stellen?

Wir bei Pedross erachten es als selbstverständlich, dass in einem holzverarbeitenden Betrieb Umweltfreundlichkeit gelebt werden muss. Investitionen haben daher immer auch eine Reduktion des Ressourceneinsatzes zum Ziel. Neue Anlagen werden energiesparend konzipiert, zudem versuchen wir durch die starke Reduzierung von Ausschuss oder der Verringerung des Klebstoffeinsatzes unseren ökologischen Fußabdruck weiter zu reduzieren. Kurz- und mittelfristig sehen wir starkes Potential in der automatisierten Überwachung und Regelung von Strom-, Absaugungs- und Drucklufteinsatz mit digitaler Datenerfassung und -auswertung als ganz klaren Bestandteil der Smart Factory-Strategie.

Wo liegen Schwerpunkte bei der Entwicklung neuer Produkte und Lösungen? Inwiefern fließen hier Aspekte der Nachhaltigkeit ein?

Wir sind nicht getrieben von dem Drang, laufend neue Produkte zu entwickeln, um dann festzustellen, dass sich Profile in Eiche und Weiß in den altbekannten Abmessungen jedes Jahr aufs Neue als die größten Renner erweisen. Viel wichtiger ist uns ein umweltfreundliches Verfahren bei der Herstellung unserer Produkte. So sind unsere Profile beispielsweise seit Jahrzehnten frei von Lösungsmitteln und Formaldehyd. Eine weitere Herkulesaufgabe besteht darin, die Unmengen an Verpackungsmaterial zu reduzieren. Dem Markttrend der Oberflächen in Rohholzoptik werden wir mit der Schutzbehandlung mit lebensmittelechtem Bienenwachsöl gerecht.

Sie haben frühzeitig in Digitaldrucktechnik investiert. Kann man diese Technologie vor dem Hintergrund der Ressourcenschonung als nachhaltig argumentieren?

Das Digitaldruckverfahren kann absolut als ressourcenschonend bezeichnet werden. Durch diese innovative Druck- und Oberflächentechnik kann jede noch so einzigartige Optik nachgebildet werden. Schon vor sieben Jahren haben wir alle Exotenhölzer/Furniere (immerhin 28) aus dem Sortiment genommen. Diese "Holzarten" werden seitdem mit dem Einverständnis der Kunden digital bedruckt reproduziert.

Welche Rolle spielen Umweltzertifizierungen in Ihren Sortimenten?

Wir beziehen PEFC-zertifiziertes Holz aus heimischer und nachhaltiger Forstwirtschaft. Aber auch unser MDF-Trägermaterial unterliegt strengsten Kontrollen und wird gemäß den gängigen Normen entsprechend produziert und bereitgestellt.

Sie sind Mitglied im "Klimaneutralitätsbündnis 2025", einer 2015 gegründeten regionalen Initiative, der sich inzwischen 185 Unternehmen und Organisationen angeschlossen haben. Welche Vorteile hat eine solches Bündnis bei Ihren Bestrebungen, die CO2-Emissionen des Unternehmens weiter zu reduzieren?

Der Beitritt zum Klimaneutralitätsbündnis 2025 erinnert uns daran, jährlich unseren CO-Unternehmensfußabdruck zu ermitteln und diesen Schrittweise zu reduzieren. Unsere Emissionen werden in einem ersten Schritt gemessen. Sobald diese erfasst sind, wird überprüft, wo wir uns verbessern können. Nur jene Emissionen, die nicht reduzierbar sind, werden durch hochwertige Klimaschutzprojekte ausgeglichen. An erster Stelle steht immer die Reduktion.

| Die Fragen stellte Imke Laurinat im Mai 2021


Karl Pedross

Karl Pedross AG
Industriezone 1/c
I-39021 Latsch
Tel.: +39 0473 / 72 22 00
Mail: info@pedross.com, www.pedross.com

Gründungsjahr: 1956
Tochtergesellschaften/Beteiligungen: Bürkle
Leisten & Profile GmbH, Stucky Holzprofilleisten AG, Vicover - Business Unit of Karl Pedross S.p.A
Prokuristen: Günther Perkmann, Thomas Aichner
CEO: Martin Pedross
Mitarbeiterzahl: 235
Produktgruppen: Sockelleisten aus Holz, Holzwerkstoffen und Metall, Profile aus Aluminium und PVC, Treppenkantensysteme
aus Parkett Magazin 04/21 (Wirtschaft)