VDB-Präsident Marc Böhle

"Von Entspannung kann man noch längst nicht sprechen"


Hamburg. Die Innenstädte sind wieder voll und die Menschen haben sich an das Einkaufen mit Maske gewöhnt. Ist die Welt im Bettenfachhhandel also wieder in Ordnung? Marc Böhle, Präsident des Verbandes der Bettenfachgeschäfte (VDB), spricht im Haustex-Interview über die aktuellen Herausforderungen der Branche.

Haustex: Herr Böhle, mit Blick auf das Pandemiegeschehen in Deutschland: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation im Bettenfachhandel?

Die Situation im Bettenhandel ist nicht einheitlich, es gibt je nach Region und Geschäftskonzept große Unterschiede. Wir in Hamburg mussten zum Beispiel bis Ende Mai unsere Türen weitgehend geschlossen halten, während nur wenige Kilometer weiter in Schleswig-Holstein schon ab März der Bettenverkauf fast uneingeschränkt möglich war. Entsprechend liegen per Ende August die Umsätze. Rund ein Drittel der Bettenhäuser dürften die Zahlen des - oft ja recht guten - Jahres 2020 erreicht oder sogar überschritten haben. Die Mehrheit ist damit wohl noch im Minus, zum Teil auch deutlich in zweistelligen Prozent-Bereich. Von Entspannung kann man also noch längst nicht sprechen - auch wenn sich das Geschäft aktuell vielerorts wieder halbwegs normal anfühlt.

Haustex: Viele Händler haben das vergangene Jahr überraschend gut abgeschlossen, wie Sie sagen, manche sprachen sogar vom besten Jahr ihrer Firmengeschichte. Erwarten Sie eine ähnliche Entwicklung auch 2021?

Das ist schwer zu prognostizieren. Im letzten Jahr sind ja einige Käufe von den Kunden vorgezogen worden, weil sie nicht in Urlaub fahren konnten. Wir hoffen aber natürlich, dass die Hinwendung zum eigenen Heim und vor allem zum erholsamen Schlaf weiter anhält. Es bleibt ja dabei, dass guter Schlaf die Gesundheit fördert und vor Infektionen schützt.

Haustex: Was sind aktuell die größten Herausforderungen für stationäre Fachhändler?

Aktuell sehe ich große Probleme vor allem im Personalbereich. Während des Lockdowns haben etliche Mitarbeiter dem Handel den Rücken gekehrt, so dass es in vielen Geschäften Probleme bei der Abdeckung der Öffnungszeiten gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich derzeit immer noch etliche Mitarbeiter schwertun, nach der Phase der Kurzarbeit wieder in den normalen Arbeitsrhythmus zu kommen. Viele Mitarbeiter haben immer noch nicht ihr Vor-Corona-Leistungsniveau erreicht. Leider wird sich dieses Problem in Zukunft weiter verschärfen, da in den nächsten Jahren allein aus demographischen Gründen deutlich mehr (ältere) Menschen den Arbeitsmarkt verlassen als (junge) Menschen hinzukommen. Das Gewinnen und Halten vor allem von guten Verkaufskräften wird damit zu einer immer größeren Herausforderung für jeden Unternehmer.

Haustex: Rohstoffknappheit, Lieferengpässe, Preissteigerungen: Vor allem die Matratzenhersteller kämpfen mit großen Problemen und müssen ihre Preise erhöhen. Was erwarten Sie von der Industrie in dieser Situation?

Ich gehe davon aus, dass alle unsere Lieferanten aus ureigenem Interesse ihr Bestes tun, um lieferfähig zu bleiben. Was die Preise anbelangt, sehe ich für die kleine Bettenbranche wenig Möglichkeiten, die Weltmarktpreise bei Baumwolle, Wolle, Daunen oder erdölbasierten Produkten nennenswert zu beeinflussen. Aber vielleicht sehen wir ja bald Innovationen im Bereich neuer Materialien?

Haustex: Es gibt Hersteller, die dem Handel mangelndes Verständnis für die aktuelle Lage und die damit verbundenen Preissteigerungen vorwerfen. Fühlen Sie sich da angesprochen?

Wir dürfen bei dieser Frage nicht vergessen, dass der Handel seine Wertschöpfung allein in Deutschland erwirtschaften muss. Und da wird aktuell fast alles merklich teurer - vor allem im Bereich Energie, Gebäude und Personal. Gleichbleibende Spannen lassen unsere Erträge also stetig schrumpfen und schränken unsere Investitionsfähigkeit weiter ein. Dagegen haben die Lieferanten zumindest theoretisch die Option, einen Teil ihrer Wertschöpfung in preisgünstigere Regionen auszulagern und so Kosten einzusparen. Diese Möglichkeit hat der stationäre Fachhandel nicht!

Haustex: Viele Fachhändler haben während der Lockdowns plötzlich Onlineshops eingerichtet. Hat der stationäre Handel das Thema Digitalisierung zuvor verschlafen?

Zum Teil hätte man sicher früher und konsequenter digitalisieren können. Einzelne Kollegen haben aber auch erfolgreiche Online-Shops aufgebaut. Letztendlich muss aber jeder den Weg gehen, den er am besten beherrscht. Zudem sehe ich speziell im Bereich der Liegesysteme, Kissen und Zudecken unverändert einen großen Vorteil der persönlichen Beratung vor Ort. Bislang gibt es keine digitale Lösung, die hier gleichwertige Ergebnisse erzielt. Der Kunde hat also nach wie vor einen großen Vorteil, wenn er ins Bettenfachgeschäft kommt.

Haustex: Die Umsatzzuwächse im Onlinebereich sind auch bei Möbeln oder Matratzen groß. Wie kann der stationäre Bettenfachhandel gegen Otto, Wayfair und Bett1 bestehen?

Er muss seine Stärken weiter ausspielen und kommunizieren. Die persönliche Beratung ist nach wie vor das Nonplusultra, speziell bei Problemkunden gibt es in der Regel kaum eine Alternative. Selbstverständlich brauchen wir zusätzlich ein angenehmes Ambiente, in dem der Kunde sich wohl fühlt.

Haustex: Maskenpflicht, 2G, 3G - wie reagieren eigentlich die Endkunden auf die Einschränkungen beim Einkauf?

Es freut natürlich längst nicht jeden, aber die meisten haben sich daran gewöhnt und akzeptieren die Vorgaben. Zudem gibt es nicht wenige vorsichtige Kunden, die darauf sogar ausdrücklich Wert legen.

Fürchten Sie einen weiteren Lockdown?

Ich setze darauf, dass die Ankündigungen der Politik, es gäbe keinen allgemeinen Lockdown mehr, dieses Mal eingehalten werden.
aus Haustex 10/21 (Marketing)