Deutscher Sachverständigentag 2021 in Köln

Problemsuche im Fußbodenbau wird nicht einfacher

Auf dem Sachverständigentag des Bundesverbandes Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) tauschten sich im Oktober in Köln 140 Teilnehmer über aktuelle Themen ihrer Gutachterarbeit aus. Erörtert wurden unter anderem zunehmende formale wie technische Anforderungen an das Gewerk, der Status quo bei Meisterprüfung und Ausbildung, DIN-Normen versus anerkannte Regeln der Technik sowie Rechtliches zu Prüfpflichten und zur Mängelhaftung.

Wenn etwas schiefgeht und es Streit gibt, wird der Sachverständige gerufen. Der ist oft auch selber Betriebsinhaber und weiß, wie sich ein Parkettleger fühlt, der vor Gericht steht. Trotzdem muss er neutral bleiben und die beteiligten Parteien, vor allem aber den Richter, mit Sachverstand beraten. "Wir müssen uns auf immer umfangreichere Gutachten, digitale Akten und Gerichtsunterlagen, Gender-Sprech und mehr einstellen", sagte Bundesinnungsmeister Peter Fendt auf der Sachverständigentagung 2021 in Köln vor rund 140 Teilnehmern und beklagte: "Oft werden von Richtern Gebäudesachverständige den Parkett-Sachverständigen vorgezogen. Da müssen wir sichtbarer werden." Dazu zähle für Sachverständigen-Anwärter auch der Wille, eine gute Prüfung abzulegen. Nur zwei Kandidaten schafften es im vergangenen Jahr im ersten Anlauf.

Die technischen Anforderungen an den Beruf des Parkett- und Bodenlegers steigen. Feuchtemessung, Materialvarianten, Fußbodenkühlung, Schadstoffe in Altuntergründen und und mehr Themen beschäftigen das Gewerk. Wer am Ball bleiben will, muss sich in Normengremien und Arbeitsgruppen engagieren. Der BVPF tut das. Überarbeitet werden unter anderem die 20 Jahre alte "Parkett - Planungsunterlage" des Informationsdienstes Holz und die TRGS 553 Holzstaub. Im Arbeitskreis Praxisgerechte Regelwerke im Fußbodenbau (PRiF) ist Ralf Wollenberg mit 15beteiligten Organisationen aus verschiedenen Branchen bestrebt anerkannte Merkblätter zu vereinheitlichen.

Manches braucht Zeit, und nicht alles hat gleich die gewünschte Wirkung. "Die Rückvermeisterung hat sich noch nicht in gestiegenen Lehrlingszahlen niedergeschlagen und auch Meisterprüfungen haben sich seit dem Stichtag im Juli 2020 noch nicht nach oben entwickelt", berichtete BVPF-Geschäftsführer Dieter Kuhlenkamp. Auch mussten erst neue Prüfungsaufgaben erstellt werden. Künftig gibt es kein Frage-Antwort-Spiel mehr, sondern situationsbedingte Arbeiten, die bis zu sechs Stunden dauern.

Sind DIN-Normen Allgemeine Regeln
der Technik?

Allgemeine oder anerkannte Regeln der Technik sind das, was die Mehrheit der Fachleute einer Branche macht, wenn die meisten es richtig machen. So etwa versteht ein Jurist den Begriff. Prof. Matthias Zöller, Architekt und Bausachverständiger, sieht die Thematik spezifischer. "Nehmen Sie die Allgemeinen Regeln der Technik aus Ihren Merkblättern raus! Ich verwende den Begriff nicht." Zwar seien sie zentraler Bestandteil aller Bauverträge, vor Gericht würden sie aber nicht als Beweismittel taugen.

Was den Regeln der Technik entspricht - oder auch nicht - sei nämlich geprägt von Überzeugungen, Meinungen, Traditionen, Konventionen und Ergebnissen von Verhandlungen. Und das könne sich ändern, wenn neue Bauweisen nach praktischer Erprobung zu neuen Regeln der Technik würden. "Gesetze der Natur ändern sich nicht, aber technische Regelwerke werden neuen Erkenntnisse zu Verfahren und Stoffen angepasst." Daher gäbe es einen klaren Unterschied zwischen "Technischen Regeln", die in Gremien erarbeitet würden, deren Mitglieder nicht demokratisch legitimiert sind sowie "Rechtlichen Regeln", die demokratisch oder demokratisch legitimiert entstünden. Daraus zieht Prof. Zöller den Schluss: "Rechtsnormen sind per Gesetz einzuhalten, bei technischen Normen ist deren Anwendbarkeit zu prüfen." Das tut im Zweifelsfall das Gericht mit Unterstützung eines Sachverständigen.

DIN-Normen, so Zöller, würden mit der Absicht entwickelt, dass sie sich nach ihrem Erscheinen als anerkannte Regel der Technik etablieren. Deswegen erscheinen sie zunächst als Entwurf und es gibt eine Einspruchsphase zur Überarbeitung. Bei der endgültigen Fassung bestünde dann die grundsätzliche Vermutung, dass die Regeln richtig seien und bei ihrer Beachtung gebrauchstaugliche Produkte entstehen würden. Aber kann ein Handwerker die für seinen Bereich gültigen Normen alle kennen?

"Für das Bauwesen sind fast 24.000 DIN-Normen-Teile relevant, für die Kernaufgabe der Architekten immerhin noch 2.500", erklärt Prof. Zöller. "Welchen Bezug haben DIN-Normen zu anerkannten Regeln der Technik, wenn sie wegen der Kosten nur eingeschränkt zugänglich sind und aufgrund des Umfangs nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Erfüllen sie dann die Anforderung: in Fachkreisen bekannt, anerkannt und praxisbewährt?" Seine Antwort: "DIN-Normen werden als Hilfe zum Werkerfolg, für das noch nicht Vorhandene zu dessen Planung und Ausführung, verfasst. Für das Gebaute, für den Bestand, sind sie überwiegend nicht gedacht." Bei Schadensfällen gelte es, technische Sachverhalte, kausale Zusammenhänge und Verwendungseignung, etwa von Material, aufzuklären. "Regelwerksvorgaben bieten nur Orientierung. Der anerkannte Stand der Technik kann Hilfestellung bieten."

Prüfpflicht befreit von Mängelhaftung

Prüfpflichten mögen als Last verstanden werden, doch sie haben für den Handwerker einen positiven Effekt. "Ich hafte für Mängel, aber ich kann mich unter Umständen von dieser Haftung befreien. Dieses Prinzip liegt der Prüfpflicht zugrunde", betont Rechtsanwalt Martin Kuschel.

Sich Probleme vom Hals zu halten, dafür ist die Bedenkenhinweispflicht des Auftragnehmers nach § 4 Nr. 3 VOB/B bekannt. Demnach muss der Handwerker überlegen, ob seine Auftragsanweisungen eine mangelfreie Herstellung erlauben. Konnte er trotz sorgsamer Prüfung die Fehlerhaftigkeit der Anweisung nicht erkennen oder besteht der Auftraggeber trotz eindeutiger Warnung dennoch auf der Ausführung, dann ist der Handwerker frei von späterer Mängelhaftung.

Tatsächlich, so Kuschel, komme die Prüfpflicht nicht aus der VOB, sondern sei im BGB verankert: § 241 Pflichten nach dem Schuldverhältnis sowie § 242 Leistung nach Treu und Glauben. Dabei sei nicht konkretisiert, auf welche Weise und wie intensiv geprüft werden müsse. "Auch Sinneseindrücke können eine Prüfung sein."

Eine entscheidende Prüfung in Sachen Bodenbelag ist die der Belegreife. In der DIN 18560 (Estriche im Bauwesen) geht es um die Abnahmefähigkeit des Estrichs im Verhältnis vom Auftraggeber zum Estrichleger. Auf diese Normenreihe bezieht sich die DIN DIN 18356 Parkett- und Holzpflasterarbeiten. "Diese Normen kommen eigentlich gar nicht vom DIN, sondern vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA). Da sitzt die öffentliche Hand drin. Das sind im Wesentlichen vertragsrechtliche Bedingungen", erläuterte Kuschel.

Und schreiben diese Normen verbindlich eine CM-Messung zur Bestimmung der Belegreife vor? Rechtsanwalt Kuschel hat Zweifel. Zwar werde in der DIN 18560 die CM-Methode festgelegt, gleichzeitig heiße es aber: "Feuchtegehalt ist ein Kriterium zur Beurteilung der Belegreife." Was im Umkehrschluss bedeuten würde: "Es gibt noch andere Kriterien."

Doch was soll der Handwerker mit juristischen Spitzfindigkeiten anfangen? "Im Gericht ist es selten die Frage, mit welcher Messmethode gemessen wurde", lautet die Erfahrung von Kuschel. "Es kommt darauf an, ob überhaupt gemessen und wie das dokumentiert wurde. Der eigentliche Kern der Prüfpflicht ist, dass ich mir zutraue, mit meinem Material den Auftrag erledigen zu können. Das kann ich mit jeder Messmethode erreichen." Für den Rechtsanwalt bleibt also durchaus fraglich, ob in den Augen der Justiz neben CM-% nicht auch andere Messmethoden möglich sind. Das wäre ein Eintrittstor für die von bedeutenden Fachleuten propagierte KRL-Feuchtemessung.


Sachverständige Klaus Bauer und Peter Schwarzmann
Über Stuhlrollen, die wie Skater-Rollen aussehen

Auf eine ganz andere Problematik machten die Sachverständigen Klaus Bauer und Peter Schwarzmann aufmerksam. Es geht um einteilige Stuhlrollen, die wie Skater-Rollen aussehen und nicht in die DIN EN 12529 "Möbelrollen - Rollen für Drehstühle" passen. Während diese DIN 12529 den harten Rollentyp H und einen weichen Typ W mit einer Mindestauflagefläche von 18 mm oder, bei der Doppellenkrolle, 2 x 7 mm kennt, haben die konisch zulaufenden Skater-Rollen nur etwa 2 mm Auflage. Tests ergaben auf elastischen Belägen nach simuliertem, längeren Gebrauch dunkle Ablagerungen, die auf Mikrorisse im Belag zurückzuführen sind. Sind diese Rollen normgerecht? Was bedeutet das in einem Reklamationsfall? Und wer ist verantwortlich?

Ob der Stuhlrollenhersteller gesicherte Nutzungsinformationen liefern muss oder der Bodenbelagsproduzent, darüber gehen die Meinungen auseinander. Eine Hinweispflicht des Bodenlegers sieht Rechtsanwalt Martin Kuschel nicht: "Die gibt es nur, wenn er etwas erkennen könnte. Er weiß in der Regel aber nicht, mit welchen Stühlen der Boden später belastet wird. Auch beim Hersteller des Bodens sehe ich die Verantwortung nicht. Der konstruiert seinen Boden für eine bestimmte Belastung nach Norm, mehr kann er nicht tun. Eine Haftung dürfte eher beim Hersteller der Rollen liegen.
aus Parkett Magazin 01/22 (Wirtschaft)