Delius

"Wir sind ein resilientes Unternehmen"

2022 ist ein besonderes Jahr für den ostwestfälischen Textilhersteller Delius: Das Bielefelder Unternehmen feiert sein sage und schreibe 300jähriges Jubiläum. Wir haben in Bielefeld mit Friedrich Wilhelm Delius, Kai Hofmeister und Dr. Marc Schmidt über 300 Jahre Firmengeschichte, über resiliente Unternehmen und über textile Zukunftsstrategien gesprochen.

Tatsächlich gibt es in Deutschland nicht mehr sehr viele Unternehmen, die auf über drei Jahrhunderte Firmengeschichte zurückblicken können. Schaut man sich das Ranking der 50 ältesten deutschen Familienunternehmen an (Handelsblatt v. 13.12.2021), ist Delius als einziger Textilhersteller überhaupt in den Top 50 vertreten und rangiert gemeinsam mit der
Carl KühneKG auf Platz 25.

Am Hauptsitz des Unternehmens inmitten der Bielefelder Innenstadt lebt man dieses Jubiläum mit einer Mischung aus bodenständigem Stolz und der Motivation, das Unternehmen weiterhin in eine stabile und sichere Zukunft zu führen. Dabei fällt das Jubiläum in eine denkwürdige Ära, denn erstmals in der Unternehmensgeschichte ist im operativen Geschäft kein Delius, sprich kein Familienmitglied, vertreten. Seit 1997 teilten sich Friedrich Wilhelm Delius und sein Cousin Rudolf Delius in 9. Generation die Geschäftsleitung, Anfang 2020 wechselten sie aus der operativen Führung in den neu geschaffenen Beirat. Eine Entscheidung, die - wie Friedlich Wilhelm Delius sagt - von langer Hand geplant war. Seitdem leitet Dr. Marc Schmidt zusammen mit dem langjährigen Delius Geschäftsführer Kai Hofmeister das Unternehmen.

Den Gegebenheiten anpassen

Ein Blick in die Firmen-Chronik zeigt, dass sich Delius in 300 Jahren immer wieder neu erfinden musste, um unter teilweise schwierigen Rahmenbedingungen und in sich ständig wandelnden Märkten dauerhaft bestehen und erfolgreich sein zu können. Angefangen mit den Problemen, die die Industrialisierung dem Unternehmen bereitete, über die Diversifizierung zu Seide und Plüsch, die Gründung neuer Unternehmen bis hin zu vielen vorausschauenden Entscheidungen während und nach den Weltkriegen, schaffte es das Familienunternehmen immer wieder, mit klugen strategischen Anpassungen sicher durch die Höhen und Tiefen der Geschichte zu navigieren.

"Heute würde man uns als resilientes Unternehmen bezeichnen", resümiert Friedrich Wilhelm Delius. Dabei ist ihm wichtig zu betonen, dass dieser beispielhafte Erfolg zu einem großen Teil den Mitarbeitern zu verdanken ist: "Dass wir diese schwierigen Phasen so gut überstanden haben, hing ganz wesentlich mit unseren Mitarbeitern zusammen. Wir haben von Anfang an großen Wert auf ein gutes Verhältnis zu unseren Mitarbeitern gelegt. Das sieht man auch an unserer Verbundenheit zur Region und daran, dass wir hier immer noch weiter verwurzelt sind." So hat sich Delius bei der Errichtung der Produktionsstätten schon früh an seinen Mitarbeitern orientiert: "Wir sind da hingegangen und haben dort gebaut, wo wir Mitarbeiter in der Region finden konnten." Das erklärt, weshalb mit den Standorten Jöllenbeck und Spenge die Produktion immer etwas außerhalb von Bielefeld angesiedelt war - und das ist bis heute so geblieben. In Jöllenbeck werden inzwischen die technischen Gewebe für Delcotex hergestellt, am Standort Spenge sind Logistikzentrum, Qualitätssicherung und die Musterabteilung für Delius und Delcotex untergebracht.

Während das Geschäft in den Anfangsjahren vornehmlich auf Bekleidungsstoffe fokussiert war, erweiterte Delius das Portfolio in den 1930er Jahren um Heimtextilien. Etwa zur gleichen Zeit wurde reine Seide als Rohstoff durch Rayon ersetzt, was dem Unternehmen eine immense Umsatzsteigerung bescherte und zugleich die Entwicklung neuer Produkte in Richtung technischer Textilien forcierte.

Rationelle Fertigung unter Einsatz
modernster Webmaschinen

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte eine regelrechte textile Boom-Phase. Zu dieser Zeit ging es primär darum, die enorme Nachfrage nach Textilien, hier vor allem Bekleidung, zu bedienen und dabei die Produktion möglichst effizient zu gestalten. "Viele Jahre hat der Schwerpunkt bei uns im Unternehmen auf einer rationellen Fertigung unter Einsatz modernster Webmaschinen gelegen", erinnert sich Friedrich Wilhelm Delius.

Diese Zeit war zugleich geprägt durch zahlreiche Export-Geschäfte, die durch persönliche Kontakte der Familien Delius zustande kamen. Die traditionell weltweiten Verbindungen sorgten für außergewöhnliche, bisweilen exotische Aufträge und legten den Grundstein dafür, dass der Export zu einer wichtigen Säule des Unternehmens werden sollte. Der stilisierte Globus, bis heute Bestandteil des Firmenlogos, steht seitdem für die globale Ausrichtung der Delius Gruppe.

In den 70er/80er Jahren hatte Delius - wie viele andere Textilunternehmen auch - mit der andauernden Krise in der Textilindustrie zu kämpfen. Das führte schließlich dazu, dass man sich Anfang der 2000er Jahre von den Bekleidungsstoffen trennte. Friedrich Wilhelm Delius erinnert sich: "Das war eine große Zäsur, die auch nur im Einvernehmen mit unseren Mitarbeitern möglich war, denn wir mussten uns damals verkleinern. Glücklicherweise haben wir keine expansive Strategie gefahren, sondern uns auf unsere Kernkompetenzen besonnen."

So verabschiedete sich Delius im Segment Heimtextilien aus dem konsumigen Bereich und konzentrierte sich stattdessen auf Textilien, die den Spagat zwischen modischer Optik und smarten Zusatznutzen wie schwer entflammbar, verdunkelnd oder Lärm absorbierend hinbekamen. Damit wurde zugleich der Grundstein für einen eigenständigen Unternehmensbereich für technische Textilen gelegt, was mit der Gründung der Delcotex Delius Techtex im Jahr 2003 offiziell wurde. "Wir haben damals quasi aus dem großen Tanker Delius zwei Schnellboote gemacht: eins für smarte Objekttextilien und eins für technischen Gewebe, mit dem Vorteil, vor Ort produzieren zu können." Ein unschätzbarer Standortvorteil für Produkte, die sehr wesentlich davon leben, dass der Kunde in der Entwicklungsphase aktiv mit eingebunden ist.

Die Delius Gruppe ist heute mit den Firmen Delius und Delcotex im Markt tätig. Während Delius im Markt für hochspezialisierte Objektstoffe zu Hause ist, hat sich Delcotex auf den Bereich technische Textilien spezialisiert. Beide Unternehmen sind in ihrem jeweiligen Segment äußerst breit aufgestellt, wie der Blick hinter die "textilen Kulissen" zeigt.

Delius Objekttextilen

Funktion und Ästhetik zu vereinen ist der Leitgedanke bei den Objekttextilien von Delius. "Function matters", sagt Geschäftsführer Kai Hofmann. Für ihn ist das ein täglich gelebtes Glaubensbekenntnis: "Erst wenn unsere Objekttextilien mit ihrer faszinierenden Ästhetik die Innenarchitektur bereichern und ihre Funktionen perfekt aber unaufdringlich ihren Zweck erfüllen, haben wir unser Ziel erreicht."

Die Absatzmärkte für die smarten Delius-Stoffe sind so vielseitig wie die Textilien selbst. Unterschiedliche Vertriebs- und Entscheidungswege und zahlreiche spezifische Produktanforderungen, je nach Einsatzgebiet, machen dieses Geschäft extrem komplex.

Das größte und mithin wichtigste Objekt-Segment ist der Bereich Hotellerie. Die Hotelausstattung hat inzwischen Trendsetter-Status erreicht, sagt Hofmeister, denn die modernen Hotels arbeiten wieder verstärkt mit Textilien. "Die Konjunktur im Hotelgeschäft hat spürbar Fahrt aufgenommen, ein Bereich, in dem wir gerade ein erfreuliches Wachstum verzeichnen."

Das Segment Healthcare und Pflege erfordert weitere Funktionen von den Textilien, entwickelt sich jedoch von den Entscheidungsprozessen betrachtet, ähnlich wie der Hotelsektor. Basierend auf dem Gedanken der Healing Architecture und inspiriert von der Idee des Biophilic Designs, bietet Delius hier eine Kollektion, die den komplexen Bereich des textilen Einrichtens im Pflegebereich sinnvoll abdeckt.

Im Marinesegment bietet Delius Stoffe für die Ausstattung von Kreuzfahrtschiffen. Ein Bereich, der extrem hoheAnforderungen an die zu verwendenden Materialien stellt, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit und Funktion.Sicherheit spielt eine wichtige Rolle, daher müssen die Dekorations- und Möbelstoffe speziell für die Schifffahrt entwickelte Schwerentflammbarkeitsprüfungen bestehen und auch das Thema Lichtechtheit ist besonders relevant, da die Textilien durch die Reflektion der Meeresoberfläche einer stärkeren Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind als üblicherweise.
Daneben gehen die Objekt-Textilien in öffentliche Gebäude (Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude etc.), in den Ladenbau und auch Kinos und Theater werden mit Delius Stoffen und Wandbelägen ausgestattet. Ein kleiner, feiner Bereich sind die Outdoortextilien, die in Hotels und Restaurants vielfach auch im Indoorbereich eingesetzt werden, da auch sie - wie alle Objekttextilien von Delius - permanent schwer entflammbar sind.

Den Office-Sektor betrachtet man bei Delius derzeit abwartend. "Grundsätzlich wäre dieser Bereich auch für uns interessant", sagt Kai Hofmeister, "doch wir beobachten zunächst, wie sich das Thema nach Covid und Home Office entwickelt. Aktuell würden wir Office nicht als Wachstumsmarkt bezeichnen."

Das Geschäft im Objektbereich läuft vorrangig über die Kunden im Handwerk. "Wir sind traditionell im Handwerk verortet, der Raumausstatter ist unser wichtigster Kunde", formuliert Kai Hofmeister, "und wir werden dem Handwerk treu bleiben." Überhaupt sieht Hofmeister die Branche in der Gesamtheit in der Pflicht, das Handwerk aktiv zu unterstützen.

Zwei Objekt-Kollektionen pro Jahr

Im Schnitt entwickeln die Designer und Kreativen im Hause Delius in enger Abstimmung mit Marktexperten und Fachleuten der jeweiligen Objektsegmente zwei Kollektionen pro Jahr. Ausschlaggebend dabei ist immer, wie Hofmeister betont, dass die Kollektionen den Kunden die richtige Wertschöpfung garantieren und dass die Produkte wettbewerbsfähig sind: "Das ist unser Qualitäts-Versprechen an unsere Kunden."

Dabei legt das Geschäftsführer-Duo Hofmeister/Schmidt bereits bei der Kollektionierung großen Wert darauf, dass nachhaltig gedacht, konzipiert und gehandelt wird. "Wir sind nicht im Bereich Fast Fashion unterwegs", sagt Marc Schmidt. "In unserem Qualitäts-Verständnis beginnt Nachhaltigkeit damit, dass ein Produkt lange hält. Es macht einfach Sinn, langlebige Produkte zu produzieren und diese auch möglichst lange einzusetzen. Das ist aus meiner Sicht ein Trend, der uns lange begleiten wird."

Seit 2021 bietet Delius mit der Kollektion Ecoline ein kleines Sortiment, bestehend aus einem Transparentstoff, einem Dekostoff und einem Dim-Out, das mit Garnen aus recycelten PET-Flaschen hergestellt wird, GRS zertifiziert ist und Oeko Tex Standard 100 hat. Hofmeister und Schmidt verstehen Ecoline als ersten Schritt in Sachen nachhaltiger Kollektionen aus dem Hause Delius. "Wir beschäftigen uns selbstverständlich auch mit alternativen Materialien, nicht nur mir Recycling-Konzepten", erklärt Kai Hofmeister.

"Deshalb ist es wichtig, dass wir mehrere Ansätze wählen. Einmal das Recyclingmaterial, das wir einsetzen und andererseits das Rücknahme-Konzept, bei dem wir sicherstellen, dass die Produkte wieder sortenrein in den Kreislauf gelangen", ergänzt Marc Schmidt.

Delcotex -
Spezialisiert auf technische Textilien

Delius hat immer schon technische Gewebe gefertigt, in den späten 1990er Jahren wurden diese Aktivitäten unter dem Dach Delcotex als eigenständige Gesellschaft innerhalb der Delius Gruppe gebündelt. Die Gewebe werden am Standort Jöllenbeck auf über 100 Webmaschinen produziert, dort ist auch das akkreditierte Prüflabor angesiedelt, das zusätzlich Dienstleistungen für Delius und andere Partner in der Branche erbringt.

Ähnlich wie im Objektbereich bei Delius ist auch Delcotex mit Blick auf Sortiment und Anwendungs-Bereiche breit aufgestellt. Da technische Textilien per se innovationsgetrieben sind, versteht sich Delcotex als Entwicklungspartner, wie Marc Schmidt erklärt, da Produkte immer gemeinsam mit und für die Kunden entwickelt werden.
Größte Absatzschiene ist die breite Anwendung in der Industrie, wobei die Bandbreite der Einsatzbereiche nahezu unbegrenzt ist. So kommen technische Textilien von Delcotex beispielsweise ebenso in der Herstellung von Förderbändern zum Einsatz wie bei Elementen im Baubereich, etwa Dachfolien. Automobil und Sport sind zwei weitere wichtige Segmente in denen Delcotex Gewebe auf ganz unterschiedliche Weise eingesetzt werden.

Ein Wachstumsmarkt für technische Textilien ist der Militär-Bereich, wie Marc Schmidt erklärt. Hier geht es primär um Schutz- und Sicherheitsbekleidung. So speziell wie die Anwendungsbereiche sind, so speziell sind häufig auch die Anforderungen an die Textilien. So bedarf es etwa bei Tarndrucken für den Militär-Sektor einer besonderen Erlaubnis, ehe diese in Produktion gehen können.

"Gerade weil wir es mit sehr vielen und den unterschiedlichsten Anforderungen zu tun haben, verfügen wir über eine sehr große Entwicklungs-Abteilung, wo wir über die Kompetenz des Webers, über den Konstrukteur und die Kalkulation auch die Chemie abdecken können. Wir versuchen im Bereich der Entwicklung alle Kompetenzen zusammen zu bringen, um diese unterschiedlichen Produktausprägungen abbilden zu können", sagt Marc Schmidt. "Die Komplexität in den vielen Bereichen macht die Innovation aus und dafür steht Delcotex."

Pünktlich zu Jubiläum wurde jüngst am Standort Jöllenbeck eine neue Halle eingeweiht. Die bisherigen 20.000 m2 wurden damit um 5.000 m2 Wachstumsfläche für Produktion und Lager erweitert. In die neue Halle werden sowohl Produktions- wie Lagerflächen für die Fertigung von Gelege- und Composite-Textilien einziehen. Das Warenlager wurde vor einigen Jahren in das Logistikzentrum in Spenge ausgelagert, um Platz für die wachsende Produktion zu schaffen. Nun können die Lagerräume nach Jöllenbeck zurückkehren, was die Transportwege verkürzt und somit Kosten und Energie spart.

Auch hier zeigt sich, dass die vorausschauende Unternehmenspolitik in der DNA von Delius verankert ist. "Wir sind ein Unternehmen mit 300 Jahren Historie, das aus starken Wurzeln gesund gewachsen ist", fasst Marc Schmidt zusammen. "Wir sind sehr stolz, auf das, was wir bis jetzt erreicht haben und neugierig auf das, was noch kommt und das treibt uns an."

| Michaela Fischer


Daten + Fakten Delius

Delius GmbH & Co. KG
Goldstraße 16 - 18
33602 Bielefeld
+49 (0) 521 / 543-0
info@delius.de
www.delius.de

Gegründet: 1722
Geschäftsführung:
- Kai Hofmeister
- Dr. Marc Schmidt
Mitarbeiter: ca. 250
Sortiment:
- Objektstoffe
- Wandbeläge
- Technische Textilien
Marken und
Unternehmen:
Delius Holding GmbH,
dazu gehören
- Delius GmbH & Co. KG als Marke Delius
- Delcotex Delius Techtex GmbH& Co. KG als Marke Delcotex
Exportanteil:
- ca. 60% Delius
- ca. 50% Delcotex
Umsatz (2021)
- Delcotex: ca. 41 Mio. Euro
- Delius: ca. 22 Mio. Euro
"Wir sind ein resilientes Unternehmen"
Foto/Grafik: Delius | SN-Verlag
Bis heute ist der Hauptsitz der Delius Gruppe in der Goldstraße, mitten in Bielefelds Altstadt.
aus BTH Heimtex 07/22 (Wirtschaft)