Massive Umstrukturierungen am Stammsitz Aschendorf

Ado streicht 120 Arbeitsplätze - und wird trotzdem Unternehmen des Jahres 2007

Überraschend lud Ado Anfang April zu einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz ein. Hintergrund waren zwei Themen, wie sie kaum gegensätzlicher sein können: Zum einen war kurz zuvor bekannt geworden, dass das Unternehmen rund 20% seiner Arbeitsplätze streicht und die Garnproduktion am Standort Aschendorf einstellt, zum anderen wurde Deutschlands größter Gardinenhersteller von der Initiative "Ja zu Deutschland" zum "Unternehmen des Jahres 2007" gekürt. Die Geschäftsleitung tat ihr Bestes, diesen Spagat elegant zu absolvieren.

Nichts war vorher durchgesickert, noch auf der Heimtextil Anfang des Jahres in Frankfurt schien die (Ado-)Welt in Ordnung...dann meldete plötzlich Ende März NDR 1 Niedersachsen, dass das familieneigene und -geführte Unternehmen rund 120 von 700 Arbeitsplätzen am Stammsitz Aschendorf streicht und auch die dortige Garnproduktion einstellt. Gegenüber dem Sender sprach die Unternehmensleitung von einem "strategischen Maßnahmenpaket", um sich am Markt neu aufzustellen. Die Kündigungen sollten "sozialverträglich" erfolgen. Die beiden Ado-Inhaber, die Brüder Andreas und Klaus Wulf, bezeichneten sie als "schmerzhaftesten Verlust" in der über 50jährigen Firmengeschichte.

Ado-Geschäftsführer Heinz Otto Müller, 2004 geholt, um notwendige Veränderungsprozesse umzusetzen, ging auf einer eilends anberaumten Pressekonferenz mehr ins Detail. Danach erhalten im April tatsächlich 120 Mitarbeiter ihre Kündigung, davon rund 70 in der Garnabteilung, die wegen explodierender Energiekosten zum Jahresende geschlossen wird. "Strom und Gas sind in Deutschland teurer als der Lohn". Die anderen Stellen sollen in verschiedenen anderen Bereichen eingespart werden, von der Weberei über die Veredlung bis zur Lagerwirtschaft. "Wir haben den Fokus auf die Straffung der gesamten Organisation gelegt", Kernziel sei die Optimierung der kompletten Struktur von Ado, damit das Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig bleiben könne. Dafür hat man sich auch externe Berater zur Hilfe geholt.

Der Frage, ob die anderen Beschäftigten mittelfristig ihrer Arbeitsplätze sicher sein könnten, begegnete Müller ohne Umschweife: "Das kann ich redlicherweise nicht mit einem eindeutigen "Ja" beantworten..."

Spekulationen über weiteren Handlungsbedarf begegnete er mit dem Verweis auf die solide finanzielle Verfassung von Ado, belegt durch die hohe Eigenkapitalquote und absolut ausreichende Liquidität. Er betonte zudem, dass die Geschäftsführung alles daran setze, die Prozesse zu optimieren, um die restlichen 550 Stellen auch unter weiter steigendem Kosten- und Wettbewerbsdruck auf Jahre zu erhalten.

Eine Entscheidung über die Einrichtung einer Transfergesellschaft für die von der Entlassung Bedrohten sei noch nicht gefallen, die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Sozialausgleich im Gang, sozialverträgliche Kündigungen wurden zugesichert. Über den Verein "Wachstumsregion Ems-Achse", einem Zusammenschluss von Kommunen und Wirtschaftsunternehmen der Region, sind laut Geschäftsführer Hermann Wocken inzwischen schon mehr als 100 alternative Angebote zur Verfügung gestellt worden, auf die sich die Ado-Mitarbeiter bewerben könnten.

Dennoch: Die Stimmung bei Ado sei angespannt, ist aus dem Umkreis des Unternehmens zu hören, allerorten herrscht Unsicherheit, wer gehen muss und wer bleiben kann.

Die Geschäftszahlen 2007 seien jedenfalls kein Grund für die rigorosen Maßnahmen, versicherte Andreas Wulf auf der Pressekonferenz und verwies auf ein "gutes Plus" im Deko-Bereich. (Im vergangenen Jahr hatte Ado mit weltweit 1.400 Mitarbeitern 129 Mio. EUR umgesetzt, Anm. d. Redaktion) Man wolle hier weiter investieren, auch in neue Mitarbeiter, technisch sei Ado absolut auf der Höhe der Zeit. "Wir haben 2007 die neue Stickerei komplettiert, bis Mitte 2008 wird die gesamte Wirkerei neu aufgestellt." Außerdem soll über eine Forcierung des Lohngeschäftes die Auslastung verbessert werden.

Ins laufende Jahr ist Ado laut Wulf "gut gestartet mit Dekos", mit Zuwachsraten auch bei bewährten Artikeln. Noch für 2008 kündigte er eine Fortsetzung der Dekostoff-Offensive an und neue Konzepte für den Fachhandel an. Auch der Premium- und Luxuslevel würden weiterhin besetzt. "Wir arbeiten an einem Partnerkonzept, um den Fachhandel noch gezielter zu unterstützen, und wollen auch den Service für den Raumausstatter perfektionieren." So werde unter anderem das Konfektions-Angebot ausgebaut, um dem Raumausstatter eine "gewisse Flexibilität" zu bieten. "Ziel ist, auf weniger Fläche mehr Bewegung herzustellen."


Auf der Pressekonferenz ging es aber nicht nur um notwendige betriebswirtschaftliche Schritte und Schnitte, es gab auch einen positiven Anlass für die Einladung: Ado wurde von der Initiative "Ja zu Deutschland" zum "Unternehmen des Jahres 2007" gewählt. Damit wurde nach T-Shirt-Hersteller Trigema im Jahr 2006 zum zweiten Mal ein Textilproduzent geehrt.

Maßgeblich beeindruckt zeigten sich die Juroren von der hohen Innovationskraft und Erfindungsgeist des Familienunternehmens. Allerdings sei die Entscheidung für Ado gefallen, bevor die Stellen-Streichungen und die Einstellung der Garnproduktion bekannt gegeben worden waren, offenbarte Sascha Rabe als Sprecher der Initiative. Aufgrund der innovativen Produkte des Unternehmens, wie antibakteriellen oder Elektrosmog- abweisenden Stoffen, hätte die Jury aber auf jeden Fall Ado gekürt. Denn: "Ado ist ein Familienunternehmen, das sich seiner Verantwortung bewusst ist, auch wenn es schwieriger Entscheidungen bedarf."
aus BTH Heimtex 04/08 (Wirtschaft)