Uzin Utz AG: Ausstieg aus lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen 2011

Ohne Lösemittel Jubiläum feiern

Zum 100-jährigen Firmenjubiläum im Jahr 2011 will die Uzin Utz AG lösemittelhaltige Produkte aus dem Sortiment streichen. Noch gibt es bei den Ulmern insbesondere Parkett- und Kontaktklebstoffe mit Lösemitteln, die aber in den kommenden drei Jahren endgültig ersetzt werden sollen. Dr. Norbert Arnold, Leiter des Technischen Produktservices, nennt die Gründe für den Ausstieg.

Dr. Norbert Arnold ... zu lösemittelhaltigen Produkten auf dem Markt:

Fakt ist: Lösemittelfreie Verlegewerkstoffe erfüllen heute in allen Bereichen der Bodenverlegung und der zugehörigen Untergrundvorbereitung in hervorragender Weise die jeweiligen Anforderungen nach dem Stand der Technik. Fakt ist aber auch: Obwohl lösemittelhaltige Produkte aus Arbeits- und Umweltschutzgründen generell als kritisch anzusehen sind, gibt es nach wie vor bestimmte Einsatzgebiete, in denen sie noch in nennenswerten, teils sogar erheblichen Mengen verwendet werden. Die häufigsten Gründe hierfür sind eingefleischte Verwendergewohnheiten, mangelnde Kenntnisse über die Eigenschaften der Ersatzstoffe oder eben schlichtweg der Preis. Ohne einschneidende gesetzgeberische Maßnahmen wird es auch mittelfristig noch eine erhebliche Nachfrage nach lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen geben. Dazu kommt, dass auch die Arbeitsschutz-Einschränkungen in der Praxis leider meist nicht hundertprozentig so umgesetzt werden, wie es der Gesetzgeber empfiehlt.

Die bauchemische Industrie unterstützt aber grundsätzlich den vollständigen Ausstieg aus lösemittelhaltigen Produkten. Dem bestehenden Nachfragesog aus dem Markt können sich die einzelnen Hersteller allerdings nicht vollständig entziehen und führen daher auch weiterhin diese Produkte in ihrem Sortiment. Allerdings weisen praktisch alle Anbieter auf die mit den Lösemitteln verbunden Gefahren sehr deutlich hin und fördern den gewollten Ausstieg durch intensive Schulungsmaßnahmen.

... zu noch bestehenden Einsatzbereichen von Lösemittel-Produkten:

Beim Kleben von Parkett mit Hilfe der stark lösemittelhaltigen Kunstharzklebstoffe wird das größte Volumen an Lösemitteln eingesetzt. 2003 wurden noch mindestens zwei Drittel der verlegten Parkettflächen mit Kunstharzklebstoffen geklebt; im Laufe dieses Jahres dürfte dieser Anteil auf circa ein Drittel zurückgehen, was einem Verbrauch von noch etwa 5.000 bis 6.000 Tonnen Kunstharzklebstoffen in Deutschland entspricht. Bei einem mittleren Lösemittelgehalt von circa 20 Prozent entspricht dies mehr als 1.000 Tonnen an reinen Lösemitteln.

... zu Gründen für den Lösemittel-Rückgang:

Das hängt mit überzeugenden technischen Alternativen zusammen. Und natürlich der weiter steigenden Sensibilität und dem immer größeren ökologischen Bewusstsein der Endverbraucher gegenüber Lösemitteln. So ist der beachtliche Erfolg der letzten Jahre vor allem der weitgehenden Etablierung der 1K-PUR- und MS-Klebstoffe als technisch gleichwertige Alternativen zu den lösemittelhaltigen Klebstoffen zu verdanken. Ein Wermutstropfen ist allerdings: Die eingesetzten Rohstoffe bedingen, dass sie preislich erheblich über den Kunstharzklebstoffen angesiedelt sind. Es wäre daher blauäugig anzunehmen, dass sie mittelfristig die Kunstharzklebstoffe komplett ablösen werden. Seit circa 2005 werden auch Kunstharzklebstoffe mit verringertem Gefährdungspotenzial für den Verarbeiter angeboten (die so genannten S 0,5-Klebstoffe). Dies sind Klebstoffe mit speziell ausgesuchten und mengenmäßig reduzierten Lösemittelgemischen.

Die Frage ist, ob diese neue Klasse von immer noch stark lösemittelhaltigen Klebstoffen ein Fortschritt ist oder eventuell nur die Hemmschwelle zum Einsatz dieser Produkte senkt. Das wird in Fachkreisen zum Teil heftig diskutiert. Beim Endkunden provozieren sie auch eher eine Verunsicherung, da in seiner Wahrnehmung Lösemittel gleich Lösemittel sind. Er kann und möchte nicht entsprechend differenzieren und es ist für ihn nicht transparent, was da in Herstellerkreisen "vor sich geht". Hier bezieht Uzin eindeutig Position: Das entsprechende Produkt, Uzin MK 77, wurde komplett gestrichen. Darüber hinaus reduzieren wir das noch bestehende restliche Sortiment an Lösemittel-Klebstoffen von drei auf ein Produkt. Diesen Schritt, auf den mit Sicherheit weitere folgen, machen wir bewusst auf dem Weg zum endgültigen Abschied von Lösemittel-Produkten.

Das zweite große Feld sind die Kontaktklebstoffe: Nach den Kunstharz-Parkettklebstoffen stellen die lösemittelbasierten (Neopren -)Kontaktklebstoffe, die mengenmäßig zweitgrößte Gruppe von lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen. Obwohl technische Alternativen auf Wasserbasis zur Verfügung stehen, ist die Marktverbreitung leider nur von untergeordneter Bedeutung. Ihr Anteil dürfte, trotz teilweise intensiver Propagierung durch die Hersteller, noch unter 10% betragen. Die seit 2005 angebotene neue Technologie der Druck-Kontaktklebstoffe konnte diese Situation nicht grundlegend ändern. Diese wasserbasierte Klebstoffgeneration ist leistungsmäßig den herkömmlichen (Neopren-)Klebstoffen mindestens gleichwertig. Uzin hat mit der Einführung von Uzin DK 700 auch wieder einen Schritt in Richtung Lösemittelausstieg gemacht.

Eine kleine Hemmschwelle für die Anwendung dieser Produkte sind allerdings Anpassungen im Arbeitsablauf. Für aufgeschlossene Verarbeiter ist das ein untergeordnetes Problem, eingefleischte (Neopren-)Fans tun sich aber mit dem Umschwenken und den Änderungen ihrer Gewohnheiten offensichtlich schwer und wir generieren leider nicht die gewünschten Absatzmengen. Trotz der eher ernüchternden Bilanz forciert Uzin aber auch bei den Kontaktklebstoffen den Lösemittel-Ausstieg durch entsprechende Sortimentsmaßnahmen. 2008 wird eine von zwei Produktlinien ganz gestrichen (Uzin GN 276), bei der zweiten (Uzin GN 222) werden die angebotenen Gebindevarianten reduziert.

... zu konkreten Maßnahmen hinsichtlich des Abschieds von Lösemittel-Produkten:

Heute tragen die lösemittelhaltigen Parkettklebstoffe nur noch ca. 20 % zu unserem Gesamtabsatz an Parkettklebstoffen bei; wir liegen damit erheblich niedriger als der Gesamtmarkt mit seinen immer noch 35 %. Die vorgestellten Schritte werden dem Ausstieg weiteren Schub geben - auch ohne gesetzliche Regelung: So hat Uzin als erster Anbieter den Ausstieg aus den Lösemittelprodukten zum strategischen Unternehmensziel erklärt.

... zu weiteren lösemittelhaltigen Produkten in der Bodenverlegung:

Häufig wird bei der Betrachtung der Lösemittelproblematik ausschließlich auf die Klebstoffe abgezielt, doch spielen auch die zugehörigen Grundierungen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Grundierungen werden bei circa 80 bis 90% der mit Kunstharzklebstoffen geklebten Parkett-Flächen eingesetzt und ihre Verbrauchsmengen betragen nur etwa 100 bis 150 g/qm. Aber sie tragen aufgrund ihres relativ hohen Lösemittelgehalts von etwa 80% dennoch erheblich zur Lösemittelbelastung bei. Die Industrie unternimmt hier aktuell große Anstrengungen, technisch und preislich konkurrenzfähige Produkte bereit zu stellen. Leider sind aber die rohstoffbedingten, preislichen Unterschiede zwischen lösemittel- bzw. reaktionsharzbasierten Produkten in diesem Anwendungsbereich eher noch größer als bei den entsprechenden Klebstoffen.

... zur Entwicklung in der Fußbodenbranche:

Für mich ist es eindeutig, dass im Grunde eigentlich alle beteiligten Gruppen, Verarbeiter, herstellende Industrie und auch die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen, den möglichst raschen Ausstieg aus den lösemittelhaltigen Produkten wollen. In vielen Fachdiskussionen wird zum Teil heftig gefordert, diese problembehafteten Produkte überhaupt nicht mehr anzubieten. Die angeblich wirtschaftlichen Zwänge haben den Ausstieg allerdings leider bis heute verhindert.

... zu Wünschen für die Branche bzw. den Wettbewerb:

Die Nachfrage nach Lösemittel-Produkten soll zurückgehen und der Absatz an Alternativprodukten soll sich entsprechend erhöhen. So würden wir uns freuen, wenn die Verarbeiter unsere Philosophie akzeptieren würden und eines Tages auch zu honorieren wüssten. Bei innovativen Schritten ist meistens der Wunsch groß, einen möglichst großen Vorsprung vor dem Wettbewerb zu erzielen. Im vorliegenden Fall sind die Verhältnisse allerdings umgekehrt. Uzin wünscht sich, dass möglichst viele Mitbewerber möglichst schnell diesem Schritt folgen werden.

... zu Auswirkungen auf die Produktionsanlagen und -kapazitäten bei Uzin:

In punkto Ökologie sind wir grundsätzlich der Meinung, dass die komplette Herstellungskette im Mittelpunkt stehen muss, also von der Gewinnung der Rohstoffe, über deren Verarbeitung bis hin zur Logistik. Diese Sichtweise ist neu für uns und wir stecken derzeit mitten im Optimierungsprozess. Dabei ist das Thema Glaubwürdigkeit enorm wichtig und darf nicht eine reine Marketingaktion sein.

Ein Resultat: Beim geplanten anstehenden Ausbau unserer Klebstoffproduktion werden Lösemittel nicht mehr berücksichtigt. Einen angenehmen Bei-Effekt hat das auch, nämlich die positiven Folgen auf die Genehmigungsprozesse. Die Strategie erleichtert uns hier viele Schritte.
aus FussbodenTechnik 04/08 (Wirtschaft)