BTH Heimtex-Interview mit ZVR-Präsident Norbert Berndt:

"Der Meisterbrief bleibt der Königsweg für den Raumausstatter"

Die Umsätze im Raumausstatter-Handwerk stagnieren. Die Situation in der Baubranche macht es den Handwerksbetrieben nicht leicht. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sich gerade jetzt günstig zu positionieren - durch hohe Qualität und exzellenten Service. BTH Heimtex sprach mit ZVR-Präsident Norbert Berndt über die Stimmung in der Branche, über Perspektiven und Chancen für die Zukunft.

BTH Heimtex: Wie ist das erste halbe Jahr im Raumausstatter-Handwerk gelaufen?

Berndt: Das erste halbe Jahr ist eigentlich so gelaufen, wie das letzte Jahr aufgehört hat. Bei den meisten hat sich im Juni gezeigt, dass die Umsatzprognose nicht ganz gestimmt hat. Der Umsatz ist nicht gestiegen, sondern bei rund 40% der Befragten etwa gleich geblieben. Rund 30% hatten eine leichte Umsatzsteigerung. Im Schnitt hat sich also gegenüber 2007 nichts getan.

BTH Heimtex: Haben vorwiegend die Raumausstatter mit hohem Umsatz oder auch solche mit niedrigerem Umsatz zugelegt?

Berndt: Vorwiegend Betriebe mit einem Jahresumsatz zwischen 200.000 und 500.000 EUR. Also Betriebe mit etwa sechs Mitarbeitern.

BTH Heimtex: Wie ist denn die Stimmung unter den Mitgliedsfirmen?

Berndt: Die, die sich rechtzeitig mit der neuen Situation abgefunden und sich vernünftig positioniert haben, sind gut drauf. Und dann haben wir natürlich diejenigen, die nach wie vor bejammern, dass der Meisterbrief weg und die Situation am Markt nicht so einfach ist. Die sind weiterhin sehr pessimistisch. Obwohl es immer mehr optimistische Kollegen gibt.

BTH Heimtex: Ist der Unterschied Meisterbrief - nicht Meisterbrief denn wirklich ein so gravierender Einschnitt im Geschäftsalltag gewesen?

Berndt: Der Endverbraucher hat das - so weit ich das einschätzen kann - noch gar nicht so richtig mitgekriegt. Der setzt nach wie vor voraus, dass er vernünftige, qualitativ hochwertige Arbeit kriegt, wenn er zum guten Raumausstatter geht.

BTH Heimtex: Und wenn er bei einem weniger guten Raumausstatter enttäuscht wird, geht er da doch nie wieder hin.

Berndt: Dann geht er da entweder nicht wieder hin, oder er wollte von vornherein einen günstigen. Aber das hat nicht unbedingt etwas mit dem Wegfall des Meisterbriefes zu tun. Sondern der Pessimismus ist dann darin zu suchen, dass wir mit einem Mal 18.000 Raumausstatter bundesweit haben, von denen gut 8.000 Meisterbetriebe sind. Von dem Rest sind gut 90% ohne Qualifikation selbständig, die sorgen natürlich für Unruhe am Markt. Zum einen machen sie schlechte Arbeit - damit schaden sie dem Ruf des Raumausstatters. Zum anderen machen sie auch die Preise ein bisschen kaputt.

BTH Heimtex: Aber ich kann doch auch bei einem Gesellen, der keinen Meisterbrief hat, gut bedient werden, oder? Ihr Geselle etwa arbeitet doch auch qualitativ hochwertig ohne Meisterbrief.

Berndt: Natürlich. Als Abgrenzungskriterium halte ich einen Meisterbrief für absolut nicht notwendig. Wir sehen es ja in den Nachbarländern. Die Schweiz etwa hatte noch nie einen Meisterbrief. Und da gibt es diese Einbrüche nicht. Der Meisterbrief ist aus meiner Sicht notwendig, wenn der Raumausstatter nach wie vor im gehobenen Feld arbeiten oder dorthin kommen will. Denn im Mittelfeld, im klassischen Baumarktbereich, haben wir keine Chance zu konkurrieren. Und für den gehobenen Bereich, der Fortbildungen und exzellentes Fachwissen erfordert, ist der Meisterbrief nach wie vor notwendig, meiner Ansicht nach. Das ist der Königsweg und bleibt es auch. Denn das Wort "Meister" hat als solches ja immer noch ein ganz hohes Ansehen beim Endverbraucher.

BTH Heimtex: Wie sehen denn die konjunkturellen Aussichten für den Rest des Jahres aus?

Berndt: Da bin ich weniger optimistisch. Die aktuellen Konjunkturumfragen weisen darauf hin, dass die Umsätze nicht weiter steigen, sondern auf dem derzeitigen Level bleiben. Zumindest wird das befürchtet. Und wenn man den Nachrichten zum Thema Baukonjunktur Glauben schenken darf, dann sieht es auch so aus, als wenn das zarte Pflänzchen schon wieder trocken gegossen ist. Zeitversetzt wird das auch in der Raumausstatterbranche ankommen. Die hohen Rohstoffpreise tun dann noch ihr Übriges.

BTH Heimtex: Es gibt einige herausragende Erfolgsgeschichten im Raumausstatter-Handwerk. Unter welchen Bedingungen kann man es heute schaffen, sich am Markt zu etablieren?

Berndt: Die Erfolgreichen arbeiten in aller Regel in losen Kooperationen mit anderen Gewerken, bieten dem Endverbraucher interessante Events im eigenen Geschäft und eine Fülle an Informationen, die das Kaufen zum Erlebnis werden lassen. Und was wichtig ist: Sie bieten einen Komplettservice. Damit haben auch wir sehr gute Erfahrungen gemacht: dass wir dem Kunden das Renovieren von A bis Z anbieten, von uns koordiniert und mit verschiedenen Gewerken durchgeführt. Sodass der Endverbraucher vom Raumausstatter fast eine architektonische Leistung bekommt. Die Betriebe, die das leisten können - das sind diejenigen, die erfolgreich sind.

Dafür muss man allerdings Mitarbeiter schulen und sich selbst natürlich weiterbilden lassen, immer auf dem neusten Stand sein. Und man braucht Durchhaltevermögen, um irgendwann ernten zu können, was man gesät hat. Unsere Leute gehen regelmäßig zu Fortbildungen.

BTH Heimtex: Zu welchen Maßnahmen der Kundenbindung raten Sie?

Berndt: Möglichkeiten der Kundenbindung sind persönliche Mailings und das Nachfassen: Angebotsnachfassung und Auftragsnachfassung. Man kann zum Beispiel telefonisch nachfragen, ob ein Kunde zufrieden war, und sich auch ein Jahr später noch einmal melden. Auch Events, wie wir sie machen, sorgen für gute Kontakte. Dafür muss man den eigenen Adressen-Pool gut pflegen, um auch gezielt bestimmte Kundengruppen ansprechen zu können.

Vom Verband aus werden wir jetzt ein Kundenbewertungsprofil anbieten: QiH heißt das System, das steht für "Qualität im Handwerk". Der ZVR lässt es von einer unabhängigen Agentur durchführen. Die Kollegen, die mitmachen, zahlen einen Grundbeitrag und kriegen dafür Bewertungskarten mit einfachen Ankreuzfragen zur Kundenzufriedenheit.

Die Karten sollen vom Kunden ausgefüllt und abgegeben werden - aber nicht beim Raumausstatter selbst, sonst wäre die Hemmschwelle zu hoch. Stattdessen gehen die Karten an eine neutrale Stelle, die dann die Auswertung vornimmt und sie an den betreffenden Raumausstatter weiterleitet. Gut wäre, wenn möglichst viele mitmachen. Dumm ist, wer es nicht tut.

Wenn ein Betrieb im Quartal eine bestimmte Anzahl guter Bewertungen erhält, wird diesem Betrieb in Anwesenheit der Lokalpresse ein Qualitätssiegel überreicht. Dieses Qualitätszeichen hat ein Raumausstatterlogo und darunter steht: "Vom Kunden bewertet mit sehr gut." Und dieses "sehr gut" - das die Stiftung Warentest in ähnlicher Form verleiht - gibts als Aufkleber. Damit ist es ein guter Werbeträger.

Aber selbst wenn die guten Bewertungen ausbleiben, bekommt der teilnehmende Betrieb wenigstens ein vernünftiges Feedback für seine Arbeit. Dann weiß ich wenigstens, wos bei mir im Argen liegt. Was ich als äußerst vorteilhaft empfinde, ist, dass der Betrieb jeweils selbst entscheiden kann, ob die Bewertung publik gemacht werden soll oder nicht.

Wir werden das Konzept übrigens auf der Ordermesse in Dortmund vorstellen, und zum Ende des Jahres sind die ersten Auswertungen da. Danach läuft es natürlich weiter.

BTH Heimtex: Wie sollte ein Raumausstatter seine Stärke demonstrieren, womit kann er aus Ihrer Sicht erfolgreich Reize setzen, um den Kunden zum Kauf zu animieren? Ist Luxus eine Chance?

Berndt: Ja, Luxus ist eine Chance. Daraus folgt, dass ich meine Stärken in Szene setzen muss. Wenn ich in die gehobenere Mittelklasse kommen will, dann muss ich mich entsprechend aufstellen. Dafür reicht es nicht, nur gut zu arbeiten und preiswert anzubieten. Viele Normalkunden sind stolz darauf, sich uns leisten zu können. Viele sparen darauf, zu uns zu kommen, sprechen es auch vorher an. Und es ist uns allemal lieber, das im Vorfeld abzuklären und dann solche Kunden mit Luxus zu bedienen, den sie sich eigentlich nicht leisten können, als dass wir abrutschen und versuchen, mit irgendwelchen Discountern mitzuhalten.

So wie ich mich anziehe, werde ich auch angesehen. Ich würde jedem Raumausstatter empfehlen, sich einmal draußen vor das Geschäft zu stellen und die Dekoration anzuschauen. Und sich dann zu fragen: Warum soll ich als Kunde jetzt ausgerechnet da reingehen? Und entweder stelle ich mich günstig oder wertig dar.

BTH Heimtex: Wie sollte der Raumausstatter denn seine Stärke kommunizieren?

Berndt: Prinzipiell ist es wichtig, konsequent einen Weg zu gehen. Werbung muss eine gewisse Kontinuität haben. Man kann auf die regionale Tageszeitung oder auf Telefonverzeichnisse und Gelbe Seiten setzen. Verkaufsaktionen und Events im eigenen Haus schaffen Kundennähe. Wichtig ist auch die Homepage - die halte ich inzwischen für unverzichtbar. Werbebriefe, sprich Mailings, sind kostengünstig für den Betrieb, wenn man ein vernünftiges Adressen-Verwaltungssystem hat. Und Mund-zu-Mund-Propaganda ist unerlässlich - aber die kann man nicht steuern. Wenn man schlecht ist, spricht sich das schneller rum, als wenn man gut ist.

BTH Heimtex: Inwieweit verändert sich das Berufsbild des Raumausstatters?

Berndt: Wir haben jetzt die Berufsbilder komplett neu gestaltet. Interessant ist, dass der Raumausstatter sich mit den neuen Medien befassen muss. Das tut er auch in Zukunft, wenn er die Meisterprüfung macht - er muss sich mit den kaufmännischen Bereichen viel stärker auseinandersetzen als bisher, und er muss lernen, nicht nur Handwerker zu sein, sondern auch Event-Manager, Geschichten-Erzähler und Inneneinrichter. Man muss dem Kunden das Erlebnis bieten, das er erwartet.

Manch einer sollte sich überlegen, einen Mitarbeiter fürs Handwerk einzustellen und sich dafür diesen anderen Sachen zu widmen. Der Kunde erwartet, dass er etwas Besonderes erlebt, wenn er zum Raumausstatter geht - wenn es ein hochwertiger Kunde ist. Man kann sich diesen Herausforderungen stellen, indem man sich auf den Kunden einstellt, ein großes Fachwissen hat, zu erzählen lernt und sich auch mit verschiedenen Themen wie etwa Reitsport oder Fußball auskennt. Ein umfassendes Allgemeinwissen hat.

BTH Heimtex: In welchen Segmenten sehen Sie Zukunftschancen, wo sehen Sie lukrative Betätigungsfelder? Wo sehen Sie neue Absatzmärkte, etwa beim Energieberater?

Berndt: Wenn ich mich mit dem Thema befasse, kann ich hier sicherlich neue Umsätze generieren. Natürlich kann ich nicht damit werben, dass ich der Energiefachmann schlechthin bin. Aber es ist ein Thema, das funktioniert. Zum Beispiel kann man im Bereich der Wandbespannungen, die zaghaft wieder an Beliebtheit gewinnen, Energie einsparen. Und im Bereich der Fensterdekoration sowieso, etwa mit vernünftigen Übergardinen. Man muss es nur kommunizieren.

BTH Heimtex: Aber wer kommuniziert das? Ich kenne keinen Raumausstatter, der damit wirbt.

Berndt: Die Überzeugungsarbeit liegt in den Einzelgesprächen, die im Geschäft stattfinden. Es ist ganz, ganz schwierig, den Endverbraucher für solche Themen zu sensibilisieren. Die müssten viel, viel stärker bei der Publikumspresse über die Hersteller thematisiert werden, damit die Leute überhaupt darauf kommen, beim Fachhandel danach zu fragen.

BTH Heimtex: Welche Messen sollte der Raumausstatter aus Ihrer Sicht besuchen?

Berndt: Frankfurt ist unerlässlich. Wenn man sich in Frankfurt einfach treiben lässt und die Stimmung einfängt, kann man sich gut motivieren. Das Gleiche gilt für die Domotex. Für den Westen ist die Ordermesse Dortmund interessant, die unheimlich kompakt ist und wo eben geordert wird. Hier kann man innerhalb von einem halben Tag jeden treffen, sein Ding erledigen und ein bisschen schwätzen. Am Stand des Landesinnungsverbands treffen sich die Kollegen. Das geht ja nur regional. Deswegen halte ich die Leipziger Messe auch für wichtig. Wir hoffen ja, dass sie in diesem Jahr ein bisschen Aufschwung dadurch kriegt, dass wir da den Jungmeister-Kongress veranstalten.

BTH Heimtex: Haben Sie Wünsche an die Hersteller?

Berndt: Ja, die habe ich schon. Zum Beispiel wünsche ich mir, dass noch mehr Hersteller die Notwendigkeit sehen, das Handwerk und auch die Verbandsebenen zu unterstützen. Zum Beispiel durch Projekte und Fortbildungen, die motivieren und animieren - auch zum Thema Betriebsübernahme. Das passiert zwar schon, aber es dürfte noch mehr sein. Wir haben natürlich unsere etablierten Unterstützer, allen voran MHZ und Jab, Teba und Jordan.

Als ZVR-Präsident kann ich nur um Unterstützung bitten. Der Organisationsgrad lässt nach bei uns. Und ich halte es schon für sehr wichtig, dass wir als Berufsgruppe existent bleiben und uns nicht in tausende von Einzelkämpfern auflösen. Betrieblich würde ich mir außerdem wünschen, dass die Raumausstatter von Zulieferern in Reklamationsfällen nicht so lange sitzen gelassen werden.
aus BTH Heimtex 11/08 (Wirtschaft)